Die Kirchen- und Instrumentalwerke dieser Jahre

[655] Die beiden Messen in C-Dur (K.-V. 317, 337 – es sind die neunte und zehnte, die Mozart in dieser Tonart geschrieben hat) fügen dem früher geschilderten Typus grundsätzlich zwar nichts Neues hinzu, variieren ihn aber auf eine zum Teil höchst eigentümliche Weise. So benützt gleich die erste die Musik des Kyrie im Dona, aber nicht wörtlich, sondern steigernd; das dort nur Angedeutete wird hier voll ausgeführt. Das Kyrie selbst weicht aber insofern vom bisherigen Brauche ab, als es in langsamem Tempo gehalten ist und seinen ersten, straff punktierten Teil nach dem etwas rascheren Mittelsatz variiert wiederholt. Dagegen ist das Kyrie der zweiten Messe ein fortlaufender zweiteiliger Satz, der den intimeren, weicheren Grundton des ganzen Werkes deutlich feststellt. Das Gloria ist in K.-V. 317 ein großer, zweiteiliger Komplex mit dem »Qui tollis« als Mittelsatz. Sehr schön ist die Art, wie beim »Qui sedes« schon das Hauptthema erreicht wird, aber gleich beim »Miserere«1 wieder in den Mittelsatz zurückfällt, um erst beim »Quoniam« das Feld zu behaupten. Auch im Gloria der zweiten Messe schimmert diese Dreiteiligkeit noch durch, wird aber dadurch verschleiert, daß das Seitenthema des Hauptteils sich mit seinem Orchestermotiv2 vom »Domine Deus« an bis zum Quoniam erstreckt und auch bei der Wiederholung bald die Herrschaft an sich reißt; es wird auf diese Weise zum eigentlichen Kerngedanken des Satzes. Das Credo von K.-V. 317 hat Rondoform und ist wieder besonders einheitlich gebaut; echt Mozartisch ist daran der Rhythmus des Basses, der merkwürdig belegte Ton, der sich bei »Et in unum Dominum« einschleicht, und die geniale Erweiterung bei »mortuorum«, die auch in der andern Messe erscheint. Deren Credo ist mit wenig Varianten ebenso gebaut. Die Hauptepisode ist in beiden das »Et incarnatus est«; der f-Moll-Satz von K.-V. 317 ist mit seiner deklamatorischen Chorpartie, seinen geheimnisvollen Harmonien und der unaufhörlich herabschwebenden Geigenfigur3 ein Wurf allerersten Ranges. In derselben Messe schlägt[656] aber auch das Sanctus einen ganz neuen Ton an, und zwar dank einem durchgehenden Motiv im Orchester, das die Streichinstrumente unisono vortragen und dessen Trillermotiv sich auch noch in dem diesmal nicht fugiert gehaltenen »Osanna« fortsetzt. Auch im folgenden »Benedictus«, dessen Hauptgedanke ziemlich äußerlich flott im Stil der opéra comique gehalten ist, hat Mozart geneuert, indem er jenes Thema nochmals in das angehängte »Osanna« als Episode einfügte. In K.-V. 337 ist das Verhältnis umgekehrt: einem moderner gehaltenen Sanctus schließt sich ein »Benedictus« von einer kontrapunktischen Strenge an, die in Mozarts Messen nicht ihresgleichen hat, obwohl sie neben dem gewöhnlichen, zart-lieblichen Typus auch den herberen bereits kennen4. Schon das Thema trägt mit seiner Verkürzung des Motivs im zweiten Takt ein erregtes, fast wildes Gepräge, und seine Durchführung quält sich durch scharfe Dissonanzen und trübe Mollharmonien hindurch, bis sie auf chromatisch abwärts gleitenden Bässen mit fortwährendem Tonartenwechsel schließlich im Baß das Hauptthema wieder erreicht, um dann mit einer beliebten Mozartschen Halbschlußwendung zu verklingen; ebenso echt Mozartisch ist auch der plötzliche Aufschwung in das C-Dur des »Osanna«. Das ist eine höchst merkwürdige Auffassung dieses Satzes, der der Anblick des Gottgesandten statt des Jubels Töne der tiefsten, hoffnungslosesten Zerknirschung entlockt! In den beiden Agnus-Sätzen, wo man solche Gedanken weit eher suchen sollte, ist der Ton viel freundlicher. Beide sind Sologesänge und deuten in ganz auffallender Weise auf die Gräfin des Figaro voraus: K.-V. 317 bringt, nur im 3/4-Takt und in leichter melodischer Veränderung, das ganze Hauptthema der Arie »Dove sono i bei momenti«, K.-V. 337 wenigstens einen deutlichen Anklang an die Arie »Porgi amor«; bemerkenswert sind auch die Tonarten: das erste Agnus Dei steht in F-, das zweite gar in Es-Dur, was Mozart bisher nie gewagt hatte. Von den beiden »Dona«-Sätzen ist der erste ernster und würdiger als der zweite, der nur in seiner überraschenden As-Dur-Wendung, der Dehnung des Hauptgedankens bei der Wiederholung und dem leise verhallenden Schluß5 individuellere Züge bringt.

Die Instrumentation beider Messen gemahnt mit dem Fehlen der Bratschen und mit der Posaunenbegleitung des Chores an den alten Salzburger Brauch. Trotzdem wirken die Mannheimer und Pariser Eindrücke deutlich nach. Chor und Orchester, und innerhalb dieses Streicher und Bläser, sind ganz anders organisch miteinander verschmolzen als bisher. Konzertierende Wirkungen von Takt zu Takt, wie in dem hochpoetischen Schluß des ersten Kyrie oder im Mittelteil des zweiten (mit der schroffen Dynamik) sind neu6, aber auch der thematische Anteil der Bläser ist ungemein gewachsen (vgl. das schöne »bonae voluntatis« im Gloria von K.-V. 317)7.[657] Am stärksten tritt die Lust am Konzertieren im Agnus von K.-V. 337 hervor (Oboe, Fagott und Orgel). Der Chorsatz ist mit wenigen Ausnahmen homophon, aber sehr gesangsmäßig gehalten.

Auch die andern Messenfragmente aus dieser Zeit offenbaren eine außerordentliche Vielseitigkeit nach Form und Inhalt. Das C-Dur-Kyrie (K.-V. 323, S. III. 4) erscheint mit seiner Sonatenform und seiner sorgfältig ausgearbeiteten Orchesterpartie wie ein vergeistigter Nachzügler einer früheren Periode; von den beiden unvollendeten, gleichfalls in C-Dur stehenden Kyries ist das eine durch eine konzertierende Orgel (K.-V. 13, Anh.), das andere durch einen außerordentlich strengen kontrapunktischen Satz ausgezeichnet.

