Probabilismus

[361] Probabilismus (neulat., Wahrscheinlichkeitslehre) heißt im philosophischen Sprachgebrauch die Lehre, wonach keinerlei Erkenntnis auf vollkommener Gewißheit, sondern höchstens auf einem hohen Grade von Wahrscheinlichkeit beruht. In der katholischen Moraltheologie versteht man unter P. die Lehre, wonach man im Zweifel über die Erlaubtheit oder Unerlaubtheit einer Handlung der minder sichern, aber durch probable Gründe zu stützenden Meinung auch dann folgen darf, wenn sie weniger probabel ist. Dieser durch die Jesuiten vertretenen, durch laxe Anwendung (Laxismus) in Verruf geratenen und durch Pascal (s. d.) öffentlich bloßgestellten Lehre setzten vornehmlich die Dominikaner den Probabiliorismus (Tutiorismus) entgegen, wonach man der minder sichern Meinung nur folgen darf, wenn sie probabler ist als die entgegengesetzte. Alfons v. Liguori (s. d.), der anfänglich dem P. huldigte, und nach ihm die Redemptoristen lehren den Äquiprobabilismus, wonach die minder sichere Meinung gleich probabel wie die entgegengesetzte sein muß. Vgl. Döllinger u. Reusch, Geschichte der Moralstreitigkeiten in der römischen Kirche seit dem 16. Jahrhundert (Nördl. 1889, 2 Bde.); F. ter Haar, Das Dekret des Papstes Innozenz XI. über den P. (Paderb. 1904); Lehmkuhl, P. vindicatus (Freiburg 1906).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 361.
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