Gesellschafts- und Kirchenmusik aus der Zeit des Salzburger Aufenthaltes

[125] Der Erzbischof fühlte sich durch die Leistungen des jungen Salzburgers offenbar geschmeichelt, so daß er den halben Erfolg in Wien, soviel an ihm war, zu ergänzen suchte. Er ließ Wolfgangs Oper, obwohl sie »eine opera buffa« war, und zwar eine solche, die besondere Charaktere von »persone buffe« erforderte, in Salzburg aufführen. Der Theaterzettel lautete folgendermaßen:


La Finta Semplice Dramma Giocoso per Musica

Da rappresentarsi in corte per ordine di S.A. Reverendissima

Monsignor

Sigismondo Arcivescovo

e Prencipe

di Salisburgo

Prencipe del S.R.I.

Legato Nato della S.S.A.

Primate della Germania e dell antichissima famiglia

dei conti di SCHRATTENBACH. etc. etc.

Salisburgo Nella Stamperia di Corte 1769.


Personaggi.


Fracasso, Capitano UngareseNinetta Cameriera

Il Sig. Giuseppe Meisner.La Sig. Maria Anna

Fösömair.

Rosina Baronessa SorellaDon Polidoro Gentiluomo

di Fracasso, la quale si fingesciocco Fratello di

SempliceCassandro

La Sig. Maria MaddalenaIl Sig. Francesco

Haydn.Antonio Spizeder.

Giacinta, sorella di DonDon Cassandro Gentiluomo

Cassandro e Don Polidorosciocco ed Avaro Fratello

di Polidoro

La Sig. Maria AnnaIl Sig. Giuseppe

Braunhofer.Hornung.

Simone Tenente del

Capitano

Il Sig. Felice Winter.


Tutti in attual servizio di S.A. Reverendissima etc.

La Musica è del Signor Wolfgango Mozart in Età di Anni dodici1.


Für derartige Aufführungen, die am Namenstag des Erzbischofs oder bei besonderen festlichen Veranlassungen stattfanden, war im erzbischöflichen[126] Palast ein Theater eingerichtet2. Die Ausführung übernahmen entweder Mitglieder des Hofstaates – im Jahr 1748 wurde »La clemenza di Tito« von den »signori paggi di corte« gegeben, denen auch die Frauenrollen zufielen – oder der Kapelle. Die noch vorhandenen Textbücher zeigen, daß häufig, wenn auch nicht immer, einheimische Musiker die Komposition lieferten. Bei solchen Festopern wurde in der Regel am Schluß der Gefeierte direkt angeredet, meistens in der Form einer Arie mit Rezitativ, an die sich wohl auch ein Chor anschloß; diese Anrede, die mit dem Inhalt der Oper in gar keinem Zusammenhang stand, hieß licenza3. Es sind noch zwei von Wolfgang komponierte, an den Erzbischof Sigismund (gest. 1771) gerichtete Licenzen vorhanden, eine Tenorarie (K.-V. 36, S. VI. 3) und eine Sopranarie (K.-V. 70, S. VI. 4), beide mit lang ausgeführtem Rezitativ, die von der zunehmenden Gewandtheit in der Formbehandlung Zeugnis ablegen.

Den größten Teil des Jahres 1769 brachte Wolfgang ruhig in Salzburg mit Studien zu, von denen wir freilich nichts Näheres wissen4. Außer sieben Menuetten für zwei Violinen und Baß, richtigen Tanzstücken, die am 26. Januar komponiert wurden (K.-V. 65a, S. XXIV. 13), wissen wir noch von zwei Instrumentalwerken, aller Wahrscheinlichkeit nach Serenaden, die am 6. und 8. August bei der Universität zum Vortrag kamen5. Daß das aber nicht die einzigen Gelegenheitskompositionen in dieser Zeit waren, beweist ein Brief Wolfgangs vom 4. August 1770 an Marianne6, worin die »Anfänge unterschiedlicher Kassationen« verzeichnet sind. Es sind die Kassationen in G-Dur für 2 Violinen, 2 Bratschen, Baß, 2 Oboen oder Flöten und 2 Hörner (K.-V. 63, S. IX. 1) und B-Dur für 2 Violinen, Viola, Baß, 2 Oboen und 2 Hörner (K.-V. 99, S. IX. 2) sowie eine verlorengegangene in D-Dur. Dazu gesellt sich ihrem Stile nach noch die D-Dur-Serenade für 2 Violinen, 2 Bratschen, Baß, 2 Oboen (oder Flöten), 2 Hörner und 2 Trompeten (K.-V. 100, S. IX. 3). Ob sich die für die Universität bestimmten Werke darunter befinden, ist nicht mehr sicher zu entscheiden, ebensowenig, ob einige davon und welche schon vor der Wiener Reise, also 1767, entstanden sind7.[127]