Was Mozart aber auch in der Messe zu leisten vermochte, wenn der Salzburger Geschmack nicht auf ihn drückte, zeigt das Münchner Kyrie (K.-V. 341). Schon die Tonart ist bemerkenswert: d-Moll, das er seit seiner Jugendmesse von 1769 (S. 133 ff.) in dieser Gattung nicht mehr berührt hatte. Der Schwung und die ernste Hingabe an die Sache verraten die Nachbarschaft des Idomeneo: tatsächlich überragt dieses Stück nicht nur an äußerem Umfang, sondern auch an Gehalt und Einheitlichkeit der Stimmung alle bisherigen Messenkyries. Es ist dreiteilig, entbehrt aber einer streng thematischen Behandlung und fließt in freiem, breitem Strom der Empfindung dahin. Sein Grundwesen ist tiefer Ernst mit Wehmut gemischt, die in den zahlreichen chromatischen Zügen oft bis an Resignation streift. Auch der häufige unvermittelte Wechsel leidenschaftlicher Forte-Ausbrüche und stille betender Pianopartien (besonders schön im Mittelsatz bei der Gegenüberstellung von Kyrie und Christe eleison) ist für Mozart bezeichnend. Im allgemeinen schwillt die Leidenschaft bis zum Mittelsatz an, wo sie in den wild erregten, punktierten Unisonofiguren der Streicher ihren Höhepunkt erreicht, und glättet sich dann ganz allmählich bis zu dem abermals wie in weiter Ferne verklingenden Schluß; ein feiner Zug ist dabei auch, daß der Da-capo-Teil sich an Christus wendet. Der Chorsatz ist wesentlich homophon, die Orchesterbegleitung ebenso reich ausgeführt wie selbständig, sie führt die Stimmung in eigentümlicher Weise aus und taucht das Ganze dabei in echt Mozartschen Wohllaut.

Dagegen kehren die beiden Vespern (K.-V. 321, 339) ihrem ganzen Charakter nach wieder auf den Salzburger Boden zurück, wo man, wie in der Messe, so auch hier vor allem Knappheit und Kürze verlangte. Daß Mozart bewußt einer alten Tradition folgte, zeigen schon sein Zurückgreifen auf das alte dreistimmige Saitenorchester und seine sonstigen Beschränkungen in der Instrumentation8. Aber auch die Haltung dieser[658] Vespern ist den Messen gegenüber entschieden ernster und kirchlicher und strebt mit ihrer strengeren Kontrapunktik höheren Zielen zu, wogegen die opernhaften Züge weit mehr zurücktreten. Im allgemeinen war aber auch hier der Charakter der einzelnen Sätze durch die Tradition fest bestimmt, wie namentlich die kontrapunktische Gestaltung des »Laudate pueri«, die weltlich lockere Haltung des »Laudate Dominum« und die Adagio-Einleitung des »Magnificat« beweisen. Sie ist zugleich die einzige langsame Episode des Ganzen, alles übrige trägt Allegrocharakter, ein neues Zeichen dafür, daß es bei dieser Art von Kirchenmusik mehr auf Kraft und Glanz als auf innerliche Andacht abgesehen war. Die Behandlung der einzelnen Sätze ist, wie in den Gloria- und Credo-Sätzen der Messen, frei rondomäßig, d.h. bestimmte Hauptgedanken wechseln mit mehreren Episoden ab, und in diesen mannigfachen Kombinationen des Materials, die sich bis auf einzelne kleine Motive, namentlich auch in der Begleitung, erstrecken, liegt ein Hauptreiz dieser Werke, während die eigentliche thematische Arbeit fast ganz zurücktritt. Die jeden einzelnen Psalm beschließende kleine Doxologie, das »Gloria patri«, hat keineswegs immer dieselbe Musik, sondern schließt sich motivisch stets dem Vorhergehenden an und führt dessen Stimmung zu wirksamem Abschluß. Man glaubt deutlich zu erkennen, wie den Komponisten die Aufgabe gereizt hat, diesen Text musikalisch immer wieder neu zu gestalten.

Ihren ersten Psalm beginnen beide Vespern mit der herkömmlichen Emphase auf die Worte »Dixit dominus domino meo«. Daran schließt sich beide Male ein energischer Satz, der in der ersten Vesper mehr auf den Sinn der einzelnen Textworte eingeht und auch Soli und Chor lebendiger abwechseln läßt als in der zweiten, die, musikalisch allgemeiner gehalten, den Solisten erst beim »Gloria patri« das Wort vergönnt. Der Chorsatz ist beide Male wesentlich homophon.

Der zweite Psalm »Confitebor tibi Domine« hat in dem e-Moll-Satz der ersten Vesper (Chor mit untermischten Soli) zu einer geistig besonders hervorragenden Komposition geführt. Das Schuldbekenntnis und die Vorstellung von der göttlichen Majestät durchdringen sich hier in einer ganz eigentümlichen, hochpoetischen Weise. Während der Solosopran sein Bekenntnis in edler Melancholie vorbringt, führt beim Hinzutreten des Chores der Weg durch allerhand dunkle Dissonanzenketten, wie namentlich bei dem geheimnisvoll erschauernden »memoriam fecit mirabilium suorum«; das fast refrainartig wiederkehrende, straff punktierte Orchestermotiv sorgt immer wieder für einen Zusatz männlicher Herbheit. Das »Gloria patri« aber schleicht sich hier besonders schön, wie von ungefähr, in die Wiederholung des Anfangs ein. Die zweite Vesper erreicht an dieser Stelle bei weitem nicht dieselbe Höhe und begnügt sich mit dem Ausdruck feierlicher Kraft; am Schlusse verknüpft sie ihr Gloria geistvoll mit dem vorangehenden Orchesterzwischenspiel.

Der dritte Psalm »Beatur vir« bietet in beiden Vespern, von einigen malerischen Zügen und der sinnvollen Begleitung des Orchesters abgesehen,[659] wenig Eigentümliches und gibt die zuversichtliche Heiterkeit in der herkömmlichen farblosen und geschäftigen Art wieder. Auch hier wechseln Chor und Solo beständig ab9, ohne daß der Fluß des Ganzen dadurch unterbrochen wird. Die zweite Vesper verstattet der Kontrapunktik hier einen größeren Raum als die erste.

Wie in der Litanei das »Pignus«, so war in der Vesper der vierte Psalm »Laudate pueri« der Haupttummelplatz strenger Satzkunst. Auch Mozart folgt diesem Brauch und hat beiden Sätzen bewußt eine altertümliche Färbung verliehen. Doch huldigt er beide Male statt der strengen Fugenarbeit einer freieren Kontrapunktik, die ganz offensichtlich auf den Text Rücksicht nimmt. Er beginnt in der ersten Vesper10 mit einem unendlichen Kanon auf das vom Sopran angestimmte, ausdrucksvolle Thema:


Die Kirchen- und Instrumentalwerke dieser Jahre

Es ist, als ob die Sänger von allen Seiten zum Lobe Gottes zusammenströmten. Allein bald verändert sich nach einer vollständigen Schlußkadenz das Bild. Unter Vorantritt des malerischen Themas:


Die Kirchen- und Instrumentalwerke dieser Jahre

ballen sich die Stimmen schließlich bei dem Jubelruf »excelsus super omnes gentes« zur Homophonie zusammen, nicht ohne daß im folgenden auch das Gefühl der Demut zum Ausdruck käme. Da schallt ein neuer Heroldsruf liturgischer Färbung aus dem Sopran hernieder:


Die Kirchen- und Instrumentalwerke dieser Jahre

[660] Der Blick weitet sich zu dem Gotte in der Höhe:


Die Kirchen- und Instrumentalwerke dieser Jahre

und in gewaltigem Affekt klingt die Frage dieses Satzes auf dem phrygischen Schlusse aus. Im nächsten Abschnitt, der von einem durch die Vorstellung des »suscitans« hervorgerufenen Trillermotiv der Geigen begleitet wird, wird schön der »inopes« und »pauperes« gedacht. Dann beginnt jener Heroldsruf von neuem, diesmal im Alt; die ganze Entwicklung kehrt, teilweise erweitert und in geistvoller Weise variiert, bald homophon, bald imitierend wieder und ergreift schließlich auch noch das Gloria, das unter freier kontrapunktischer Verarbeitung früherer Themen in eine breite Coda ausmündet und mit einem großen Orgelpunkt bis zum ff anschwellend auf der Dominante schließt. Das Ganze ist ein Stück, an dem Mozarts alter Lehrer Padre Martini seine helle Freude gehabt hätte, nicht allein wegen des liturgischen Anstrichs seiner Hauptgedanken, sondern auch wegen der echt gesangsmäßigen und dem Texte sinnvoll angepaßten Stimmführung.

