Wetter

Zur Erklärung der Wetterkarten.

Zur Anfertigung der Wetterkarten werden die Witterungserscheinungen, die gleichzeitig auf einem größern Gebiete stattfinden, durch vereinbarte Zeichen in eine geographische Karte eingetragen, um ein übersichtliches Bild des Witterungszustandes zu erhalten. Da in Europa die Deutsche Seewarte in Hamburg (s. Seewarte) das reichhaltigste Material bei der relativ besten Verteilung der Stationen besitzt, so mögen als Beispiel die Einrichtungen der Deutschen Seewarte dienen. Aus dem Gebiet von Island-Bodö bis Sizilien und von Irland bis Moskau erhält die Seewarte telegraphisch die täglichen Beobachtungen von 33 deutschen und 87 ausländischen Stationen. Die Telegramme bringen nach internationalem Schema Luftdruck, Windrichtung und Stärke, Temperatur und Wetter für den Abend des vorhergehenden Tages und außerdem für 8 Uhr (bei den ausländischen Stationen zum Teil für 7 Uhr) morgens; letzteren Werten sind noch die relative Feuchtigkeit, die Regenmenge, der Seegang und die Temperaturextreme für die letzten 24 Stunden, bei den deutschen Stationen auch noch der vorherrschende Himmelszustand (Wolkenform) und der Zug der obern Wolken hinzugefügt. Von diesen 120 Stationen senden endlich noch 23 (13 deutsche und 10 ausländische) die Werte der meteorologischen Elemente auch für 2 Uhr nachmittags ein. Danach werden vier Karten gezeichnet: zwei größere für 8 Uhr morgens des laufenden Tages und zwei kleinere für 2 Uhr nachmittags und 8 Uhr abends des vorhergehenden Tages. Von ersteren enthält die eine Karte den Luftdruck, dargestellt durch die Isobaren (von 5 zu 5 mm) für den auf 0° und das Meeresniveau reduzierten Barometerstand, sowie die Änderung des Luftdrucks seit dem Vorabende durch die Wörter »gefallen«, »gestiegen«, die Form der atmosphärischen Niederschläge, den Wind (Richtung und Stärke) und die Größe der Bewölkung, während in der andern die Temperatur durch die Isothermen (von 5 zu 5°), die Änderung der Temperatur in den letzten 24 Stunden durch die Wörter »kälter«, »wärmer«, die Größe der Niederschläge und der Seegang angegeben ist. Von den beiden kleinern Karten für 2 Uhr und 8 Uhr nachmittags des Vortages enthält jede die Isobaren, die Richtung und Stärke des Windes, den Grad der Bewölkung, die Temperatur und die Form des Niederschlags. Bei dem Eintragen der Witterungstelegramme in die Karten wird zunächst jede Station durch einen kleinen Kreis bezeichnet. Ein in dem Stationspunkt endender Pfeil gibt die Richtung des Windes so an, daß der Pfeil mit dem Wind fliegt. Die Windstärke wird durch die Befiederung des Pfeiles ausgedrückt, wobei eine Fieder einen schwachen Wind und sechs Fiedern einen Orkan bedeuten (halbe Beaufort-Skala); halbe Fiedern bezeichnen Zwischenstufen. Bei der Bewölkung bezeichnet ein unausgefüllter Ring wolkenlosen und ein ausgefüllter völlig bedeckten Himmel. Die Hydrometeore werden durch die meteorologischen Zeichen (s.d.), die Regenhöhe durch Punkte eingetragen; dabei bedeutet ein Punkt einen Regenfall in 24 Stunden von 1–5 mm, zwei Punkte von 6–10 mm, drei Punkte von 11–20 mm und vier Punkte von über 20 mm Höhe. Auf Grund dieser Karten und der bisherigen Änderung der Wetterlage wird die Vorhersage für den nächsten Tag aufgestellt. Die Karten und eine tabellarische Übersicht können schon jeden Tag bald nach 10 Uhr vormittags versandt werden.