Damit betrat Mozart ein Gebiet, das sich in seiner österreichischen Heimat besonderer Beliebtheit erfreute. Die alte volkstümliche Orchestersuite war hier niemals ausgestorben, sondern hatte unmittelbar vor dem Auftreten der Klassiker eine neue Hochblüte erreicht. Der Geist aber war der alte geblieben: der Flug dieser Kunst ging zwar nicht zu den Sternen, aber sie suchte das Volk auf der Straße und in seinem Heim auf und verschönte ihm mit heiteren und traulichen Klängen, die seiner Fassungskraft entsprachen, die kleinen und großen Feierstunden seines Alltagslebens. So ist hier ein Stück musikalischer Volkserziehung geleistet worden, das an dem hohen musikalischen Ansehen des österreichischen Stammes einen ganz hervorragenden Anteil hat. Schon im Jahre 1684 berichtet ein Reisender8, daß in Wien »schier nicht ein Abend vorbeigegangen sei, an dem wir nicht eine Nachtmusik vor unseren Fenstern hatten«, und noch 1794 ist von gesungenen und gespielten Ständchen aller Art die Rede9. Nur der Name, der Bau und die Besetzung waren gegen früher andere geworden. Die Stücke heißen nunmehr Kassation10, Serenade, Divertimento, Nachtmusik (Notturno), ja sogar hinter der Bezeichnung »Sinfonie« verbirgt sich mitunter noch eine Serenade, wie in der Klaviermusik hinter der Überschrift »Sonate« eine Suite11. Im Bau hat die neue Kunst mit der alten noch das Schwanken hinsichtlich der Satzzahl gemein. Aber von den früheren Tänzen haben sich nur das Menuett und die beliebte Polonäse behauptet; auch der stehende alte Eingangssatz, die französische Ouvertüre, ist zugunsten eines flotten Marsches gefallen, mit dem die Musikanten zum Ständchen aufzogen. Man sieht deutlich, wie stark diese Kunst mit dem Vortrag im Freien rechnete; auch die flotten Schlußsätze beweisen es. Allmählich aber begann die Sinfonie ihren Einfluß geltend zu machen. Die ersten und letzten Sätze, aber auch die Andantes nähern sich in Bau und Haltung mehr und mehr den entsprechenden Sinfoniesätzen. Aus der Verbindung zweier langsamer Sätze mit zwei Menuetten zwischen den Ecksätzen ergab sich eine sechssätzige Form, die später bei Mozart eine große Rolle spielt, ohne daß er sich freilich auf sie vollständig festgelegt hätte. Einer der bedeutendsten Unterschiede gegen früher aber ist der Wegfall des großen Streichorchesters. Diese Divertimenti usw. gehören der Kammermusik an und haben deren weiterer Entwicklung, namentlich dem Streichquartett, wichtigen Vorschub geleistet12.[128] Auch hier zeigte sich der Gelegenheitscharakter der ganzen Kunst: befanden sich unter den Musikanten hervorragende Solisten, so legte der Komponist unbedenklich einen oder mehrere Sätze ein, in denen sie ihre ganze Kunst entfalten konnten. Umgekehrt wurden schlechte Spieler von ihm gelegentlich durch plötzlich auftauchende falsche Noten geneckt. Überhaupt ist diese ganze Gattung eine wahre Fundgrube der feinsten Klangwirkungen und -mischungen, wie sie auch in ihrem thematischen Gehalt gerne auf allerhand Dinge anspielt, die mit der äußeren Gelegenheit des Ständchens irgendwie zusammenhängen. An Vorbildern fehlte es also dem jungen Mozart nicht, weder in Wien noch in Salzburg, wo sein Vater13 und Mich. Haydn14 die Gattung mit besonderer Vorliebe pflegten. Dieser Art schließen sich nun auch die drei genannten Beiträge Mozarts an. K.-V. 63 und 99 werden von einer Marcia eröffnet, die im letzten Stück am Schlusse sogar da capo verlangt wird. K.-V. 63 und 100 haben zudem solistische Einschiebsel, jenes für eine Violine in einem Satz, dieses für Oboe und Horn in drei Sätzen; beide Male ist die konzertmäßige Scheidung von Soli und Tutti ganz deutlich15. Die ersten Sätze tragen Sonatenform mit kurzer Durchführung und vollständiger oder um das erste Thema verkürzter Reprise, die letzten sind entweder, wie in K.-V. 63 und 100, leichtgeschürzte Rondos oder, wie in K.-V. 99, ebenfalls sonatenhaft, aber mit zwei in Takt und Tempo verschiedenen Themen. In den Andantes liebt es Mozart, den Charakter des Ständchens durch Sordinen, Pizzikatobegleitung und romanzenartige Melodik besonders zu betonen. Sie sind es zugleich, die von der Haupttonart des Ganzen, zumeist nach der Unterdominante hin, abweichen, während die überall doppelt vertretenen Menuette wieder in die Grundtonart zurückführen. Besonderen Reiz gewähren die keck volkstümlichen und die humoristischen Züge, die in den Sinfonien weit seltener sind. Wenn sich zum Beispiel im Schlußgrüppchen des Marsches von K.-V. 63 das verkleinerte Hauptthema im pp davonstiehlt, so ist das von zwingender Komik. An volkstümlichen Klängen16 ist besonders K.-V. 99 reich, bemerkenswert ist aber auch das Finale von K.-V. 63, ein ausgesprochenes Jagdstück, dessen volkstümliches Thema mit gutem Humor durch verschiedene Tonarten dahinwandert. Am anspruchsvollsten tritt K.-V. 100 auf. Sein erster Satz fällt wegen seines echt Mozartschen Reichtums an musikalischen Gedanken auf: das geht vom lärmenden italienischen Ouvertürenanfang über die merkwürdig gespannte Orgelpunktpartie und das unheimlich und schattenhaft einherhuschende und schließlich ratlos auf einer schweren Fermate haltmachende a-Moll-Thema bis zu dem unwirschen Humor der polternden[129] Unisono-Schlußgruppe. Die dunkeln Stellen fehlen somit auch hier nicht; sie erscheinen namentlich in den Trios mancher Menuette (z.B.K.-V. 63 4, K.-V. 100 7) und in den Seitensätzen der Rondos. Der allgemeine Serenadencharakter der Stücke wird von ihnen hier allerdings noch nicht berührt; Behagen, Liebenswürdigkeit und Schäkerei walten durchweg vor.