Noch strenger und kunstvoller im Satz, aber weniger sprechend in seinen Motiven und überhaupt weniger poetisch im Ausdruck, dafür aber einheitlicher im Aufbau, ist der entsprechende Satz der zweiten Vesper11. Sein Hauptthema ist der uralte Fugengedanke mit dem verminderten Septimensprung12:


Die Kirchen- und Instrumentalwerke dieser Jahre

der zuerst regelmäßig allein und dann mit einem einfachen Skalenmotiv zusammen durchgeführt wird. Der dritte Abschnitt stellt dem Hauptthema seine Umkehrung als Kontrapunkt gegenüber, und schließlich treten beim Gloria Thema und Umkehrung zusammen auf dem Grundton als Orgelpunkt auf:


Die Kirchen- und Instrumentalwerke dieser Jahre

[661] während die Geigen ein neues, flimmerndes Motiv erhalten; am Schluß erscheinen dann in eigentümlicher Steigerung die beiden ersten Motive zwischen Singstimmen und Begleitung verteilt; noch ein abgerissenes, chromatisch abwärtssteigendes »Amen«, und der Satz geht in schwerem, fast finsterem Ernst zu Ende. Er ist mit größtem Kunstverstand angelegt und ausgeführt, die Homophonie spielt nur eine kleine Episodenrolle, und doch hat man beim Ganzen weit mehr das Gefühl geistvoller musikalischer Arbeit als wirklich poetischer Durchdringung des Stoffes.

In schroffem Gegensatz dazu bringt der fünfte Psalm »Laudate Dominum« homophone Solomusik, und zwar recht weltlichen Charakters. Die erste Vesper fällt hier sogar mit Melodik und Koloratur in den unverfälschten Opernton, an dem sich auch die obligate Orgel beteiligt. Die zweite Vesper dagegen bringt ein pastorales Idyll voll süßester Schwärmerei13, so einfach als möglich und von einem Solofagott unterstützt; mit schöner Wirkung wiederholt der Chor zum Schluß das Ganze als Gloria.

Die beiden abschließenden Magnificat greifen in Tonart, Instrumentation und Gesamthaltung wieder auf die ersten Sätze zurück. Sie dürfen natürlich nicht mit den weit breiter ausgeführten, selbständigen Kompositionen dieses Textes verglichen werden, da die größte Kürze geboten war. Trotzdem hat es Mozart zwar nicht in der zweiten Vesper, die auch hier wieder nur ein allgemeines, musikalisches Stimmungsbild gibt, aber doch in der ersten erreicht, daß die alten Lieblingsbegriffe des Magnificat, wie z.B. »humiles, dispersit, fecit potentiam«, den ihnen zukommenden speziellen Ausdruck erhalten, ja vor der Erwähnung des »sanctum nomen ejus« tut er sogar noch ein übriges, schließt das Vorhergehende auf der Dissonanz es fis a c' mit Fermate ab und taucht dann plötzlich in das dunkle Es-Dur hinab (p mit Posaunen), wie vom Schauer der Andacht ergriffen – eine der eigentümlichsten Stellen dieser Vesper.

So ähnlich sich die beiden Vespern somit auch in der Anlage und Grundauffassung der einzelnen Sätze sind, so ist Mozarts Stellung zu seinem Stoffe doch beide Male recht verschieden. Es ist nicht, wie Jahn meint14, allein der Unterschied zwischen Harmonik und Kontrapunktik, der die beiden Werke trennt, sondern die erste Vesper stellt, in den Hauptsätzen wenigstens, ihre Musik in den Dienst des Dichterwortes, während die zweite das Dichterwort nur als Anknüpfungspunkt für breite Stimmungsbilder rein musikalischer Art benützt. Eben dieses Überwuchern des rein Musikalischen aber verbietet es, die zweite als kirchliches Werk auf dieselbe Stufe mit der ersten zu stellen.

Seinem ganzen Stil nach könnte auch das Regina coeli in C-Dur (K.-V. 276, S. III. 12) in diese Zeit gehören; sowohl die Verarbeitung der Motive als der Wechsel von Chor und Solo deuten darauf hin. Es ist ein einziger Satz von kräftigem, heiterem Glanz, der nur zeitweise durch das stille, inbrünstige[662] »Ora pro nobis« kurz unterbrochen wird. Ob die offenbar als Einlage in ein deutsches geistliches Oratorium gedachte Sopranarie »Kommet her ihr frechen Sünder« (K.-V. 146, S. VI. 10) ebenfalls in das Jahr 1780 gehört15, mag dahingestellt bleiben. Es ist kein bedeutendes Stück, aber stilistisch doch schon so weit fortgeschritten, daß man damit nicht bis 1772 zurückgehen kann16. Dagegen scheinen die beiden warm und natürlich empfundenen Kirchenlieder (K.-V. 343, S. III. 16) ihrem Autograph nach in die letzte Salzburger Zeit zu gehören. Die drei Orgelsonaten (K.-V. 328, 329, 336, S. XXIII. 13–15), die gleich ihren Vorgängerinnen einsätzig in der Form, locker in der Arbeit und leicht im Charakter sind, haben die Orgel als obligates Instrument gemeinsam, K.-V. 329 hat außerdem noch zwei Geigen, Oboen, Hörner, Trompeten, Pauken und Baß. Neu ist in K.-V. 336 der Einfluß des Konzerts. Der erste Satz nimmt sich aus wie ein erstes Konzertallegro im kleinen, wobei die hier besonders reich bedachte Orgel als Soloinstrument einem kleinen Orchester gegenübertritt; sogar die freie Kadenz wird verlangt. Die Durchführung ist allerdings hier, wie in K.-V. 329, auf ein paar überleitende Takte zusammengeschrumpft.