Außerdem ist die Deutsche Seewarte die telegraphische Zentrale für den öffentlichen Wetterdienst im Deutschen Reich und übermittelt die Beobachtungen sowie textliche Übersichten telegraphisch den Wetterdienststellen. Diese sind: Königsberg i. Pr., Bromberg, Breslau, Berlin, Ilmenau, Magdeburg, Hamburg, Aachen, Weilburg, Frankfurt a.M., Dresden, Straßburg i. Els., Karlsruhe, Stuttgart, München. Sie erhalten außer den Sammeldepeschen der Seewarte noch von andern deutschen Stationen Telegramme und Postkarten mit Wetternachrichten, die sie bei der Aufstellung ihrer Vorhersagen benutzen. Da keiner der den Wetterdienststellen zugeteilten Bezirke eine klimatische Einheit bildet, so ist jeder in eine Anzahl Unterbezirke zerlegt, für deren jeden, wenn nötig, eine besondere Vorhersage aufgestellt werden muß. Die Wetterkarten müssen seitens der Dienststellen um 11 Uhr vormittags versandt werden. Außerdem erhalten alle Telegraphen- und Postämter die Vorhersage zu öffentlichem Aushang; Privatpersonen können auf Wetterkarten und Telegramme sehr billig bei den Postanstalten abonnieren. Für jeden Kreis ist mindestens ein Landwirt als Vertrauensmann eingesetzt, der nach besonderm Schema das Eintreffen oder Fehlschlagen der Vorhersagen zu prüfen hat.

Unsre Wetterkarten, nach den Wetterkarten der Deutschen Seewarte vom 2. und 3. Sept. 1907 angefertigt, zeigen die Wanderung eines Hoch- und Tiefdruckgebietes und deren Bedeutung für das Wetter in Deutschland.

Am 2. Sept. früh war hoher Luftdruck ziemlich gleichmäßig über Mitteleuropa verteilt, mit einem Kern über Ostdeutschland. Dagegen lagen über Großbritannien und über Finnland Tiefdruckgebiete, deren ersteres im Zentrum weniger als 750 mm, deren letzteres unter 745 mm aufwies. Demzufolge herrschte über Ostdeutschland ziemlich heiteres Wetter mit schwachen Winden von verschiedener Richtung. Nur die Küsten und der Westen standen unter dem Einfluß des englischen und finnischen Minimums, weshalb im Westen südöstliche, an der Ostsee westliche Winde wehten. Da sie den Tiefdruckgebieten angehörten und dadurch aufsteigende Bewegung hatten, trat Verdichtung ihres Wasserdampfgehaltes und Wolkenbildung ein, wogegen im Hochdruckgebiet absteigende Luft Aufklären und heitern Himmel hervorruft. Aus diesem Grunde hat Ostdeutschland geringere Bewölkung (vgl. die Ortskreise) als das übrige Land. Entsprechend dem geringern oder größern Abstand der Isobaren und dem damit wechselnden Gradienten (Gefälle) zeigen die Fiedern der Windpfeile eine größere oder geringere Windstärke. Klar folgt auch aus der Windrichtung um die Minima herum das Buys-Ballotsche Gesetz (s. Wetter).

Zur Vorhersage des Wetters für den 3. September war vor allem zu beachten, daß der höhere Luftdruck und die höhere Temperatur südöstlich vom englischen Minimum lagen und dieses daher nach Nordosten wandern würde; da es außerdem höhern Druck über Jütland und Südskandinavien zu überwinden hatte, so war anzunehmen, daß es sich mit mäßiger Geschwindigkeit fortbewegen und sich dabei vertiefen würde. Die durchschnittliche Geschwindigkeit der Minima beträgt im September 28 km pro Stunde; nimmt man hier nur 25 km an, so kommt das Minimum in einem Tage 600 km weit, also ziemlich bis an die norwegische Küste. Unter Berücksichtigung der Windverhältnisse waren für Deutschland meist lebhafte Südwestwinde, nur im Osten mehr Südwinde und damit warmes, im Westen trübes, im Osten helleres Wetter vorauszusagen. Für die Nordseeküste stand heftiger Wind zu befürchten, weshalb eine Sturmwarnung auszugeben war, die auch am 2. um 121/4 Uhr erfolgte und zwar auch für die westliche Ostsee. Außerdem ließ das Teilminimum (Gewittersack) über Nordfrankreich für den Westen Gewitter erwarten.