Mit seiner ersten Messe in G-Dur (K.-V. 49) betrat Mozart ein Gebiet, zu dem es ihn bis zum Beginn seiner Reifezeit immer wieder hingezogen hat. Gewiß sind diese Messen samt und sonders Jugendwerke, denen das Letzte, die Lebenserfahrung, fehlt; man darf nur an das Requiem denken, um den ganzen Unterschied zu ermessen. Mozart wurde zudem in eine Zeit hineingeboren, deren kirchenmusikalisches Ideal viel von der älteren Reinheit und Strenge eingebüßt hatte. An dieser Veräußerlichung Kritik zu üben oder ihm gar, wie es später Beethoven tat, ein neues, reineres Ideal entgegenzusetzen, ist dem jungen Mozart so wenig in den Sinn gekommen, wie er sich auf den anderen Gebieten bewußt als Reformator gefühlt hat. Auch hier läßt er sich zunächst von den verschiedensten künstlerischen Eindrücken treiben (weshalb es ein großer Irrtum ist, alle diese Messen über einen Leisten zu schlagen), und gewinnt erst allmählich eigenen Grund und Boden. Schon aus diesem Grunde ist das Studium seiner Messen lehrreich: sie geben ein höchst anschauliches Bild von den verschiedenen Strömungen in der damaligen Meßkomposition. Aber auch ihr künstlerischer Wert darf nicht unterschätzt werden, wenn er auch natürlich nicht an den seiner reifen Schöpfungen auf anderen Gebieten heranreicht. Es ist kunstpsychologisch von hohem Reiz, zu verfolgen, wie er sich allmählich seine eigene Formen- und Ausdruckswelt schafft, wie trotz aller Verschiedenheit einzelne Typen immer wiederkehren, um dann nach über zehnjähriger Pause im Requiem in ihrer höchsten Durchgeistigung wieder aufzutauchen.

Die beiden ersten Messen in G-Dur und d-Moll (K.-V. 49, 65) bilden insofern eine Gruppe für sich, als sie noch dem älteren, strengeren Typus angehören, dem in Salzburg besonders Eberlin und zum Teil auch L. Mozart huldigten. Gewiß ist auch seine Reinheit, verglichen mit dem, den Mozart später bei Padre Martini kennenlernte, bereits merklich getrübt, aber die oft bis zur Knechtung des Textes gehende Musikseligkeit der Richtung Hasses, ihre Unterordnung des Poetischen unter das Reinmusikalische, tritt doch noch nicht so grell zutage. Deshalb fehlen auch noch die breit ausgeführten Bilder mit ihren häufigen Textwiederholungen, und damit auch das Streben, die einzelnen Gedanken des Textes in die üblichen musikalischen Formen einzuspannen. Der Aufbau ist kurz und knapp und begnügt sich mit der einmaligen, eindringlichen Wiedergabe der einzelnen Gedanken. Das zweite Merkmal des älteren Stiles ist die große Zurückhaltung des Orchesters. Die erste Messe verstattet ihm den Singstimmen gegenüber kaum eine selbständige Rolle, während die zweite schon in moderneren Bahnen wandelt. Auch daß der Kontrapunkt nicht, wie später, auf bestimmte Stellen beschränkt[130] ist, sondern den ganzen Stil durchdringt, gemahnt noch an die ältere Art, ebenso die Teilung des Chores in zwei konzertierende Gruppen, einzelne Echowirkungen und Baßführungen, wie z.B. im »Benedictus« von K.-V. 65 u. dgl. Mozarts Zugehörigkeit zur alten Schule und seine Anfängerschaft offenbaren sich ferner auch darin, daß er ganz unbekümmert mit erprobtem thematischem Gut arbeitet. So kehrt das alte Thema mit dem verminderten Septimensprung:


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das aus Bach und Händel wohlbekannt ist17 und schließlich im »Kyrie« des Requiems erscheint, mit verschiedenen Varianten in diesen Messen wieder, so im »Osanna« von K.-V. 65 (im Baß) und im »Crucifixus« und »Qui cum patre et filio« von K.-V. 49; in dem Fugenthema des »Et vitam venturi saeculi« derselben Messe aber klingt ein aus der ersten Fuge von Bachs Wohltemperiertem Klavier bekannter, uralter Typus (Hexachordthema mit Quartenschritten) nach:


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Auch das »Dona« von K.-V. 65 mit seinen zwei gegenläufigen Skalenthemen und dem doppelten Kontrapunkt, das »Miserere« im Gloria von K.-V. 49 mit dem verminderten Sekundenschritt18 und die Chromatik des »Crucifixus« von K.-V. 49 sind Belege dafür, besonders aber das »Benedictus« von K.-V. 65, das mit seinen altertümlichen Bässen, seiner strengen Stimmführung und namentlich seiner herben und ernsten Auffassung nur wenige Nachfolger gefunden hat. An diesem Satz hat Mozart besonders viel gelegen; er hat ihn nicht weniger als viermal bearbeitet19.