Den drei Sinfonien in G-, B- und C-Dur (K.-V. 318, 319, 338) ist das Fehlen des Menuetts gemein, ein Zugeständnis an den Salzburger Geschmack; auch die B-Dur-Sinfonie hat ihr Menuett erst später in Wien erhalten17. Ebenso fehlen in allen drei ersten Sätzen die Wiederholungszeichen. Die G-Dur-Sinfonie steht außerdem insofern noch für sich, als sie, in einem Zuge durchgehend, den langsamen Satz zwischen die Durchführung und die (verkürzte) Reprise des raschen einschiebt, ein Verfahren, das Mozart bei den Ouvertüren der Pariser opéra comique, besonders Grétrys, kennengelernt hatte18. Im allgemeinen kennzeichnet diese Sinfonien ein entschiedener Fortschritt in der Richtung des späteren, großen sinfonischen Stiles19. Selbst da, wo noch der festliche italienische Ouvertürenton vorherrscht, wie z.B. im ersten Satz der G- und C-Dur-Sinfonie, wird er sehr bald durch individuelle Züge paralysiert, dort gleich durch den intimen Nachsatz des 3.–5. Taktes, der bereits an ähnliche Partien bei Cherubini erinnert, hier durch die ihn ablösende, energische Marschweise, die zu guter Letzt in ganz überraschender Romantik plötzlich nach Moll ausbiegt. Eine weitere, große Vertiefung weisen die Seitenthemen auf. Die Neigung zur Kantabilität, die Mozart so scharf von Haydn unterscheidet, war zwar schon früher vorhanden gewesen, aber jetzt bekommen diese Gesangsmelodien einen persönlicheren Charakter, sie spinnen, oft unter Durchbrechung des herkömmlichen Periodenbaus, den ihnen zugrunde liegenden seelischen Vorgang bis in seine feinsten Fäden aus und werden somit manchmal, wie im ersten Satze von K.-V. 338, wo die zweite Themengruppe mehr als doppelt[663] so groß ist wie die erste, geradezu zum Kerngedanken des ganzen Satzes. Ja, der Zug zur Kantabilität ist in dieser Reihe so mächtig, daß auch die neuen Gedanken, die hier nach früherer Manier in den Durchführungen auftauchen, vorwiegend Gesangsthemen sind. Ebenso sind die Übergangsgruppen der Mehrzahl nach individueller und namentlich dem ganzen Stimmungsverlauf organisch besser eingegliedert, und selbst die Durchführungen, so frei und unhaydnisch sie sich auch noch gebärden, verstatten doch nicht mehr allein der frei schweifenden Phantasie das Wort, sondern suchen, namentlich durch strengere Arbeit, wobei der doppelte Kontrapunkt eine steigende Rolle spielt, Ordnung und Steigerung in ihre allerdings mit dem Ganzen noch immer lose verbundene Sphäre hineinzubringen. In Aufbau, Gliederung und besonders in der Instrumentation wirken die Mannheimer Eindrücke frisch nach: das zeigt sich namentlich in den jetzt häufiger auftretenden Crescendoübergängen, die zwischen dem früheren, plötzlichen Wechsel von Tutti und Concertino vermitteln. In den Bläsern aber herrscht nicht allein volle thematische Freizügigkeit, sie gehen nach Mannheimer Vorbild auch mit den Streichern ganz neue Verbindungen ein.

Die B-Dur-Sinfonie, die auf die heroisch-pathetische in G-Dur folgt, zeigt, daß Mozart in der Salzburger Sklaverei doch auch heitere und zufriedene Stunden verlebt hat. Es ist eine der liebenswürdigsten Sinfonien des Meisters, der erste Satz ein idyllisches Genrebildchen, bald schalkhaft, bald schwärmerisch, von kleinen romantischen Dämmerlichtern umspielt, und selbst der ungebetene liturgische Gast aus dem Credo der F-Dur-Messe in der Durchführung vermag das behagliche Treiben nicht zu stören. Auch das Andante kann sich von dem Idyll noch nicht trennen20. Erst das Menuett, dessen besonders geistvolle Instrumentation allein schon auf eine spätere Entstehungszeit hinweist, schlägt kräftigere, ja mitunter sogar finstere Töne an; sein Trio ist einer Melodie der Oboe aus dem zweiten Teil des Hauptsatzes entnommen21. Im letzten Satze öffnet Mozart der Lebensfreude alle Schleusen. Ihr Hauptträger ist ein sprühendes, flammendes Triolenmotiv, das bald als Hauptgedanke, bald als Begleitung durch alle Regionen des Orchesters dahinschwirrt. Der ganze Satz gleicht einem frohbewegten Volksfest, bei dem sich die mannigfaltigsten Gestalten, vornehme und geringe, zusammenfinden, ja schließlich stellt sich mit dem alten »Bettlertrio« (Oboen und Fagotte) noch eine Bande Dorfmusikanten ein:


Die Kirchen- und Instrumentalwerke dieser Jahre

[664] Der Hauptreiz dieses Satzes liegt in der großen Zahl und dem bunten Wechsel der einzelnen Bilder und in der geistvollen Art, wie sie eingeführt werden, man vergleiche z.B. gleich den ersten Nebengedanken, der unter Anschluß an das vorhergehende doch ganz überraschend nach g-Moll hinübergleitet. Aber auch hier verlangt es Mozart nach einem kantablen Zug. Er erscheint in der Durchführung mit dem neuen Motiv:


Die Kirchen- und Instrumentalwerke dieser Jahre

das zum ideellen zweiten Hauptthema des ganzen Satzes wird. Seine Verarbeitung erfolgt noch ganz in der alten Schobertschen Sequenzenmanier, ist aber durch die strengere kontrapunktische Behandlung der früheren phantastischen Willkür entrückt.

Die C-Dur-Sinfonie weist, wie schon bei ihrem ersten Thema erwähnt wurde, besonders viele romantische Züge auf, die den im Hauptthema liegenden kraftvollen Schwung immer wieder ablenken. Im ersten Satze gehören dazu das breit hinströmende Gesangsthema, das ebenfalls zwischen Moll und Dur hin und her schwankende Wesen der Schlußgruppe, die mitten in ein lärmendes Tutti drei still beschauliche Takte der Streicher einschiebt, und endlich die Durchführung, die nach einem herrischen Anfang plötzlich wie durch ein Zauberwort in die geheimnisvoll flüsternde As-Dur-Partie hinübergedrängt wird; es folgt ein überaus sprechender Dialog zwischen Streichern und Bläsern, der mit einem ratlosen Flüstern endet – da tritt mit Mozartscher Plötzlichkeit die Reprise ein. Thematisch ist freilich auch diese Durchführung nicht; sie verbraucht sogar besonders viel neue Gedanken, und trotzdem fesselt sie durch einen wohlberechneten Verlauf der Stimmung. Alle drei Allegros schließen übrigens mit einer dem Hauptthema entstammenden Coda ab, eine Neigung, die bei Mozart zwar schon früher (S. 287 f.) vorhanden gewesen war, nunmehr aber durch die Ouvertüren der Pariser komischen Oper neue Nahrung erhalten hatte. Das Andante der C-Dur-Sinfonie mischt dem sonst hier üblichen arkadischen Idyll erstmals entschieden männliche Züge bei und ist auch sonst ein auffallend moderner Satz, besonders wegen der geradezu quartettmäßig zu nennenden Behandlung des Streichorchesters und wegen des merkwürdigen Ineinandergleitens der verschiedensten Stimmungen, worin die Romantik des ganzen Werkes wieder deutlich zum Ausdruck kommt; eine kleine, bei aller Schlichtheit äußerst vielsagende Coda schließt das schöne Stück ab. Auch im letzten Satze fehlen die romantischen Züge nicht, vor allem in der Durchführung, die, diesmal wenigstens lose mit dem Hauptthema verbunden, durch allerhand teils idyllische, teils seltsam erregte Stimmungen hindurchführt. Aber im allgemeinen herrscht in dem Satze ein energisches, reichbewegtes Leben, dessen Wirkung durch ein sinnvolles Konzertieren zwischen Bläsern und Streichern noch bedeutend erhöht wird. Auch die[665] Nebenthemen sind besonders glücklich und feurig erfunden, offenbar wieder unter Grétryschem Einfluß, so daß das Ganze einen hinreißenden Eindruck macht, trotz den Elementen des alten, italienischen Stiles, die sich auch hier noch gelegentlich hervorwagen.