Am 3. Sept. liegt tatsächlich das Minimum um 10 mm vertieft vor der norwegischen Küste, während das Maximum sich nach Rußland verlagert hat. In Westdeutschland wehen lebhafte Südwestwinde und bringen viel Wolken, während in Ostdeutschland der Wind kräftig aus Südost bläst und als Landwind trocken und ohne Wolken auftritt. Der Südwesten hatte allenthalben Niederschläge und vielfach Gewitter. Die Temperatur ist meist um 5° gestiegen. Beachtenswert ist die erwärmende und abkühlende Wirkung des Windes in der Umgebung des Minimums: auf seiner Südost- und Ostseite gehen die 10° und 15° Isothermen sehr viel weiter nach Norden als auf der Westseite (London und Stockholm haben fast gleiche Temperatur).


Wetterkarten nach den Wetterkarten der Deutschen Seewarte.
Wetterkarten nach den Wetterkarten der Deutschen Seewarte.

Wettervorhersage und Wetterschießen.

Wettervorhersage.

Will man das Wetter vorhersagen, so muß man zunächst die allgemeinen Ursachen kennen lernen und dann sehen, wie sie von örtlichen Verhältnissen beeinflußt werden. Für das Studium der allgemeinen Ursachen braucht man Beobachtungen aus einem großen Gebiet. Zuerst (Brandes 1820) stellte man aus vergangener Zeit den Witterungscharakter eines oder mehrerer Tage dar und erforschte seine Änderungen, 1841 schlug Kreil vor, den elektrischen Telegraphen zur Übermittelung der Beobachtungen zu benutzen. Der erste telegraphische Wetterbericht erschien in den ›Daily News‹ 1848, die erste Wetterkarte auf Grund telegraphischen Materials auf der Londoner Weltausstellung 1851. Jedoch gab erst der verlustreiche Sturm zu Balaklawa auf der Krim (1854) Anlaß zum amtlichen Studium der Wettervorhersage durch Leverrier; vom 16. Sept. 1863 ab gab er mit Marié-Davy täglich Wetterkarten aus. Die erste drahtlose Wetterdepesche wurde vom Schiff aus an den ›Daily Telegraph‹ 1904 gegeben. Gegenwärtig werden Wetterkarten herausgegeben amtlich in Hamburg, Chemnitz, München, Stuttgart, Karlsruhe, Straßburg, Aachen, Berlin, Bromberg, Königsberg i. Pr., Magdeburg, Weilburg etc., ferner in St. Petersburg, Wien, Budapest, Rom, Paris, London, New York, Tokio etc.; tägliche synoptische Wetterkarten für den Nordatlantischen Ozean, in Verbindung mit dem Dänischen Meteorologischen Institut von der Deutschen Seewarte. Über die Herstellung der Wetterkarten auf Grund der telegraphischen Berichte vgl. den Text zu beifolgender Tafel ›Wetterkarten‹.

Die Wettervorhersage an der Hand der Wetterkarten geschieht unter Benutzung einer großen Zahl von Erfahrungstatsachen über die Änderung des Wetters. Zunächst werden die Luftdruckverhältnisse untersucht, und zwar einerseits die Minima und Maxima und anderseits deren Lage zueinander und zum Beobachtungsort. Weiter wird die vergangene Luftdruckverteilung mit der gegenwärtigen verglichen, wobei die Temperatur- und Windverhältnisse zu beachten sind, und daraus der Schluß auf eine bevorstehende Änderung gezogen. Über das Wetter beim Vorübergang einer Depression kann man sich durch Textfigur S. 571 eine Vorstellung machen, über die Windverhältnisse gibt Fig. 4 im Artikel ›Wind‹ Auskunft.

Die Luftdruckminima haben meist elliptische Gestalt mit einer nach NO. weisenden Längsachse und wandern gern so, daß sie auf ihrer Bahn möglichst wenig Reibung finden, also über Wasserflächen. In Europa bevorzugen sie daher die norwegische Küste sowie die Nord- und Ostsee, in Nordamerika die großen Seen; deshalb konnte zuerst für letzteres Land 1874 Jackson, dann für Europa 1879 Köppen, später genauer van Bebber gewisse, besonders häufig durchzogene Bahnen (Zugstraßen der Minima) nachweisen. Über sehr großen, gleichförmigen Landflächen wie Rußland hat man solche ausgesprochene Bahnen nicht auffinden können. Für Mitteleuropa hat van Bebber folgende Zugstraßen aufgestellt, die in obenstehender Figur so wiedergegeben sind, daß der größern Breite und dunklern Schraffierung die größere Häufigkeit entspricht. Bei I und II ziehen Depressionen im N. von Mitteleuropa vorüber; bei III und IV liegt letzteres dem Kern der Depression sehr nahe, während für Vb nur Ostdeutschland und Österreich-Ungarn in Frage kommt. Am häufigsten wird I besucht, dann kommt IV, III und Vb. Im Winter werden Bahnen nach SO. (II, III, Va), im Sommer nach NO. (I, IV, Vb) bevorzugt. Depressionen der Zugstraße IIIa rufen im Isergebirge, solche der Bahn Vb im Riesengebirge, Westkarpathen und Ostalpen häufig schwere Überschwemmungen hervor; nur letztere Zugstraße ist bisher eingehend untersucht worden, und zwar durch Kaßner, der 1903 zeigte, daß diese Depressionen zur Zeit der Sonnenfleckenmaxima seltener, aber niederschlagsreicher als beim Fleckenminimum sind.

Tabelle

In Nordamerika ziehen Depressionen über die großen Seen dreimal häufiger als über andre Gegenden. Für das Fortschreiten gelten drei Regeln: Liegen hoher Druck und hohe Temperatur in gleicher Richtung von der Depression, so geht diese nahezu senkrecht zu jener Richtung weiter; liegen sie zu beiden Seiten und haben gleichen Einfluß, so wird die Bewegung verzögert oder gehemmt; hat aber die Temperatur oder der Luftdruck in diesem Fall einen größern Einfluß, so geht die Depression fast senkrecht zur Richtung dorthin weiter. Die Zuggeschwindigkeit beträgt durchschnittlich in Nordamerika 11,6 m in der Sekunde (42 km in der Stunde), in Japan 10,5 m (38 km), in Rußland 9,4 m (34 km), in Westeuropa 7,5 m (27 km), über dem Atlantischen Ozean 8,1 m (29 km). Landeinwärts nimmt Geschwindigkeit und Tiefe ab. Teildepressionen auf der Vorderseite der Hauptdepressionen bringen oft Gewitter, in Amerika Tornados, solche auf der Rückseite entwickeln sich meist zu selbständigen Sturmwirbeln mit reichlichem Regen. V-Depressionen bringen zuerst warmen Wind und starken Regen, dann kalte Böen.

Für die Antizyklonen kennt man keine Zugstraßen; ihre Geschwindigkeit ist kleiner (Nordamerika 10,7 m, Europa 7,1 m), und zwar in Europa am kleinsten im Winter, in Nordamerika im Sommer. In Hochdruckgebieten sinkt die Luft herab, wird komprimiert und entfernt sich vom Kondensationspunkt, daher herrscht in ihnen heiteres Wetter. Die Folge davon ist im Sommer starke und lange Einstrahlung, nachts kurze Ausstrahlung, deshalb starke Erwärmung der untern Luftschichten und Bildung von labilem Gleichgewicht. Sobald die Abnahme der Temperatur nach oben für je 100 m 3,5° erreicht, beginnt die untere Luft emporzusteigen; tritt dieser Umschwung rasch ein, so sind besonders günstige Bedingungen zur Gewitterbildung (Wärmegewitter) vorhanden. Für den Winter aber ergibt sich kurze Einstrahlung und lange nächtliche Ausstrahlung, somit starke Erkaltung und stabiles Gleichgewicht; das aber ist günstig für eine lange Erhaltung dieses Zustandes. Hitzeperioden dauern daher nicht so lange wie Frostperioden. Man spricht in solchen Fällen von der Erhaltungstendenz des Wetters: hat das gleiche Wetter eine gewisse Zeit lang geherrscht, so ist große Wahrscheinlichkeit, daß es noch einige Zeit andauern wird.

Die Erhaltungstendenz des Wetters hat den ersten Schritt zur Wettervorhersage auf längere Zeit gebildet. Man hat statistisch festgestellt, wie oft ein bestimmter Witterungscharakter eines Monats oder einer Jahreszeit auch in den nächsten Monaten oder Jahreszeiten anhielt. So fand Hellmann, daß in Berlin einem sehr milden Winter ein warmer Sommer, einem sehr kalten Winter ein sehr kühler Sommer und einem sehr warmen Sommer ein kalter Winter zu folgen pflegt. Das sind aber nur Wahrscheinlichkeitsschlüsse, welche die wirkenden Ursachen nicht erkennen lassen. Über die wahren Ursachen der Wetteränderung wird sich so lange nichts sagen lassen, als nicht tägliche Beobachtungen aus den Tropen und aus den höhern Atmosphärenschichten vorliegen; in letzterer Hinsicht hat das preußische aeronautische Observatorium seit 1902 den Anfang gemacht, aber das ist nur ein Punkt der Atmosphäre, und es bedarf weiterer Ausdehnung dieses Verfahrens über Europa und den Nordatlantischen Ozean. Trotzdem aber bis jetzt Erfahrungen größtenteils nur aus Beobachtungen an der Erdoberfläche und wenigen Höhenobservatorien gesammelt werden konnten, so genügen sie doch schon zu wichtigen Schlüssen. Besonders hat sich gezeigt, daß gewisse Hoch- und Tiefdruckgebiete der Erde für das Wetter von besonderer Bedeutung sind. Über den Einfluß dieser Aktionszentren der Atmosphäre auf das Wetter von Mitteleuropa vgl. die Textbeilage zur ›Klimakarte von Deutschland‹, Bd. 4. Teisserenc de Bort stellte auch gewisse für unsern Winter charakteristische Wetterlagen auf (Wintertypen); ähnlich fand van Bebber fünf Hauptwetterlagen, je nach der Lage des Hochdruckgebietes zu Mitteleuropa. Aus der Kombination dieser Erfahrungstatsachen kann man unter Umständen Wahrscheinlichkeitsschlüsse auf mehrere Tage voraus ziehen, für längere Zeit aber noch nicht. Man hat auch versucht, aus der größern oder geringern Zahl der Eisberge bei Neufundland, also an der Straße der von Amerika herüberkommenden Depressionen, den kommenden Witterungscharakter (kühl oder heiß, feucht oder trocken) vorauszusagen, ohne aber nennenswerte Erfolge zu erzielen; im Gegenteil fand man, daß die Eisverhältnisse nicht Ursache, sondern Folge der besondern Luftdruckverteilung bei Island sind. Früher glaubte man auch an eine direkte Erwärmung Nordwesteuropas durch den Golfstrom und nannte ihn geradezu die Warmwasserheizung Norwegens; indessen ist diese Erwärmung nur gering gegenüber der durch den Wind. Infolge der Wärme des Golfstromes entsteht in der Nähe Islands ein aufsteigender Luftstrom, dem unten Ersatzluft zuströmt; es entwickelt sich hier eine Depression, die an der Südostseite Südwestwinde erhält. Diese bringen milde Luft, beschleunigen den Golfstrom und treiben sein Wasser noch weiter nördlich, so daß sich das Minimum nach NO. hin ausdehnt und vertieft; es schöpft also seine Energie aus dem Golfstrom. Je stärker es wird, um so kräftiger sind auch die Nordwestwinde an seiner Westseite, die das kalte Wasser und die Eisberge aus der Davisstraße heraustreiben; die kalte Luft und das Schmelzwasser der Eisberge vermindern die Wärme des Golfstromes und damit die Energie des Minimums und der Südwestwinde, aber dann auch die der Nordwestwinde. Dann beginnt der gegenseitige Einfluß von neuem. Pettersson fand nun, daß die Schwankungen der Temperatur in Norwegen denen des Golfstromes parallel verliefen. Weitere Versuche von Meinardus, solche Beziehungen zum Golfstrom auch für Mitteleuropa nachzuweisen, lassen sich zur Vorhersage nicht verwerten.

Außer den allgemeinen Ursachen des Wetters gibt es auch eine Anzahl örtlich bedingter Ursachen und örtlicher Anzeichen für die Wettervorhersage. Vor allem gehört dorthin gebirgiges Land, das auf der Luvseite für Wolken- und Regenbildung günstig ist, auf der Leeseite für windstilles, trockenes Wetter; Nordabhänge sind wärmer als Südabhänge. Durch Berge wird die Richtung, oft auch die Stärke des Windes beeinflußt und die Sonnenscheindauer herabgemindert (vgl. Artikel ›Klima‹). Von örtlichen Anzeichen des Wetters gibt es eine sehr große Zahl. Abendrot läßt gutes, Morgenrot schlechtes Wetter erwarten. Aus der Änderung des Wolkenzuges kann man meist auf eine ähnliche Änderung der Windrichtung und hieraus wieder auf die kommende Temperatur und Niederschläge schließen, denn Südwest- bis Nordwestwinde sind in Deutschland häufig Regenbringer. Frühregen hält im Sommer selten an. Rasch aus S. bis SW. ziehende Cirren lassen Regen binnen 24 Stunden erwarten, solche aus SO. bis NO. bringen schönes Wetter, ebenso Schäfchen- oder Lämmerwolken (vgl. Wolken).


Wetterschießen.

Mit dem Ausdruck ›Wetterschießen‹ bezeichnet man das Verfahren, durch blinde Schüsse nahendes Unwetter (Gewitter, Hagel etc.) zu vertreiben oder Blitze und Hagelbildung zu verhindern. Schon im Altertum schoß man zu dem Zwecke mit Pfeilen nach dem Himmel und im Mittelalter mit Böllern und Gewehren. Während man damals durch Lärm die Unwetterhexen zu vertreiben suchte, wollte man in neuester Zeit die Hagelbildung angeblich begünstigende Ruhe der Luft vor dem Hagelwetter durch das Wetterschießen stören. Die Wiederaufnahme des alten Verfahrens unter neuen Gesichtspunkten geschah 1906 durch Stiger zu Windisch-Feistritz in dem unter Hagelschlag schwer leidenden Steiermark. G. Suschnig in Graz konstruierte eine Hagel- oder Wetterkanone, die mit geringen Änderungen Verbreitung fand. Als beste Form ergab sich ein schmiedeeiserner Böller von 3 cm Kaliber und 40 cm innerer Länge, dem ein Blechtrichter von 4 m Höhe und 75–80 cm oberm Öffnungsdurchmesser aufgesetzt ist; in den Böller wird etwa 200 g Pulver lose hineingeschüttet und mit Zündschnur abgebrannt. Die ganze Vorrichtung wird in einem kleinen Holzhause so aufgestellt, daß der Trichter oben zum Dach herausragt. Sobald das Gewitter in den Bereich der Schießstation kommt, wird geschossen, bis der Himmel aufklart oder bis es gleichmäßig regnet; die Schießperiode umfaßt Mai bis Oktober. Auf 1 qkm kommt eine Station. Alle bisherigen Versuche, soweit sie nach streng kritischer Methode angestellt wurden, wie auf dem amtlichen Versuchsschießfeld zu Castelfranco bei Treviso, haben keinen praktischen Erfolg ergeben, weil die Hagelwolken meist zu hoch ziehen und die ganze Erscheinung auf viel zu großen atmosphärischen Bewegungen und Kräften beruht, als daß sie von den relativ kleinen Schußwirkungen beeinflußt werden könnten. Bei dem Abschießen kommt ein Luftwirbelring pfeifend heraus, dessen Dimensionen sich rasch vergrößern; er entwickelt noch auf größere Entfernungen hin beträchtliche Kraftäußerungen: noch auf 100 m Abstand wurden bei horizontalem Schuß Holzleisten von 4 x 6 cm Querschnitt zerbrochen. Indessen steigt der Ring selbst bei den neuesten Acetylen-Explosionsgeschossen nicht bis 1000 m auf und erreicht daher meist die gefährlichen Wolken nicht. Neuerdings ist das Wetterschießen als zwecklos wieder eingestellt. Wetterschießen hat man auch angewandt, um durch Erschütterung der Luft oder durch Hinaufsenden von feinen Rauchteilchen die Kondensation des Wasserdampfes zu veranlassen und so in trockenen Zeiten Regen künstlich zu erzeugen, weil man glaubte, daß bei großen Kanonaden Regen eingetreten sei. Untersuchungen der Gewitterhäufigkeit bei Artillerieschießplätzen haben indes kein dem Wetterschießen günstiges Resultat ergeben. Vgl. ›Bericht über die internationale Expertenkonferenz für Wetterschießen in Graz‹ (Wien 1902; mit vielen Literaturangaben); R.v. Strele, Wetterläuten und Wetterschießen (in der ›Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins‹, 1898); Lachmann in der ›Meteorologischen Zeitschrift‹ (Wien 1901); Pernter, Das Ende des Wetterschießens (ebenda, 1907).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909.
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