Dem Herkommen entsprechen ferner die Verteilung der einzelnen Partien auf Tutti und Solo und namentlich die Grundauffassung sowohl der ganzen Sätze als auch ihrer Unterabschnitte bis in einzelne feststehende Bilder hinein, wie »ascendit«, »descendit«, »vivos et mortuos« u. dgl. Hierher gehören die dunkle Färbung des »Qui tollis«, »Et incarnatus est« und »Agnus Dei«, der Fugencharakter des »Et vitam« und »Cum sancto spiritu«, der sich in diesen Messen noch auf die einmalige Durchführung des Themas beschränkt, und der bewußte, scharfe Gegensatz des »Crucifixus« und »Et resurrexit«. Die Botschaft von der Auferstehung wird hier noch von der kompakten[131] Chormasse mit scharfer Deklamation in jenem ekstatischen Ton verkündet, der der älteren Messe zu eigen ist und dann in Beethovens großer Messe eine grandiose Auferstehung feiert. Endlich sei auch noch die gegensätzliche Zweiteilung des »Agnus Dei« genannt sowie das in beiden Messen zutage tretende Bestreben, bei »Et unam sanctam« in freier Weise motivisch auf frühere Sätze hinzuweisen (in K.-V. 49 auf das »Et resurrexit«, in K.-V. 65 auf das »Patrem« und »Et vivificantem«). Es pflegt überhaupt meist übersehen zu werden, wieviel von dem uralten Streben, die Messe motivisch einheitlich zu gestalten, noch in diesen späten Nachzüglern fortlebt. So wird K.-V. 49 von einem Melodietypus beherrscht, dessen Hauptmerkmal das stufenmäßige Ansteigen zur Quart mit folgendem Absinken in die Terz und die Harmonisierung I-(IV)-V-I ist. Die einfachste Form bringt gleich der Beginn des Kyrie:


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Ihr folgt unter Benützung des umgekehrten Nebenmotivs b im zweiten Abschnitt gleich die erste Variante:20


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Erweitert erscheint es am Beginn des Gloria:


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und mit demselben Anlauf vom Grundton aus in den Fugenthemen des »Cum sancto spiritu«21 und »Et vitam«:


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Ebenso steckt es, bis zum Hexachord erweitert, in dem Thema des »Osanna«:


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[132] in lapidarer Gestalt mit dem energischen Quartensprung22 im »Et resurrexit«


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und mit dem Quintensprung im »Patrem«:


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Eine Ausdruckssteigerimg erfährt es ferner durch die Erhöhung seiner ersten Hälfte um eine Sext und die Rückkehr vermittels Sextensprungs im »Laudamus te« und »Quoniam tu solus sanctus«:


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Andere Abschnitte, namentlich die von dunkler und geheimnisvoller Stimmung, werden weniger durch eine gemeinsame Thematik als durch eine sinngemäße Wahl des Tongeschlechts und der Stimmführung miteinander verknüpft, so das »Qui tollis«, »Et incarnatus est« und »Agnus Dei« durch die Chromatik und den dadurch erzeugten Ausnahmecharakter der Modulationsordnung.

Auch die d-Moll-Messe baut sich auf zwei solchen melodischen Grundtypen auf. Der eine läßt sich auf die einfachste Form


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zurückführen und schließt damit schon einen chromatischen Keim in sich (vgl. Part. S. 3323, 38 Syst. 2; 41, 2 und 3; 42, 2; 44, 2; 46, 1). Der andere stellt eine im Rahmen einer Quart, Quint oder Sext stufenweise absteigende Skala dar. Er verbindet z.B. das »Kyrie« mit dem »Dona«:


24

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[133] Dazu erscheint im »Dona« im Baß gleich die Umkehrung25 in langen Noten, gleich darauf ebenso das ursprüngliche Quartenmotiv mit einem jenem anderen Hauptmotiv entstammenden Kontrapunkt. Auch in den Mittelsätzen ist jenes Skalenthema mit den verschiedensten Varianten am Werke (P.S. 37, 2 [Fugenthema des »Cum sancto spiritu«], 40, 3; 41, 3; 43, 1 [»Et vitam«]); selbst dem »Benedictus« liegt es zugrunde. Was aber dieser Messe noch ein besonders einheitliches Gepräge verleiht, ist die zäh festgehaltene Molltonart, die innerhalb der einzelnen Sätze nur auf ganz kurze Strecken verlassen wird. Selbst »Sanctus« und »Benedictus« machen keine Ausnahme, und nur das Credo hat einen Satz mit Durschluß. Es ist sehr wohl möglich, daß dahinter ein bestimmter äußerer Anlaß, etwa eine Trauerfeier, steckt26.

Im allgemeinen betrachtet ist die zweite Messe bereits um einen Grad moderner als die erste. Das zeigt sich außer in der selbständigeren Beteiligung des Orchesters gleich im Kyrie. Sein rascherer Hauptteil ist in K.-V. 49 einfach durchkomponiert, das Christe zwar modulatorisch leicht abgesetzt27, aber keineswegs als selbständiger Teil, sondern mit dem Kyrie unlöslich verbunden. In K.-V. 65 dagegen hat der Satz bereits die zyklische Dreiteiligkeit mit dem Christe als Mittelteil, nur daß die Worte »Kyrie eleison« nicht mit der Wiederkehr des Anfangs zusammenfallen, sondern schon bei der Überleitung dazu auftauchen. Sonst aber entwickelt sich alles Zug um Zug im engsten Anschluß an den Text, auch in den Sologesängen, die sich von den späteren hauptsächlich durch ein weit größeres Maßhalten in der Koloratur unter scheiden. Im Credo der d-Moll-Messe kommt es sogar vor, daß die Worte »et in spiritum sanctum, dominum – et vivificantem – qui ex patre filioque procedit – qui cum patre et filio«, ähnlich wie bei L. Mozart28, unter drei Stimmen verteilt zusammen gesungen werden.