Die bedeutend größeren technischen Ansprüche, die das Konzert für zwei Klaviere mit Orchester in Es-Dur (K.-V. 365) dem früheren Tripelkonzert (S. 430) gegenüber stellt, lassen vermuten, daß es Mozart nicht für seine Schüler, sondern für sich selbst und seine Schwester komponiert hat. Tatsächlich ziehen die beiden Solisten auch einträchtig und vergnügt zusammen ihres Weges, wie die Mozartschen Geschwister: sie unterhalten sich eifrig über dieselben Themen, wiederholen ihre gegenseitigen Einfälle, variieren sie, fallen einander ins Wort und disputieren auch gelegentlich schalkhaft miteinander, aber ohne daß das gute Einvernehmen jemals durch ernstliche Meinungsverschiedenheiten gestört würde. Trotz einigen Freiheiten im Bau, zu denen namentlich die geistreich veränderte Reprise des ersten Satzes gehört, verläuft alles klar und wohlgegliedert. Der Grundcharakter des Konzertes ist schwungvolle Heiterkeit, die sich im Schlußrondo unter Vorantritt eines alten, schon in einem früheren Divertimento (K.-V. 252) benutzten Volksliedes (S. 420) zu neckischem Humor steigert. Das Orchester verrät in Behandlung und Dynamik Mannheimer Einfluß und verhält sich nach französischem Vorbild22 den Solisten gegenüber ziemlich zurückhaltend, bringt jedoch mit seinen gehaltenen Bläserakkorden in der Begleitung einen neuen, wirksamen Zug hinein23.

Einen weit höheren Flug nimmt die konzertante Sinfonie für Violine und Viola in Es-Dur (K.-V. 364). Schon das breit angelegte, sinfonische Tutti ihres ersten Satzes entfaltet jene stolze, aber dunkle Pracht, die derartigen pathetischen Es-Dur-Allegros bei Mozart meist zu eigen ist. Die monumentale Schwere dieses Orchesterblocks wird übrigens, wie auch im ersten Tutti des Schlußsatzes, durch das eigentümliche, starre Festhalten an der Grundtonart verstärkt; auch das von den Bläsern vorgetragene Seitenthema steht in Es-Dur. Auf einem herrischen Trillermotiv geht es in einem mächtigen Mannheimer Orgelpunktcrescendo auf einen Ausbruch trotziger Leidenschaft zu, der freilich echt Mozartisch schon nach vier Takten resigniert in Synkopen und Chromatik herabsinkt und so den freundlicheren Zuspruch der beiden in diese Schlußgruppe einhakenden Solisten vorbereitet. Indessen ist dadurch der Trotz des Orchesters keineswegs gebrochen.[666] Es kommt zwar auch in diesem ganzen Stück zu keinem strengen Konzertieren im Sinne Ph. E. Bachs, dazu dominieren die Soli viel zu sehr. Aber wo das Orchester selbständig eingreift, geschieht es stets mit dem alten leidenschaftlichen Ton. Auch die Solothemen, deren reiche Zahl und breite Ausführung an die Art der gleichzeitigen Sinfonien gemahnt, stehen mit ihrem teils flehenden, teils herausfordernden Gepräge unter einem merklichen seelischen Druck. In der Durchführung, wo das Orchester einem neuen flehenden Thema der Soli sein altes Trillermotiv entgegensetzt und in ihr virtuoses Getriebe schließlich, jetzt besser gelaunt, sogar noch sein altes Seitenthema hineinwirft, kommt es wirklich einmal zu einem konzertierenden Dialog. Dafür wird freilich bei der Reprise das Orchestertutti stark verkürzt, und nur mit Mühe gelingt es dem Orchester, im weiteren Verlaufe wenigstens sein Seitenthema anzubringen und nach der ausgeschriebenen, figurativen Kadenz auch das übrige nachzuholen, worauf es mit einem unwirschen, herrischen Aufschwung den Satz beschließt. Dasselbe Verhältnis zwischen Soli und Tutti beherrscht auch das Andante, nur daß die innere Glut hier einen gedämpften, verhaltenen Ausdruck findet. Einzelne Tuttithemen, wie z.B. das schicksalsschwere dritte (mit den Synkopen in den ersten Geigen) weisen deutlich auf entsprechende Gedanken im ersten Satze hin. Auch ist die Reprise hier wie dort zu mächtiger Steigerung benutzt. Nach diesem Mittelsatz, der zu den bedeutendsten seinesgleichen unter Mozarts bisherigen Werken gehört, löst das Orchester im Schlußsatz mit seinem damals jedermann vertrauten Allerweltsthema den Bann. Die finsteren Geister sind verschwunden, aber die Kraft ist geblieben, und so rauscht dieser Satz in selbstbewußter Heiterkeit am Hörer vorüber. Die beiden Soloinstrumente sind ungefähr in derselben Weise behandelt wie in K.-V. 365 die beiden Klaviere, d.h. in friedlichem Wetteifer; manchmal ist sogar eine und dieselbe Melodie einfach auf beide verteilt. Das Ganze aber gehört mit seinen beiden ersten Sätzen zu Mozarts bedeutendsten Konzertleistungen aus dieser Zeit.

Die beiden kleineren Rondos für Horn (K.-V. 371) und Violine (K.-V. 373) sind einfach und klar und geben zu besonderen Bemerkungen keinen Anlaß.

Auch die Serenadenmusik hat verschiedene Treffer aufzuweisen. Schon die D-Dur-Serenade (K.-V. 320) vertritt die Gattung in ebenso würdiger wie launiger Weise.24 Ihre beiden Ecksätze tragen ein durchaus sinfonisches Gepräge. Der erste, der übrigens seine langsame Einleitung bei der Reprise im Allegro wiederholt, ist durch einen eigensinnigen, punktierten Rhythmus ausgezeichnet, der sogar den aufblühenden Gesang des Seitenthemas immer wieder brutal stört, der letzte aber überrascht durch eine ebenso lange als geist- und lebensvolle Durchführung, die sich diesmal ausnahmsweise[667] in Haydns Art ganz an die gegebenen Themen hält. Unter den Mittelsätzen ragen besonders die langsamen hervor. Das Andante der »Concertante« (konzertiert wird darin von je 2 Flöten, Oboen und Fagotten) ist ein entzückender langsamer Reigen auf den ja vom Don Giovanni her bekannten Festrhythmus Die Kirchen- und Instrumentalwerke dieser Jahre ; dazwischen flüstert, schwärmt und schmachtet es in den sechs Solostimmen. Weit ernster geht es in dem d-Moll-Andantino zu, das dem anmutigen Treiben der Concertante Halt gebietet; die Stimmung gemahnt hier deutlich an den Mittelsatz von K.-V. 364, nur ist sie intimer. Wie sehr übrigens Mozart die landläufige Figuration durch Einführung chromatischer Züge verfeinert hat, möge folgende Stelle unseres Satzes zeigen:


Die Kirchen- und Instrumentalwerke dieser Jahre

Es liegt Abschiedsstimmung über diesem Satz, auf die auch das Posthorn im zweiten Trio des nächsten Menuetts hindeutet: vielleicht galt das Ganze einer Persönlichkeit, die nach Mozarts Anschauung das Glück hatte, Salzburg verlassen zu dürfen.

Noch farbenreicher ist die große Bläserserenade in B-Dur (K.-V. 361). Auch sie beginnt nach Haydnschem Brauche, dem sich Mozart in den Sinfonien nur zögernd angeschlossen hat, mit einer bedeutenden, spannenden Largoeinleitung. Das energische, kurz abschnappende Allegrothema25 gibt schon in der Themengruppe, dann in der Durchführung und endlich noch in der Coda Anlaß zu den mannigfachsten Kombinationen, die Mozarts Reichtum an Phantasie und Klangsinn im hellsten Lichte zeigen. Die Krone des Ganzen ist aber der dritte Satz, das Adagio. Gleich sein erster Takt, in dem die folgende Baßfigur gleichsam erst aus der Tiefe heraufbeschworen wird, weist weit über die Mozartsche Zeit hinaus. Dieses geheimnisvolle Motiv schreitet in Achteln fast ununterbrochen im Basse dahin, in den Mittelstimmen begleitet von dem Rhythmus: Die Kirchen- und Instrumentalwerke dieser Jahre, den Mozart auch später in verschiedenen langsamen Sätzen zur Wiedergabe dumpfer, spannender Erregung anwendet. Darüber aber schwebt, unter verschiedene Soli verteilt, ein Gesang von unbeschreiblicher Tiefe der Empfindung und von zauberhafter Klangschönheit, aus Sehnsucht, holder[668] Schwärmerei und zarter Wehmut zusammengewoben, eine Weise, wie sie noch bei keiner Serenade erklungen war. Daß überhaupt hinter der harmlosen Heiterkeit dieses Werkes doch auch ernstere und höhere Gedanken stehen, beweist außer der Einleitung und einigen Dämmerstellen des ersten Satzes das erste Trio des Menuetts mit seinem finsteren und brütenden Gebaren26. Romantische Züge tragen endlich auch der nachkomponierte fünfte und sechste Satz, jener in der Kombination einer zarten, halb hingehauchten langsamen Romanze mit einem grillenhaften Mollallegretto, worin namentlich die Fagotte eine drollige Bewegung entfalten, dieser aber in der schmerzensreichen vierten und dem Märchengeflüster der fünften Variation; die sechste scheint das fehlende Menuett nachholen zu wollen. Dagegen ist das Schlußrondo ein heiterer Kehraus älteren Mozartschen Schlages. Das Konzertieren der verschiedenen Instrumente geschieht in der allerfreiesten Weise; die Stimmführung ist so selbständig, daß von einem Unterschied führender und begleitender Instrumente häufig gar nicht mehr gesprochen werden kann. Mit wunderbarer Sicherheit entlockt Mozart jedem einzelnen die ihm eigentümlichen besten Klangwirkungen, weshalb derartige Stücke gerade in unserer heutigen, für die Feinheiten des Instrumentalkolorits ja besonders empfänglichen Zeit wieder besonderen Anklang finden. Und doch ist Mozart der sinnlich schöne Klang als solcher durchaus nicht die Hauptsache, sondern nur die selbstverständliche Darstellungsform der künstlerischen Idee und ihrer Entwicklung.

Das D-Dur-Divertimento (K.-V. 334) schließt sich in Besetzung und Anlage durchaus dem in B-Dur (K.-V. 287) an (S. 417 f.); vielleicht ist es sogar für dieselben Spieler geschrieben, denn die Partie des ersten Geigers hat hier wie dort ein stark virtuoses Gepräge. Mozarts soeben beobachtete Neigung, in den Ecksätzen27 den Serenadencharakter zu wahren, in der Mitte dagegen allerhand persönlichen Empfindungen Raum zu geben, tritt hier besonders deutlich hervor. Die d-Moll-Variationen über das düstere, halb exotische Thema28 mit dem für Mozart so überaus charakteristischen Synkopenaufschrei des vierten Taktes, führen weit ab aus der Sphäre der Ständchenmusik. Das ist eher eine Trauermusik, die mit ihrem schon im Thema starr festgehaltenen d-Moll eine geradezu trostlose Resignation atmet. Selbst die Dur-Variation löst den Bann nicht, sondern läßt ihn nur noch drückender erscheinen, und auch die sechste bringt noch eine weitere Schattierung hinzu: das wild Phantastische. Es mag in diesen Variationen, die an schwerem Ernst alle ihre Vorgänger überragen, viel von der bitteren Entsagung jener Salzburger Tage stecken. Einmal heraufbeschworen, hat sie sich aber auch in den anderen Mittelsätzen festgesetzt. Sogar das von[669] französischer Grazie erfüllte Menuett, dessen wiegende Melodie von der ersten Geige und Bratsche in Oktaven vorgetragen und von der zweiten mit echt ständchenmäßigen Gitarrenakkorden begleitet wird, hat im zweiten Teil seines Hauptsatzes einen solchen plötzlichen Ausbruch. Das zweite Menuett aber hat nicht allein zwei Trios in Moll, von denen das erste mit seinen Septimensprüngen ein besonders unheimliches Gepräge trägt, auch in seinen Hauptsatz mischen sich die düsteren Gestalten ein, wie namentlich in der höchst genialen Erweiterung des Hauptthemas bei der Wiederholung, und bezeichnend ist, daß in den meisten derartigen Stellen gerade die Tonart d-Moll, Mozarts Schicksalstonart, es ist, die dem hellen D-Dur gegenüber immer wieder ihre Rechte fordert29.

Auch das Oboenquartett (K.-V. 370) trägt Serenadencharakter, den nur der ernste Mittelsatz, wiederum in d-Moll, auf kurze Zeit verläßt. Im ersten Satz fällt die reich variierte Reprise auf, das Schlußrondo auf ein stark französisch angehauchtes Thema fesselt vor allem durch die überraschende und humorvolle Art, wie das Hauptthema immer wieder eingeführt wird.

Die B-Dur-Sonate für Klavier (K.-V. 333) ist ein Werk von stellenweise ganz merkwürdig verinnerlichter Tonsprache, die in den Durchführungen der beiden ersten Sätze einen recht leidenschaftlichen Ausdruck annimmt, im Schlußsatze sich jedoch zu einer froh (vgl. den Septimenjuchzer) dahinschlendernden Heiterkeit durchringt. Dieses Finale ist aber auch formell wichtig als eine weitere Station auf dem Wege zu den späteren Rondos Ph. E. Bachschen Schlages: es begnügt sich durchaus nicht mehr mit dem lockeren Wechsel eines Hauptgedankens mit mehreren Episoden, sondern bringt das Hauptthema selbst gelegentlich in ganz veränderter Beleuchtung, wandelt auch die Seitenmotive ab und greift ursprüngliche Neben-und Verbindungsglieder heraus, die nun plötzlich zu Helden ganzer Partien werden – kurz, die ganze Form wird vereinheitlicht und vergeistigt. Ja sogar eine Kadenz erscheint, die eines jener Nebenmotive bis ins Heroische hinauftreibt. Ansätze zu dieser Behandlung treten freilich schon früher auf, und besonders die Finales der gleichzeitigen Divertimenti bieten Ähnliches.