Eine besondere Originalität der Auffassung wird von dem Knaben Mozart niemand erwarten; immerhin leuchtet sein Genius an einzelnen Stellen ganz auffallend hindurch, wie z.B. im Credo von K.-V. 49 bei der schönen Durwendung auf »homo factus est«, die die Menschwerdung Christi mit diesem einfachen Mittel ergreifend schildert:


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[134] Überhaupt gehören die beiden »Et incarnatus est« schon hier zu den besten Sätzen. Besonders knapp sind beide Kompositionen des »Sanctus«. Der Grundcharakter ist beide Male der des Schwebenden; in K.-V. 49 liegt er in den aufsteigenden Ligaturenketten, in K.-V. 65 in dem wiegenden kurzen Orchestermotiv, von guter Wirkung ist dabei auch das konzertierende Wechselspiel der beiden Chorgruppen. Das »Benedictus« von K.-V. 49 gehört zu den Sätzen, deren melodischer Charakter sich noch am meisten dem späteren Brauche nähert, ohne ihn freilich ganz zu erreichen. Gerade hier hätte es ja besonders nahe gelegen, ein geschlossenes, in sich gegliedertes Ganzes zu schaffen; statt dessen fügt Mozart lauter selbständige Melodien aneinander, die nur die allgemeine Stimmungsgemeinschaft verbindet, voll naiver, anmutiger Herzlichkeit – man wird an Goethes »halb Kinderspiele, halb Gott im Herzen« gemahnt. Über das »Benedictus« von K.-V. 65 wurde bereits gesprochen; es ist aber auch orchestral höchst bemerkenswert, denn am Anfang klingt in den beiden Geigen noch das Motiv des »Sanctus« nach, beim letzten »qui venit« aber flimmert bereits das der Erscheinung der himmlischen Heerscharen in Händels Messias nachgebildete Motiv auf29:


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das dann auch den ersten Teil des »Agnus Dei« begleitet, die Strahlenkrone[135] der himmlischen Erscheinung des Lammes30. So verbindet das Orchester die letzten drei Sätze in ganz eigentümlicher Weise. Der Grundcharakter beider Agnus-Sätze ist dunkle, vor dem Ewigen erschauernde Ehrfurcht. Die Melodik ist vorwiegend deklamatorisch, die Harmonik aber gleitet in außerordentlich kühnen Folgen dahin, die namentlich in K.-V. 49 schon ganz in Mozarts späterer Art Fragen ins Jenseits zu stellen scheinen. Das »Dona« dieser Messe sinkt zwar stark von jener Höhe herab, geht aber doch durch seinen natürlichen, kindlichen Ton dem äußerlich glänzenden, aber oberflächlichen Wesen mancher späteren »Dona«-Sätze mit Glück aus dem Wege. Dem »Dona« von K.-V. 65 gelingt dasselbe durch seine strengere Arbeit. Eine merkwürdige Zwitterstellung zwischen diesen beiden und der nächsten Messe nimmt das Offertorium »Veni sancte spiritus« (K.-V. 47, S. III. 7) ein31. Es bedient sich nicht allein eines reicheren Orchesters (Streichquartett, Oboen, Hörner, Trompeten und Pauken), sondern läßt es auch in Form von Vor- und Zwischenspielen sowie selbständiger Begleitfiguren weit selbstherrlicher hervortreten. In der Annäherung an die Dreiteiligkeit und der bewußten Gegensätzlichkeit der Themen liegt ein weiterer »moderner« Zug. Dagegen weist die Textbehandlung, die Verteilung von Soli und Tutti und der Charakter mancher Motive (»et tui amoris«, »alleluja«) auf jene Messen zurück. Auch ist die Orchesterbegleitung ungelenk und reich an nichtssagenden Gemeinplätzen. Alles in allem gewinnen wir das Bild eines Künstlers, der einen ihm bekannt gewordenen neuen Stil nachzubilden versucht, aber mit dieser Aufgabe noch nicht fertig wird. Vielleicht haben wir wirklich eine Vorstudie für Wien vor uns32.

Eine ganz andere Bahn schlägt dagegen die sog.Pater-Dominikus-Messe (K.-V. 66, S.I. 3 mit Espagnes R.-B.) an. Sie entstand im Oktober 1769, als Wolfgangs Freund Hagenauer, dessen Eintritt ins Kloster ihm dereinst Tränen entlockt hatte (S. 78), in der St. Peterskirche die erste Messe zelebrierte33. Liturgisch und der Instrumentation nach ist sie eine Festmesse[136] (missa sollemnis), stilistisch bedeutet sie den Übergang von der älteren, in Salzburg gepflegten Tradition zu dem neuen, namentlich von J. A. Hasse vertretenen Stil, der auch in Wien den älteren allmählich verdrängt hatte. Ganz vermag sich Mozart freilich auch jetzt noch nicht der alten Kunst zu entziehen, wie z.B. die Baßführung des »Benedictus« und »Agnus Dei« und die Melodik der Fugen »Cum sancto spiritu« (eines Absenkers der Fuge »Et vitam« in K.-V. 49) und »Osanna« beweisen.

Das Grundmerkmal des neuen Stils besteht in der Überflutung der Meßkomposition durch Ausdrucks-und Formenwelt der gleichzeitigen Opern- und Instrumentalmusik. Das bedingte eine weit stärkere Rolle des Solistischen und Instrumentalen und vor allem weit breiter ausgeführte Bilder als bisher. Der Schwerpunkt des Ganzen verschiebt sich auf Kosten des Poetischen zugunsten der Musik. Während in den beiden älteren Messen die Form sich aus dem engen Anschluß der Musik an den Text von selbst ergab, muß sich dieser jetzt den bereits fertigen musikalischen Formen der zwei- und dreiteiligen Arie und des Sonatensatzes anbequemen, und mit ihnen dringen auch ihre ganze Modulationsordnung, ihre melodischen Formeln bis zur bekannten Kadenz mit Fermate und Triller und ähnliches in die Messe ein. Natürlich begnügt sich auch die Koloratur nicht mehr mit kürzerer malerischer Auszierung einzelner Begriffe, sondern tritt, wie in der Oper, mit ausschweifender Selbstherrlichkeit auf den Plan.

Auch jenes Streben nach motivischer Einheit hört zwar nicht auf, nimmt aber doch andere Formen an. An die ältere Art erinnert nur noch die Verwandtschaft des »Laudamus«, »Domine Deus« und »Et in spiritum sanctum«, also der drei Hauptsolosätze, in Melodik, zweitaktiger Gliederung und opernmäßigem Gepräge. Dagegen zieht Mozart jetzt, um zwar nicht die ganze Messe, aber doch ihre großen Unterabschnitte zu einer Einheit zusammenzuschweißen, das Orchester heran. So geht durch das ganze Credo eine Art von ostinatem Baß hindurch, der immer wieder auf den Anfang hinweist, ein Mittel, das von Hasse stammt34 und später von Mozart in der mannigfaltigsten Weise weitergebildet wurde.

Die Einwirkung des Sonatensatzes verrät gleich das Allegro des Kyrie: zwei scharf kontrastierende Themen, Dominantschluß mit Orchesterzwischenspiel, dann Rückführung unter Vorantritt des Hauptthemas in die Haupttonart und Reprise zwar nicht des Haupt-, aber des Seitenthemas. Die Sologesänge dagegen bedienen sich zumeist der zweiteiligen Arienform, wie sie damals in der komischen Oper Italiens und besonders Frankreichs[137] zu Hause war. Sie lehren deutlich, daß mit der Form auch der Geist der Oper in die Messe einzog. Die anmutige, aber textwidrige Tändelei und den Koloraturenflitter dieser Sätze ist Mozart lange nicht wieder losgeworden. Am schlimmsten wirkt der an Sperontes35 gemahnende Polonäsenrhythmus des »Quoniam«, aber auch das »Et incarnatus« ist zu leicht geraten. Es deutet übrigens erstmals bei Mozart auf eine trauliche Szene an der Krippe des Jesuskindes hin. Der Kontrapunkt andererseits löst sich aus seiner engen Verbindung mit dem Homophon-Akkordlichen los und zieht sich auf bestimmte Abschnitte zurück, er erscheint damit nicht mehr als notwendiger Stilbestandteil, sondern als besondere Würze, die dem Komponisten Gelegenheit geben soll, sein Können im strengen Satze darzutun. Seine Hauptdomäne sind die beiden Abschnitte »Cum sancto spiritu« und »Et vitam«, in denen nunmehr an Stelle der einmaligen Durchführung des Themas voll ausgeführte Fugen treten. Allerdings hat auch hier das rein Musikalische, Scholastische den Vorrang vor dem Poetischen. Es sind zugleich die einzigen Partien, in denen das Orchester, in der Hauptsache wenigstens, den Gesang einfach begleitet; überall sonst wahrt es streng seine Selbständigkeit und zwar in doppelter Weise. Entweder schlägt es, wie im Allegro des Kyrie, den Ton der gleichzeitigen instrumentalen Gesellschaftsmusik an36, oder es ergänzt und vertieft den Stimmungsausdruck nach dem Vorbild der dramatischen Musik durch Situations- und Seelenmalerei. Während aber jene Methode der Natur der Dinge gemäß zu zwar äußerlich glänzenden, aber innerlich wenig stichhaltigen und den Text bei weitem nicht erschöpfenden Ergebnissen führte, erfuhr die Meßkomposition durch die zweite Art einen wertvollen Zuwachs, der allerdings zugleich auch einen starken Ruck nach der Seite des Dramatischen bedeutete. Man vergleiche dazu das »Qui tollis«: seine tiefe Wirkung beruht einerseits auf der grüblerischen Harmonik, andererseits aber auf dem doppelten Begleitmotiv der Streicher, der echt Mozartschen, unaufhörlich herniederrieselnden Sechzehntelfigur und dem zuckenden Achtelmotiv; man beachte auch den durchgehenden echomäßigen Wechsel von f und p. Ganz dramatisch ist auch das »Crucifixus« behandelt, nur der Schluß (bei »passus«) greift mit seiner Chromatik auf die ältere Weise zurück. Und vollends im »Sanctus« webt das Orchester einen flimmernden Strahlenschimmer um das Ganze. Sehr lehrreich für die allmähliche Entwicklung des neuen Stiles sind »Benedictus« und »Agnus Dei«. Jenes atmet noch nicht jene verklärte Freude an der Erscheinung des Gottgesandten wie seine Nachfolger, ja es macht sogar an einer Stelle Miene, zu der schmerzlichen Herbheit seines unmittelbaren Vorgängers zurückzukehren. Auch der strenge Satz scheidet es noch von der späteren Art. Dafür ist das Orchester ganz modern behandelt: es spinnt in[138] glitzernden Sechzehnteln einen Heiligenschein um die himmlische Erscheinung. Das »Agnus Dei« folgt in der Melodik der Soli und in der Rolle des Orchesters, das gleich im Vorspiel einen merklichen Stimmungsumschlag bringt, der neuen Art, in der Baßführung und der strengen Haltung der Chorpartien der alten.

Der Wechsel von Tutti und Soli entspricht im großen und ganzen dem älteren Brauch, nur daß die Maße der einzelnen Sätze weit größer sind. Nur das Credo macht eine Ausnahme; hier sind allein »Et in carnatus est« und »Et in spiritum sanctum« Solosätze. Dafür sind »Agnus« und »Dona« zwischen Solo und Chor geteilt.

Es war die erste große Stilwandlung von bleibenden Folgen in Mozarts Schaffen für die Kirche. Daß sie ihm grundsätzlich gelungen ist, beweist abermals seine eigentümliche Fähigkeit, sich fremden Kunstanschauungen rasch anzupassen. Ein vollendetes Kunstwerk, auch im damaligen Sinne, ist ihm noch nicht geglückt, auch trägt das Werk noch im einzelnen die Spuren der älteren Kunst. Immerhin war mit festem Fuße die neue Bahn betreten, die er auch später, von einigen Abstechern abgesehen, nicht mehr verlassen hat.

Fußnoten

1 Mitgeteilt nach einer Abschrift bei Nottebohm, Mozartiana S. 103. Zuerst wieder aufgefunden von Köchel, AMZ 1864, S. 495.


2 Vgl. Pirckmayer, Über Musik und Theater am f.e. salzburgischen Hofe, 1762–1775, in der Salzburger Zeitung 1886, Nr. 160 f., nach den Hof-Diarien und anderen Quellen.


3 Über die verschiedenen Arten, diese anzubringen, spricht Metastasio, Opp. post. I, p. 300 ff.


4 Einige Daten bei P. Sigism. Keller MfM V 122 f. Dom. Hagenauer hatte sie in einem noch jetzt bei St. Peter in Salzburg befindlichen Kalender eingetragen, ein Beweis für des Freundes rege Anteilnahme an Mozarts Entwicklung.


5 Hammerle S. 8. Protokoll: »1769. 6. Aug. Dom. Menstrua. Ad noctem musica Ex. D.P. Prof. Logices ab adolescentulo lectissimo Wolfg. Mozart composita. – 1769. 8. August. Martis. Vacatio. Musica D.D. Physicorum ab eodem adolescente facta.« Hagenauer schreibt zum 6. Aug.: »Hodie fuit musica finalis. D. Logicorum composita a Wolfgango Mozart iuvene.« Daraus vermutet Keller eine dramatische Komposition; eine solche aber ist aus jener Zeit nicht nachzuweisen. Der Ausdruck »Finalmusik« bezeichnet, wie später noch zu erwähnen sein wird, eine Instrumentalkomposition.


6 B I 21.


7 WSF I 200 ff. setzen K.-V. 99 und 100 aus stilistischen Gründen schon ins Jahr 1767, K.-V. 63 aber ins Jahr 1769. Indessen reichen m.E. bei Stücken dieser Art, wo der äußere Anlaß, die verfügbaren Kräfte und andere Zufälligkeiten die Gestaltung ganz wesentlich mitbestimmen, innere Gründe allein zu einer sicheren Zeitbestimmung nicht aus.


8 Dr. E. Browne, Ganz sonderbare Reise durch Niederland, Teutschland usw. Nürnberg 1684, S. 237.


9 Ausführlich bei C.F. Pohl, Haydn I 1875, S. 107 ff.


10 Die Herkunft des Wortes ist nach wie vor dunkel. Jahns Ableitung von »gassatim gehen« (I3 847 f.) befriedigt ebensowenig wie die Erklärung von WSF I 201, es seien »zerbrochene«, d.h. mit Pausen zwischen den einzelnen Sätzen vorgetragene kleine Sinfonien gewesen. Auch die Herleitung von cassa = gr. Trommel (mit Hinblick auf den einleitenden Marsch, s. Riemann, Musiklexikon, 8. Aufl. 532) trifft nicht das Richtige, dagegen am ehesten noch die Erklärung als »Abschiedsstück«. Offenbar handelt es sich um einen alten Fachausdruck der Musiker. Der Ausdruck »Finalmusik« weist dagegen auf die ein Konzert oder dergleichen beschließenden Kompositionen hin.


11 S.o.S. 65.


12 A. Sandberger, Zur Gesch. des Haydnschen Streichquartetts, Altbayr. Monatsschrift 1900, 2–3.


13 S. o S. 12.


14 DTÖ XIV 2 (L. von Perger) gibt eine Auswahl.


15 Im dritten Satz fehlt sogar der typische Quartsextakkord mit Fermate für die Kadenz nicht.


16 Darunter gehört auch der Kanon des ersten Menuetts in K.-V. 63, das erste Beispiel seiner Art in Mozarts Kunst. Auch das erste Sinfoniemenuett Haydns in der G-Dur-Sinfonie (Ges.-Ausgabe I, Nr. 3) enthält im Hauptteil einen Kanon, das Menuett der G-Dur-Sinfonie (II, Nr. 23) erstreckt die kanonische Arbeit auch noch auf das Trio.


17 Vgl. Bachs Kantate »Gottes Zeit«.


18 Vgl. das zweite Kyrie in Bachs h-Moll-Messe.


19 Zwei dieser Fassungen in F. Espagnes R.-B. S. 4 ff. WSF I 254 vermuten sogar, daß die letzte Fassung für eine spätere Aufführung geschrieben sei. Sehr wohl möglich ist, daß hier ein bestimmtes, noch unbekanntes Vorbild zugrunde liegt.


20 Diese Form hat ihrerseits die Melodie des »Et in spiritum sanctum« aus sich erzeugt.


21 Der ganze Schluß dieses Satzes vom drittletzten Amen ab ist nichts als eine gewaltige Steigerung dieses Gedankens, was auch den einigermaßen auffallenden Terzschluß erklärt.


22 Sinngemäß ausgefüllt kehrt er beim »Et unam sanctam« wieder. Auch das »Et iterum venturus est« gehört hierher.


23 Der verminderte Quartenschritt im dritten Takte des Kyrie-Allegros kehrt im zweiten und dritten Takt des »Et incarnatus est« wieder.


24 Das Gerüst des Themas ist durch Sternchen bezeichnet. Auffallend ist der Anklang an das bekannte protestantische Kirchenlied.


25 Die Umkehrung auch S. 39, 1 (»genitum non factum«).


26 WSF I 253.


27 Man beachte überhaupt die Schlüsse der einzelnen Abschnitte in beiden Messen: von einer stehenden Neigung zur Dominante, wie sie später unter dem Einfluß der Arien- und Sonatenform auftritt, ist hier noch keine Rede; die Unterdominanttonart ist sogar noch häufiger als die Dominante.


28 Vgl. dessen Neuausgabe S. 202 ff. Überhaupt ist L. Mozart (vgl. seine Litanei »De venerabili« ebenda S. 188) hinsichtlich der Knappheit im Aufbau entschieden eines der Hauptvorbilder seines Sohnes gewesen.


29 »And suddenly there was with the angel«, Rezitativ vor dem Chor »Glory to God« (Nr. 15).


30 Auch in Glucks italienischer »Alceste« erscheint es bei der Anrufung des Gottes durch die Königin, I 4.


31 L. Mozart führt in seinem Verzeichnis zwei Offertorien auf, das eine, eben unser »Veni sancte Spiritus«, noch vor den beiden Opern, das andere, ein »großes Offertorium«, erst hinter den beiden Messen. Somit war das am 7. Dezember 1768 zu Wien aufgeführte nicht das erste, wie man früher allgemein annahm, sondern das zweite. Ob dieses nun freilich, wie Deiters annimmt (J I4 112 Anm.) identisch mit dem »Benedictus« (K.-V. 117) ist, möchte ich aus inneren und äußeren Gründen bezweifeln. Wahrscheinlicher ist, daß das zweite Offertorium mit der Festmesse zusammen verloren ging. Vgl. WSF I 243.


32 WSF I 243.


33 Brief vom 6. Okt. 1770. Dominicus Hagenauer wurde 1786 Prälat des St. Peterstifts, auch General-Steuereinnehmer des Prälatenstandes. Koch-Sternfeld, Die letzten dreiß. Jahre S. 78, 299, 326. Die Worte seines Tagebuches lauten: »Ad. 15. Octob. Hodie hora 9 primitiae P. Dominici. Musicam Missae composuit D. Wolfgangus Mozart, juvenis 14 annorum, quae omnium sensu fuit elegantissima. – Post mensam D. Wolfgangus Mozart per mediam horam coram hospitibus ad stupendum maius Organum pulsavit.« An die Feier schloß sich folgenden Tags ein großes Fest bei dem Vater des jungen Priesters, das mit einer Musikaufführung L. Mozarts und seiner Kinder schloß. Tagebuch zum 16. Okt.: »Neomysta P. Dominicus fuit a patre suo invitatus ad mensam quae erat in ipsius domo in Nunthal. Mensa finita prima quadrante post horam 4tam D. Mozart chori musici aulici praefectus Secundarius cum suis duobus liberis egregiam fecit Academiam. Filia imprimis lusit in Clavier, dein filius Wolfgangus juvenis 13 annorum cantavit, pulsavit panduram et Clavier ad stupendum usque 1/2 circiter 6tam.« Vormittags hatte er die Messe auf Nonnberg dirigiert; mutmaßlich wurde die am Tage vorher aufgeführte wiederholt.


34 Vgl. W. Müller, J.A. Hasse als Kirchenkomponist 1911, S. 60 ff.


35 Ein Hauch Sperontesschen Geistes liegt auch über der Melodie des »Dona«, vgl. das oben S. 29 über das Lied »Geheime Liebe« (S. VII. 6) Gesagte.


36 Ein rein musikalischer, dem Sonatensatz abgelauschter Effekt ist das Gesangsthema der Soli mit seiner primitiven, tanzmäßigen Begleitung.


Quelle:
Abert, Hermann: W. A. Mozart. Leipzig 31955/1956, S. 139.
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