Die ziemlich virtuos gehaltene Violinsonate in B-Dur (K.-V. 378) hält sich noch an die ältere Weise, ja, sie bringt in der durchweg neue Gedanken enthaltenden Durchführung des ersten Satzes sogar noch einen leidenschaftlichen Erguß Schobertschen Stiles in Sequenzen. Der Satz ist außerdem durch eine große Anzahl und behagliche Breite seiner Themen ausgezeichnet, er hat sozusagen zwei Seitenthemen30. Die Krone des Ganzen ist das gefühlsinnige Es-Dur-Andantino, das in seinem dritten Teile in genialer Weise den ersten Abschnitt des Hauptthemas und den zweiten des Seitenthemas[670] eng aneinanderrückt und dann in einer wunderbaren Coda von echt Mozartscher Poesie die beiden Hauptstimmungen des Satzes wie in rosigem Dämmerlicht entschwinden läßt31.

Den drei Soloszenen für Sopran (K.-V. 368, 369, 374) merkt man die Nähe des Idomeneo an, was die Freiheit der Formbehandlung anbetrifft. Die beiden ersten verbinden einen langsamen Abschnitt mit einem raschen, die erste wiederholt sogar beide; charakteristisch ist, daß der Text des langsamen Satzes beide Male mit anderer Musik in den Allegros wiederkehrt. Die erste ist eine ausgesprochene Bravourarie, während die zweite schon im Rezitativ einen höheren Schwung nimmt. Die dritte ist ein einfaches, aber anmutiges Rondo, einer Zeïra in den Mund gelegt, mit behaglich ausgesponnenen Ritornellen32 und einem immer wiederkehrenden Schlußrefrain. Die Haltung des Ganzen gemahnt deutlich an die Pariser opéra comique33.

Auch im deutschen Liede zeigt sich bei Mozart nunmehr ein beträchtlicher Fortschritt. Zwar folgt er auch jetzt noch durchaus dem strophischen Prinzip, auch deutet die Beigabe der Mandoline bei »Komm liebe Zither« (K.-V. 351) und bei der »Zufriedenheit« (K.-V. 349)34 auf rein volkstümliche Lieder geselliger Natur hin. Aber schon in diesen beiden35, äußerlich[671] bescheidensten Liedern zeigt sich der Meister, sowohl was den Aufbau und die Freiheit von jeder Konvention, als auch die eigene Physiognomie eines jeden einzelnen betrifft. Beide sind sich auf den ersten Blick ziemlich ähnlich, und doch gehört die »Zufriedenheit« demselben Gebiete herzlicher Naturfreude an, wie das berühmte Mailied (K.-V. 596), während »Komm liebe Zither« bereits jenen verführerisch sinnlichen Anstrich hat, der später dem Mandolinenständchen des Don Giovanni zu eigen ist. Ein ganz anderer Geist weht dagegen in den drei Liedern »Ich würd' auf meinem Pfad«, »Sei du mein Trost« und »Verdankt sei es dem Glanz« (K.-V. 390–392) aus Hermes' Roman »Sophiens Reise«. Das bedeutendste davon ist das erste, bezeichnenderweise wieder in d-Moll stehende; es geht bei aller Knappheit doch weit über den recht selbstgefälligen Text hinaus und gibt ein Bild tiefster seelischer Zerrissenheit vom leisen Schmerz bis zur wilden Anklage an das Schicksal. Welchen Raum würde wohl ein späterer Komponist statt dieser 13 Takte beansprucht haben? Mozart aber erreicht sein Ziel allein durch eine dem beständigen Stimmungswechsel getreu folgende Melodik36 und durch eine echt Mozartisch den Mollcharakter straff festhaltende Harmonik, die an Kühnheit im damaligen Liede ihresgleichen sucht. Auch das zweite Lied ist voll von persönlichen Zügen, zu denen gleich der schon auf Schubert vorausweisende, sanft in die Tonart hineingleitende Anfang gehört. Beim dritten Liede ist der selbstbewußte Ton charakteristisch, in dem hier das Verhältnis von Hoch und Niedrig behandelt wird; das ist ebenfalls ganz Mozartisch.

Fußnoten

1 Dieses Thema erinnert an das Menuett eines Klaviertrios von Chr. Bach (Riemann, Collegium mus. Nr. 19).


2 Dieses charakteristische Skalenmotiv mit vorhergehendem Oktavensprung ist der Vorläufer des analogen Motivs im ersten Terzett des Don Giovanni.


3 Sie gemahnt an die analoge Figur in Bachs h-Moll-Messe; die poetische Vorstellung ist beide Mal dieselbe.


4 S.o.S. 138 f., 255.


5 Es ist derselbe stille Abschiedsgruß wie im Menuett der Violinsonate in F-Dur von 1781 (K.-V. 377).


6 Sehr poetisch ist der plötzliche A-cappella-Vortrag der Worte »Jesu Christe« im Gloria von K.-V. 337 (Part. S. 10).


7 Auch die Schleifer der Geigen am Anfang des Gloria von K.-V. 317 sind neu.


8 Außer der Orgel (die nur einmal obligat auftritt) dienen zwei Violinen mit dem Baß, Trompeten und Pauken (diese nur beim Dixit und Magnificat) und die mit dem Chor blasenden Posaunen zur Begleitung. Die Bratschen gehen regelmäßig mit dem Baß, dagegen ist – was früher äußerst selten vorkommt – das Violoncello öfters vom Kontrabaß getrennt. Einmal ist auch ein sehr einfaches Solofagott, und zwar ad libitum, gebraucht.


9 Die zweite Vesper bringt auf das Wort »exaltabitur« sogar eine lange Triolenkoloratur. Über die von Mozart nach dem 12. Takte dieses Satzes zuerst geplante, aber dann wieder verworfene andere Fortsetzung vgl. Nottebohm im R.-B.


10 Dieses »Laudate« wurde zuerst als Offertorium »Amavit eum dominus et iusti« in Wien bei Diabelli gedruckt.


11 Zuerst gedruckt als Offertorium »Sancti et iusti«, Wien Diabelli.


12 S.o.S. 131.


13 Früher bei Diabelli als Graduale gedruckt. K.-V. 115 Anh. Klav.-Ausz. von Rheinberger Berlin 1873. AMZ 1873, 718, 766.


14 I4 611 ff.


15 WSF II 408.


16 So noch Jahn I4 68.


17 Das lehrt die Handschrift und der Umstand, daß es auf einem besonderen Blatt beigelegt ist. Auch zur C-Dur-Sinfonie wurde ein Menuett angefangen, aber nicht vollendet.


18 S.o.S. 556.


19 Vgl. Schultz, Mozarts Jugendsinfonien, 1900, S. 77 ff. Kretzschmar, Führer I4 173 ff.


20 Sein zweites Thema bringt eine Paisiello (S. 364) abgelauschte Mozartsche Lieblingsmelodie, die dann später auch im Klarinettentrio (K.-V. 498) wiederkehrt.


21 Dieselbe Melodie kehrt, rhythmisch verändert, inSchuberts Impromptu in As-Dur für Klavier wieder.


22 Deshalb wird das Konzert auch bald nach der Rückkehr geschrieben sein (WSF II 407). Mozart erbittet sich in Wien (27. Juni 1781) »die Sonate à 4 mains ex B und die zwei Concerte auf 2 Clavier«, berichtet auch später, daß er in einer Akademie mit Frl. Aurnhammer das Konzert »a due« gespielt habe (24. November 1781). Damit stimmt es auch überein, daß zu der ursprünglichen Begleitung auf einem Beiblatt später zwei Klarinetten – für die Aufführung in Wien – hinzugefügt sind. Das zweite Konzert, welches dort erwähnt wird, ist ohne Zweifel das ursprünglich für drei Klaviere geschriebene und dann für zwei von ihm eingerichtete (S. 430).


23 Im letzten Satze finden sich einige auffallende Anklänge an die Zauberflöte, vgl. G.-A.S. XVI. 10, S. 38 und 39 f.


24 Im ersten Trio ist in der Originalpartitur die Stimme des Flautino leer gelassen, vielleicht sollte sie der Bläser improvisieren. Zu derselben Serenade gehört wahrscheinlich einer der beiden D-Dur-Märsche (K.-V. 335, S.X. 8).


25 Vgl. darüber oben S. 540 (Philidor).


26 Sein Hauptgedanke ist die Umkehrung des Credothemas aus der F-Dur-Messe.


27 Das eine Seitenthema des Schlußrondos ist dasselbe wie der neue Durchführungsgedanke im ersten Satze der B-Dur-Sinfonie.


28 Das Seitenstück dazu sind die d-Moll-Variationen der Violinsonate in F-Dur (K.-V. 377), deren zweite mit der ersten des Divertimentos sogar motivisch verwandt ist.


29 Ob zu diesem Divertimento der Marsch (K.-V. 445, S.X. 21) gehört (WSF II 407), mag dahingestellt bleiben.


30 Auf die Ähnlichkeit der Fortsetzung des zweiten mit einem Gedanken aus einem Chr. Bachschen Violinkonzert macht Schering, Gesch. des Instrumentalkonzerts, S. 161, aufmerksam.


31 Das unvollendete Allegro (K.-V. 372), das später von Stadler in sehr anspruchsvoller und wohl kaum Mozartscher Weise vollendet wurde, bietet nichts Besonderes.


32 Das eine davon bringt bereits die kleine kanonische Partie, die im ersten Finale der Zauberflöte auf die Worte »und er lebte ohne sie in der besten Harmonie« wiederkehrt.


33 Das Hauptthema ist ein Absenker der Oboenmelodie aus Glucks »Orfeo« (Che puro ciel) und erscheint dann wieder im Andante der Jupitersinfonie.


34 Nach Nottebohm, Mozartiana S. 130, ist die Bearbeitung dieses Liedes für Klavier nicht sicher verbürgt, doch spricht sie Deiters J II4 72 auf Grund der Änderungen in der Singstimme wohl mit Recht Mozart zu.


35 Das Wiegenlied »Schlafe mein Prinzchen« (K.-V. 350, S. VII. 12) ist zuerst bei Nissen, Nachtr. S. 20 veröffentlicht. Nissen teilte auch André 1826 mit, nach dem Urteil von Kennern sei das Werk Mozarts würdig, Mozarts Schwester könne sich freilich einer solchen Komposition ihres Bruders nicht entsinnen. Auf seine Frau beruft sich Nissen indessen bezeichnenderweise nicht. Nottebohm wies im R.-B. auf einige grobe Verstöße gegen Deklamation und Stimmführung in Nissens Fassung hin, die unmöglich von Mozart herrühren können. Seitdem sind an der Echtheit der Komposition immer wieder Zweifel aufgetaucht, vor allem bei Jahn, Köchel, Deiters und M. Friedländer, der Vj VIII, 275 ff. als Textdichter F.W. Gotter herausstellte. Dagegen hält Joh. Ev. Engl (12. Jahresber. des Mozarteums 1892, 42 ff.) an Mozarts Autorschaft fest. Später gelang Friedländer der Nachweis, daß die Komposition von Flies herrühre und unter seinem Namen schon 1795/96 im Druck erschienen sei (JP 1896, 69 ff.). Nun steht aber in dem jüngst bekanntgewordenen Tagebuch Konstanzes (das sich jetzt in meinem Besitze befindet) unter dem 27. September 1828: »an Dr. F[euerstein] statt des Wiegenlieds eine andere composizion meines Mozarts beygelegt.« Vgl. E. Bücken, Beiträge usw. aus dem Antiquariat J. Rosenthal, München, Heft 6. Daraufhin trat J. Ev. Engl neuerdings wieder für die Echtheit des Liedes ein (35. J.-Ber. des Mozarteums 1916, 35 ff.). Trotzdem bleibt der Fall sehr zweifelhaft, da Konstanze in Echtheitsfragen eine durchaus nicht einwandfreie Quelle ist. Und wenn sie das Lied durch eine andere Mozartsche Komposition ersetzen wollte, sieht das nicht so aus, als wäre sie selbst doch nicht ganz sicher gewesen? Endlich erweckt auch der Stil des Liedes Bedenken. Eine gleiche schematische Teilung in lauter gleich gebaute Zweitakter findet sich bei keinem zweiten Mozartschen Liede, auch seine einfachsten sind mehr auf Mannigfaltigkeit, auf persönliche Züge bedacht (vgl. K.-V. 349, 351). Das »Wiegenlied« ist die Schöpfung eines Talents, aber keines Genies, und sollte Mozart doch sein Verfasser sein, so gehört es eben zu seinen rasch hingeworfenen Gelegenheitskompositionen. Das Melisma des vorletzten Takts ist nicht Mozartisch, sondern damals auch im Lied Gemeingut.


36 Betrachtet man die vier Strophen auf Deklamation und Stimmungsgehalt, so zeigt sich, daß es wohl die letzte war, die die Melodie des Ganzen ins Leben rief.


Quelle:
Abert, Hermann: W. A. Mozart. Leipzig 31955/1956, S. 672.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Holz, Arno

Papa Hamlet

Papa Hamlet

1889 erscheint unter dem Pseudonym Bjarne F. Holmsen diese erste gemeinsame Arbeit der beiden Freunde Arno Holz und Johannes Schlaf, die 1888 gemeinsame Wohnung bezogen hatten. Der Titelerzählung sind die kürzeren Texte »Der erste Schultag«, der den Schrecken eines Schulanfängers vor seinem gewalttätigen Lehrer beschreibt, und »Ein Tod«, der die letze Nacht eines Duellanten schildert, vorangestellt. »Papa Hamlet«, die mit Abstand wirkungsmächtigste Erzählung, beschreibt das Schiksal eines tobsüchtigen Schmierenschauspielers, der sein Kind tötet während er volltrunken in Hamletzitaten seine Jämmerlichkeit beklagt. Die Erzählung gilt als bahnbrechendes Paradebeispiel naturalistischer Dichtung.

90 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon