Mannheim

[454] Am 30. Oktober kamen die Reisenden in Mannheim an, in der Stadt, die zwar Mozarts äußere Lage nach längerem Hoffen und Harren ebensowenig bessern und klären sollte wie München, aber dafür für seine Entwicklung als Mensch und als Künstler um so bedeutungsvoller geworden ist.

Der regierende Kurfürst Karl Theodor1 war in seiner Jugend durch die Schule der Jesuiten gegangen, hatte dann die Universitäten Leyden und Löwen besucht und schon während seiner Studienzeit eine lebhafte Vorliebe für die französische Kultur bewiesen, die durch seine persönliche Freundschaft mit Voltaire neue Nahrung erhielt. Der Hof von Versailles war in allem sein Vorbild so gut wie das Karl Eugens von Württemberg, nur daß, der Lage des Landes gemäß, in der Pfalz das französische Wesen weit tiefer in das Volk hinabdrang als in Schwaben. Schubart meinte sogar im Jahre 1773, man könne die Pfälzer »ebenso leicht für eine Kolonie von Franzosen als von deutschen Provinzialen halten.2« Diese durch die spätere Hinwendung zum national Deutschen keineswegs beseitigte französische Unterströmung hat auch in Mozarts Schaffen noch merklich nachgewirkt, und Mannheim ist in dieser Beziehung für ihn die natürliche Vorstufe für Paris geworden.

Auch in sittlicher Hinsicht war Mannheim ein Klein-Paris. Mitten in dem glänzenden Leben und Treiben blühte eine arge Pfaffen-, Günstlings- und Mätressenwirtschaft und fanden dunkle Ehrenmänner aller Art reichlich Gelegenheit, im trüben zu fischen. Der für Wissenschaft und Kunst eingenommene und nicht unbegabte, aber willens- und charakterschwache Fürst gab im Guten wie im Schlimmen den Ton an, und so standen alle die hochfliegenden Kulturpläne in grellem Gegensatz zu dem schrankenlosen und oberflächlichen Genußleben des Hofes. Mag indessen das glänzende Mannheimer Kunstleben mehr ein Erzeugnis fürstlicher Prachtliebe als wirklichen Kunstsinnes sein, Wissenschaft und Kunst sind dadurch jedenfalls nachhaltig gefördert worden. Mannheim verdankte seinem Fürsten eine Bibliothek und Naturaliensammlung, eine Zeichen- und Bildhauerakademie, Gemälde- und Kupferstichsammlungen und einen Antikensaal mit[455] erlesenen Gipsabgüssen, den einzigen, den es damals in Deutschland gab.3 Indessen brach sich neben dem Franzosentum bald auch der damals durch Friedrich den Großen und seine Taten geweckte deutsche Nationalgeist Bahn. Einer seiner Hauptvorkämpfer war der aus Schillers Leben bekannte Buchhändler Chr. Fr. Schwan, der der späteren deutschen Oper durch Übersetzung französischer Operetten wirksam vorgearbeitet hat. 1775 trat der Kurfürst selbst an die Spitze der Bewegung; er begründete die Kurpfälzische Deutsche Gesellschaft, die alle verfügbaren geistigen Kräfte zur Reinigung der deutschen Sprache, Säuberung der Rechtschreibung und Verbreitung des guten Geschmackes vereinigen sollte4, ein Programm, das deutliche Spuren Gottschedschen Geistes an sich trägt. Auch Klopstocks Anwesenheit in jenem Jahre war nicht ohne Einfluß geblieben, zu Mitgliedern aber suchte man außer den einheimischen Größen wieGemmingen, Klein, Dalberg, Maler Müller auch Männer von anerkanntem Rufe, besonders Lessing5 und Wieland6, zu gewinnen, freilich ohne Erfolg.

Alsbald erfaßten diese nationalen Bestrebungen auch das Theater7. Schon mit der Entlassung der französischen Schauspielergesellschaft im Jahre 1770 war der erste Schritt getan worden8; Hof und Gesellschaft begannen an deutschen Stücken mehr und mehr Gefallen zu finden, und die Marchandsche Truppe führte neben Übersetzungen französischer Operetten bereits auch deutsche Originalsingspiele auf. 1775–1777 wurde das Nationaltheater gebaut, kein Geringerer als Lessing sollte die Leitung übernehmen9. Freilich zerschlugen sich die Verhandlungen mit ihm schon nach kurzer Zeit10.

Weit fruchtbarer als für das Schauspiel sollte die nationale Bewegung indessen für die Oper werden, wie denn überhaupt Mannheim seinen Ruf als des »Paradieses der Tonkünstler«11 nicht erst zu erobern brauchte. Das Schicksal fügte es, daß die nationale Oper der Deutschen in demselben südwestlichen Winkel Deutschlands, der 55 Jahre zuvor ihr letztes Lebenszeichen[456] vor dem vollständigen Triumph der Italiener gesehen hatte12, nunmehr auch ihr Erwachen aus langem Dornröschenschlaf erleben sollte.

Der Anstoß ging von Wieland aus, der durch die Singspielleistungen der Seylerschen Truppe zu dem Gedanken ermutigt worden war, neben das Singspiel, das mit seinem Liedcharakter und seinem eingestreuten Dialog doch nur ein unvollkommener Ersatz für eine Oper war, eine vollgültige ernste Oper zu stellen, die freilich – und hierin wirkt die alte Renaissanceoper noch nach – »im Geschmacke der Alten, wiewohl mit einigen seinen Zeiten angemessenen Modifikationen«, gehalten sein sollte13. Den geeigneten Komponisten dazu fand er in Anton Schweitzer (1735–1787), dem damaligen Kapellmeister der Seylerschen Truppe, der ebenfalls vom Singspiel herkam und durch seine Schöpfungen den leicht entzündlichen Dichter »in einen Taumel des Enthusiasmus für das lyrische Theater hineingezerrt« hatte14. So entstand die Oper Alceste, aufgeführt am 28. Mai 1773 zu Weimar, ein Werk, dessen Musik Wieland nicht allein über die besten Italiener, sondern auch über Glucks Alceste stellte15. Hier fand er sein musikdramatisches Ideal, die Unterordnung des Komponisten unter den Dichter und die wechselseitige Ergänzung von Text und Musik, verwirklicht, und seine »Briefe über das deutsche Singspiel Alceste«16, die ja bekanntlich durch ihren Vergleich mit Euripides Goethes Farce hervorriefen, atmen stolze Befriedigung über den gelungenen Fortschritt. Natürlich erregte eine solche Neuerung neben großer Begeisterung auch heftigen Tadel, der mitunter satirische Form annahm17; man bemängelte die Abhängigkeit von Metastasio, vermißte Charakteristik und dramatischen Zug, fand die Orchestration zu überladen und überhaupt das Ganze zu weichlich und eintönig18. Manche dieser Vorwürfe, wie der der Eintönigkeit und der zu dicken Orchestration, sind sicher berechtigt, dagegen bleibt der Vergleich mit Metastasio an der Oberfläche haften: gerade das Hauptkennzeichen des Italieners, das Intrigenspiel, ist gänzlich beseitigt. Dagegen ist Schweitzers Bestreben, seinem Dichter bis in die feinsten Spitzen des Gefühlslebens zu folgen, durchaus anerkennenswert; wenn es ihm nicht gelang, ein voll befriedigendes Musikdrama zu schaffen, so ist daran neben dem allzu lyrischen Charakter der Dichtung sein Mangel an großzügiger Gestaltungskraft schuld, und hier wirkt entschieden seine Schulung an den kleinen Formen des Singspiels nach. So reich das Werk an gelungenen und wirklich bedeutenden Einzelheiten ist, so fehlt ihm doch der hinreißende dramatische Schwung im ganzen.[457] ganzen. Es ist ein Versuch, wenn auch ein bedeutungsvoller, zu einer deutschen Volloper.

Das aufsehenerregende Werk hatte in Weimar nachhaltigen Erfolg und fand sehr bald den Weg auch an auswärtige Bühnen19. Am 13. August 1775 veranstaltete Karl Theodor eine glänzende Aufführung in Schwetzingen20. Man empfand das ungewöhnliche Ereignis, daß hier eine deutsche Oper, von einem Deutschen gedichtet, von einem Deutschen komponiert, von Deutschen gesungen, von einem deutschen Fürsten mit Beifall aufgeführt wurde. Im folgenden Sommer erhielt Wieland den Auftrag, eine neue Oper für Mannheim zu dichten, die Schweitzer unter seinen Augen komponieren sollte.

Auch Mozart hat die Alceste in Mannheim kennengelernt; er führte ihren Erfolg wesentlich auf ihre Eigenschaft als erste deutsche Oper zurück21 und schrieb später dem Vater (18. Dezember 1778)22: »Das Beste an der traurigen Alceste (nebst einigen Anfängen, Mittelpassagen und Schlüssen einiger Arien) ist der Anfang des Rezitativs ›O Jugendzeit‹ und dies hat erst der Raaff gut gemacht; er hat es dem Hartig ... punktiert und dadurch die wahre Expression hineingebracht; das Schlechteste aber (nebst dem stärksten Teil der Opera) ist ganz gewiß die Ouvertüre.«

Durch diesen Erfolg ermutigt wagte man in Mannheim, diesmal mit eigenen Kräften, einen neuen Schritt. Der Professor Anton Klein, früher Jesuit, als Lehrer der Philosophie und der schönen Wissenschaften wie als Schriftsteller eines der eifrigsten Glieder des Schwanschen Kreises, persönlich allerdings ein starker Streber und Speichellecker, dichtete die Oper »Günther von Schwarzburg«23, die mit der Musik vom Kapellmeister Ign. Holzbauer (1711–1783)24 am 5. Januar in dem prächtigen großen Opernhause, mit allem Aufwande ausgestattet25, aufgeführt wurde. Schubart hatte die »heilsame Revolution des Geschmacks« im voraus freudig begrüßt26 und der Beifall war groß, auch an auswärtigen Bühnen hatte die Oper Glück. Die Kritik27 fand auch hier am Texte vieles auszusetzen, ja, Wieland sprach sogar von einer »sogenannten Oper«, die er sich scheute im Merkur zu besprechen28. Von seinem Standpunkte aus hatte er gewiß recht, denn ganz[458] anders als seine Alceste war dieser »Günther« textlich eine verwässerte Auflage Metastasios mit allen seinen Galanterien, Intrigen und eleganten Weisheitssprüchen, nur mit weit weniger Geist und dichterischer Kraft. Trotzdem war er durch seinen vaterländischen Stoff der noch nach dem Renaissanceideal hinüberschielenden Alceste überlegen, und die Musik hat diese Überlegenheit noch bedeutend verstärkt. Der Minister Hompesch fand darin weder den französischen noch den italienischen Stil, sondern deutsche, originelle Gedanken29, Schubart Deutschland mit welscher Anmut koloriert30, andere das Gepräge der Großheit mit Mischung von sanfter Grazie31. Am schwersten aber wiegt das Urteil des kritischen Mozart, der die Oper am Tage nach seiner Ankunft in Mannheim sah; es ist für seine Verhältnisse geradezu enthusiastisch (14. November 1777)32: »Die Musik von Holzbauer ist sehr schön. Die Poesie ist nicht wert einer solchen Musik. Am meisten wundert mich, daß ein so alter Mann wie Holzbauer33 noch so viel Geist hat; denn das ist nicht zu glauben, was in der Musik für Feuer ist.« Tatsächlich hat diese Musik bis in die Tage der Zauberflöte hinein in Mozarts Seele nachgeklungen34. Man vergleiche dazu z.B. die Arie des Rudolf »Wenn das Silber deiner Haare« (II 5) mit dem Anfang:


Mannheim

Mannheim

oder die Arie der Asberta I 535:


Mannheim

[459] Die Oper verrät nach Form und Charakter deutlich Holzbauers italienische Schule, sie ist namentlich von deren Mängeln, Empfindsamkeit, Tändelei und äußerlichem Pathos, nicht frei, und im ganzen kann von einem neuen deutschen Opernstil so wenig die Rede sein wie bei der Alceste. Trotzdem hatten die Zeitgenossen recht, wenn sie darin Spuren deutschen Geistes erblickten. Sie liegen in dem dramatischen Ernst und in der Selbständigkeit, womit Holzbauer seinem Stoff gegenübertritt. Eine energische Hingabe an eine große Sache spricht aus seiner Musik, und da er in der großen Formenwelt der italienischen Oper zu Hause war, gelang es ihm auch besser, seine Absichten zu verwirklichen, als Schweitzer. Was diesem gefehlt hatte, der große dramatische Wurf, ist bei ihm entschieden vorhanden. Die große Zahl und Bedeutung der begleitenden Rezitative, die freie und eigentümliche Behandlung der Arien, die auf die Mannheimer Instrumentalschule zurückgehende poetische Ausnützung der Instrumente liefern den Beweis dafür. Eine wirkliche deutsche Oper sollte freilich erst die Zukunft bringen, aber unter ihren Bahnbrechern steht dieser »Günther« in vorderster Linie, und das Lob Mozarts war wohl verdient.

Nach dieser Oper traten Wieland und Schweitzer mit einem neuen Werke auf den Plan. Der Dichter hatte schon im Sommer 1776 vom Minister von Hompesch den Auftrag dazu erhalten36. Der Wunsch Schweitzers sowie die Veröffentlichung der gleichnamigen Dichtung K.E.K. Schmidts im Jahre 177637 entschieden für die Wahl der »Rosemunde«, wiewohl dieser Stoff, was Wieland freilich nicht ahnen konnte38, bei den vielen Mätressen des Kurfürsten und seiner zerrütteten Ehe in Mannheim stark befremden mußte. Wielands anfängliche Begeisterung erhielt nun freilich einen starken Dämpfer, als Goethe und Jacobi den Text für verfehlt erklärten und der Minister Hompesch eine Umarbeitung der letzten Akte wünschte. Ja, Wieland wollte sogar ganz zurücktreten, obwohl Schweitzer bereits drei Akte »zum Entzücken schön« komponiert hatte, mußte sich jedoch auf Hompeschs Drängen zur Umarbeitung entschließen.39 Er war zwar mit sich nicht zufrieden, meinte jedoch, Schweitzers Musik, die zu hören man von 20 und 30 Meilen herkommen werde, würde alle Mängel vergessen machen40.[460]

Er war zugleich eingeladen worden, der Aufführung persönlich anzuwohnen, und trotz dem Mißbehagen an seiner Arbeit und häuslichen und ökonomischen Bedenken siegte in ihm schließlich der Wunsch, »sich einmal in Musik zu ersättigen«, auch hatten seine Freunde, Jacobi und Sophie La Roche mit ihrer Tochter Max. Brentano, versprochen, ebenfalls nach Mannheim zu kommen.

Die Aufführung der Oper war durch die Umarbeitung vom 4. November 1777, dem Namenstag des Kurfürsten, auf den Januar verschoben worden. Nachdem alle Vorbereitungen getroffen und namentlich Dekorationen und Kostüme in großer Pracht angefertigt waren, kam Schweitzer zur Leitung der letzten Proben Anfang Dezember nach Mannheim. Hier trat Mozart gleich in näheren persönlichen Verkehr mit ihm.


»Er ist ein guter, braver, ehrlicher Mann«, schreibt er dem Vater (3. Dez.)41 »trocken und glatt wie unser [Mich.] Haydn, nur daß die Sprache feiner ist. In der zukünftigen opera sind sehr schöne Sachen und ich zweifle gar nicht, daß sie gewiß reussirn wird. Die Alceste hat sehr gefallen und ist doch halb nicht so schön wie die Rosemunde. Freylich hat das viel beygetragen, weil es das erste deutsche Singspiel war. Nun macht es NB. auf die Gemüter, die nur durch die Neuheit hingerissen werden, lange den Eindruck nicht mehr.«


Bei einer Erkrankung Schweitzers mußte Mozart sogar die Oper an seiner Stelle »mit etlichen Violinen bei Wendling dirigieren« (18. Dezember)42. Beim öfteren Anhören wurde freilich sein Eindruck immer ungünstiger. Schon am 18. Dezember schreibt die Mutter43: »Die neue Opera gefällt dem Wolfgang gar nicht; er sagt, es ist keine Natur darinnen und alles übertrieben und für die Sänger nicht gut gesetzt; wie es bei der Produktion ausfallen wird, müssen wir erwarten.« Mozart selbst aber meint am 10. Januar 177844 von der Rosemunde: »Sie ist – – – gut, aber sonst nichts, denn wenn sie schlecht wäre, so könnte man sie ja nicht aufführen?« Und am 11. September 1778 beklagt er gar Aloysia Weber wegen ihrer schlechten Rolle:45


Eine aria hat sie, wo man aus dem Ritornell was Gutes schließen könnte. Die Singstimme ist aber alla Schweitzer, als wenn die Hund bellen wollten; eine einzige Art von einem Rondeau hat sie, im 2 ten Akt, wo sie ein wenig ihre Stimme soutenieren und folglich zeigen kann; ja, unglücklich der Sänger oder die Sängerin, die in die Hände des Schweitzers fällt, denn der wird sein Lebtag das singbare Schreiben nicht lernen.
[461]

Im Publikum war man auf die Ankunft Wielands, der damals in Mannheim vor allen deutschen Dichtern beliebt war46, ganz besonders gespannt; auch Wolfgang hoffte seine Bekanntschaft zu machen. Am 21. Dezember kam Wieland an und war mit dem Empfang beim Kurfürsten ebensosehr zufrieden wie mit der Aufmerksamkeit des Publikums. Am 27. Dezember schreibt er an Merck47: »Ich kann Euch itzt noch nichts Weiteres sagen, als daß ich mich zu Leib und Seel wohl befinde und eben dadurch, daß ich keine andere Rolle spiele als meine eigene, meine Sachen, wie mich däucht und wie es wenigstens scheint, recht gut mache. – Gott gebe nur, daß mir nicht zu wohl unter diesem Volke werde! Doch dafür ist auch gesorgt.« Mozarts Urteil über ihn dagegen ist für seine Selbständigkeit auch anerkannten und gefeierten Größen gegenüber äußerst bezeichnend (27. Dezember 1777)48:


Nun bin ich mit Hrn. Wieland auch bekannt; er kennt mich aber noch nicht so wie ich ihn, denn er hat noch nichts von mir gehört. Ich hätte mir ihn nicht so vorgestellt, wie ich ihn gefunden. Er kommt mir im Reden ein wenig gezwungen vor; eine ziemlich kindische Stimme, ein beständiges Gläselgucken, eine gewisse gelehrte Grobheit und doch zuweilen eine dumme Herablassung. Mich wundert aber nicht, daß er (wenn auch zu Weimar oder sonst nicht) sich hier so zu betragen geruhet, denn die Leute sehen ihn hier an, als wenn er vom Himmel herabgefahren wäre. Man genirt sich ordentlich wegen ihm, man redet nichts, man ist still, man giebt auf jedes Wort acht, was er spricht; – nur Schade, daß die Leute oft so lange in der Erwartung sein müssen, denn er hat einen Defect in der Zunge, vermög er ganz sachte redet und nicht 6 Worte sagen kann, ohne einzuhalten. Sonst ist er, wie wir ihn alle kennen, ein vortrefflicher Kopf. Das Gesicht ist von Herzen häßlich, mit Blattern angefüllt, und eine ziemlich lange Nase; die Statur wird seyn: beyläufig etwas größer als der Papa.


Nachdem Wieland auch ihn kennengelernt hatte, schrieb er (10. Januar 1778)49:

Der Hr. Wieland ist, nachdem er mich nun 2 mal gehört hat, ganz bezaubert. Er sagte das letztemal nach allen möglichen Lobsprüchen zu mir: Es ist ein rechtes Glück für mich, daß ich Sie hier angetroffen habe! und druckte mich bey der Hand.

Am 11. Januar 1778 sollte die Aufführung der »Rosemunde« stattfinden. Da starb am 30. Dezember Kurfürst Maximilian von Bayern, und Karl Theodor entschloß sich zur sofortigen Abreise nach München50. Damit war die Aufführung der Oper vereitelt, und Wieland kehrte, nachdem sie für ihn noch einmal im Theater probiert worden war, nach Weimar zurück51.

Die Betrachtung der Oper bestätigt im wesentlichen Mozarts Urteil, dem sich übrigens auch Holzbauer anschloß52. An melodischer Erfindung und an[462] Sangbarkeit erreicht sie ihre Vorgängerin nicht, dagegen sucht sie sie an orchestralen Wirkungen unter dem Einfluß der Mannheimer Schule zu überbieten53. Bemerkenswert sind die deutlich wahrnehmbaren französischen Einflüsse in der Ouvertüre, den selbständigen Orchesterstücken und vor allem den ausgeführten Chorszenen. Daneben stehen in den Arien die bekannten Merkmale der neapolitanischen Rhetorik. Von deutschem Geist, der in Holzbauers »Günther« seine Spuren hinterlassen hat, ist somit in Schweitzers Werk sehr wenig zu verspüren, und sein Erfolg ist denn auch im wesentlichen auf Mannheim beschränkt geblieben.

So wurde Mozart Zeuge der geschichtlich denkwürdigen ersten Versuche, eine national deutsche Oper zu schaffen. Welchen Widerhall sie alsbald in seinem empfänglichen Herzen weckten, dem es die deutsche Oper schon in München angetan hatte, wird gleich zu zeigen sein.

Deutsche waren auch, dank der trefflichen Gesangsschule Holzbauers, die meisten der ausgezeichneten Sänger und Sängerinnen der Mannheimer Oper54. Unter ihnen erregte Dorothea Wendling, geb. Spurni (1737–1809), »die deutsche Melpomene der goldenen Zeit zu Mannheim«55, die allgemeine Bewunderung durch technisch vollendeten und seelenvollen Gesang. Nach Wieland übertraf sie selbst die Mara; bei ihr fand er den wahren Gesang, Sprache der Seele und des Herzens, jeder Ton war lebendiger Ausdruck des reinsten, innigsten Gefühls, der ganze Gesang eine fortrollende Schönheitslinie56. Ihre Schönheit – Heinse fand in ihrem Gesicht das Anschmiegende, Feuchte, Glutstillende von Weibesliebe und dabei das Schnelle, Leichtbewegliche der Leidenschaft57 – und das treffliche Spiel, wodurch sie sich vor allen auszeichnete58, hoben die Leistungen der Sängerin außerordentlich. Weniger bedeutend, durch anhaltende Kränklichkeit vielfach gehemmt, aber immer doch eine sehr achtbare Sängerin war die Schwägerin Elisabeth Auguste Wendling, geb. Sarselli (1746–1786); eine Sängerin von erstem Rang, sowohl durch die Schönheit und den Umfang der Stimme, als die allen Anforderungen der Kunst entsprechende Ausbildung war aber Franziska Danzi (1756–1791), später die Gattin des Oboisten Le Brun59, die zur Zeit von Mozarts Aufenthalt in Mannheim auf Urlaub in London war60.

Das größte Ansehen genoß der damals bereits alternde Tenorist Anton Raaff (geb. 1714 zu Holzem bei Bonn)61. Er war Schüler des von den Jesuiten[463] geleiteten Bonner Gymnasiums gewesen, dann hatte ihn Kurfürst Clemens August im Gesange ausbilden lassen, 1736 mit 200 Talern Gehalt angestellt und schließlich nach München mitgenommen. Von dort war er nach Bologna in Bernacchis Schule gekommen. 1738 sang er bei der Vermählung Maria Theresias und kehrte 1742 nach Bonn zurück, von wo aus er verschiedene Kunstreisen an die deutschen Höfe machte62. Dann folgte eine lange, ruhmreiche Zeit der Wanderjahre im Auslande: von 1752–1755 in Lissabon, 1755–1759 unter Farinellis Direktion in Madrid63, von 1759–1769 in Neapel64. Erst 1770 kehrte er wieder nach Deutschland zurück. Als Karl Theodor ihn aufforderte, in seine Dienste zu treten, erklärte der bescheidene Mann, er werde sich glücklich schätzen, wenn der Kurfürst mit seinen geringen Überresten zufrieden sein wolle. Seine Stimme war nach Schubarts Urteil65 der schönste Tenor, den man hören konnte, von der Tiefe des Basses bis in die Region der Althöhe gleichmäßig voll und rein. Mit einer vollkommenen Meisterschaft in der Kunst des Gesanges, die sich auch in einer bewunderungswürdigen Fertigkeit vom Blatt zu singen und in der Kunst zu variieren und zu kadenzieren kundgab, vereinigte er einen gefühlvollen Vortrag, so daß »sein schönes Herz in seinem Gesange wiederzuhallen schien«, und die einsichtigste Beurteilung und ruhigste Überlegung. Diesen Vorzügen gesellte sich noch die reinste und deutlichste Aussprache zu, so daß auch im größten Saale keine Silbe verlorenging. Freilich entging Schubart nicht, daß Raaffs Stimme bereits damals zu »schettern« anfing66. Am kritischsten verhielt sich innerhalb des allgemeinen Lobes wiederum Mozart, der ihn zuerst im »Günther von Schwarzburg« hörte und darüber dem Vater berichtet (14.–16. November 1777)67:


Hr. Raaff hat unter 4 Arien und etwa beyläufig 450 Täct einmal so gesungen, daß man gemerkt hat, daß seine Stimme die stärkste Ursach ist, warum er so schlecht singt. Wer ihn eine Arie anfangen hört und nicht in demselben Augenblick denckt, daß Raaff der alte vormals so berühmte Tenorist singt, der muß gewiß von ganzem Herzen lachen. Denn es ist halt doch gewiß; ich habe es bey mir selbst bedenkt: wenn ich jetzt nicht wüßte, daß dies der Raaff ist, so würde ich mich zusammenbiegen vor Lachen, so aber – ziehe ich nur mein Schnupftuch heraus und schmutze. Er war auch sein Lebtag, wie man mir hier selbst gesagt hat, kein Acteur; man müßte ihn nur hören und nicht sehen: er hat auch gar keine gute Person nicht68. In der Opera mußte er sterben, und das singend, in einer[464] langen, langen, langen, langsamen Aria, und da starb er mit lachendem Munde, und gegen Ende der Arie fiel er mit der Stimme so sehr, daß man es nicht aushalten konnte. Ich saß neben dem Flut. Wendling im Orchestre, ich sagte zu ihm, weil er vorher critisirte, daß es unnatürlich seye so lange zu singen, bis man stirbt, man kanns ja kaum erwarten. Da sagte ich zu ihm: Haben sie eine kleine Geduld, jetzt wird er bald hin seyn, denn ich höre es. Ich auch, sagte er und lachte.


Nachdem er ihn öfter gehört hatte, ließ er seiner Kunst mehr Gerechtigkeit widerfahren, doch war seine Weise zu singen ihm nicht einfach genug. In einem Brief aus Paris (12. Juni 177869) gibt er ausführlicher sein Urteil ab, dem man anmerkt, daß er dem trefflichen Manne, den er liebte, nicht zu nahetreten und doch auch seine Überzeugung nicht verleugnen mag:


Hier als er im Concert spirituel debutirte, sang er die Scene von Bach: »Non sò d'onde viene«, welches ohnedem meine Favoritsache ist, und da hab ich ihn das erstemal singen gehört. Er hat mir gefallen – das ist in dieser Art zu singen, aber die Art an sich selbst, die Bernacchische Schule, die ist nicht nach meinem gusto. Er macht mir zu viel ins Cantabile. Ich lasse zu, daß es, als er jünger und in seinem Flor war, seinen Effect wird gemacht haben, daß er wird surpreniert haben – mir gefällts auch, aber mir ists zu viel, mir kommts oft lächerlich vor. Was mir an ihm gefällt ist, wenn er so kleine Sachen singt, so gewisse Andantino, wie er auch so gewisse Arien hat, da hat er so seine eigene Art. Jeder an seinem Ort. Ich stelle mir vor, daß seine Hauptforce war die Bravura, welches man auch noch an ihm bemerkt, so wie es sein Alter zuläßt, eine gute Brust und langen Athem und dann – diese Andantino. Seine Stimme ist schön und sehr angenehm. Wenn ich so die Augen zumache, wenn ich ihn höre, so finde ich an ihm viel gleiches mit dem Meißner, nur daß mir Raaffs Stimme noch angenehmer vorkommt ... Meißner hat, wie Sie wissen, die üble Gewohnheit, daß er oft mit Fleiß mit der Stimme zittert, ... nun das hat der Raaff nicht, das kann er auch nicht leiden. Was aber das rechte Cantabile anbelangt, so gefällt mir der Meißner (obwohl er mir auch nicht ganz gefällt, denn er macht mir auch zu viel) aber doch besser als der Raaff. Was aber die bravura, die Passagen und Rouladen betrifft, da ist der Raaff Meister, und dann seine gute und deutliche Aussprach, das ist schön, und dann, wie ich oben gesagt habe, Andantino oder kleine Canzonette. Er hat vier teutsche Lieder gemacht, die sind recht herzig.


Daß Raaff zwar ein guter Sänger, aber kein »acteur« war, war allgemein bekannt. Im Leben war er eine sittlich makellose und religiöse Natur, deren moralische Anschauungen ebenso streng waren wie die künstlerischen. Mitunter polterte er wohl derb heraus, war aber im Grunde gutmütig und wohlwollend, ein treuer Freund und bis zur eigenen Aufopferung wohltätig. Es ist bezeichnend für Mozarts offenes Wesen, daß er dem Menschen und Freunde ebenso aufrichtig zugetan war wie er den Künstler kritisierte70.[465]

Neben Raaff zeichnete sich auch sein Schüler Frz. Hartig (geb. 1750) als Tenorist aus71.

Mit der Mannheimer Kirchenmusik dagegen ist Schubart gar nicht einverstanden. Er findet sie zu weichlich und opernhaft: »nichts ist profaner als ein Lamm Gottes im girrenden neuwelschen Geschmacke, ohne Himmelsgefühl hergelallt, und ein Kyrie, das in schnellen, leichtfertigen Takten und Tönen wie eine Theaternymphe daherfaselt72.« Auch Holzbauers Kirchenwerke stellt er unter seine Opern; sie sind ihm zuwenig kontrapunktisch73. Er übersieht dabei freilich den selbständigen poetischen Kopf, der auch aus den Messen spricht, die »anmutige Frömmigkeit, die der Tiefe nicht entbehrt und sich in der Form knapp, aber mannigfaltig und immer mit sicher berechneter, schöner Wirkung äußert«.74 Mozart sprach sich auch hier anerkennender aus (4. November 1777)75: »Er schreibt sehr gut, einen guten Kirchenstil, einen guten Satz der Vokalstimmen und Instrumenten und gute Fugen.«

Wohl aber war er über den Verfall des Kirchenchors in Mannheim ganz entsetzt; eine seiner Messen dort aufzuführen schien ihm unmöglich76:


Warum? – Wegen der Kürze? – Nein, hier muß auch alles kurz seyn. – Wegen dem Kirchenstil? – Nichts weniger, sondern weil man hier jetzt bey dermaligen Umständen hauptsächlich für die Istromenti schreiben muß, weil man sich nichts schlechters gedenken kann, als die hiesigen Vocalstimmen. 6 Soprani, 6 Alti, 6 Tenori und 6 Bassi zu 20 Violini und 12 Bassi, verhält sich just wie 0 zu 1; nicht wahr Hr. Bullinger? Dies kommt daher: die Welschen sind hier jetzt miserable angeschrieben. Sie haben nur 2 Castraten hier, und die sind schon alt. Man läßt sie halt absterben. Der Sopranist möchte schon auch lieber den Alt singen, er kann nicht mehr hinauf. Die etliche Buben77, die sie haben, sind elendig, die Tenor und Baß wie bei uns die Todtensinger.


Noch schlechter war es mit der Orgel bestellt, und über die beiden Hoforganisten gießt er die volle Schale seines Spottes aus:


2 Organisten haben sie hier, wo es der Mühe werth wäre, eigenst nach Mannheim zu reisen. Ich habe Gelegenheit gehabt, sie recht zu hören; denn hier ist es nicht üblich, daß man ein Benedictus macht, sondern der Organist muß dort allezeit spielen. Das erste Mal habe ich den zweyten gehört, und das anderte Mal den ersten. Ich schätze aber nach meiner Meynung den 2ten noch mehr als den ersten; denn wie ich ihn gehört habe, so fragte ich, wer ist der, welcher die Orgl schlägt? Unser zweyter Organist. Er schlägt miserable. Wie ich den Andern hörte, wer ist denn der? – Unser erster. Der schlagte noch miserabler. Ich glaub, wenn man sie zusammen stößte, so würde noch was Schlechteres herauskommen. Es ist zum[466] Todtlachen, diesen Herren zuzusehen. Der zweyte ist bey der Orgl wie das Kind beim Dreck; man sieht ihm seine Kunst schon im Gesichte an. Der erste hat doch Brillen auf. Ich bin zur Orgl hingestanden und habe ihm zugesehen, in der Absicht, ihm etwas abzulernen. Er hebt die Hände bey einer jeden Note in alle Höhe auf. Was aber seine Force ist, ist, daß er 6stimmig spielt, meistentheils aber quintstimmig und octavstimmig! er läßt auch oft für Spaß die rechte Hand aus und spielt mit der linken ganz allein. Mit einem Worte, er kann machen, was er will, er ist völlig Herr über seine Orgl.


Noch größeren Ruhm als die deutsche Oper hatte sich aber die Mannheimer Instrumentalmusik erworben; das dortige Orchester galt nach dem einstimmigen Urteil als das erste in Europa. Es war stärker und vollständiger besetzt, namentlich in den Bläsern, als sonst üblich war78, vor allem verfügte es seit 1759 über die in Deutschland damals noch sehr seltenen Klarinetten79. »Ach wenn wir nur auch Clarinetti hätten!« schreibt Mozart (3. Dezember 1778)80. »Sie glauben nicht, was eine Sinfonie mit Flauten, Oboen und Klarinetten einen herrlichen Effekt macht.«

Noch mehr aber als die starke Besetzung wurde an diesem Orchester die neue Art des Vortrags gelobt81. Man fand hier das piano und forte in den verschiedensten Abstufungen wiedergegeben und besonders das Crescendo und Diminuendo in einer ganz neuen Weise ausgeführt, die von den übrigen Orchestern höchstens das Stuttgarter unter Jommelli erreichte82; auch waren Saiten- und Blasinstrumente in einer ganz neuen Weise miteinander verschmolzen83. Kurz, das Mannheimer Orchester war Gegenstand allgemeiner Bewunderung84. Der Kurfürst selbst wußte seinen Wert wohl zu schätzen, es[467] mußte in seinen regelmäßigen Musiken spielen, an denen er sich selbst beteiligte (S. 268), und in diesen Konzerten ist denn auch ein gutes Stück deutscher Sinfoniegeschichte gemacht worden.

Neu war in dieser Kapelle schon die Besetzung. 1756 finden wir die ungewöhnlich starke Zahl von 20 Geigen gegenüber je 4 Bratschen und Celli und 2 Bässen, dagegen nur je 2 Oboen, Flöten und Fagotte und 4 Hörner. Dieses Verhältnis von Bläsern und Streichern ist ganz modern, nach älterem Brauche85 hätten zu einem solchen Streichkörper je 10 Oboen und Fagotte gehört. Schon dadurch kam eine ganz neue Art des Vortrags zustande, der an die Stelle der alten Registerdynamik die moderne Übergangsdynamik setzte86 und ein ganz anderes Verhältnis zwischen Streichern und Bläsern begründete, und daß diese neue Vortragsweise nicht bloß am Technischen haften blieb, sondern tief in das Leben der Komposition selbst eingriff, ist bereits gezeigt worden87. Jetzt ging es auch nicht mehr an, den Vortrag dem freien Ermessen des Dirigenten zu überlassen. Die Mannheimer Sinfoniker sind auch darin Bahnbrecher einer neuen Zeit geworden, daß sie im Gegensatz zu der früheren Sparsamkeit mit Vortragszeichen die Dynamik genau vorschreiben; der Dirigent tritt damit eine seiner wichtigsten bisherigen Befugnisse an den Komponisten ab. Auch eine andere Hauptstütze der älteren Musik, der Basso continuo, wurde in Mannheim zwar nicht ganz beseitigt, aber doch stark erschüttert88: die Stücke mit ausgearbeiteten Mittelstimmen beginnen sich zu mehren.

Der Vater aller dieser Neuerungen, Joh. Stamitz, war zwar zu Mozarts Zeiten längst tot, aber seine zahlreichen Schüler und Nachfolger (S. 281) verstanden es, seine Tradition mit dem größten Erfolge fortzusetzen. Noch immer fanden sich in der Mannheimer Kapelle die trefflichsten Künstler zusammen: Cannabich, die beiden Toeschi, Fränzl, Cramer als Violinspieler, Carl Stamitz als Bratschist, Wendling als Flötist, Lebrun und Ramm als Oboisten, W. Ritter als Fagottist, F. Lang als Hornist gehörten zu den ersten Virtuosen ihrer Zeit. Die nicht leichte Aufgabe, einer solchen Künstlerschar gegenüber die alte Orchesterdisziplin aufrechtzuerhalten, war nach Joh. Stamitz' Tode seinem Schüler Christian Cannabich (1731–1798) zugefallen. Er war zu seiner Ausbildung in Italien gewesen und hatte dort bei Jommelli studiert89. Seit 1775 wirkte er neben dem eigentlichen Kapellmeister Holzbauer als Dirigent, was ebenfalls auf die bevorzugte Stellung des ersten Geigers in Mannheim hindeutet. Cannabich war ein talentvoller[468] Komponist90, aber seine Hauptstärke lag, der Schulung durch Stamitz gemäß, in seiner Tätigkeit als Anführer des Orchesters, als Solospieler und als Lehrer. Die meisten Geiger des Mannheimer Orchesters waren seine Schüler, was natürlich ungemein zur Einheitlichkeit des Vortrages beitrug. Er hatte alle Mittel und Bedingungen von Orchestereffekten untersucht und vervollkommnete die Technik des Geigenspiels besonders, um tüchtige Ripienspieler zu bilden. Da er mit Einsicht und angeborenem Dirigententalent91 »das beste deutsche Herz«92 und den Ruf eines sittlichen, nüchternen Lebenswandels vereinigte, besaß er die Achtung und Zuneigung seiner Kapelle und war so imstande, ihren Leistungen den höchsten Grad von Vollendung zu geben.

So war der europäische Ruf des Mannheimer Musiklebens wohl begründet. In der Oper sind die italienischen Grundlagen93 freilich auch hier nicht erschüttert worden, so wichtig der Vorstoß war, den man mit der Wahl deutscher Stoffe und namentlich mit einem deutschen Sängerpersonal gegen die italienische Herrschaft unternahm. Aber auch die französischen Einflüsse, denen sich die italienische Schule Hasses damals mit Bewußtsein unterwarf, kamen in Mannheim, der geographischen Lage der Pfalz und den Neigungen des Kurfürsten entsprechend, mit besonderer Stärke zu Worte, und die Mannheimer Künstler hatten von Karl Theodors Verbindung mit Paris die mannigfachsten Anregungen und Vorteile. Was endlich in der Oper nicht voll gelang, glückte dem Genie von Joh. Stamitz in der Instrumentalmusik: Mannheim zu einem Hauptort der gesamten deutschen Produktion zu machen.

Es war eine glückliche Fügung des Schicksals, daß Mozart gerade noch diese literarische und musikalische Blütezeit in Mannheim erleben und auf sich wirken lassen konnte, ehe sie durch die Verlegung des Hofes nach München ein jähes Ende nahm. Aber wir sahen auch, daß er sich, im Gegensatz zu Schubart, der fortwährend in Begeisterung schwelgte, sein selbständiges und kritisches Urteil bewahrte. Trotz der Empfänglichkeit seines Wesens für neue künstlerische Eindrücke hat er sich durch diesen Reichtum keinen Augenblick beschränkt oder bedrückt gefühlt. Er verkehrte mit den Mannheimer Größen wie mit seinesgleichen, liebenswürdig und gewinnend, aber offen und selbstbewußt. Gleich anfangs wunderte er sich, daß man ihm als einem schon Bekannten nicht mit mehr Achtung entgegenkam. Am Tage nach seiner Ankunft lernte er den Geiger Chr. Danner (geb. 1745) bei Cannabich kennen und ging mit ihm in die Probe, wo ihn ein Teil der Musiker ziemlich verständnislos und wohl gar mit schlecht verhehltem Spott über sein unscheinbares Äußeres empfing – ein Punkt, in dem[469] Mozart zeitlebens sehr empfindlich war. Wichtiger aber ist, daß er hier um ein Haar Zeuge einer Aufführung von Händels Messias geworden wäre. Mannheim war nach Berlin und Hamburg die dritte deutsche Stadt, die es mit dem Händelschen Werke versuchte94. Der Dirigent war der Mozart gründlich unsympathische Abt Vogler; er begnügte sich freilich nur mit dem ersten Teile des Oratoriums und ließ den zweiten weg, »weil diese trockene Musik kein Zuhörer aushalten will«95, auch wurde der erste Teil in einer geradezu unglaublichen Paraphrase im Stil eines italienischen Operntextes aufgeführt96. Voran ging ihm ein Magnificat von Vogler selbst, das Mozart bei jener Probe derart ermüdete, daß er vor dem Beginn des Händelschen Werkes wegging; es hat ihn anscheinend auch abgeschreckt, die Aufführung am 1. November zu besuchen, und er zog es vor, an diesem Tage »dem Hochamt in der Kapelle« anzuwohnen97. So kam er halb durch Zufall um den Besuch dieser trotz aller Unzulänglichkeit immerhin denkwürdigen Messiasaufführung; von einer gleichgültigen Haltung gegenüber Händel aber kann unter diesen Umständen nicht die Rede sein.

Dagegen gewann er sich bald durch seine Persönlichkeit und durch seine künstlerischen Leistungen die Herzen der Mannheimer Musiker vollständig. Nach den Salzburger Erfahrungen berührte ihn ihr weit höherer Bildungsstand besonders angenehm, auch fand er hier einen Verkehr zwischen Fürsten und Künstlerschaft, der in seiner Ungezwungenheit das gerade Gegenteil der Salzburger Verhältnisse war. Bald stand er, wie vordem Schubart98, in ihrem geselligen Kreise mitten drin, freilich entdeckte er gleich jenem99 sehr bald, daß das leichtfertige Treiben des Hofes bereits auch einzelne Künstler angesteckt hatte.

Zu einer herzlichen Freundschaft und zu täglichem Verkehr, an dem auch die Mutter teilnahm, kam es mit Cannabich. Mozart speiste oft mittags in dessen Hause und bald auch abends. Diese Abende verliefen unter angeregtem Plaudern und Musizieren, darauf pflegte Wolfgang ein Buch aus der Tasche zu ziehen und zu lesen. Für die muntere Laune, die bei diesen Zusammenkünften herrschte, spricht Wolfgangs humorvolle Beichte vom 14. November 1777100:


Ich, Johannes Christostomus Amadeus Wolfgangus Sigismundus Mozart gebe mich schuldig, daß ich vorgestern und gestern (auch schon öfters) erst bey der Nacht um 12 Uhr nach Haus gekommen bin und daß ich von 10 Uhr an bis zur benennten Stund beym Cannabich in Gegenwart und en compagnie des Cannabich, seiner Gemahlin und Tochter, Herrn Schatzmeister, Ramm und Lang, oft und nicht schwer, sondern ganz leichtweg gereimet habe, und zwar lauter Sauereyen, ... und zwar mit Gedanken, Worten und – – aber nicht mit Werken. Ich hätte mich aber nicht so gottlos aufgeführt, wenn nicht die Rädlführerin, nämlich die sogenannte Lisel101, mich gar so sehr darzu animiret und aufgehetzt hätte; und ich muß bekennen, daß[470] ich ordentlich Freude daran hatte. Ich bekenne alle diese meine Sünden und Vergehungen von Grund meines Herzens, und in Hoffnung sie öfters bekennen zu dürfen nimm ich mir kräftig vor, mein angefangenes sündiges Leben noch immer zu verbessern. Darum bitte ich um die heilige Dispensation, wenn es leicht seyn kann; wo nicht, so gilt es mir gleich, denn das Spiel hat doch seinen Fortgang, lusus enim suum habet ambitum spricht der selige Sänger Meißner Cap. 9 p. 24, weiters auch der heilige Ascenditor, Patron des Brennsuppen Coffe, der schimmlichten Limonade, der Mandlmilch ohne Mandeln, und insonderheitlich des Erdbeer-Gefrornen voll Eisbrocken, weil er selbst ein großer Kenner und Künstler in gefrornen Sachen war.


Daß er beim Musizieren nicht fehlte, versteht sich von selbst; gleich in den ersten Tagen spielte er dort einmal seine sechs Sonaten alle hintereinander fort. Cannabich erkannte und würdigte das außerordentliche Talent und machte es sich wohl auch bei passender Gelegenheit nutzbar, wie wenn Wolfgang ihm gut spielbare Klavierauszüge seiner Ballette machte. Aber keineswegs war Eigennutz der Grund seines Wohlwollens; er sowohl als seine Frau liebten Wolfgang aufrichtig wie einen Sohn, nahmen mit Eifer an seinem Wohlergehen teil und bewährten sich ihm jederzeit als treue Freunde. Der Magnet, der Mozart gleich anfangs in dies Haus zog und eine Zeitlang dort fesselte, war Cannabichs älteste Tochter Rosa, die damals dreizehn Jahre alt war, »ein sehr schönes, artiges Mädl«, wie er sie dem Vater beschreibt (6. Dezember 1777). »Sie hat für ihr Alter sehr viel Vernunft und gesetztes Wesen; sie ist seriös, redet nicht viel, was sie aber redet, geschieht mit Anmut und Freundlichkeit.«102 Den Tag nach seiner Ankunft (31. Oktober) spielte sie ihm etwas vor; er fand, daß sie ganz artig Klavier spiele und fing an einer Sonate für sie zu arbeiten an, um Cannabich eine Aufmerksamkeit zu erweisen. Das erste Allegro wurde auf denselben Tag fertig. »Da fragte mich der junge Danner«, berichtet er dem Vater weiter, »wie ich das Andante zu machen im Sinn habe. – Ich will es ganz nach dem Caractère der Mlle. Rose machen. – Als ich es spielte, gefiel es halt außerordentlich. Der junge Danner erzählte es hernach; es ist auch so: wie das Andante, so ist sie.« Am 8. November schrieb er bei Cannabichs das Rondo – »folglich haben sie mich nicht mehr weggelassen«. Beim Einstudieren dieser Sonate fesselte ihn ihr Talent um so mehr, als er ihr Spiel vernachlässigt fand. »Die rechte Hand ist sehr gut, aber die linke ist leider ganz verdorben .... Wenn ich jetzt ihr förmlicher Meister wäre, so sperrte ich ihr alle Musikalien ein, deckte ihr das Klavier mit einem Schnupftuch zu und ließe ihr so lang mit der rechten und linken Hand, anfangs ganz langsam, lauter Passagen, Triller, Mordanten usw. exerzieren, bis die Hand völlig eingericht wäre, denn hernach[471] getrauete ich mir eine rechte Klavieristin aus ihr zu machen103.« Es kam dann auch zu einem förmlichen Unterricht; er gab dem jungen Mädchen täglich eine Stunde und war mit dem Erfolg sehr zufrieden. »Gestern hat sie mir wieder ein recht unbeschreibliches Vergnügen gemacht«, schreibt er (6. Dezember 1777), »sie hat meine Sonate ganz vor trefflich gespielt. Das Andante (welches nicht geschwind gehen muß) spielt sie mit aller möglichen Empfindung; sie spielt sie aber auch recht gern«. Der kundige Vater fand (11. Dezember 1777) die Sonate sonderbar; es sei etwas »vom vermanierierten Mannheimer goût« darinnen, doch nur so wenig, daß seine gute Art dadurch nicht verdorben werde104.

Auch mit dem ausgezeichneten Flötisten Joh. Bapt. Wendling, der seit 1754 in der Kapelle war und ein angenehmes Haus machte, trat er bald in näheren Verkehr. Cannabich führte ihn dort ein. Da war alles von der größten Höflichkeit:


Die Tochter [Auguste], welche einmal Maitresse von dem Kurfürsten war, spielt recht hübsch Clavier105. Hernach habe ich gespielt. Ich war heute in so einer vortrefflichen Laune, daß ich es nicht beschreiben kann, ich habe nichts als aus dem Kopf gespielt und drey Duetti mit Violine, die ich mein Lebetag niemalen gesehen und deren Autor ich niemalen nennen gehört habe. Sie waren allerseits so zufrieden, daß ich – die Frauenzimmer küssen mußte. Bey der Tochter kam es mir gar nicht hart an; denn sie ist gar kein Hund106.


Er komponierte der Mlle. Gustl, welche Wieland einer Madonna von Raffael oder Dolce so ähnlich fand, daß man sich kaum erwehren könne, ihr ein »Salve Regina« zu adressieren107, auch gleich ein französisches Lied. Sie hatte ihm den Text gegeben und trug es unvergleichlich vor, so daß es alle Tage »beim Wendling« gesungen wurde, wo sie »völlig Narren darauf waren«. Er versprach ihr, deren noch mehr zu machen, von denen eins wenigstens später auch angefangen wurde108. Auch für die Mutter, Dorothea Wendling, wurde eine Arie mit Rezitativ wenigstens skizziert; sie hatte sich den Text aus Metastasios Didone (II, 4) »Ah! non lasciarmi no bell' idol mio« selbst ausgesucht und war ebenso wie die Tochter »ganz närrisch auf diese Arie«. Da Mozart in seinen Skizzen die Singstimme und den Baß vollständig auszuschreiben, auch wohl einzelne Züge der Begleitung anzudeuten[472] pflegte, konnte man nach einem solchen Entwurf die Arie singen und allenfalls begleiten109. Und Wendling selbst ging auch nicht leer aus; wir erfahren, daß bei Cannabich ein Konzert von ihm probiert wurde, zu dem Mozart ihm die Instrumente gesetzt hatte (22. November 1777). Er hatte gegen die Flöte eine Abneigung und gegen die Flötisten ein Mißtrauen, aber mit Wendling machte er eine Ausnahme. »Ja wissens«, sagte er zu dessen Bruder, der ihn damit neckte, »das ist was anders beim Herrn Bruder. Der ist erstens kein so Dudler, und dann braucht man bei ihm nicht jedesmal Angst zu haben, wenn man weiß, jetzt soll der eine Ton kommen, ist er wohl so viel zu tief oder zu hoch – schauens, da ists immer recht, er hat's Herz und die Ohren und das Zungenspitzl am rechten Ort und glaubt nicht, daß mit dem bloßen Blasen und Gabelmachen schon was ausgerichtet sei, und dann weiß er auch, was Adagio heißt«.110

Dem Oboisten Friedr. Ramm (geb. 1744), den er bei Cannabich traf und wegen seines guten Blasens und feinen, hübschen Tones schätzte, schenkte er gleich sein Oboenkonzert, worüber er vor Freude »närrisch wurde« (4. November 1777)111. Er machte es zu seinem »cheval de bataille«, spielte es in demselben Winter fünfmal (13. Februar 1778), es gefiel sehr, »obwohl man wußte, daß es von mir war«. Aber auch als Orgel- und Klavierspieler machte sich Mozart bekannt, während wir von seinem Violinspiel nichts mehr hören. Von seinem Orgelspiel schickt er dem Vater am 13. November 1777 einen launigen Bericht112:


Vergangenen Sonntag spielte ich aus Spaaß die Orgl in der Kapelle. Ich kam unter dem Kyrie, spielte das Ende davon, und nachdem der Priester das Gloria angestimmt, machte ich eine Cadenz. Weil sie aber gar so verschieden von den hier so gewöhnlichen war, so guckte alles um, und besonders gleich der Holzbauer. Er sagte zu mir: Wenn ich das gewußt hätte, so hätte ich eine andere Messe aufgelegt. – Ja, sagte ich, damit Sie mich angesetzt hätten! – Der alte [Konzertmeister] Toeschi und Wendling stunden immer neben mir. Die Leute hatten genug zu lachen; es stund dann und wann pizzicato, da gab ich allzeit den Tasten Bazln. Ich war in meinem besten Humor. Anstatt dem Benedictus muß man hier allzeit spielen; ich nahm also den Gedanken vom Sanctus und führte ihn fugirt aus. Da stunden sie alle da und machten Gesichter. Auf die letzt nach dem Ite missa est spielte ich eine Fugue. Das Pedal ist anderst als bei uns, das machte mich anfangs ein wenig irre, aber ich kam gleich drein.


Als die neue Orgel in der lutherischen Kirche probiert wurde (18. Dezember), wozu man alle Kapellmeister einlud, kam ein vornehmer Lutheraner, wie die Mutter schreibt, und lud den Wolfgang mit aller Höflichkeit ein. Er fand sie sehr gut, sowohl im Piano als in einzelnen Registern; nur mit Vogler, der sie spielte, war er nicht zufrieden, deshalb spielte er selbst auch nicht viel, nur ein Präludium und eine Fuge, nahm sich aber gleich vor,[473] in der nächsten Zeit mit den befreundeten Familien wieder hinzugehen, und dann wollte er »sich auf der Orgel köstlich divertieren«. Auch in der reformierten Kirche, deren Orgel als eine ganz ausgezeichnete gepriesen wird113, spielte er einmal einem Freunde anderthalb Stunden vor.

Wie große Bewunderung er als Klavierspieler erregte, berichtete die Mutter (28. Dezember 1777)114:


Der Wolfgang wird überall hochgeschätzt; er spielet aber viel anderst als zu Salzburg, denn hier sind überall Pianoforte, und diese kann er so unvergleichlich traktiren, daß man es noch niemals so gehört hat; mit einem Wort, Jedermann sagt, der ihn hört, daß seines gleichen nicht zu finden sey. Obwohl hier Beecké gewesen, wie auch Schubart, so sagen doch alle, daß er weit darüber ist in der Schönheit und gusto und Freiigkeit; auch daß er aus dem Kopf spielet und was man ihm vorleget, das bewundern sie alle auf das höchste.


In Mannheim trat das Klavierspiel gegen die Virtuosität auf den Orchesterinstrumenten zurück, sodaßPeter Winter, als ein echter Zögling der Mannheimer Kapelle, gar nicht Klavier spielen konnte und an diesem Geklimper, wie er es unter Freunden nannte, nie Geschmack fand115. Doch fehlte es Mozart nicht an Gelegenheit, sich mit anderen Klaviervirtuosen zu messen. Der Abbé Joh. Fr. Xav. Sterkel (1750–1817), einer der berühmtesten Klavierspieler jener Zeit, kam während Mozarts Anwesenheit von Mainz, wo er Pianist und Kaplan des Kurfürsten war116, nach Mannheim. »Vorgestern auf den Abend«, berichtet er dem Vater (26. November 1777)117, »war ich al solito beim Cannabich, und da kam der Sterkel hin. Er spielte fünf Duetti, aber so geschwind, daß es nicht auszunehmen war, und gar nicht deutlich und nicht auf den Takt; es sagten es auch alle. Die Mlle. Cannabich spielte das sechste und in Wahrheit besser als der Sterkel«. Was ihm an Sterkel mißfiel, das Bestreben, durch rasches Tempo und noch dazu beim a vista Spielen zu imponieren, während es doch nur ein Notbehelf war, die Mängel eines künstlerischen Vortrages zu verdecken, das tadelte er auch an dem Spiel Voglers (1749–1814), des einzigen Mannheimer Klaviervirtuosen, und ungleich härter. Er erzählt seinem Vater (17. Januar 1778), wie er bei einer großen Gesellschaft mit Vogler zusammengetroffen sei118:


Nach Tische ließ er zwey Claviere von ihm holen, welche zusammen stimmen, und auch seine gestochenen langweiligen Sonaten. Ich mußte sie spielen und er accompagnirte mir auf dem andern Claviere dazu. Ich mußte aufsein so dringendes Bitten auch meine Sonaten holen lassen. NB. vor dem Tische hat er mein Concert (welches die Mademoiselle vom Hause spielt und das von der Litzau ist [XVI. 8]), prima vista herabgehudelt119. Das erste Stück ging prestissimo, das Andante[474] allegro und das Rondo wahrlich prestissimo. Den Baß spielte er meistens anders als es stand, und bisweilen machte er eine ganz andere Harmonie und auch Melodie. Es ist auch nicht anders möglich in der Geschwindigkeit; die Augen können es nicht sehen und die Hände nicht greifen. Ja, was ist denn das? so ein prima vista spielen und – ist bey mir einerley. Die Zuhörer (ich meine diejenigen, die würdig sind, so genannt zu werden) können nichts sagen, als daß sie Musik und Clavierspielen – gesehen haben. Sie hören, denken und – empfinden so wenig dabey – als er. Sie können sich leicht vorstellen, daß es nicht zum Ausstehen war, weil ich es nicht gerathen konnte ihm zu sagen: Viel zu geschwind. Übrigens ist es auch viel leichter, eine Sache geschwind, als langsam zu spielen; man kann in Passagen etliche Noten im Stiche lassen, ohne daß es Jemand merkt; ist es aber schön? – Man kann in der Geschwindigkeit mit der rechten und linken Hand verändern, ohne daß es jemand sieht oder hört; ist es aber schön? – Und in was besteht die Kunst, prima vista zu lesen? In diesem: das Stück im rechten Tempo, wie es seyn soll, zu spielen, alle Noten, Vorschläge etc. mit der gehörigen Expression und Gusto, wie es steht, auszudrücken, so daß man glaubt, derjenige hätte es selbst componirt, der es spielt. Seine Applicatur ist auch miserabel: der linke Daumen ist wie beym seligen Adlgasser, und alle Läufe herab mit der rechten Hand macht er mit dem ersten Finger und Daumen.


Daraus spricht eine starke Abneigung gegen den berühmten Mann, aus der Mozart auch sonst nie ein Hehl gemacht hat120. Persönlich hatte er sich über ihn nicht zu beklagen; »der Herr Vogler hat absolument mit mir recht bekannt werden wollen«, schreibt er dem Vater (17. Januar 1778)121, »indem er mich schon so oft geplagt hatte, zu ihm zu kommen, so hat er endlich doch seinen Hochmut besiegt und hat mir die erste Visite gemacht«. Neid kann der Grund von Mozarts Antipathie nicht gewesen sein, denn von diesem Musikantenlaster war er zeitlebens gänzlich frei. Auch die Abneigung des Orchesters gegen Vogler scheint ihn, wenigstens nicht in erster Linie, zu seinem Verhalten bestimmt zu haben. Dieses betrachtete Vogler als einen Eindringling, der seine angenehme Stellung in Mannheim erschlichen, anderer Rechte gekränkt habe und gegen verdiente Männer wie Holzbauer Ränke spinne: man fand seine violetten Strümpfe, die ihm als päpstlichem Protonotar zukamen, bizarr122, und daß er in Gesellschaften mit seinen Musikalien ein Gebetbuch mitschickte, daß er seine Besuche oft warten ließ, bis er seine Gebete verrichtet hatte, sah man als Aufspielerei an123; man klagte über seinen Hochmut, der nichts gelten lassen wollte, und fand seine eigenen Leistungen weit unter den Erwartungen, die er selbst rege machte. So war das Urteil über ihn in den Kreisen, die Mozart befreundet waren. Persönlich mag ihn allerdings der eitle und komödiantenhafte Zug in Voglers Wesen abgestoßen haben124. Vogler hatte viel von der Welt gesehen und sich dabei[475] eine nicht unbeträchtliche allgemeine Bildung angeeignet. Aber er ist mit dem, was in seinem Innern gärte, niemals fertiggeworden und zeitlebens eine unharmonische Erscheinung geblieben. Auch das mag Mozarts Abneigung erklären, wie es andererseits die Begeisterung des jungen Schumann begreiflich erscheinen läßt. In Voglers Kunst steht der Scharlatan dicht neben dem wirklichen Künstler, Unausgeglichenes, ja Geschmackloses neben Bedeutendem, Rückständiges neben Dingen, die erst eine spätere Zukunft würdigen und weiterspinnen sollte. Kein Wunder, daß dieser Künstler sich in allen Sätteln gerecht fühlte: neben äußerlichen Modestücken, wie seinem als Seitenstück zu Beethovens Pastoralsinfonie wichtigen Hirtengemälde mit Sturm für die Orgel und seiner Chorode »Lob der Harmonie« steht seine trotz aller Scholastik doch charaktervolle C-Dur-Sinfonie von 1815 und namentlich seine Kirchenmusik, die, von einigen Seitensprüngen ins Demagogische abgesehen, sein übriges Schaffen, auch das dramatische, entschieden übertrifft. Besondere Bedeutung kommt ihm endlich als Theoretiker und Schulhaupt zu: J.H. Knecht, Danzi, P. Winter, Gänsbacher, C.M.v. Weber und G. Meyerbeer sind seine Schüler gewesen, was doch immerhin eine bedeutende Persönlichkeit voraussetzt. In der Geschichte der jungen Romantik spielt Vogler somit eine nicht wegzuleugnende, wichtige Rolle, war er doch einer der wenigen, die zu jener Zeit mit Nachdruck auf die Bedeutung der nationalen Volksmusik einzelner Länder, z.B. der nordischen und slawischen, hingewiesen haben.

Mozart war, wie wir sahen, schon damals durchaus nicht der Mann, der sich selbst von guten Freunden in seinem künstlerischen Urteil bestimmen ließ. Jenes zwiespältige Wesen Voglers stieß seine ebenso ehrliche wie harmonische Natur von Anfang an ab; daß die Freunde seine Ansicht teilten, war ihm sicher erfreulich, aber nur als Bestätigung des eigenen Eindrucks. Wir müssen uns schon bei seinem Urteil beruhigen, wenn es in seiner echt Mozartschen Schärfe diesmal auch über das Ziel hinausschießt125. Daß er damit nicht hinter dem Berge hielt und sich auch dementsprechend benahm, versteht sich bei Mozarts Art von selbst. Ebenso gewiß ist freilich, daß Vogler sich dadurch empfindlich gekränkt fühlte. L. Mozart dachte in seinem Mißtrauen natürlich sofort wieder an ein geheimes »Entgegenarbeiten« Voglers, indessen geben Wolfgangs Briefe dafür keinen Anhalt126. Zu Voglers damaligem Mannheimer Anhang gehörtePeter Winter (1755 bis 1826), seit 1775 Violinist in der Kapelle. Er war »Voglers beinahe einziger Freund und Gesellschafter, wenigstens Herzensfreund«, und man bedauerte, daß er dessen Eitelkeit täglich Opfer brachte127, obgleich er selbst später nie Voglers Schüler genannt sein wollte128. Er scheint damals eine Abneigung gegen Mozart gefaßt zu haben, die dieser später empfindlich fühlen mußte.[476]

Den übrigen Mitgliedern der Kapelle wurde Mozart durch diese Stellung Vogler gegenüber nur noch vertrauter. Wendling dachte mit Ramm in den Fasten nach Paris zu reisen, wohin ihnen der Fagottist Ritter vorangehen sollte; sie wollten dort gemeinschaftlich Konzerte geben; ein Komponist und Klavierspieler wie Wolfgang war für sie der wünschenswerteste Gesellschafter, und Wendling schlug ihm vor, mitzugehen. Hier taucht also zum ersten Male der Plan einer Pariser Reise auf. Wolfgang ging sofort darauf ein und schrieb dem Vater (3. Dezember 1777129):


Wenn ich hier bleibe, so soll ich in der Fasten en compagnie mit Hrn. Wendling, Ramm Oboist, welcher sehr schön bläst, Herrn Ballettmeister Lauchery130 nach Paris. Hr. Wendling versichert mich, daß es mich nicht gereuen wird. Er war zweymal in Paris, er ist erst zurückkommen. Er sagt: das ist noch der einzige Ort, wo man Geld und sich recht Ehre machen kann; Sie sind ja ein Mann, der alles imstande ist. Ich will Ihnen schon den rechten Weg zeigen. Sie müssen opera seria, comique, oratoire und Alles machen. Wer ein paar Opern in Paris gemacht hat, bekommt etwas gewisses das Jahr. Hernach ist das Concert spirituel, Académie des amateurs, wo man für eine Sinfonie 5 Louisdors bekömmt. Wenn man Lektion giebt, so ist der Brauch für 12 Lektionen 3 Louisdor. Man läßt hernach Sonaten, Trio, Quatuor stechen per souscription. Der Cannabich, Toeschi, die schicken viel von ihrer Musique nach Paris. Der Wendling ist ein Mann der das Reisen versteht. Schreiben sie mir Ihre Meynung darüber, ich bitte Sie. Nützlich und klug scheint es mir, ich reise mit einem Mann der Paris (wie es jetzt ist) in und auswendig kennt; denn es hat sich viel verändert. Ich gebe noch so wenig aus, ja ich glaube, daß ich nicht halb so viel depensire, weil ich nur für mich zu bezahlen habe, indem meine Mama hier bleiben würde und glaublicherweise bei Wendling im Hause. Den 12. dieses wird Hr. Ritter, der den Fagott sehr schön bläst, nach Paris reisen. Wenn ich nun allein gewesen wäre, hätte ich die schönste Gelegenheit gehabt; er hat mich selbst angesprochen. Der Ramm, Oboist, ist ein recht braver, lustiger, ehrlicher Mann, etwa 35 Jahr, der schon viel gereist ist und folglich viel Erfahrung hat. Die ersten und besten von der Musique hier haben mich sehr lieb und eine wahre Achtung, man nennt mich nie anderst als Hr. Kapellmeister.


Die Mutter war diesem Gedanken nicht abgeneigt; sie schreibt ihrem Manne (11. Dezember 1777)131:


Wegen den Wolfgang seiner Reise nach Paris mußt Du es bald bedenken, ob es Dir recht ist; es ist bey dieser Zeit nirgends nichts zu machen als zu Paris. Monsieur Wendling ist ein ehrlicher Mann, den jedermann kennt, er ist viel gereist und schon über 13 mal zu Paris gewesen, er kennt es inwendig und auswendig, und unser Freund Hr. von Grimm ist auch sein bester Freund, welcher ihm viel gethan hat. Also kannst Du Dich entschließen, was Du willst ist mir auch recht. Der Herr Wendling hat mich versichert, er will gewiß Vater über ihm seyn, er liebt ihm wie seinen Sohn, und solle so gut bey ihm aufgehoben seyn wie bey mir. Daß ich ihn selbst nicht gern von mir lasse, das kannst Du Dir einbilden und [wenn] ich allein nach Haus reisen müßte, so einen weiten Weg: das ist mir auch nicht lieb; allein was ist zu thun? einen so weiten Weg nach Paris zu machen ist für mein Alter[477] beschwerlich und zu theuer. Dann einen vierten Theil bezahlt man leichter als alles allein.


Um diesen Plan auszuführen, war die notwendige Bedingung, daß Wolfgang in Mannheim blieb. Sein erstes Bestreben war denn auch darauf gerichtet, sich dem Kurfürsten für eine Anstellung in der Kapelle zu empfehlen, und seine Freunde waren ihm dabei ernstlich behilflich. Gleich nach seiner Ankunft führte ihn, wie er berichtet (4. November 1777), Holzbauer beim Intendanten Graf Savioli ein, wo zufällig auch Cannabich anwesend war132.


Hr. Holzbauer sagte auf welsch zum Grafen, daß ich möchte die Gnade haben, mich bey seiner Churfürstl. Durchlaucht hören zu lassen; ich bin schon vor 15 Jahren hier gewesen, ich war dort 7 Jahr alt; aber nun bin ich älter und größer geworden, und so auch in der Musik. Ah, sagte der Graf, das ist der – –, was weiß ich, für wen er mich hielt. Da nahm aber gleich der Cannabich das Wort. Ich stellte mich aber, als wenn ich es nicht hörte, ließ mich mit Andern in Discours ein, ich merkte aber, daß er ihm mit einer ernsthaften Miene von mir sprach. Der Graf sagte dann zu mir: Ich höre, daß Sie so ganz passabel Clavier spielen. Ich machte eine Verbeugung.


Es waren gerade Galatage; am ersten stellte Graf Savioli Wolfgang der Kurfürstin vor, die ihn sehr gnädig aufnahm und sich noch sehr wohl erinnerte, wie er vor fünfzehn Jahren dort gewesen sei, ob sie ihn gleich nicht wiedererkannt hätte. Am dritten Galatag (6. November) war große Akademie bei Hof, in welcher Mozart ein Konzert und vor der Schlußsinfonie »aus dem Kopf« und eine Sonate spielte133.


Der Churfürst, sie und der ganze Hof ist mit mir sehr zufrieden. In der Accademie, alle zwey Mal wie ich spielte, so gieng der Churfürst und sie völlig neben meiner zum Clavier. Nach der Accademie machte Cannabich, daß ich den Hof sprechen konnte. Ich küßte dem Churfürsten die Hand. Er sagte: Es ist jetzt, glaube ich, 15 Jahr, daß Er nicht hier war? – Ja, Ew. Durchlaucht, 15 Jahr, daß ich nicht die Gnade gehabt habe – – Er spielt unvergleichlich. Die Prinzessin, als ich ihr die Hand küßte, sagte zu mir: Monsieur, je vous assure, on ne peut pas jouer mieux.


Auch die Kurfürstin stellte ihm eine Einladung zum Vorspielen in Aussicht, die noch abgewartet werden mußte. Einige Tage darauf erhielt er das fürstliche Geschenk vom Grafen Savioli, eine goldene Uhr im Wert von 20 Karolin, die er mit recht gemischten Gefühlen betrachtete134.

Der Vater war dieser ganzen Entwicklung der Dinge mit der größten Spannung gefolgt. Schon am 1. November 1777 hatte er kategorisch geschrieben135:


[478] Ich wünsche, daß Du in Mannheim etwas zu tun bekommst. Sie spielen immer deutsche Opern, vielleicht bekommst Du eine zu machen? Sollte es geschehen, so weißt Du ohnedem, daß ich Dir das Natürliche, für jedermann leicht faßliche Populäre nicht erst recommandieren darf; das Große, Erhabene gehört zu großen Sachen. Alles hat seinen Platz.


Er dachte offenbar an Singspiele und hatte vonSchweitzers und Holzhauers Tätigkeit noch keine Vorstellung. Bald darauf ließ er sich über den Pariser Plan vernehmen. Wiewohl ein Auftreten Wolfgangs in Paris auch seine Gedanken lebhaft beschäftigte, so nahm er es doch zunächst nur für den äußersten Fall in Aussicht, da diese Reise große Kosten und Schwierigkeiten verursache. Fürs erste wiederholte er seine alte Mahnung, ohne bestimmte Aussicht auf eine Anstellung ja nicht länger als nötig in Mannheim zu verweilen. Die Freunde könnten für Wolfgang auch in seiner Abwesenheit tätig sein, er selbst sollte sich dagegen auch an anderen Orten hören lassen, um Geld zu verdienen und sich bekannt zu machen. Überall hatte er vorgesorgt und sich erkundigt. Frankfurt undBonn kamen nach seinen Erfahrungen nicht in Betracht, dagegen hoffte er auf Mainz, wo sich durch die Vermittlung des Konzertmeisters Georg Ant. Kreuser Konzerte bei dem kunstbegeisterten Kurfürsten136 und in der Stadt wohl ermöglichen ließen, und aufKoblenz, wo sich Wolfgang bei der Rückkehr von England dem Kurfürsten Clemens durch eine bei der Tafel niedergeschriebene Komposition empfohlen habe. Von diesen Ausflügen könnten sie ja immer wieder nach Mannheim zurückkehren, wenn dort nur Aussicht sei, sich den Winter über zu halten. Im all gemeinen war ihm freilich diese Anhänglichkeit an Mannheim durchaus nicht genehm, während Wolfgang sich durch den dortigen anregenden Verkehr nur allzu willig zum Bleiben bestimmen ließ. Die gehobene Stimmung, in der er sich befand, zeigte ihm auch seine Aussichten in rosigem Lichte. Die Mutter aber ließ sich von dem Sohne und den Freunden bereden und war's zufrieden, wenn man ihr immer wieder klarmachte, der Aufenthalt in Mannheim sei für Wolfgang das Vorteilhafteste.

Anfänglich schien auch alles gut zu gehen. Der Kurfürst befahl Mozart sogar zu seinen natürlichen Kindern137, um seine Meinung über deren musikalische Ausbildung zu hören. Mozart berichtet darüber am 8. November 1777138:


Da sprach ich den Churf. wie meinen guten Freund. Er ist ein recht gnädiger und guter Herr. Er sagte zu mir: »Ich habe gehört, Er hat zu München eine Opera geschrieben.« »Ja, Euer Durchlaucht, ich empfehle mich Euer Durchl. zu höchster Gnad, mein größter Wunsch wäre, hier eine opera zu schreiben; ich bitte auf mich nicht ganz zu vergessen. Ich kann Gott Lob und Dank auch deutsch«, und schmutzte. »Das kann leicht geschehen«. Er hat einen Sohn und drey Töchter. Die[479] älteste und der junge Graf spielen Clavier. Der Churfürst fragte mich ganz vertraut um alles wegen seiner Kinder. Ich redete ganz aufrichtig, doch ohne den Meister zu verachten. Cannabich war auch meiner Meynung. Der Churf. als er gieng, bedankte sich sehr höflich bey mir.


Einige Tage darauf spielte er dort abermals vor dem Kurfürsten, unter anderem aus dem Stegreif eine Fuge über ein gegebenes Thema. Daraufhin wagte er es auf Cannabichs Rat, beim Grafen Savioli anzuklopfen, ob ihn der Kurfürst nicht den Winter über als Musiklehrer seiner Kinder anstellen könnte. Der Graf vertröstete ihn bis nach den Galatagen, und Wolfgang beschloß, zuversichtlich wie immer, weiter abzuwarten. Er nahm 150 Fl. beim Bankier auf und bat sogar den Vater, er möge sich doch keinen »überflüssigen Spekulationen« hingeben. Damit zog er sich allerdings von diesem einen strengen Verweis zu. Man begreift, daß dem Vater dieses Pläneschmieden ohne sichere Grundlage aufs höchste zuwider war; besonders bitter beklagte er sich darüber, daß man ihm von alledem erst nachträglich Kunde gebe und außerdem Geld aufnehme, ohne ihn, der es doch mit Mühe und Schuldenmachen beschaffen müsse, überhaupt zu fragen. Auch die Mutter erhält dabei wegen der versäumten Rechnungsablage einen Seitenhieb. Er sagt in seinem Brief vom 24. November 1777139:


So eine Reise ist kein Spaß; das hast Du noch nicht erfahren. Man muß andere wichtigere Gedanken im Kopf haben als Narrenspossen; man muß hundert Sachen vorauszusehen bemühet sein, sonst sitzt man auf einmal im Dreck, ohne Geld – und wo kein Geld ist, ist auch kein Freund mehr, und wenn Du hundert Lectionen umsonst giebst, Sonaten componirst und alle Nächte statt wichtigern Dingen von 10 bis 12 Uhr Sauereien machst. Begehre dann einen Geld-Credit! Da hört aller Spaß auf einmal auf – und im Augenblicke wird das lächerlichste Gesicht ganz gewiß ernsthaft.


Hierauf erfolgte von der Frau eine sehr summarische Rechnungsablage (11. Dezember 1777)140:


Mein lieber Mann, Du verlangst zu wissen, was wir alles auf der Reise ausgeben. Den Conto von Albert haben wir Dir geschrieben und der von Augsburg ist 300 fl. gewesen. Der Wolfgang hat Dir geschrieben, daß wir 24 fl Schaden haben, er hat aber die Unkosten vom Concert, welche auch 16 fl. gemacht, nicht dazu gerechnet, wie auch den Wirthsconto nicht. Also wie wir nach Mannheim gekommen, haben wir von allem Geld nicht mehr als 60 Gulden gehabt, also in 14 Tägen, wann wir abgereist wären, würde nicht viel übrig geblieben sein. Denn die Reisen kosten als mehrer, seitdem es so theuer gewesen; es ist nicht mehr so wie es gewesen, Du würdest Dich verwundern.


Der gereizte und etwas kleinlaute Ton aber, womit Wolfgang die Vorwürfe seines Vaters zurückweist (29. November 1777), zeigt, daß er ihre Wahrheit fühlte, und wie empfindlich der ernste Hinweis auf seine Pflicht ihn aus dem behaglichen Mannheimer Leben aufstörte141:


[480] Wenn Sie die Ursach meiner Nachlässigkeit, Sorglosigkeit und Faulheit zuschreiben, so kann ich nichts thun als mich für Ihre gute Meinung bedanken und von Herzen bedauern, daß Sie mich, Ihren Sohn, nicht kennen. Ich bin nicht sorglos, ich bin nur auf alles gefaßt und kann folglich alles mit Geduld erwarten und ertragen – wenn nur meine Ehre und mein guter Name Mozart nicht darunter leidet. Nun, weil es halt so seyn muß, so seye es. Ich bitte aber im Voraus sich nicht vor der Zeit zu freuen oder zu betrüben; denn es mag geschehen, was da will, so ist es gut, wenn man nur gesund ist; denn die Glückseligkeit bestehet – bloß in der Einbildung.


Allein auch mit dieser Moralphilosophie war der Vater nicht einverstanden; mit großer Gelassenheit gibt er ihm eine ausführliche Kritik des Satzes, daß das Glück in der Einbildung bestehe, die eines Garve nicht unwürdig wäre, und ruft ihm besonders die Situation in den Sinn, wenn jemand bezahlen solle und kein Geld habe. »Mein lieber Wolfgang, dieser Satz ist nur ein Moralsatz für Menschen, die mit nichts zufrieden sind!«

Wir erfahren nun ausführlicher den Verlauf der Bemühungen beim Kurfürsten. Zunächst sucht Wolfgang den Vater über Cannabichs Gesinnung und Verhalten aufzuklären (29. November 1777)142:


Nachmittag [nach der ersten Unterredung mit Savioli] war ich bey Cannabich, und weil ich auf sein Anrathen zum Grafen gegangen bin, so fragte er mich gleich, ob ich dort war? – Ich erzählte ihm Alles. Er sagte mir: Mir ist es sehr lieb, wenn Sie den Winter bey uns bleiben; aber noch lieber wäre es mir, wenn Sie immer und recht in Diensten wären. Ich sagte: Ich wollte nichts mehr wünschen, als daß ich immer um Sie seyn könnte, aber auf beständig wüßte ich wirklich nicht, wie das möglich wäre. Sie haben schon zwey Kapellmeister, ich wüßte also nicht, was ich seyn könnte, denn dem Vogler möchte ich nicht nachstehen! Das sollen Sie auch nicht, sagte er, hier steht kein Mensch von der Musik unter dem Kapellmeister, nicht einmal unter dem Intendant. Der Churfürst könnte Sie ja zum Kammer-Compositeur machen. Warten Sie, ich werde mit dem Grafen darüber sprechen. – Donnerstag darauf war große Accademie; als mich der Graf gesehen hatte, bat er mich um Verzeihung, daß er noch nichts geredet hat, indem jetzt die Gallatag sind, sobald aber die Galla vorbey sein wird, nämlich Montag, so wird er gewiß reden. Ich ließ 3 Täg vorbey gehen und als ich gar nichts hörte, so ging ich zu ihm, um mich zu erkundigen. Er sagte: Mein lieber Mr. Mozart (das war Freytag, nämlich gestern), heut war Jagd, mithin habe ich den Churfürsten ohnmöglich fragen können; aber morgen um die Zeit werde ich Ihnen gewiß eine Antwort sagen können. Ich bat ihn, er möchte doch nicht vergessen. Die Wahrheit zu gestehen, so war ich, als ich wegging, ein wenig aufgebracht, und entschloß mich also, meine leichteste 6 Variat. über den Fischer-Menuett, die ich schon eigenst wegen dies hier aufgeschrieben habe, dem jungen Grafen zu bringen, um Gelegenheit zu haben, mit dem Churfürsten selbst zu reden. Als ich hin kam, so können Sie sich die Freude nicht vorstellen von der Gouvernante. Ich ward sehr höflich empfangen; als ich die Variationen herauszog und sagte, daß sie für den Grafen gehören, sagte sie: O, das ist brav, aber Sie haben ja doch für die Comtesse auch was? – Jetzt noch nicht, sagte ich, wenn ich aber noch so lange hier bleibe,[481] daß ich etwas zu schreiben Zeit habe, so werde ich – A propos, sagte sie, das freut mich, Sie bleiben den ganzen Winter hier. – Ich? da weiß ich nichts! – Das wundert mich, das ist curios. Mir sagte es neulich der Churfürst selbst. A propos, sagte er, der Mozart bleibt den Winter hier. – Nu, wenn er es gesagt hat, so hat es derjenige gesagt, der es sagen kann; denn ohne den Churfürsten kann ich natürlicher Weise nicht hier bleiben. Ich erzählte ihr nun die ganze Geschichte. Wir wurden eins, daß ich morgen, als heute nach 4 Uhr, hinkommen würde und für die Comtesse etwas mitbringen würde. Sie werden, ehe ich komme, mit dem Churfürsten reden, und ich werde ihn noch antreffen. Ich bin heut hingegangen, aber er ist heut nicht gekommen. Morgen werde ich aber hingehen. Ich habe für die Comtesse ein Rondeau gemacht. Habe ich nun nicht Ursache genug, hier zu bleiben und das Ende abzuwarten? – Sollte ich etwa jetzt, wo der größte Schritt gethan ist, abreisen? – Jetzt habe ich Gelegenheit, mit dem Churfürsten selbst zu reden. Den Winter, glaube ich, werde ich wohl vermuthlich hier bleiben; denn der Churfürst hat mich lieb, hält viel auf mich, und weiß, was ich kann. Ich hoffe, Ihnen im künftigen Brief eine gute Nachricht geben zu können. Ich bitte Sie noch ein Mal, sich nicht zu früh zu freuen, oder zu sorgen, und die Geschichte keinem Menschen als Hrn. Bullinger und meiner Schwester zu vertrauen.


Allein so rasch ging diese Angelegenheit nicht vorwärts; in seinem nächsten Briefe (3. Dezember 1777) konnte Wolfgang dem Vater nur von mancherlei Vorfällen berichten, die einen guten Ausgang zu versprechen schienen143:


Vergangenen Montag hatte ich das Glück, nachdem ich 3 Täge nach einander Vor- und Nachmittags zu den natürlichen Kindern hingegangen, den Churfürsten endlich anzutreffen. Wir haben zwar alle geglaubt, es wird die Mühe wieder umsonst seyn, weil es schon spät war, doch endlich sahen wir ihn kommen. Die Gouvernante ließ gleich die Comtesse zum Claviere sitzen, und ich setzte mich neben ihr und gab ihr Lektion, und so sah uns der Churfürst, als er herein kam. Wir stunden auf; aber er sagte, wir sollten fortmachen. Als sie ausgespielt hatte, nahm die Gouvernante das Wort und sagte, daß ich ein so schönes Rondeau geschrieben hätte. Ich spielte es; es gefiel ihm sehr. Endlich fragte er: Wird sie es aber wohl lernen können? – O ja, sagte ich, ich wollte nur wünschen, daß ich das Glück hätte, ihr es selbst zu lernen. Er schmutzte und sagte: Mir wäre es auch lieb; aber würde sie sich nicht verderben, wenn sie zweyerley Meister hätte? – Ach nein, Ew. Durchlaucht, sagte ich, es kommt nur darauf an, ob sie einen guten oder schlechten bekommt. Ich hoffe, Ew. Durchlaucht werden nicht zweifeln – werden Vertrauen auf mich haben – – O das ganz gewiß, sagte er. Nun sagte die Gouvernante: Hier hat auch Mr. Mozart Variat. über den Menuett von Fischer für den jungen Grafen geschrieben. Ich spielte sie, sie haben ihm sehr gefallen. Nun scherzte er mit der Com tesse, da bedankte ich mich für das Präsent. Er sagte: Nun, ich werde darüber denken; wie lang will Er denn hier bleiben? – So lange Ew. Durchlaucht befehlen, ich habe gar kein Engagement, ich kann bleiben so lange Ew. Durchlaucht befehlen. Nun war alles vorbey. Ich war heute Morgens wieder dort, da sagte man mir, daß der Churfürst gestern abermals gesagt hat, der Mozart bleibt diesen Winter hier. Nun sind wir mittendrin, warten muß ich doch. Heut zum 4. Mal[482] habe ich bey Wendling gespeist. Vor dem Essen kam Graf Savioli mit dem Kapellmeister Schweitzer, der gestern Abends angekommen, hin. Savioli sagte zu mir: ich habe gestern abermal mit dem Churfürsten gesprochen, er hat sich aber noch nicht resolvirt. Ich sagte zu ihm, ich muß mit Ihnen ein paar Worte sprechen. Wir gingen ans Fenster. Ich sagte ihm den Zweifel des Churfürsten, beklagte mich, daß es gar so lange hergeht, daß ich schon so viel hier ausgegeben, bat ihn, er möchte doch machen, daß mich der Churfürst auf beständig nehme, indem ich fürchte, daß er mir den Winter so wenig geben wird, daß ich etwa gar nicht hier bleiben kann; er soll mir Arbeit geben, ich arbeite gern. Er sagte mir, er wird es ihm gewiß proponiren; heute Abends könnte es zwar nicht seyn, indem er heute nicht nach Hof kommt; aber morgen verspricht er mir gewisse Antwort. Nun mag geschehen, was will. Behaltet er mich nicht, so dringe ich auf ein Reisegeld; denn das Rondeau und die Variationen schenke ich ihm nicht. Ich versichere Sie, daß ich so ruhig bey der Sache bin, weil ich gewiß weiß, daß es nicht anders als gut gehen kann, es mag geschehen was will, ich habe mich völlig in Willen Gottes ergeben.


Aber auch in den nächsten Tagen war vom Kurfürsten keine andere Antwort herauszubringen als mit Achselzucken: Ich bin noch nicht resolviert. Endlich konnte Mozart seinem Vater das Resultat aller Verhandlungen berichten: es war so, wie es dieser immer vermutet hatte (10. Dezember 1777)144:


Hier ist dermalen nichts mit dem Churfürsten. Ich war vorgestern in der Accademie bey Hof, um eine Antwort zu bekommen. Der Graf Savioli wich mir ordentlich aus, ich ging aber auf ihn zu, als er mich sahe, schupfte er die Achseln. Was, sagte ich, noch keine Antwort? – Bitte um Vergebung, sagte er, aber leider nichts. – Eh bien, sagte ich, das hätte mir der Churfürst eher sagen können. – Ja, sagte er, er hätte sich noch nicht resolvirt, wenn ich ihn nicht dazu getrieben und ihm vorgestellet hätte, daß Sie schon so lange hier sitzen und im Wirtshaus Ihr Geld verzehren. – Das verdrießt mich auch am meisten, versetzte ich, das ist gar nicht schön. Übrigens bin ich Ihnen, Herr Graf (denn man heißt ihn nicht Eccellenz) sehr verbunden, daß Sie sich so eifrig für mich angenommen haben und bitte, sich im Namen meiner beym Churfürsten zu bedanken für die zwar späte, doch gnädige Nachricht, und ich versicherte ihn, daß es ihn gewiß niemalen gereuet hätte, wenn er mich genommen hätte. – O, sagte er, von diesem bin ich mehr versichert als Sie es glauben.


Die unerwartete Wendung machte auf die Mannheimer Freunde einen ebenso unangenehmen Eindruck wie auf Mozart. Er ging zu Cannabich und erzählte, da dieser auf der Jagd war, der Frau die ganze Sache.


Als die Mlle. Rose, welche 3 Zimmer weit entfernt war und just mit der Wäsch umging, fertig war, kam sie herein und sagte zu mir: Ist es Ihnen jetzt gefällig? denn es war Zeit zur Lection. – Ich bin zu Befehl, sagte ich. – Aber, sagte sie, heut wollen wir recht gescheut lernen. – Das glaub ich, versetzte ich, denn es dauert so nicht mehr lang. – Wie so? wie so? warum? – Sie ging zu ihrer Mama und die sagte es ihr. Was? sagte sie, ist es gewiß? ich glaube es nicht. – Ja, ja gewiß, sagte[483] ich. Sie spielte darauf ganz serieuse meine Sonate; hören Sie, ich konnte mich des Weinens nicht enthalten; endlich kamen auch der Mutter, Tochter und dem Herrn Schatzmeister die Tränen in die Augen, denn sie spielte just die Sonata und das ist das Favorit vom ganzen Hause. Hören Sie, sagte der Schatzmeister, wenn der Hr. Kapellmeister (man nennt mich hier nie anderst) weggeht, so macht er uns alle weinen. – Ich muß sagen, daß ich hier sehr gute Freunde habe, denn in solchen Umständen lernet man sie kennen.


Besonders Wendling kam dieses Ergebnis sehr unerwünscht; als Mozart es ihm mitteilte, wurde er »völlig rot und sagte ganz hitzig: da müssen wir Mittel finden, Sie müssen hier bleiben, die zwei Monate aufs wenigste, bis wir hernach miteinander nach Paris gehen«. Als Wolfgang am nächsten Tag zu ihm zu Tisch kam, machte er ihm einen Vorschlag, der sehr befriedigend schien. Ein Holländer (Dejean oder Dechamps), der von seinem Gelde lebte, »der Indianer« genannt, Wolfgangs Freund und Verehrer, wollte ihm für drei kleine, leichte und kurze Konzerte und ein paar Quattros auf die Flöte 200 fl. geben, Cannabich würde für wenigstens zwei gut bezahlende Schüler sorgen, dazu sollte er Duette für Klavier und Violine per souscription stechen lassen. Die Tafel bot er ihm mittags und abends bei sich an, Quartier gab ihm der Hofkammerrat Serrarius. Mozart war froh in der Aussicht, nun doch in Mannheim bleiben zu können, und meinte, er werde die zwei Monate hindurch genug zu schreiben haben, drei Konzerte, zwei Quartette, vier oder sechs Duetti »auf das Klavier«, und dann denke er eine neue, große Messe zu machen und dem Kurfürsten zu präsentieren. Gleich am folgenden Tage machte er sich auf, um ein kleines und billiges Quartier für die Mutter auszusuchen.

Dem Vater, der es ganz natürlich fand, daß ihn Wendling zu halten suchte, da sie einen Vierten zur Reise brauchten und keinen Besseren finden könnten, war es schon eine Beruhigung, daß er nur wieder klar die Verhältnisse durchschaute. Er war zufrieden, wenn die Reise nicht in der Winterkälte fortgesetzt werden mußte, und meinte ebenfalls, der Plan ließe sich ausführen, wenn man des Holländers sicher wäre; wäre dies aber nicht der Fall, müßten sie gleich nach Mainz aufbrechen. In keinem Fall aber sollten Sohn und Mutter sich trennen. »So lange die Mama dableibt, so lang sollst Du bey ihr bleiben«, schreibt er (18. Dezember 1777), »Du sollst und mußt die Mama nicht allein Trübsal blasen und anderen Leuten überlassen, so lange sie bei Dir und Du bei ihr bist«. Auf die paar Gulden, die ein größeres Quartier koste, komme es nicht an, und nach Hause reisen könne die Mutter jetzt nicht. »Unterdessen seye bedacht, daß Du bei ihr bleibest und sie versorgest, daß ihr nichts abgehet, so wie sie für Dich besorget ist.« Dabei dachte er nicht allein an die leibliche Pflege, sondern an die Aufsicht über sein sittliches und religiöses Verhalten. Er war nicht ohne Sorge und schrieb (15. Dezember 1777)145:


[484] Darf ich wohl fragen, ob Wolfgang nicht auf das Beichten vergessen hat? Gott geht vor allem! von dem müssen wir unser zeitliches Glück erwarten und für das ewige immer Sorge tragen; junge Leute hören dergleichen Sachen nicht gerne, ich weiß es, ich war auch jung; allein, Gott sei Dank gesagt, ich kam doch bey allen meinen jugendlichen Narrenspossen immer wieder zu mir selbst, flohe alle Gefahren meiner Seele und hatte immer Gott und meine Ehre und die Folgen, die gefährlichen Folgen vor Augen.


Die Mutter beruhigte ihn, daß Wolfgang zu Mariä Empfängnis gebeichtet habe, und daß sie freilich an den Wochentagen nicht regelmäßig, Sonntags aber immer die Messe hörten, und zwar Wolfgang in der Hofkirche. Auch dieser rechtfertigte sich, nicht ohne Empfindlichkeit (20. Dezember 1777)146:


Ich habe geschrieben, daß mir Ihr letzter Brief viel Freude gemacht hat, das ist wahr! nur eines hat mich ein wenig verdrossen – die Frage, ob ich nicht das Beichten etwa vergessen habe! – Ich habe aber nichts dawider einzuwenden, nur eine Bitte erlauben Sie mir, und diese ist, nicht gar so schlecht von mir zu denken! Ich bin gern lustig, aber seyen Sie versichert, daß ich trotz einem jeden ernsthaft seyn kann. Ich habe, seit ich von Salzburg weg bin (und auch in Salzburg selbst) Leute angetroffen, wo ich mich geschämt hätte, so zu reden und zu handeln, obwohlen sie 10, 20 und 30 Jahre älter waren als ich! Ich bitte Sie also nochmal und recht unterthänig, eine bessere Meinung von mir zu haben.


Unter diesen Umständen kam ihnen das Anerbieten des Hofkammerrats Serrarius sehr gelegen, beiden Wohnung, Holz und Licht zu geben, wogegen Wolfgang die Tochter zu unterrichten hatte. Die Mutter, die im Wirtshaus, da Wolfgang seinen Geschäften nachging, viel allein geblieben war, befand sich dort ungemein wohl. Sie hatten schöne Betten, gute Bedienung, abends speiste sie mit der Frau und Tochter und plauderte mit ihnen bis halb 11 Uhr, fast den ganzen Nachmittag sollte sie dasein. Die fünfzehnjährige Tochter Therese Pierron, die schon acht Jahre Klavier spielte, scheint Wolfgang nicht durch hervorragendes Talent angezogen zu haben, denn es ist von der »Hausnymphe« selten die Rede. Indessen studierte er ihr doch eins seiner Konzerte ein, das sie in einer großen Gesellschaft bei ihren Eltern vortrug; später spielte sie in der Akademie bei seinem Konzert für drei Klaviere das dritte und leichteste. Vor seinem Abschied aus Mannheim komponierte er (11. März 1778) auch eine Klaviersonate mit Violinbegleitung für sie (K.-V. 296, S. XVIII. 24). Dem jungen Danner gab er Unterricht im Komponieren, dafür speiste die Mutter dort zu Mittag; er selbst fand seine Kost bei Wendlings. »Der Wolfgang«, schrieb sie ihrem Mann, »hat so viel zu tun mit Komponieren und Lektiongeben, er hat nicht Zeit jemand eine Visite zu machen. Du siehst also, daß wir diesen Winter kommod hier verbleiben, und dies alles hat Mr. Wendling gemacht, der den Wolfgang wie seinen eigenen Sohn liebt«. Dieser gibt dem Vater selbst folgenden Bericht über seinen täglichen Lebenslauf (20. Dezember 1777)147:


[485] Vor 8 Uhr können wir nicht aufstehen, denn in unserem Zimmer (weil es zu ebner Erd ist) wird es erst um 1/29 Uhr Tag. Dann ziehe ich mich geschwind an; um 10 setze ich mich zum Componiren bis 12 Uhr oder 1/21 Uhr; dann gehe ich zum Wendling, dort schreibe ich noch ein wenig bis 1/22 Uhr, dann gehen wir zu Tisch. Unterdessen wird es 3 Uhr, dann muß ich in maynzischen Hof zu einem holländischen Offizier [de la Potrie], um ihm in Galanterie und Generalbaß Lection zu geben, wofür ich, wenn ich nicht irre, 4 Ducaten für 12 Lectionen habe. Um 4 Uhr muß ich nach Haus, um die Tochter zu instruiren; da fangen wir vor 1/25 Uhr niemal an, weil man auf die Lichter wartet. Um 6 Uhr gehe ich zum Cannabich und lehre die Mlle. Rose; dort bleibe ich beym Nachtessen, dann wird diskurirt oder bisweilen gespielt, da ziehe ich aber allezeit ein Buch aus meiner Tasche und lese – wie ich es zu Salzburg zu machen pflegte.


Die Mutter konnte also mit Recht dem Vater schreiben, der Wolfgang habe so viel zu tun, daß er nicht wisse, wo ihm der Kopf stehe, und mit gerechter Befriedigung durfte sie hinzufügen (14. Dezember 1777), er könne sich nicht vorstellen, wie der Wolfgang bei der Musik und bei anderen hochgeschätzt werde; alle sagten, daß er seinesgleichen nicht habe, und seine Kompositionen würden völlig vergöttert. Um dieselbe Zeit wurde berichtet, Wolfgangs Bart mache sich nun so bemerklich, daß er abgenommen werden müsse, und auf die Frage des Vaters, ob der Bart weggeschnitten, weggebrannt oder gar wegrasiert werde, gewissenhaft geantwortet: »Noch ist der Bart nicht barbiert worden, sondern mit dem Scheerl geschnitten; es wird sich aber nicht mehr tun lassen, mit nächstem wird der Barbier herhalten müssen.«

Der schon in München gehegte und in Mannheim nur noch dringlicher gewordene Wunsch, eine deutsche Oper zu schreiben, war in Mannheim nicht in Erfüllung gegangen. Da eröffnete sich Mozart mit einem Male die Aussicht, in Wien zum Ziele zu gelangen. Am 10. Januar 1778 schreibt er dem Vater darüber148:


Ich weiß ganz gewiß, daß der Kaiser im Sinn hat, in Wien eine teutsche Opera aufzurichten, und daß er einen jungen Kapellmeister, der die teutsche Sprache versteht, Genie hat, und im Stande ist, etwas Neues auf die Welt zu bringen, mit allem Ernste sucht; Benda zu Gotha sucht und Schweitzer aber will durchdringen. Ich glaube, das wäre so eine gute Sache für mich, aber gut bezahlt, das versteht sich. Wenn mir der Kaiser 1000 fl. giebt, so schreibe ich ihm eine teutsche opera und wenn er mich nicht behalten will, so ist es mir einerley. Schreiben Sie, ich bitte Sie, an alle erdenklichen guten Freunde in Wien, daß ich im Stande bin, dem Kaiser Ehre zu machen. Wenn er anderst nicht will, so soll er mich mit einer opera probiren, – was er hernach machen will, das ist mir einerley. Adieu. Ich bitte aber das Ding gleich in Gang zu bringen, sonst möchte mir Jemand vorkommen.
[486]

Der Vater war nicht der Mann, dergleichen liegenzulassen. Er wandte sich sogleich an den ihm von früher her bekannten Heufeld149, dem sich auch Kenntnis der Sachlage und Einfluß zutrauen ließen, und ersuchte ihn, sich für Wolfgangs Anstellung zu verwenden. Gerade waren auch Briefe vom Schuldirektor Mesmer (S. 111, 299) aus Wien eingetroffen mit der Anfrage, warum Wolfgang denn nur nicht nach Wien komme, wo immer »ein guter Platz für ein großes Talent« sei; er solle bei ihnen Wohnung, Kost und alles haben, solange er möge, und für Einnahmen wollten die Freunde schon sorgen. Aber mit der Oper sah es nach diesen Berichten nicht vielversprechend aus. L. Mozart meinte (29. Januar 1778), der Kaiser scheine es zu machen wie der Erzbischof: »es solle etwas Gutes sein und nicht viel kosten.« Bestimmte Aufklärung gab dann ein Schreiben Heufelds (23. Januar 1778), das er sogleich Wolfgang mitteilte:


Es ist an dem, daß Se. Majestät der Kaiser, welchem seine Mutter das Theater ganz überlassen hat, eine komische Opera zu errichten Willens sind. Alle Befehle kommen vom Allerhöchsten durch den Oberstkämmerer Grafen von Rosenberg an die Truppe, bey welcher eine Art von Rath aus den ersten Acteurs und Actricen wegen Ein- und Austheilung der Stücke und Rollen etablirt ist. Zur Oper, welche mit der Nationaltruppe150 vereinigt wird, sind außerdem als Sängerinnen dermalen engagirt die Dlle. Cavalieri und die Schindlerische Tochter verehligte Langin und ein Bassist, dessen Name mir nicht einfällt [Fuchs]. Es war dieser Tage die erste Probe der ersten Oper [Die Bergknappen], wozu Hr. Weidmann den Text geliefert hat und der Bratschist vom Theater-Orchester Hr. Umlauf die Musik componiert hat; die Vorstellung soll ehestens geschehen. Alles dieses ist dermalen nur ein Versuch, ob mit den Deutschen in diesem Fach etwas anzufangen. Gewiß ist indessen, daß dermalen kein einziger Musikcompositor aufgenommen wird, zumalen da Gluck und Salieri in des Kaisers Diensten sind. Dem Herren Jemanden recommandiren wäre grade das Mittel, den Recommandirten gewiß nicht aufzubringen. Auch ist kein Mittelmann vorhanden, durch welchen man an denselben kommen könnte, weil derselbe als selbst Kenner Alles nach seiner idée, nach seinem Gefallen accordirt und wählet. Jedermann weiß dieses und Niemand waget es mit Vorschlägen und Recommandationen aufzutreten. Auf diese Art haben Se. Majestät den Gluck, Salieri und schon geraume Zeit her die meisten in Dero Diensten stehenden Leute selbst ausgesucht. Ich könnte Ihnen auch einige Beispiele anführen, wo Leute, welche sich unmittelbar an den Herren gewendet haben, nicht reussireten. Den Weg, welchen Sie vermeinen an denselben zu gehen, kann ich nicht gutheißen, und das ist die Ursache, warum ich durch eine Bittschrift keinen Schritt gemacht, weil ich zum Voraus evidenter versichert bin, daß es unnütz und vielmehr nachtheilig wäre. Hiegegen bleibet guten Talenten ein anderer, rühmlicherer und sicherer Weg offen, wodurch sie ihr Glück machen können, nämlich ihre Producirung, wozu jeder gern gelassen wird. Will der Sohn sich die Mühe nehmen, zu irgend einer guten deutschen Oper die Musik zu setzen, solche[487] einschicken, sein Werk dem allerhöchsten Wohlgefallen anheimstellen und dann die Entschließung abwarten, so kann es ihm gerathen, wenn das Werk Beyfall findet, anzukommen. In diesem Falle aber wäre es wohl nöthig, selbst gegenwärtig zu seyn. Wegen des Benda und Schweitzers darf der Sohn außer allen Sorgen seyn. Ich wollte dafür stehen, daß keiner ankommen wird. Sie haben hier den Ruhm nicht wie draußen. Viel leicht hat selbst Wieland etwas von der großen Meinung, welche er von diesen Leuten hatte151, seit seinem Aufenthalt in Mannheim fahren lassen. Ich habe ein Schreiben vom 5ten dieses von ihm gelesen, worin er bekennt, in Mannheim ein ganz anderes Licht als er jemals gehabt in der Musik erlangt zu haben.


Dieser Brief traf Mozart in sehr aufgeregter Stimmung – deren Grund wir bald näher kennenlernen werden –, und so verstimmte ihn nicht allein die fehlgeschlagene Hoffnung. Sein Selbstgefühl war durch die lebhafte Anerkennung seiner Mannheimer Freunde so sehr gesteigert, daß er die Zumutung, wie ein Anfänger eine komische Oper »grad auf ungewiß, auf Glück und Dreck« zu schreiben, als eine Kränkung empfand. Ja, er fühlte sich sogar durch die schlichte Treuherzigkeit beleidigt, mit der Heufeld von »seinem lieben Wolfgang« sprach.

Der Zufall fügte es, daß sich zu derselben Zeit in Salzburg eine weitere Aussicht eröffnete. Dort warAdlgasser am 21. Dezember 1777 in der Kirche, während er die Orgel spielte, zum allgemeinen Entsetzen vom Schlag gerührt worden und denselben Abend gestorben. Es zeigte sich bald, daß man nicht abgeneigt sei, auf diese Veranlassung Wolfgang wieder zu berufen, und der Vater berichtete (12. Januar 1778) von verständlichen Winken, daß er einleitende Schritte tun möchte152:


Se. Excell. der Obersthofmeister haben mir gemeldet, daß Se. Hochfürstl. Gnaden ihm befohlen hätten, mir und dem Haydn zu sagen, ob wir nicht einen recht guten Organisten wüßten; dieser müßte aber auch ein trefflicher Clavierist seyn, anbey von gutem Ansehen, sich gut präsentiren können, um den Damen Lection zu geben. – Wie? sagte ich, auch mich haben Se. Hochfürstl. Gnaden benennt? – Ja, absonderlich Sie! und lachte. – Ich antwortete: ich weiß Niemand, der alle diese Eigenschaft hat. – Ist vielleicht einer in Mannheim, so kann er sein Glück machen.


Allein, wenn auch der Vater auf solche Andeutungen hätte eingehen wollen, der Sohn würde dafür sicherlich keine Ohren gehabt haben.

Zugleich machte L. Mozart aber noch einen Versuch in Mannheim. Im Dezember 1777 übersandte er Padre Martini das erbetene Porträt Wolfgangs und bat ihn zugleich, seinen Einfluß beim Kurfürsten geltend zu machen153. Der gefällige Mann versprach Raaff mit seiner angelegentlichen Empfehlung zu betrauen; seien die politischen Umstände auch augenblicklich ungünstig, so werde seine Verwendung später gewiß Erfolg haben. Nun war zwar kein[488] Brief vom Padre Martini an Raaff angelangt; wahrscheinlich aber nahm Wolfgang von diesem Schritt Veranlassung, sich Raaff durch nähere Bekanntschaft selbst zu empfehlen. Er schreibt (28. Februar 1778)154:


Gestern war ich beym Raaff und brachte ihm eine Aria, die ich diese Täge für ihn geschrieben habe. Die Wörter sind: »Se al labro mio non credi, bella nemica mia« etc. Ich glaub nicht, daß der Text von Metastasio ist155. Die Aria hat ihm überaus gefallen. Mit so einem Mann muß man ganz besonders umgehen. Ich habe mit Fleiß diesen Text gewählet, weil ich gewußt habe, daß er schon eine Aria auf diese Wörter hat, mithin wird er sie leichter und lieber singen. Ich habe ihm gesagt, er soll mir aufrichtig sagen, wenn sie ihm nicht taugt oder nicht gefällt, ich will ihm die Aria ändern, wie er will, oder auch eine andere machen. Behüte Gott! hat er gesagt, die Aria muß bleiben, denn sie ist sehr schön, nur ein wenig, bitte ich Sie, kürzen Sie mir's ab, denn ich bin jetzt nimmer so im Stande zu souteniren. – Von Herzen gern, so viel Sie wollen, habe ich geantwortet. Ich habe sie mit Fleiß etwas länger gemacht, denn wegschneiden kann man allzeit, aber dazusetzen nicht so leicht. Nachdem er den andern Theil gesungen hat, so that er seine Brille herab, sah mich groß an und sagte: Schön, schön! das ist eine schöne seconda Parte, und sang es drey Mal. Als ich weg ging, so bedankte er sich sehr höflich bei mir, und ich versicherte ihn im Gegentheil, daß ich ihm die Aria so arrangieren werde, daß er sie gewiß gern singen wird. Denn ich liebe, daß die Aria einem Sänger so accurat angemessen sey, wie ein gutgemachtes Kleid156.


Mittlerweile kam die Zeit der Abreise nach Paris näher. Die Briefe des Vaters157 sind voll guter und praktischer Ratschläge, die wie gewöhnlich auf alles, auch auf das Kleinste, Bedacht nehmen. Selbst die Preise für die Pariser »fiacres« werden nicht vergessen. Vor allem aber sollte Wolfgang sich auf einen längeren Aufenthalt in Paris einrichten; mit einigen Monaten oder Wochen sei es nicht getan, wenn man sich dort einen Namen machen wolle. Was die Mutter anlange, so sollte er darauf bedacht sein, sie Anfang März sicher und bequem nach Augsburg zurückreisen zu lassen. Dringend mahnt er den Sohn, stets über seine Gesundheit und sein sittliches Verhalten zu wachen; es wäre sein Tod, wenn er erfahren müßte, daß Wolfgang in die Netze eines Frauenzimmers geriete. Eine lange Liste der früheren Gönner und Freunde in Paris wird beigelegt, bei denen ein Besuch angezeigt sei, jedoch mit der dringenden Mahnung, nur mit Standespersonen zu verkehren158, sich nicht wegzuwerfen und namentlich gegen die Fachgenossen äußerste Zurückhaltung zu üben. So sollte er den Umgang mit Gluck, Piccinni und Grétry möglichst meiden: »de la politesse, et pas d'autre chose!« Dagegen sollte er sich vor allen andern an den erprobten Freund Grimm halten und im übrigen stets bedenken, was er Gott, der ihm so außerordentliche Talente gegeben, schuldig sei.[489]

Wie groß war daher des Vaters Erstaunen, als ihm Wolfgang am 4. Februar 1778 mitteilte, daß und warum er die gemeinschaftliche Reise nach Paris auf geben wolle159!


Meine Mama und ich haben uns unterredet und sind überein kommen, daß uns das Wendlingische Leben gar nicht gefällt. Der Wendling ist ein grundehrlicher und sehr guter Mann, aber leider ohne alle Religion und so das ganze Haus; es ist ja genug gesagt, daß seine Tochter Maitresse war160. Der Ramm ist ein braver Mensch aber ein Libertin. Ich kenne mich, ich weiß, daß ich soviel Religion habe, daß ich gewiß niemal etwas thun werde, was ich nicht im Stande wäre vor der ganzen Welt zu thun; aber nur der Gedanke, nur allein auf der Reise mit Leuten in Gesellschaft zu seyn, deren Denkungsart so sehr von der meinigen (und aller ehrlichen Leute ihrer) unterschieden ist, schreckt mich. Übrigens können sie thun was sie wollen; ich habe das Herz nicht, mit ihnen zu reisen; ich hätte keine vergnügte Stunde, ich wüßte nicht, was ich reden sollte; denn, mit einem Wort, ich habe kein rechtes Vertrauen auf sie. Freunde, die keine Religion haben, sind von keiner Dauer. Ich hab ihnen schon so einen kleinen praegusto gegeben. Ich habe gesagt, daß seit meiner Abwesenheit 3 Briefe gekommen sind, daraus ich ihnen weiter nichts sagen kann, als daß ich schwerlich mit ihnen nach Paris reisen werde; vielleicht werde ich nachkommen, vielleicht aber gehe ich wo anders hin, sie sollen sich auf mich nicht verlassen.


Die Mutter schrieb dazu, ihr sei die Gesellschaft von Wendling und Ramm nie recht gewesen, allein sie hätte keine Einwendung machen dürfen, ihr sei nie geglaubt worden. Auch in den nächsten Briefen bestätigte sie, es sei die Wahrheit, es wäre eine üble Gesellschaft, in der Wolfgang auch mit könne verführt werden, und versicherte ihrem Mann161: »Das ist wahr, der Herr Wendling ist der beste Mann von der Welt, aber von der Religion weiß das ganze Haus nichts und haltet nichts davon; die Mutter und Tochter gehen das ganze Jahr in keine Kirche, gehen niemals beichten und hören keine Messe, aber in die Comedi gehen sie allzeit; sie sagen, die Kirche seye nicht gesund.«

Der Vater war nicht wenig überrascht, daß Mutter und Sohn nach so langer Bekanntschaft plötzlich den Mangel an Rechtgläubigkeit entdeckten. »Daß Du mit der bewußten Gesellschaft nicht gereiset, ist rechtgetan«, antwortete er (16. Februar 1778)162, »allein Du sahest das Böse dieser Menschen längst ein und hattest kein Vertrauen in so langer Zeit, als Du diese Bekanntschaft hast, auf Deinen für Dich so sorgfältigen Vater, ihm solches zu schreiben und seinen Rat zu hören, und (erschröcklich!) Deine Mutter[490] tat es auch nicht«. Darauf war nun nicht viel zu erwidern, als daß sie durch das allgemeine Lob Wendlings und durch seine wirklich guten Eigenschaften sich über die Irreligiosität hätten täuschen lassen.

Indessen gab Wolfgang noch andere Gründe gegen die Reise an (7. Februar 1778)163:


Die Hauptursach, warum ich mit den Leuten nicht nach Paris gehe, habe schon im vorigen Brief geschrieben. Die zweyte ist, weil ich recht nachgedacht habe, was ich in Paris zu thun habe. Ich könnte mich mit nichts recht fortbringen, als mit Scolaren, und zu der Arbeit bin ich nicht geboren. Ich habe hier ein lebendiges Beyspiel. Ich hätte 2 Scolaren haben können; ich bin zu jedem 3 Mal gegangen, dann habe ich einen nicht angetroffen, mithin bin ich ausgeblieben. Aus Gefälligkeit will ich gern Lection geben, besonders wenn ich sehe, daß eines Genie, Freude und Lust zum Lernen hat. Aber zu einer gewissen Stund in ein Haus gehen müssen oder zu Haus auf einen warten müssen, das kann ich nicht, und sollte es mir noch so viel eintragen. Das ist mir unmöglich, das lasse ich Leuten über, die sonst nichts können als Clavier spielen. Ich bin ein Componist und bin zu einem Capellmeister geboren; ich darf und kann mein Talent im Componiren, welches mir der gütige Gott so reichlich gegeben hat (ich darf ohne Hochmuth so sagen, denn ich fühle es nun mehr als jemals) nicht so vergraben, und das würde ich durch die vielen Scolaren, denn das ist ein sehr unruhiges Metier. Ich wollte lieber so zu sagen das Clavier als die Composition negligiren; denn das Clavier ist nur meine Nebensach, aber Gott sei Dank eine starke Nebensach.


Auch Wendling habe er dies gesagt und bemerkt, wenn er ihm etwas Gewisses zuwege bringen könnte, so würde er mit Freuden nachkommen, »absonderlich, wenn es eine Opera wäre. Das Operaschreiben steckt mir halt stark im Kopf, französisch lieber als deutsch, italienisch aber lieber als französisch und deutsch. Beim Wendling sind sie alle der Meinung, daß meine Komposition außerordentlich in Paris gefallen würde. Das ist gewiß, daß mir gar nicht bang wäre, denn ich kann so ziemlich, wie Sie wissen, alle Art und Stil von Kompositions annehmen und nachahmen«.

Die Stelle ist besonders wichtig, sowohl wegen des Schwankens hinsichtlich des Opernideals, das sich nach der vorhergehenden Vorliebe für die deutsche Oper noch einmal nach der italienischen Seite hinneigt, als besonders wegen des Selbstbekenntnisses am Schluß, das deutlich beweist, daß Mozart sich über seine Anpassungsfähigkeit selbst durchaus im klaren war.

Mit vollem Recht erwiderte der Vater am 23. Februar164:


Du willst lieber aus Gefälligkeit Lection geben, ja, das willst Du! und Du willst auch lieber Deinen alten Vater in der Noth stecken lassen; Dir, als einem jungen Menschen ist für gute Bezahlung diese Bemühung zu viel, Deinem alten 58jährigen Vater steht es besser an um eine elende Bezahlung herumzulaufen, damit er sich und seiner Tochter den nöthigen Unterhalt mit Mühe und Schweiß verschafft und Dich allenfalls mit dem bischen was noch da ist, anstatt die Schulden zu[491] bezahlen, unterstützen kann, da Du Dich unterdessen unterhaltest einem Mädel umsonst Lection zu geben. Mein Sohn, denke doch nach und gieb Deiner Vernunft Platz! denke nach, ob Du nicht grausamer mit mir verfährst als unser Fürst ... Gott hat Dir eine treffliche Vernunft gegeben; was Dich hindert solche manchmal nicht recht anzuwenden sind, wie ich einsehe, nur 2 Ursachen ... ein bißchen zuviel Hochmuth und Eigenliebe und dann, daß Du Dich gleich zufamiliär machest und jedem Dein Herz öffnest.


Auch beruhigte er ihn wegen des Stundengebens in Paris (16. Februar 1778)165:


Erstlich wird Niemand sogleich seinen Meister abdanken und Dich rufen; zweytens würde es Niemand wagen, und Du Niemand nehmen, als etwa eine Dame, die schongut spielt, um von Dir einen Gusto zu lernen, und würde das so eine Arbeit für gute Bezahlung seyn ... Da dann solche Damen sich oben darein noch alle Mühe geben, für Deine Composition Subscribenten zu sammeln. Die Damen machen alles in Paris, – und sind große Liebhaberinnen für's Clavier, und es giebt viele, die trefflich spielen. Diese sind Deine Leute, und die Composition: da Du mit Herausgebung von Claviersachen, Violin-Quartetten etc., Sinfonien, und dann auch einer Sammlung guter franz. Arien mit dem Clavier, wie Du mir geschickt, und endlich mit Opern Geld und Ruhm machen kannst. – Was findest Du für einen Anstand? – – Bey Dir soll Alles den Augenblick schon geschehen seyn, bevor man Dich einmal gesehen oder Etwas von Dir gehört hat.


Zum ersten Male vermissen wir in Wolfgangs Briefen die volle Offenheit gegen den Vater. So ehrlich das echt Mozartsche, stolze Bekenntnis zu seinem eigentlichen Beruf und sein Widerwillen gegen die Lehrtätigkeit gemeint sind, so fragwürdig klingen, trotz seiner wahren Frömmigkeit, die geäußerten religiösen Bedenken. Es hätte nicht des allezeit wachsamen Auges Leopolds bedurft, um zu merken, daß diese unverhoffte Wendung noch andere, tiefere Gründe hatte, die den klaren Blick des Sohnes trübten. Wendling war untröstlich, daß Wolfgang nicht mitreisen wollte; dieser suchte sich einzureden, daß die Ursache doch nicht allein die Freundschaft für ihn, sondern auch persönliches Interesse sei. So ließ er Wendling und Ramm am 15. Februar nach Paris reisen; nicht ganz ohne Beklemmung. »Wenn ich wüßte«, schreibt er seinem Vater (4. Februar 1778), »daß es sie gar sehr verdrießet, daß ich nicht auch mit ihnen nach Paris bin, so würde es mich reuen, daß ich hier geblieben bin; ich hoffe es aber nicht, der Weg nach Paris ist mir ja nicht vergraben«.

Damit war der Vater zwar nicht unzufrieden; allein daß Wolfgang (4. Februar 1778) ihm schrieb: »Ich mache hier ganz commode vollends die Musique für den De Jean, da bekomme ich meine 200 fl.; hier kann ich bleiben, so lange ich nur will, weder Kost weder Logis kost mir etwas« – das machte ihn bestürzt. »Wenn Du Dein Gewissen recht erforschen willst«, hatte er ihn (11. Dezember 1777) gemahnt, »wirst Du finden, daß Du viele Sachen auf die lange Bank geschoben«; jetzt schrieb er ihm (12. Februar 1778)166:


[492] Ich erstaunte, da Du schriebst, Du wolltest nun ganz commod die Musik für Mr. De Jean zu Ende bringen. – Und diese hast Du noch nicht geliefert? und dachtest den 15. Febr. abzureisen? und gingst doch nach Kirchheim spaziren? ... Doch, das thut nichts – aber huy! wenn Dir Hr. Wendling nun den Streich macht, und Mr. De Jean Dir itzt nicht Wort hielte, dann es war nur darauf angesehen, daß Du warten und mitreisen konntest. Mit nächster Post Nachricht! damit ich weiß, wie die Sachen stehen.


Die Auskunft, die Wolfgang inzwischen erteilte (14. Februar 1778), war nicht tröstlich167:


Der Hr. De Jean, der auch morgen nach Paris reist, hat, weil ich ihm nicht mehr als 2 Concerti und 3 Quartetti fertig gemacht habe, mir nur 96 fl. (er hat sich um 4 fl., daß es die Hälfte wäre, verstoßen) gegeben. Er muß mich aber ganz zahlen, denn ich habe es mit den Wendlingschen schon abgemacht, ich werde das übrige nachschicken. Daß ich es nicht hab fertig machen können, ist ganz natürlich. Ich habe hier keine ruhige Stunde; ich kann nichts schreiben als nachts, mithin kann ich auch nicht früh aufstehen. Zu allen Zeiten ist man auch nicht aufgelegt zum Arbeiten. Hinschmieren könnte ich freylich den ganzen Tag fort: aber so eine Sach kommt in die Welt hinaus, und da will ich halt, daß ich mich nicht schämen darf, wenn mein Name darauf steht. Dann bin ich auch, wie Sie wissen, gleich stuff, wenn ich immer für ein Instrument (das ich nicht leiden kann) schreiben soll; mithin habe ich zu Zeiten um abzuwechseln was anders gemacht, als Clavierduetti mit Violin und auch etwas an der Messe. Jetzt setze ich mich aber in allem Ernst über die Clavierduetten, damit ich sie stechen lassen kann.


In einem Briefe von Paris (20. Juli 1778) erwähnt er nur »zwei Quartetti auf die Flöte«, und später (3. Oktober 1778) nennt er »das Flautenkonzert«. Von Mozart sind zwei Quartette für Flöte, Violine, Bratsche und Cello bekannt, in D-Dur (K.-V. 285, S. XIV. 28) vom 25. Dezember 1777 und in A-Dur (K.-V. 298, S. XIV. 29), das freilich nach einer dem Autograph von fremder Hand beigefügten Notiz 1778 in Paris komponiert ist168. Dieselbe Bestimmung hatten offenbar die Flötenkonzerte in D-Dur (K.-V. 314, S. XII. 14) und G-Dur (K.-V. 313, S. XII. 13) sowie das Andante in C-Dur für Flöte und Orchester (K.-V. 315, S. XII. 15). Die Klavierduette sind die später in Paris erschienenen Violinsonaten (K.-V. 301–306, S. XVIII. 25–30); am 28. Februar 1778 schreibt er, er habe noch zwei zu machen169. »Ich habe aber keine Eile damit, denn ich kann sie hier nicht stechen lassen. Mit souscription ist hier nichts zu machen, es ist eine Bettlerey, und der Kupferstecher[493] will sie auf seine Unkösten nicht stechen, er will mit mir moitié vom Verkauf sein. Da laß ich sie lieber zu Paris stechen, da sind die Stecher froh, wenn sie was Neues bekommen und zahlen brav, und mit souscription kann man auch eher etwas machen.«

Daß Wolfgang so im Rückstand war, traf den Vater besonders hart; er hatte sicher mit dieser Einnahme gerechnet, die die Kosten des Mannheimer Aufenthaltes und der Pariser Reise decken sollte. Wiederum sah er sich gezwungen, selbst einzuspringen und schreibt bekümmert (5. Februar 1778)170:


Wir haben alles versucht, um Dich und auch uns durch Dich glücklicher zu machen und wenigstens Deine Bestimmung auf einen festern Fuß zu setzen; allein das Schicksal wollte, daß wir nicht zum Zweck kamen. Ich bin aber, wie es Dir bekannt, durch unseren letzten Schritt tief hineingesunken und Du weißt, daß ich nun gegen 700 fl. schuldig bin und mit meiner monatlichen Einnahme nicht weiß, wie nun mich, die Mama und Deine Schwester unterhalten werde, da itzt gar in meinem Leben von dem Fürsten nicht einen Kreuzer zu hoffen habe. Du siehest also sonnenklar ein, daß Deiner alten Eltern und gewiß guten, Dich von ganzem Herzen liebenden Schwester zukünftiges Schicksal lediglich in Deinen Händen ist.


Die Schwester, die täglich Zeugin der Sorgen und Verlegenheiten des Vaters war, der nicht wußte, wie er die um Neujahr eingelaufenen Rechnungen bezahlen, noch weniger, wie er sich neue Kleider, deren er doch bedurfte, anschaffen sollte, begriff die Lage der Dinge sehr wohl. Sie übte sich mit verdoppeltem Eifer auf dem Klavier und hatte mit großer Anstrengung trefflich präambulieren und Generalbaß spielen gelernt, weil sie einsah, daß sie nach dem Tode des Vaters für sich und die Mutter würde sorgen müssen. Sie war herzlich betrübt über die schlimmen Nachrichten, die von Wolfgang einliefen und »und weinte die Täge ihr Teil«. Zwar ließ ihr dieser im Unmut darüber sagen (19. Februar 1778), »sie solle nicht gleich über jeden Dreck weinen«; allein wie mußte ihn die Antwort des Vaters beschämen (26. Februar 1778)171:


Es war also nicht über einen Dreck geweint, als sie über Deinen Brief weinte; und dennoch sagte sie, als Du schriebst, daß Du die 200 fl. nicht bekommen: Gottlob daß es nichts Schlimmeres! da wir sie doch sonst für sehr interessirt hielten, und sie weiß, daß nun um Euch fortzuhelfen, ihr eigener Schuldbrief muß eingesetzt werden.


Der Grund dieses völligen Versagens Wolfgangs lag in einem inneren Erlebnis, das nicht nur für seine menschliche, sondern auch für seine künstlerische Entwicklung von höchster Bedeutung werden sollte. Er war schon bisher gegen weibliche Reize nicht unempfänglich gewesen, und diese Herzensangelegenheiten hatten bald den Charakter ritterlicher Schwärmerei, wie den jungen Aristokratinnen in Salzburg gegenüber, bald anmutiger Neckerei, wie im Falle des Bäsles aus Augsburg, getragen. Jetzt aber, in[494] Mannheim, brauste zum ersten Male die Liebe wie ein Frühlingssturm über seine junge Seele hin, erfaßte sein ganzes Wesen in einem Grade, wie es später nie wieder geschah, und löschte zunächst alle Gedanken an Familie und Zukunft bei ihm aus. Wie es nicht anders zu erwarten war, hatte die Kunst der Liebe den Weg gebahnt; aus der Bewunderung der ungewöhnlichen musikalischen Anlage wuchs rasch eine leidenschaftliche Liebe für die Sängerin seines Herzens empor und fand um so mehr Nahrung, als das junge Mädchen unter dem Einfluß dieser Liebe zuerst die volle Blüte ihrer Kunst entfaltete und zum Bewußtsein und zur Anerkennung ihres Talentes gelangte. Auch das Mitleid spielte mit, das der junge Mann mit den gedrückten Verhältnissen des Mädchens und ihrer Familie empfand. Aloysia Weber war die zweite Tochter Fridolin Webers, der 1733 als der Sohn eines Amtmanns der Schönauschen Herrschaft geboren war. Sein Lebensweg, der übrigens noch keineswegs klargestellt ist172, nimmt sich recht abenteuerlich aus. Er soll zu Freiburg die Rechte studiert und die theologische Doktorwürde erworben haben, was bereits ziemlich zweifelhaft klingt173, 1754 wird er als Amtsnachfolger seines Vaters genannt. Er muß zugleich aber auch ein guter Sänger gewesen sein, denn in die ser Eigenschaft zog ihn Karl Theodor nach Mannheim, wo er von 1765–1778 als Bassist mit 200, dann mit 400 fl. Gehalt auftaucht174. Diese geringe Besoldung hat ihn offenbar veranlaßt, sich noch einen Nebenerwerb als Kopist und Souffleur zu verschaffen. Trotzdem blieben seine Verhältnisse mehr als bescheiden, zumal da er eine zahlreiche Familie zu ernähren hatte. Aus der Ehe, die er 1756 mit der Mannheimerin Marie Cäcilie Stamm geschlossen hatte, waren fünf Mädchen und ein Knabe hervorgegangen, von denen 1777 noch die vier Töchter Josepha, Aloysia, Konstanze und Sophie am Leben waren. Aloysia (auch Luise genannt) war damals 15 Jahre alt und in der Gesangskunst bereits ziemlich vorangeschritten. Mozart erwähnt sie zuerst in einem Berichte über eine Kunstreise, die er Ende Januar 1778 ohne die Mutter mit der Familie Weber nach Kirchheim-Bolanden und Worms unternahm (17. Januar 1778)175:


Künftigen Mittwoch [23. Jan.] werde ich auf etliche Tage nach Kirchheim-Poland zu der Prinzessin von Oranien [S. 55 ff.] gehen; man hat mir hier so viel Gutes von ihr gesprochen, daß ich mich endlich entschlossen habe. Ein holländischer Offizier176, der mein guter Freund ist, ist von ihr entsetzlich ausgescholten worden, daß er mich, als er hinüberkam, ihr das Neujahr anzuwünschen, nicht mitgebracht habe. Auf das Wenigste bekomme ich doch acht Louisdor; denn weil[495] sie eine außerordentliche Liebhaberin vom Singen ist, so habe ich ihr vier Arien ab schreiben lassen, und eine Sinfonie werde ich ihr auch geben, denn sie hat ein ganz niedliches Orchester und giebt alle Tage Accademie177. Die Kopiatur von den Arien wird mich auch nicht viel kosten, denn die hat mir ein gewisser Herr Weber, welcher mit mir hinübergehen wird, abgeschrieben. Dieser hat eine Tochter, die vortrefflich singt und eine schöne reine Stimme hat, und erst 15 Jahre alt ist. Es geht ihr nichts als die Action ab, dann kann sie auf jedem Theater die Prima donna machen. Ihr Vater ist ein grundehrlicher deutscher Mann, der seine Kinder gut erzieht, und dieß ist eben die Ursache, warum das Mädel hier verfolgt wird. Er hat 6 Kinder, 5 Mädel und einen Sohn. Er hat sich mit Frau und Kindern 14 Jahre mit 200 fl. begnügen müssen, und weil er seinem Dienste allezeit gut vorgestanden und dem Churfürsten eine sehr geschickte Sängerin gestellt hat, so hat er nun – ganze 400 fl. Meine Arie von der de Amicis mit den entsetzlichen Passagen [»L. Silla« 11, vgl. S. 171] singt sie vortrefflich; sie wird diese auch zu Kirchheim-Poland singen.


Nach seiner Rückkehr berichtet er weiter über diese »Vacanzreise« (2. Februar 1778)178:


Wir mußten gleich ins Schloß einen Zettel mit unseren Namen schicken; den andern Tag frühe kam schon der Hr. Concertmeister Rothfischer zu uns .... Abends gingen wir nach Hof, das war Samstag; da sang die Mlle. Weber 3 Arien. Ich übergehe ihr Singen – mit einem Wort vortrefflich! Ich habe ja im neulichen Brief von ihren Verdiensten geschrieben, doch werde ich diesen Brief nicht schließen können, ohne noch mehr von ihr zu schreiben, da ich sie itzt erst recht kennen gelernt und folglich ihre ganze Stärke einsehe. Wir mußten hernach bey der Officierstafel speisen. Den andern Tag gingen wir ein ziemlich Stück Weg in die Kirche, denn die katholische ist ein bischen entfernt. Das war Sonntag. Zu Mittage waren wir wieder an der Tafel; Abends war keine Musique, weil Sonntag war – darum haben sie auch nur 300 Musiquen das Jahr. Abends hätten wir doch bey Hofe speisen können, wir haben aber nicht gewollt, sondern sind lieber unter uns zu Hause geblieben. Wir hätten unanimiter von Herzen gerne das Essen bey Hofe hergeschenkt, denn wir waren niemal so vergnügt als da wir allein beisammen waren; allein wir haben ein wenig oeconomisch gedacht – wir haben so genug zahlen müssen. Den andern Tag, Montag, war wieder Musique, Dienstag wieder und Mittwoch wieder; die Mlle. Weber sang in Allem 13 Mal und spielte 2 Mal Clavier, denn sie spielt gar nicht schlecht. Was mich am meisten wundert, ist daß sie so gut Noten liest. Stellen Sie sich vor, sie hat meine schweren Sonaten langsam, aber ohne eine Note zu fehlen, prima vista gespielt: ich will bey meiner Ehre meine Sonaten lieber von ihr als vom Vogler spielen hören. Ich habe in allem 12 Mal gespielt, und einmal auf Begehren in der lutherischen Kirche auf der Orgel und habe der Fürstin mit 4 Sinfonien aufgewartet, und nicht mehr als 7 Louisdor NB. in Silbergeld bekommen, und meine liebe arme Weberin 5 ... Basta. Wir haben nichts darbey verloren, ich habe noch 42 fl. Profit und das unaussprechliche Vergnügen, mit grundehrlichen, gut katholischen und christlichen Leuten in Bekanntschaft gekommen zu seyn; mir ist leid genug, daß ich sie nicht schon lange kenne ... A propos! Sie müssen sich nicht zu viel verwundern, daß mir von 77 fl. nicht mehr als 42 fl. übrig geblieben sind. Das ist aus lauter Freude geschehen, daß[496] einmal wieder ehrliche und gleichdenkende Leute zusammenkommen sind. Ich habe es nicht anderst gethan, ich habe halben Theil gezahlt; das geschieht aber nicht auf anderen Reisen, das habe ich schon gesagt, da zahl ich nur fürmich. – Hernach sind wir 5 Täge zu Worms geblieben, dort hat der Weber einen Schwager, nämlich der Dechant vom Stift; NB. der fürchtet des Hrn. Webers spitzige Feder. Da waren wir lustig, haben alle Täge Mittags und Nachts beim Hrn. Dechant gespeist. Das kann ich sagen, diese kleine Reise war ein rechtes Exercitium für mich auf dem Clavier. Der Hr. Dechant ist ein rechter braver vernünftiger Mann. – Nun ist es Zeit, daß ich schließe; wenn ich alles schreiben wollte was ich denke, so würde mir das Papier nicht bleiben.


Von dieser »lustigen« Stimmung geben auch die scherzhaften Verse Zeugnis, die er am 31. Januar von Worms aus an die Mutter richtete179. In diesen ist von 4 Quartetten die Rede, die er schreiben wolle (s.o.S. 484, 493), und von einem Konzert, das für Paris aufgespart sein sollte. Man sieht, daß er vor der Mutter seine tieferen Gefühle und Absichten, sofern diese schon bestanden, noch zu verbergen sucht.

Nachdem er wieder nach Mannheim zurückgekehrt war, widmete er nun fast alle Zeit dem Umgang mit Webers und suchte die Tochter im Gesang weiterzubilden. Er studierte ihr alle seine Arien ein, die er mitgenommen hatte, und bat seinen Vater, ihr von Salzburg eine »Aria cantabile mit ausgesetztem gusto«, Kadenzen und was dort noch an passenden Sachen sei, zu schicken. Dann verschaffte er ihr die Gelegenheit, sich hören zu lassen; er schreibt (14. Februar 1778)180:


Gestern war eine Accademie beym Cannabich, da ist, bis auf die erste Sinfonie vom Cannabich, alles von mir gewesen. Die Rosl hat mein Concert ex B [XVI. 6] gespielt, dann hat der Hr. Ramm zur Abwechslung fürs 5. Mal mein Oboe-Concert für den Ferlendi gespielt, welches hier einen großen Lärm macht; es ist auch jetzt des Hrn. Ramm sein cheval de bataille. Hernach hat die Mlle. Weberin die aria di bravura von der de Amicis ganz vortrefflich gesungen. Dann habe ich mein altes Concert ex D [XVI. 5] gespielt, weil es hier recht wohl gefällt; dann habe ich eine halbe Stunde phantasirt und hernach hat die Mlle. Weber die Arie »Parto m'affretto« von der de Amicis [Lucio Silla 16] gesungen, mit allem applauso. Zum Schluß war dann meine Sinfonie vom »Re pastore«.


Endlich komponierte er eine Arie für die Geliebte, deren Text aus Metastasios »Olimpiade« stammte (III, 6): »Non sò d'onde viene« mit dem vorangehenden Rezitativ »Alcandro, lo confesso« (K.-V. 294, S, VI. 17 Notteb.). Im Text spricht der König Kleisthenes, der, wie sich später herausstellt, seinen eigenen Sohn wegen eines Attentats zum Tode verurteilt hat, seine Verwunderung über das weiche Gefühl aus, das ihn auf jenen Richterspruch hin beschleiche; das Mitleid allein könne unmöglich der Grund davon sein. Mozart deutete diese Situation in seinem Sinne um: auch er fühlte sich von einer nie gekannten Empfindung übermannt, bei deren Entstehung das Mitleid wohl mitgewirkt hatte, aber ohne die Empfindung selbst deuten[497] zu können. So löste sich, ein bei Mozart seltener Fall, die Arie ganz aus dem dramatischen Zusammenhang los, und ihr Text blieb lediglich die Unterlage für ein höchst persönliches Bekenntnis; kein Wunder, daß ihm selbst das Stück ganz besonders ans Herz gewachsen war, zumal da ihm bei der Komposition beständig Aloysias Stimme und Gesang vorschwebten. Er schreibt darüber (28. Februar 1778)181:


Ich habe auch zu einer Übung die Aria »Non sò d'onde viene« etc., die so schön vom Bach componirt ist, gemacht, aus der Ursach, weil ich die vom Bach so gut kenne, weil sie mir so gefällt und immer in Ohren ist; denn ich hab versuchen wollen, ob ich nicht ungeachtet diesem allen im Stande bin, eine Aria zu machen, die derselben vom Bach gar nicht gleicht? – Sie sieht ihr auch gar nicht, gar nicht gleich. Diese Aria habe ich anfangs dem Raaff zugedacht, aber der Anfang gleich schien mir für den Raaff zu hoch, und um ihn zu ändern, gefiel er mir zu sehr, und wegen Setzung der Instrumente schien er mir auch für einen Sopran besser. Mithin entschloß ich mich diese Aria für die Weberin zu machen. Ich legte sie bey Seit und nahm die Wörter »Se al labbro« für den Raaff vor. Ja, da war es umsonst, ich hätte ohnmöglich schreiben können, die erste Aria kam mir immer in Kopf. Mithin schrieb ich sie und nahm mir vor, sie accurat für die Weberin zu machen. Es ist ein Andante sostenuto (vorher ein kleines Recitativ), in der Mitte der anderte Theil: »Nel seno a destarmi«, dann wieder das Sostenuto. Als ich sie fertig hatte, so sagte ich zur Mlle. Weber: Lernen Sie die Aria von sich selbst, singen Sie sie nach Ihrem gusto; dann lassen Sie mir sie hören und ich will Ihnen hernach aufrichtig sagen, was mir gefällt und was mir nicht gefällt. Nach zwey Tägen kam ich hin, und da sang sie mirs und accompagnirte sich selbst. Da habe ich aber gestehen müssen, daß sies accurat so gesungen hat, wie ich es gewunschen habe und wie ich ihr es lernen hab wollen. Das ist nun ihre beste Aria, die sie hat; mit dieser macht sie sich gewiß überall Ehre, wo sie hinkommt.


Diese Zuversicht wurde gerechtfertigt in einer Akademie, die vor Mozarts Abreise am 12. März bei Cannabich gegeben wurde, und in der Rose Cannabich, Mlle. Weber und Mlle. Pierron Serrarius (die Hausnymphe) nach drei Proben das Konzert für drei Klaviere recht gut spielten182.


Die Mlle. Weber hat 2 Arien von mir gesungen, die »Aer tranquillo« von »Re pastore« [No. 3] und die neue »Non sò d'onde viene«. Mit dieser letzten hat meine liebe Weberin sich und mir unbeschreiblich Ehre gemacht. Alle haben gesagt, daß sie noch keine Aria so gerührt habe wie diese; sie hat sie aber auch gesungen, wie man sie singen soll. Cannabich hat gleich wie die Aria aus war laut geschrien: Bravo, bravissimo maestro! veramente scritta da maestro! Hier habe ich sie das erstemal mit den Instrumenten gehört. Ich wollte wünschen, Sie hätten sie auch gehört, aber so wie sie da producirt und gesungen wurde, mit dieser Accuratesse im gusto, piano und forte. Wer weiß, vielleicht hören Sie sie doch noch – ich hoffe es. Das Orchestre hat nicht aufgehört die Aria zu loben und davon zu sprechen.


Auch an den Vater wurde die neue Arie geschickt mit der Bitte, sie niemand zu singen zu geben, da sie ganz für die Weberin geschrieben sei und ihr passe wie ein Kleid auf den Leib.[498]

Mozarts Abneigung gegen die Pariser Reise erklärt sich aus dieser Neigung leicht, so wenig er sich das auch gestehen mochte. Wenn er seinem Vater schrieb (4. Februar 1778)183: »Ich kann ohnmöglich mit Leuten reisen, mit einem Mann, der ein Leben führt, dessen sich der jüngste Mensch schämen müßte, und der Gedanke, einer armen famille, ohne sich Schaden zu tun, aufzuhelfen, vergnügt mich in der ganzen Seele«, so war das gewiß redlich gemeint: er brannte vor Begierde, diese Familie aus ihrer traurigen Lage zu befreien; allein die Liebe zu seiner Aloysia war doch das stille, aber mächtigste Motiv. Wohin seine Gedanken sich damals richteten, kann man auch aus einer Äußerung abnehmen, als er erfuhr, daß ein Jugendfreund, Hr. v. Schiedenhofen, eine reiche Heirat gemacht hatte (7. Februar 1778)184:


Das ist halt wiederum eine Geldheyrath, sonst weiter nichts. So möchte ich nicht heyrathen; ich will meine Frau glücklich machen und nicht mein Glück durch sie machen. Drum will ichs auch bleiben lassen und meine goldne Freiheit genießen, bis ich so gut stehe, daß ich Weib und Kinder ernähren kann. Dem Hrn. von Schiedenhofen war es nothwendig, sich eine reiche Frau zu wählen, das macht sein Adel. Noble Leute müssen nie nach gusto und Liebe heyrathen, sondern nur aus Interesse und allerhand Nebenabsichten; es stünde auch solchen hohen Personen gar nicht gut, wenn sie ihre Frau etwa noch liebten, nachdem sie schon ihre Schuldigkeit gethan und ihnen einen plumpen Majoratsherrn zur Welt gebracht hat. Aber wir arme gemeine Leute, wir müssen nicht allein eine Frau nehmen, die wir und die uns liebt, sondern wir dürfen, können und wollen so eine nehmen, weil wir nicht noble, nicht hochgeboren und adlich und nicht reich sind, wohl aber niedrig, schlecht und arm, folglich keine reiche Frau brauchen, weil unser Reichthum nur mit uns ausstirbt, denn wir haben ihn im Kopf – und diesen kann uns kein Mensch nehmen, ausgenommen man hauete uns den Kopf ab, und dann – brauchen wir nichts mehr.


Zu diesem Erguß wird der Vater wohl etwas den Kopf geschüttelt haben. Zu energischem Einschreiten in die seiner Ansicht nach gänzlich verfahrenen Verhältnisse veranlaßte ihn aber ein abenteuerlicher Plan des Sohnes, für den dieser die auf ihren Vorteil erpichten Webers bereits gewonnen hatte und der seine beiden sehnlichsten Herzenswünsche auf einmal erfüllen sollte: in Aloysias Nähe zu bleiben, bis er sie ganz sein nennen könnte, und Opern zu schreiben. So schrieb er dem Vater (4. Februar 1778), er wolle zunächst in Mannheim bleiben und die übernommenen Kompositionen vollenden185:


Unter dieser Zeit wird sich Hr. Weber bemühen sich wo auf Concerts mit mir zu engagiren; da wollen wir mit einander reisen. Wenn ich mit ihm reise, so ist es just soviel als wenn ich mit Ihnen reisete. Deswegen habe ich ihn gar so lieb, weil er, das Äußerliche ausgenommen, ganz Ihnen gleicht und ganz Ihren caractère und Denkungsart hat. Meine Mutter, wenn Sie nicht, wie Sie wissen, zum Schreiben zu faul commode wäre, so würde sie Ihnen das Nämliche schreiben. Ich[499] muß bekennen, daß ich recht gern mit ihnen gereist bin. Wir waren vergnügt und lustig; ich hörte einen Mann sprechen wie Sie. Ich durfte mich um nichts kümmern; was zerrissen war, fand ich geflickt; mit einem Wort, ich war bedient wie ein Fürst. Ich habe diese bedrückte famille so lieb, daß ich nichts mehr wünsche, als daß ich sie glücklich machen könnte, und vielleicht kann ich es auch. Mein Rath ist, daß sie nach Italien gehen sollten. Da wollte ich Sie also bitten, daß Sie je ehender je lieber an unsern guten Freund Luggiati [S. 146] schreiben möchten und sich erkundigen, wie viel und was das meiste ist, was man einer Prima Donna in Verona giebt? je mehr je besser, herab kann man allzeit, – vielleicht könnte man auch die Ascensa in Venedig bekommen. Für ihr Singen stehe ich mit meinem Leben, daß sie mir gewiß Ehre macht. Sie hat schon die kurze Zeit von mir viel profitirt, und was wird sie erst bis dahin profitiren? Wegen der Action ist mir auch nicht bang. Wenn das geschieht, so werden wir, Mr. Weber, seine 2 Töchter und ich, die Ehre haben meinen lieben Papa und meine liebe Schwester im Durchreisen auf 14 Täge zu besuchen, meine Schwester wird an der Mlle. Weber eine Freundin und Cameradin finden; denn sie steht hier im Ruf wie meine Schwester in Salzburg wegen ihrer guten Aufführung, der Vater wie meiner, und die ganze famille wie die Mozartische. Es giebt freylich Neider wie bey uns, aber wenn es darzu kommt, so müssen sie halt doch die Wahrheit sagen: redlich währt am längsten. Ich kann sagen, daß ich mich völlig freue, wenn ich mit ihnen nach Salzbourg kommen sollte, nur damit Sie sie hören. Meine Arien von der de Amicis, sowohl die bravura aria als »Parto m'affretto« und »Dalla sponda tenebrosa« singt sie superb. Ich bitte Sie, machen Sie Ihr mögliches, daß wir nach Italien kommen; Sie wissen mein größtes Anliegen – Opern zu schreiben.

Zu Verona will ich gern die Opera um 50 Zechini schreiben, nur damit sie sich Ruhm macht; denn wenn ich sie nicht schreibe, so fürchte ich, wird sie sacrifizirt. Bis dahin werde ich mir schon durch andere Reisen, die wir mit einander machen wollen, soviel Geld machen, daß es mir nicht zu wehe thut. Ich glaube wir werden in die Schweiz gehen, vielleicht auch nach Holland, schreiben Sie mir nur bald darüber. – Wenn wir uns wo lange aufhalten, so taugt uns die andere Tochter, welche die älteste ist, gar zu gut; denn wir können eigene Hauswirthschaft führen, weil sie auch kocht ...

Geben Sie mir bald Antwort, das bitte ich Sie. Vergessen Sie meinen Wunsch nicht Opern zu schreiben! Ich bin einem jeden neidig, der eine schreibt; ich möchte ordentlich für Verdruß weinen, wenn ich eine Aria höre oder sehe. Aber italienisch, nicht teutsch; serios nicht buffa ... Nun habe ich alles geschrieben, wie es mir ums Herz ist, meine Mutter ist mit meiner Denkungsart ganz zufrieden ... Ich küsse Ihnen 1000 mal die Hände und bin bis in den Tod Dero gehorsamster Sohn.


In einem spätem Briefe wiederholt er seine eindringliche Bitte (14. Februar 1778)186:


Ich bitte Sie um alles, nehmen Sie sich der Weberin an; ich möchte gar zu gern, daß sie ihr Glück machen könnte; Mann und Weib, 5 Kinder und 450 fl. Besoldung! Vergessen Sie nicht wegen Italien, auch wegen meiner nicht; Sie wissen meine Begierde und meine Passion. Ich hoffe, es wird alles recht gehen; ich habe mein Vertrauen zu Gott, der wird uns nicht verlassen. Nun leben Sie recht wohl und vergessen Sie nicht auf meine Bitten und Recommandationen.
[500]

Ganz so einverstanden, wie Wolfgang dachte, war freilich seine Mutter nicht, das beweist eine Nachschrift zu Wolfgangs Brief vom 4. Februar 1778, die uns allerdings auch zeigt, daß sie ohne allen Einfluß auf den Sohn war187:


Mein lieber Mann! Aus diesem Briefe wirst Du ersehen haben, daß wann der Wolfgang eine neue Bekanntschaft machet, er gleich Gut und Blut für solche Leute geben wollte. Es ist wahr, sie singt unvergleichlich; allein da muß man sein eigenes Interesse niemals auf die Seite setzen. Es ist mir die Gesellschaft mit dem Wendling und Ramm niemals recht gewesen, allein ich hatte keine Einwendung machen dürfen, und mir ist niemals geglaubt worden. Sobald er aber mit den Weberischen bekannt worden, so hat er gleich seinen Sinn geändert. Mit einem Worte: bey anderen Leuten ist er lieber als bey mir, ich mache ihm in einem und anderen, was mir nicht gefällt Einwendungen, und das ist ihm nicht recht. Du wirst es also bey Dir selbst überlegen was zu thun ist ... Ich schreibe dieses in der größten Geheim, weil er beim Essen ist, und ich will damit nicht überfallen werden.


Dem Vater hätte Wolfgang keinen härteren Schlag versetzen können als mit dieser Eröffnung, die ihm »nicht anders als wie ein Roman geschrieben« vorkam. Die Aufregung darüber machte ihn schlaflos. Seine Besorgnis, Wolfgangs gutes Herz und seine Vertraulichkeit könnten ihm einmal einen bösen Streich spielen, hatte sich in der unheilvollsten Weise erfüllt. Aber er war nicht der Mann, lange trüben Gedanken nachzuhängen. Hier mußte nachdrücklich eingeschritten werden, und zwar sofort. Seine vom 12. Februar 1778 datierte Antwort möge hier, soweit sie die Sache betrifft, Platz finden188.


Mein lieber Sohn! Deinen Brief vom 4ten habe ich mit Verwunderung und Schröcken durchlesen. Ich fange auch an ihn heut den 11ten zu beantworten, indem ich die ganze Nacht nicht hab schlafen können und so matt bin, daß ich ganz langsam Wort für Wort schreiben und ihn nach und nach bis morgen zu Ende bringen muß. Ich war Gottlob itzt immer wohlauf, allein dieser Brief, an dem ich meinen Sohn an nichts anderem mehr kenne, als an dem Fehler, daß er allen Leuten auf das erste Wort glaubt, sein zu gutes Herz durch Schmeicheleyen und gute schöne Worte jedermann bloßstellt, sich von jedem auf alle ihm gemachte Vorstellungen nach Belieben hin und her lenken läßt und durch Einfälle und grundlose, nicht genug überlegte, in der Einbildung thunliche Aussichten sich dahin bringen läßt, dem Nutzen fremder Leute seinen eigenen Ruhm und Nutzen, und sogar den Nutzen und die seinen alten ehrlichen Eltern schuldige Hilfe aufzuopfern, – dieser Brief hat mich um so mehr niedergeschlagen, als ich mir vernünftige Hoffnung machte, daß Dich einige Dir schon begegnete Umstände und meine hier mündlich und Dir schriftlich gemachte Erinnerungen hätten überzeugen sollen, daß man, um sein Glück sowohl, als auch sein auch nur gemeines Fortkommen in der Welt zu suchen, und unter der so verschiedenen Art guter, böser, glücklicher und unglücklicher Menschen endlich das gesuchte Ziel zu erreichen sein gutes Herz mit größter Zurückhaltung verwahren, nichts ohne die größte Überlegung unternehmen und sich von enthusiastischer Einbildung und ohngefähr blinden Einfällen niemals hinreißen lassen müßte. Ich bitte Dich, mein lieber Sohn, lese diesen Brief mit Bedacht, – nehme Dir die Zeit solchen mit Überlegung[501] zu lesen – großer gütiger Gott, die für mich vergnügten Augenblicke sind vorbey, wo Du als Kind und Knab nicht schlafen gingst, ohne auf dem Sessel stehend, mir das »oragnia figatafa« vorzusingen, mich öfters und am Ende das Nasenspitzl zu küssen und mir zu sagen, daß, wenn ich alt seyn werde, Du mich in einer Kapsel, wo ein Glas vor, vor aller Luft bewahren wolltest, um mich immer bei Dir und in Ehren zu halten189. Höre mich demnach mit Geduld!

Unsere Salzburger Bedrückungen sind Dir vollkommen bekannt, Du weißt mein schlechtes Auskommen, und endlich warum ich Dir mein Versprechen gehalten, Dir weiter gehen zu lassen und alle meine Drangsalen. Die Absicht Deiner Reise waren 2 Ursachen: oder einen beständigen guten Dienst zu suchen, oder, wenn dieses mißlingt, sich an einen großen Platz zu begeben, wo große Verdienste sind. Beydes ging auf die Absicht Deinen Eltern beyzustehen und Deiner lieben Schwester fortzuhelfen, vor allem aber Dir Ruhm und Ehre in der Welt zu machen, welches auch theils in Deiner Kindheit schon geschehen, theils in Deinen Jünglingsjahren und itzt nur ganz alleine auf Dich ankommt in eines der größten Ansehen, die jemals ein Tonkünstler erreicht hat, Dich nach und nach zu erheben. Das bist Du Deinem von dem gütigsten Gott erhaltenen außerordentlichen Talente schuldig, und es kommt nur auf Deine Vernunft und Lebensart an, ob Du als ein gemeiner Tonkünstler, auf den die ganze Welt vergißt, oder als ein berühmter Kapellmeister, von dem die Nachwelt auch noch in Büchern lieset, – ob Du von einem Weibsbild etwa eingeschäfert mit einer Stube voll nothleidender Kinder auf einem Strohsack, oder nach einem christlich hingebrachten Leben mit Vergnügen, Ehre und Nachruhm mit Allem für Deine Familie wohl versehen bey aller Welt in Ansehen sterben willst?

Deine Reise ging nach München – Du weißt die Absicht – es war nichts zu thun. Wohlmeinende Freunde wünschten Dich da zu haben – Dein Wunsch war da zu bleiben. Man verfiel auf die Gedanken, eine Gesellschaft zusammen zu bringen, – ich darfs nicht umständlich wiederholen. Den Augenblick fandest Du die Sache thunlich, – ich fand es nicht – lese nach was ich Dir geantwortet. Du hast Ehre im Leib. Hätte es, wenns auch geschehen wäre, Dir Ehre gemacht, von 10 Personen und ihrer monatlichen Gnade abzuhangen? – Da warst Du ganz erstaunlich für die kleine Sängerin des Theaters eingenommen und wünschtest nichts mehr als dem teutschen Theater aufzuhelfen: itzt erklärst Du Dich, daß Du nicht einmal eine komische Opera schreiben möchtest. Sobald Du beym Thor in München hinauswarest, hatte Dich auch, wie ich es vorsagte, Deine ganze freundschaftliche Subscribentengesellschaft vergessen – und was wäre es nun in München gewesen? – Am Ende sieht man immer die Vorsehung Gottes. – In Augsburg hast Du auch Deine kleinen Scenen gehabt, Dich mit meines Bruders Tochter lustig unterhalten, die Dir nun auch ihr Portrait schicken mußte. Das übrige habe Euch in den ersten Briefen nach Mannheim geschrieben. In Wallerstein machtest Du ihnen tausend Spaß, nahmst die Violin, tanztest herum und spieltest, so daß man Dich als einen lustigen, aufgeräumten närrischen Menschen den damals Abwesenden anpries, welches dem Herrn Beecké Gelegenheit gab, Deine Verdienste herunter zu setzen, die nun aber bey den zwey Herrn durch Deine Composition[502] und die Spielart Deiner Schwester in ein anderes Licht gesetzt worden, da sie immer sagte: ich bin nur eine Schülerin meines Bruders, so daß sie die größte Hochachtung für Deine Kunst haben, und sich eher über des H. Beecké schlechte Composition herausließen.

In Mannheim hast Du sehr wohl gethan, Dich bey dem Herrn Cannabich einzuschmeicheln. Es würde aber ohne Frucht gewesen seyn, wenn er nicht seinen doppelten Nutzen dabey gesucht hätte. Das übrige habe Dir schon geschrieben. Da wurde nun die Mlle. Tochter des Herrn Cannabich mit Lobeserhebungen überhäuft, das Porträt ihres Temperaments im Adagio der Sonate ausgedrückt, kurz, diese war nun die Favoritperson. – Dann kamst Du in die Bekanntschaft des Herrn Wendling. Itzt war dieser der ehrlichste Freund, und was dann alles geschehen, darf ich nicht wiederholen. In einem Augenblick kommt die neue Bekanntschaft mit Herrn Weber: nun ist alles Vorige vorbey, itzt ist diese Familie die redlichste christlichste Familie und die Tochter ist die Hauptperson des zwischen Deiner eigenen und dieser Familie vorzustellenden Trauerspiels, und alles, was Du Dir in dem Taumel, in den Dich Dein für alle Leute offenes gutes Herz gesetzt hat, ohne genugsame Überlegung einbildest, so richtig und so unfehlbar thunlich, als wenn es schon ganz natürlich so gehen müßte.

Du gedenkest sie als Prima Donna nach Italien zu bringen. Sage mir ob Du eine Prima Donna kennst, die als Prima Donna, ohne vormals in Teutschland schon öfters recitirt zu haben, das Theater in Italien betreten hat. Wie viele Opern hat nicht die Sgra. Bernasconi in Wien recitirt und zwar Opern von den größten Affekten und unter der genauesten Kritik und Unterweisung des Gluck und Calzabigi! Wie viele Opern sang die Mlle. Deiber in Wien unter der Unterweisung des Hasse – und unter dem Unterricht der alten Sängerin und berühmtesten Actrice, der Sgra. Tesi, die Du beym Prinz Hildburgshausen gesehen und als Kind ihre Mohrin küßtest! wie viele mal recitirte die Mlle. Schindler190 auf dem Wiener Theater, nachdem sie ihren Anfang bey einer Hausopera auf dem Landgut des Baron Fries unter der Unterweisung des Hasse und der Tesi und des Metastasio machte! – Haben alle diese Personen es wagen dürfen, sich dem italiänischen Publiko auszusetzen? und wie viele Protection und vielvermögende Empfehlungen hatten sie dann erst nötig, um zu ihrem Zweck zu gelangen? – Fürsten und Grafen empfahlen sie und in Ruhm stehende Componisten und Poeten stunden für ihre Geschicklichkeit. Und Du willst, ich soll nur an Luggiati schreiben, Du wolltest um 50 Duggaten die Opera schreiben, da Du doch weißt, daß die Veroneser kein Geld haben, und niemals eine neue Opera schreiben lassen. Ich soll itzt auf die Ascensa Bedacht seyn, da mir Michelagata nicht einmal eine Antwort auf meine 2 vorige Schreiben gab. Ich lasse, daß die Mlle. Weber wie eine Gabrielli singt, daß sie eine starke Stimme für die italiänischen Theater hat u.s.w., daß sie für eine Prima Donna gut gewachsen ist u.s.w., so ist es lächerlich, daß Du für ihre Aktion gut stehen willst. Da gehört was mehrers dazu, und die altkindische, auch aus lauter guter Meinung und freundschaftlicher Menschenliebe unternommene Bemühung des alten Hasse hat die Miß Davis auf ewig von der welschen Schaubühne verbannt, da sie die erste Sera ausgezischet und ihr Parte der de Amicis übergeben[503] wurde191. Nicht nur ein Frauenzimmer, sondern ein schon auf dem Theater geübter Mann zittert bey seinem ersten Auftritte in einem fremden Lande. Und glaubst Du das ist alles? – keineswegs – »ci vuole il possesso del teatro«, sogar bey einem Frauenzimmer in Betreff des Anzugs, der Frisur, des Aufputzes u.s.w. Doch, Du weißt alles selbst wenn Du nachdenken willst; ich weiß, die scharfe Überlegung alles dieses wird Dich überzeugen, daß Dein Einfall zwar von gutem Herzen kommt, aber seine Zeit und große Vorbereitung braucht, und ganz ein anderer Weg muß genommen werden, solchen nach einiger längerer Zeit auszuführen. Welcher Impresario würde nicht lachen, wenn man ihm ein Mädl von 16 oder 17 Jahren, die noch niemals auf dem Theater gestanden, recommandiren wollte!

Dein Vorschlag (ich kann kaum schreiben, wenn ich daran denke), der Vorschlag mit Herrn Weber und NB. 2 Töchtern herumzureisen hätte mich beynahe um meine Vernunft gebracht. – Liebster Sohn! wie kannst Du Dich doch von so einem abscheulichen Dir zugebrachten Gedanken auch nur auf eine Stunde einnehmen lassen? Dein Brief ist nicht anders als wie ein Roman geschrieben. Und Du könntest Dich wirklich entschließen, mit fremden Leuten in der Welt herumzuziehen? – Deinen Ruhm – Deine alten Eltern, Deine liebe Schwester auf die Seite zu setzen? – mich dem Fürsten und der ganzen Stadt, die Dich liebt, dem Spott und Gelächter auszusetzen? – ja dem Spott, und Dich der Verachtung auszusetzen, da ich aller Welt, die mich immer fragte, sagen mußte, daß Du nach Paris gehen wirst, und nun am Ende wolltest Du mit fremden Personen auf gerathe wohl herumziehen? Nein, das kannst Du nach ein Bischen Überlegung nicht einmal mehr gedenken. – Doch damit ich Euch alle Eurer Übereilung überzeuge, so wisse, daß itzt eben die Zeit kommt, wo keinem vernünftigen Menschen so etwas beyfallen kann. Die Umstände sind dermal so, daß man nicht einmal weiß, an was für Orten überall Krieg ausbrechen wird, da an allen Orten die Regimenter theils marschieren theils in Bereitschaft stehen. – In die Schweiz? – in Holland? – ja da ist den ganzen Sommer keine Seele, und im Winter bekommt man in Bern undZürich genau so viel, daß man nicht Hunger stirbt, sonst ist nirgends nichts. Und Holland hat jetzt auf andere Sachen als auf Musik zu denken und den halben Theil der Einnahmen frißt Herr Hummel192 und die Concertunkösten, und wo bliebe alsdann Dein Ruhm? Das ist nur eine Sache für kleine Lichter, für Halbcomponisten, für Schmierer, für einen Schwindl193, Zappa194,Ricci195 u.s.w. Nenne mir einen großen Componisten,[504] der sich würdiget einen solchen niederträchtigen Schritt zu thun? – – Fort mit Dir nach Paris! und das bald, setze Dich großen Leuten an die Seite – aut Caesar aut nihil! Der einzige Gedanke Paris zu sehen, hätte Dich vor allen fliegenden Einfällen bewahren sollen. Von Paris aus geht der Ruhm und Name eines Mannes von großem Talente durch die ganze Welt, da behandelt der Adl Leute von Genie mit der größten Herablassung, Hochschätzung und Höflichkeit, da siehet man eine schöne Lebensart, die ganz erstaunlich absticht gegen der Grobheit unserer teutschen Cavaliers und Damen, und da machst Du Dich in französischer Sprache fest.

Was die Gesellschaft mit Wendling u.s.w. betrifft, hast Du sie gar nicht nötig. Du hast sie längst gekannt, und hat es Deine Mamma nicht eingesehen, waret Ihr beyde blind? – Nein, ich weiß, wie es seyn wird. Du warst dafür eingenommen, und sie durfte es nicht wagen, Dir zu widersprechen. Ich bin böse, daß es Euch beyden an Vertrauen und der Aufrichtigkeit fehlt, mir alles umständlich und redlich zu berichten; Ihr machtet es mir mit dem Churfürsten ebenso und am Ende mußte doch alles herauskommen. Ihr wolltet mir Verdruß ersparen, und am Ende schüttet Ihr mir eine ganze Lauge von Verdrießlich keiten auf einmal über den Kopf herab, die mich fast ums Leben bringen. Ihr wißt und habt 1000 Proben, daß mir der gütige Gott eine gesunde Vernunft gegeben, daß mir der Kopf noch am rechten Ort stehet, und daß ich in verwirrtesten Sachen oft einen Ausweg gefunden und eine Menge Sachen vorausgesehen und errathen: was hielt Euch denn ab, mich um Rath zu fragen und allzeit nach meinem Willen zu thun? Mein Sohn, Du hast mich mehr als Deinen aufrichtigsten Freund, als einen scharfen Vater anzusehen – denke nach, ob ich Dich nicht allzeit freundschaftlich behandelt und wie ein Diener seinen Herrn bedient, auch Dir alle mögliche Unterhaltung verschafft, und zu allem ehrlichen und wohlanständigen Vergnügen, oft mit meiner eigenen größten Unbequemlichkeit, geholfen habe? – –


Mit diesem Briefe hat sich L. Mozart ein würdiges Denkmal gesetzt. Behutsam, aber mit fester Hand öffnet er dem Sohne die Augen, und bemerkenswert ist besonders auch der kluge Takt, womit der eigentliche Hauptpunkt, nämlich Wolfgangs Liebe zu Aloysia, umgangen wird. Auch die ganze Familie Weber, deren Hintergedanken der mißtrauische Mann zweifellos durchschaute, kommt auffallend glimpflich weg, ja, er verweist den Sohn für Aloysias Fortkommen sogar an Raaff, dessen Wort bei den italienischen Impresarii besonders viel gelte. Zunächst aber solle sie in Mannheim suchen auf die Bühne zu kommen, wenn es auch nur zur Übung sei. »Daß Du Vergnügen findest Bedrängten zu helfen, hast Du von Deinem Vater geerbt; Du mußt aber vor allem mit ganzer Seele auf das Wohl Deiner Eltern denken, sonst geht Deine Seele zum Teufel.«

So fielen alle Bedenken hin, die er bisher gegen die Pariser Reise gehegt hatte, nur sollte den Sohn statt Wendlings und Ramms, die er nicht so nötig hätte wie sie ihn, die Mutter dorthin begleiten, um überall nach dem Rechten zu sehen; für Geld und Kreditbriefe wollte er schon Sorge tragen, zumal da Paris noch am meisten Sicherheit gegen die drohende Kriegsgefahr biete.

Der Appell an die besten Seiten in Wolfgangs Wesen, Pflichtgefühl, Ehrgeiz und Kindesliebe, war nicht vergebens. Er beugte sich mit schwerem[505] Herzen, aber in kindlicher Ergebung unter den Willen des Vaters und antwortete (19. Februar 1778)196:


Ich habe mir nie etwas anders vorgestellt, als daß Sie die Reise mit den Weberischen mißbilligen werden; denn ich habe es niemal – bey unsern dermaligen Umständen verstehts sich – im Sinn gehabt; aber ich habe mein Ehrenwort gegeben, an Ihnen das zu schreiben. H. Weber weiß nicht, wie wir stehen: ich sag es gewiß Niemand; weil ich also gewünschet habe, in solchen Umständen zu seyn, daß ich auf Niemand zu denken hätte, daß wir alle recht gut stünden, so vergaß ich in dieser Berauschung die gegenwärtige Ohnmöglichkeit der Sache und mithin auch – Ihnen das zu melden, was ich itzt gethan habe ... Was Sie wegen der Mlle. Weber schreiben, ist alles wahr; und wie ich es geschrieben habe, so wußte ich so gut wie Sie, daß sie noch zu jung ist und daß sie Action braucht, und vorher öfter auf dem Theater recitiren muß; allein mit gewissen Leuten muß man öfters nach und nach weiter schreiten. Die guten Leute sind müde hier zu seyn wie – Sie wissen schon wer und wo, mithin glauben sie, es sey alles thunlich. Ich habe ihnen versprochen alles an meinen Vater zu schreiben; unterdessen als der Brief nach Salzburg lief, sagte ich schon immer, sie soll doch noch ein wenig Geduld haben, sie seye noch ein bischen zu jung etc. Von mir nehmen sie auch alles an, denn sie halten viel auf mich. Jetzt hat auch der Vater auf mein Anrathen mit der Madme Toscani [Schauspielerin] geredet, damit sie seine Tochter in der Action instruirt. Es ist alles wahr, was Sie von der Weberin geschrieben haben, ausgenommen eins nicht, nämlich daß sie wie eineGabrielli singt; denn das wäre mir gar nicht lieb, wenn sie so sänge. Wer die Gabrielli gehört hat, sagt und wird sagen, daß sie nichts als eine Passagen- und Rouladenmacherin war; ... mit einem Wort, sie sang mit Kunst, aber mit keinem Verstand [S. 167]. Diese aber singt zum Herzen und singt am liebsten cantabile. Ich habe sie erst durch die große Aria an die Passagen gebracht, weil es nothwendig ist, wenn sie in Italien kommt, daß sie Bravurarien singt; das Cantabile vergißt sie gewiß nicht, denn das ist ihr natürlicher Hang197... Itzt wissen Sie also alles, ich recommandire sie Ihnen immer von ganzem Herzen.


Diese jähe Zerstörung seines Liebesglücks traf Wolfgang aufs tiefste, sie warf ihn sogar für mehrere Tage aufs Krankenlager. Noch einmal bekannte er sich, wenn auch unter Tränen, zu seinem alten Wahlspruch: »nach Gott kommt gleich der Papa.« Aber ohne Vorbehalt hat er sich nicht gefügt, und die innere Entfremdung zwischen Vater und Sohn, die während der Pariser Reise begann und schließlich immer unheilbarer wurde, erhielt durch diesen[506] Fall eine kräftige Nahrung. Wolfgang fühlte sich nicht allein in seiner Liebe, sondern auch in seiner Ehre gekränkt198:


Ich bitte, Alles von mir zu glauben, was Sie wollen, nur nichts Schlechtes. Es giebt Leute, die glauben, es seye ohnmöglich, ein armes Mädl zu lieben, ohne schlechte Absichten dabey zu haben, und das schöne Wort Maitresse, zu teutsch H..e, ist halt gar zu schön! – Ich bin kein Brunetti und kein Mysliweczek! ich bin ein Mozart, aber ein junger und gut-denkender Mozart, mithin werden Sie mir hoffe ich verzeyhen, wenn ich bisweilen im Eyfer ausschweife.


Zudem betrachtete er sein Verhältnis zu Aloysia noch keineswegs als gelöst. Im Gegenteil, je einsamer und unbehaglicher er sich in Paris fühlte, desto lockender erschien ihm das Glück an ihrer Seite, und er mußte seine Leidenschaft bis zum letzten, bitteren Tropfen durchkosten, ehe er ganz von ihr geheilt ward. Mit dem festen Vorsatz, seinen Willen schließlich doch noch durchzusetzen und dem ebenso festen Glauben an die Treue der Geliebten zog er seinem neuen, unsicheren Schicksal entgegen. Dem Vater verschwieg er natürlich diese geheimen Pläne, doch kam dieser, der seinen Sohn und die Verhältnisse nur zu genau kannte, sehr bald selbst dahinter, und so entspann sich zwischen beiden, zuerst über Aloysia und dann über die »Weberischen« überhaupt, ein schleichender Konflikt, der schließlich mit Wolfgangs Heirat zum vollständigen Erkalten des einst so herzlichen Verhältnisses führte.

Vorerst kam Leopold dem Sohne, als er sich mit seiner Mutter zur Abreise von Mannheim rüstete, wieder mit seiner ganzen väterlichen Fürsorge entgegen199.


Wie schwer es mir fällt, daß ich nun weiß, daß Du Dich noch weiter von mir entfernest, kannst Du zwar Dir in etwas vorstellen, aber mit derjenigen Empfindlichkeit nicht fühlen, mit der es mir auf dem Herzen liegt. Wenn Du Dir die Mühe nehmen willst, bedächtlich nachzudenken, was ich mit Euch zwey Kindern in Eurer zarten Jugend unternommen habe, so wirst Du mich keiner Zaghaftigkeit beschuldigen, sondern mir mit allen anderen das Recht widerfahren lassen, daß ich ein Mann bin und allzeit war, der das Herz hatte, Alles zu wagen. Nur that ich alles mit der menschenmöglichsten Vorsichtigkeit und Nachdenken: – wider die Zufälle kann man dann nicht; denn nur Gott sieht die Zukunft voraus ... Du kommst nun in eine ganz andere Welt; und Du mußt nicht glauben, daß ich aus Vorurtheil Paris für einen so gefährlichen Ort [halte], au contraire, ich hab aus meiner eigenen Erfahrniß gar keine Ursache, Paris für gar so ge fährlich anzusehen. Allein meine damaligen und Deine dermaligen Umstände sind himmelweit unterschieden.


Nachdem er ihm dies näher auseinandergesetzt und die für seine Lage passenden Ratschläge erteilt hat, schließt er mit den Worten:


Ich weiß, daß Du mich nicht allein als Deinen Vater, sondern auch als Deinen gewissesten und sichersten Freund liebest; daß Du weißt und einsiehest, daß unser Glück und Unglück, ja mein längeres Leben oder auch mein baldiger Tod, nächst Gott, so zu sagen, in Deinen Händen ist. Wenn ich Dich kenne, so hab ich nichts[507] als Vergnügen zu hoffen, welches mich in Deiner Abwesenheit, da ich der väterlichen Freude, Dich zu hören, Dich zu sehen und zu umarmen, beraubt bin, allein noch trösten muß. Lebe als ein guter katholischer Christ, liebe und fürchte Gott, bete mit Andacht und Vertrauen zu ihm mit voller Inbrunst, und führe einen so christlichen Lebenswandel, daß, wenn ich Dich nicht mehr sehen sollte, meine Todesstunde nicht angstvoll seyn möge. Ich gieb Dir von Herzen den väterlichen Segen, und bin bis in den Tod Dein getreuer Vater und sicherster Freund.


Die Nähe der Trennung machte auf beiden Seiten das Gefühl dessen, was man verlor, erst recht lebendig. Die Akademien, die Wolfgang vor seiner Abreise veranstaltete, um sich, seine Kompositionen und seine Schülerinnen vorzuführen, brachten noch schließlich seine außerordentlichen Leistungen zur Geltung. Von allen Seiten hörte er, wie ungern man ihn ziehen ließ: nicht bloß die Musiker, auch viele andere gebildete Männer, denen Mannheims Blüte am Herzen lag, wußten ihn zu schätzen. Zu diesen zählte er auch den Verfasser des »deutschen Hausvaters« (24. März 1778)200:


Ich hab vor meiner Abreise zu Mannheim dem Hrn.von Gemmingen das Quartett [S. XIV. 1], welches ich zu Lodi Abends im Wirthshaus gemacht habe, und dann das Quintett [S. XIII. 1.] und die Variationen von Fischer abschreiben lassen. Er schrieb mir dann ein besonders höfliches Billet, bezeugte sein Vergnügen über das Andenken, so ich ihm hinterlasse, und schickte mir einen Brief an seinen sehr guten Freund, Hrn. v. Sickingen, mit den Worten: Ich bin versichert, daß Sie mehr Empfehlung für den Brief seyn werden, als er es für Sie seyn kann. Und um die Schreibkösten zu ersetzen, schickte er mir 3 Louisdor. Er versicherte mich seiner Freundschaft und bat mich um die meinige. Ich muß sagen, daß alle Cavalier, die mich kannten, Hofräthe, Kammerräthe, andere ehrliche Leute und die ganze Hofmusik, sehr unwillig und betrübt über meine Abreise waren. Das ist gewiß wahr.


Was ihn einigermaßen tröstete (28. Februar 1778), war die Aussicht, in Paris Gelegenheit zum Komponieren zu finden201.


Ich freue mich auf nichts als auf das Concert spirituel zu Paris, denn da werde ich vermuthlich etwas componi ren müssen. Das Orchestre seye so gut und stark und meine Hauptfavorit-Composition kann man dort gut ausführen, nämlich Chöre; und da bin ich recht froh, daß die Franzosen viel darauf halten. Das ist auch das Einzige, was man im Piccinni seiner neuen Oper Roland202 ausgestellt hat, daß nämlich die Chöre zu nackend und schwach seyen, und überhaupt die Musique ein wenig zu einförmig; sonst hat sie aber allen Beyfall gefunden. Zu Paris war man itzt halt die Chöre von Gluck gewohnt. Verlassen Sie sich nur auf mich, ich werde mich nach allen Kräften bemühen, dem Namen Mozart Ehre zu machen; ich hab auch gar nicht Sorg darauf.


Noch stand ihm der Abschied von seiner lieben Weberin bevor; auch darüber berichtet er ehrlich seinem Vater (24. März 1778)203:


Die Weberin hat aus gutem Herzen 2 paar Täzeln von Filet gestrickt und mir zum Angedenken und zu einer schwachen Erkenntlichkeit verehrt. Er hat mir,[508] was ich gebraucht habe, umsonst abgeschrieben und Notenpapier gegeben, und hat mir die Comödien vom Moliere (weil er gewußt hat, daß ich sie noch niemal gelesen) geschenkt, mit der Inschrift: »Ricevi, amico, le opere del Moliere in segno di gratitudine e qualche volta ricordati di me«. Und wie er bey meiner Mama allein war, sagte er: Itzt reist halt unser bester Freund weg, unser Wohltäter. Ja, das ist gewiß, wenn Ihr Hr. Sohn nicht gewesen wäre, der hat wohl meiner Tochter viel gethan und sich um sie angenommen, sie kann ihm auch nicht genug danckbar seyn. – Den Tag, ehe ich weggereiset bin, haben sie mich noch beym Abendessen haben wollen, weil ich aber zu Hause hab seyn müssen, so hat es nicht seyn können. Doch habe ich ihnen 2 Stunden bis zum Abendessen noch schenken müssen; da haben sie nicht aufgehört sich zu bedanken, sie wollten nur wünschen, sie wären im Stande mir ihre Erkenntlichkeit zu zeigen. Wie ich wegging, so weinten sie alle. Ich bitte um Verzeihung, aber mir kommen die Thränen in die Augen, wenn ich daran denke. Er ging mit mir die Treppe herab, blieb unter der Hausthür stehen, bis ich ums Eck herum war und rief mir noch nach Addieu!


Die drei in Mannheim geschriebenen Arien stehen einander nicht allein der Entstehungszeit, sondern auch dem Ausdruck nach sehr nahe. Tauchte in Mozarts Mannheimer Briefen nicht wieder öfter der Name Christian Bachs auf, man könnte es aus diesen Stücken schließen, daß er sich damals von seinem alten Ideal wieder besonders angezogen fühlte. Denn alle drei gehören jenem gefühlvollen, teils innigen, teils verträumten Typus an, den mit seiner berauschend schönen Melodik Christian Bach besonders bevorzugt hat204. Formell folgt die Tenorarie »Se al labbro« dem alten Schema Hasses, nur daß das da capo sich auf die Reprise des Hauptteils beschränkt, sogar die modulatorische Unruhe der alten Mittelsätze wirkt noch nach. Die Arie »Non sò d'onde viene« zieht nach modernerer Art ihren Mittelsatz (Allegro agitato) in den Hauptteil herein und verfährt bei seiner Wiederholung mit genialer Freiheit; seine Motive erscheinen hier nicht allein in anderer Anordnung – wobei das diesmal vom Orchester in der Mitte angestimmte Hauptthema ganz besonders schön wirkt –, sondern auch mannigfach gesteigert und nachgebildet; von wunderbarer psychologischer Wahrheit ist gleich der Beginn der Reprise, der sich noch eines Motivs aus dem Allegro bedient und erst allmählich den Weg in die alte Stimmung zurückfindet. Die Arie »Ah non lasciarmi«, ebenfalls in moderner Dreiteiligkeit gehalten, schiebt vor der Reprise zwei Rezitativtakte ein, variiert und erweitert die früheren Gedanken gleichfalls und treibt dann in einer neuen Coda die Steigerung noch auf eine ganz unerwartete Spitze.

Gemeinsam ist fernerhin allen drei Arien das reiche orchestrale Gewand: zum Saitenorchester treten noch Flöten, Fagotte und Hörner hinzu, »Se al labbro« verlangt außerdem noch Oboen, »Non sò d'onde viene« Klarinetten. Darin, sowie in der Selbständigkeit und Freiheit, mit der diese Bläser behandelt werden, zeigt sich der Einfluß des Mannheimer Orchesters, und[509] Mannheimer »gusto« verrät auch die sorgfältig ausgeschriebene Dynamik, wobei bezeichnend ist, daß es nicht die berühmten Crescendo- und Diminuendo-Wirkungen waren, die Mozart an diesem Stil in erster Linie fesselten, sondern das Schwelgen in allerlei plötzlichen Kontrasten des Ausdrucks, sowie die intimeren Feinheiten des Vortrages wie smorzando und Mezzavocespiel.

In der Arie »Se al labbro« offenbart sich die Rücksicht auf Raaff im Fehlen der Koloratur und in dem beschränkten Umfang von f-g'. Aber in dieser Beschränkung zeigt sich der Meister. Trotz aller Weichheit steckt eine starke, verhaltene Glut in diesem Adagio, sie macht sich schon in den Synkopen des Hauptthemas bemerkbar und bricht mit echt Mozartscher Plötzlichkeit stets bei den Worten »aprimi il petto« hervor, um dann alsbald wieder der stillen Wehmut Platz zu machen. Es ist das Bild eines tief verwundeten Gemüts, das seine letzten, schon halb resignierten Versuche macht, Erhörung zu finden. Und wie poetisch werden gerade hierbei die Bläser verwandt, zuerst gedrückte Fagottklänge, dann Flöten mit ihrem seltsam erregten Motiv über Streichertremoli und gehaltenen Bläserakkorden! Überhaupt ist die Begleitung hier ebenso diskret als vielsagend und frei von aller Schablone; was das Stück aber besonders auszeichnet, ist die meisterhaft festgehaltene Einheit der Stimmung: es kennt kein Abschweifen zu neuen Gedanken mehr, ohne Risse und Sprünge flutet der Affekt dahin, ein Gedanke spinnt sich wie selbstverständlich aus dem andern heraus. Nur der Mittelsatz bringt ein verschiedenes Bild: eine selbstquälerische Stimmung in unruhigen Harmonien und scharfen Imitationen zwischen Singstimme und Orchester.

Die beiden Sopranarien werden von kurzen begleiteten Rezitativen eingeleitet, die beide, wie die früheren, nur vom Streichorchester begleitet und motivisch einheitlich gehalten sind. Die Arie »Ah non lasciarmi«, deren Hauptthema ohne Ritornell in einem echt Mozartschen, ebenso kurzen wie modulatorisch überraschenden Anlauf erreicht wird, ist der Stimmung nach die einheitlichste der drei. Mit aller Inbrunst eines liebenden Weibes klammert sich Dido, die hier gar nichts Heroinenhaftes hat, an ihren Liebesschmerz an, immer wieder kommt sie auf den Hauptgedanken »ah non lasciarmi!« zurück; in dem kleinen, vielsagenden Rezitativ stammelt sie ihn wie halb wahnsinnig heraus, in der Coda aber erfolgt, eingeleitet von drei spannenden, neuen Bläsertakten auf dieselben Worte, noch einmal ein ungeahnter Ausbruch der Leidenschaft. Charakteristisch sind für die ganze Arie die kurzen, schluchzenden, oft bloßen Interjektionen gleichenden Phrasen der Singstimme und die beredten Fermatenpausen an den Satzabschnitten, als risse der melodische Faden beständig ab. Das Orchester, in dem wieder zwei Solofagotte eine besondere Rolle spielen, hält sich im allgemeinen noch mehr zurück als in der vorhergehenden Arie, die bemerkenswerterweise auch von der Koloratur und den übrigen Kennzeichen des neapolitanischen Theaterpathos gänzlich absieht.[510]

Die Perle dieser Reihe ist aber Aloysias Arie »Non sò d'onde viene«. Daß Mozart hier die dramatische Situation Metastasios verlassen und dafür eine eigene Herzensbeichte abgelegt hat, wurde bereits erwähnt; nur die ersten Takte des Rezitativs erinnern noch an den König Kleisthenes. Bezeichnend ist schon äußerlich, daß Mozart den Fagotten erstmals Klarinetten hinzugefügt hat. Und gleich im Ritornell treten die Bläser nicht wie früher als geschlossene Masse auf, sondern nacheinander, bis zu dem starken Ausbruch des vierten Taktes, dann folgt ein plötzliches Abflauen des Affekts in der geheimnisvoll rieselnden Figur der zweiten Geige, die den schwärmerischen Gesang der ersten begleitet; den Schluß bildet ein kurzes, hartes Synkopenmotiv. Das ist schon ganz die Art der späteren Mozartschen Vorspiele. Auch die Italiener und Chr. Bach bringen in den Ritornellen gerne die gegensätzlichen Stimmungen der folgenden Arie, aber hübsch nacheinander und meist durch Schlüsse voneinander getrennt. Mozart dagegen geht darauf aus, die Affekte zu mischen, er strebt nicht, wie Gluck, in seiner Charakterdarstellung nach dem Bleibenden und Typischen, sondern nach dem Bewegten und Individuellen. Er hebt deshalb auch nicht bloß einen Zug eines Charakters als den herrschenden heraus, sondern erblickt in jedem Menschen eine Einheit der verschiedensten Seelenkräfte, die sich in beständigem Wechsel ablösen und durchdringen. In der Darstellung dieses reichbewegten seelischen Spiels liegt der große Unterschied seiner Dramatik gegenüber der Gluckschen; sie ist aufs engste mit dem neuen Geiste verwandt, der auch in seiner Instrumentalmusik lebt.

So fluten schon in diesem Arienvorspiel alle Affekte durcheinander, die das Folgende beherrschen: träumerisches Schwärmen, süße Qual, ahnungsvolles Bangen und volle seelische Erschütterung. Nach dem Eintritt der Singstimme hat zunächst die holde Träumerei das Wort; sie erhält aber gleich durch die Begleitung der Geigen in tiefer Lage und durch deren aufflackernde Motive einen individuellen Charakter. Nach der ersten der auch für dieses Stück bezeichnenden Fermatenpausen folgt über schwebenden Harmonien und dem geheimnisvollen Raunen der zweiten Geigen der Ausdruck bangen Ahnens, in dessen Mitte psychologisch sehr fein nochmals, ratlos flehend, die Worte »Non sò d'onde viene« usw. eingeschoben sind. Der Schluß ist eine seltsam kraus abstürzende, ungemein beredte Koloratur auf »scorrendo«. Dann setzt das Allegro agitato ein, ein Satz voll atemloser, quälender Hast, mit schweren Bläserakkorden und schrillen Flötenklängen, der vergeblich nach Befreiung ringt. Am Schlusse zwängt er sich durch die bei Mozart in analogen Situationen häufig wiederkehrenden Ligaturenharmonien


Mannheim

[511] verschärft durch dissonierende Wechselnoten205, mühsam in den Hauptteil zurück (s.o.). So ist in dieser Arie auf Grund des Bachschen Typus alles neu und eigentümlich bis in die Instrumentation, die Begleitfiguren und Koloraturen hinein, bei denen Jahn mit Recht an die Partie der Elvira erinnert206, mit mädchenhafter Zartheit klingt das schöne Stück leise im Orchester aus. Auf Aloysias Technik und Vortragskunst wirft es ein glänzendes Licht – von einem fünfzehnjährigen Mädchen war das eine außergewöhnliche Leistung207.

Am 18. März 1787 hat Mozart denselben Text nochmals für den Bassisten Fischer komponiert (K.-V. 512, S. VI. 35 Nott.), diesmal aus der dramatischen Situation bei Metastasio selbst heraus. Darum geht, wenn auch nicht das Rezitativ, das in der Anlage und dem Tremolomotiv noch deutlich an die erste Fassung gemahnt, so doch die Arie ihre eigenen Wege. Es fehlt alles Schwellende und Drängende, alle süße Bangigkeit: ein Mann und ein König ist es, der hier von einer ihm unbegreiflichen, weichen Regung erfaßt wird und sie halb unwillig zu unterdrücken sucht. Alles ist kräftiger und würdevoller geworden, das erste »quel gel che scorrendo« usw. ist von wunderbarem, dunklem, hoheitsvollem Glanz. Auch diese Arie ist für einen Sänger ersten Ranges geschrieben und scheint ihm nicht weniger »auf den Leib gepaßt« zu haben als jene der Weberin.

Die beiden für Lisel Wendling komponierten Lieder »Oiseaux si tous les ans« und »Dans un bois solitaire« (K.-V. 307, 308, S. VII. 9, 10) entsprechen einem den damaligen Komponisten geläufigen Brauch, französische Liedertexte in Musik zu setzen. Mozarts Vorbilder waren dabei die teils lyrischen, teils erzählenden Arietten der Pariser opéra comique. Beide Stücke sind seine ersten durchkomponierten Lieder, das zweite nimmt sogar als ein richtiger Vorläufer des »Veilchens« im Verlauf den Charakter einer vollständigen dramatischen Szene an mit häufigem Tempowechsel und dem ausgeschriebenen, den Vorgang selbständig illustrierenden Klavierpart. Auch das erste beginnt gleich in dem rhythmisch straffen Ariettenton der Franzosen,[512] und auch die kleinen, reizenden, mitunter halb humoristischen Randzeichnungen des Klaviers haben ihre deutlichen Vorbilder bei Philidor, Monsigny und Grétry. Deutsch aber sind die Züge von Ernst und Innigkeit, die besonders im zweiten Lied die Rokokoschäferei des Textes manchmal fast zu schwer belasten.

Die beiden Flötenkonzerte, die deutlich auf den Vorgang der Violinkonzerte hinweisen und darum sicher in diese Zeit gehören208 (K.-V. 313, 314, S. XII. 13, 14), sind einander in Anlage und Charakter nahe verwandt. An Tiefe und Originalität der Gedanken stehen sie den Violinkonzerten nach, überraschen jedoch durch eine ganze Anzahl höchst poetischer und eigentümlicher Einzelzüge, so ist z.B. das Hauptthema von K.-V. 314 später kaum verändert in Blondchens Arie »Welche Wonne, welche Lust« übergegangen. Es ist übrigens ebenfalls ein unverkennbarer Absenker des Geistes der Pariser komischen Oper, der auch im Schlußrondo von K.-V. 313 sowie in den langsamen Sätzen sein Wesen treibt; auch die Neigung, den Solisten nach alter Triomanier nur von den beiden Geigen begleiten zu lassen, gemahnt an die Franzosen. Die gesamte formale Seite weist auf die Violinkonzerte zurück. Besonders geistreich ist wiederum die Verbindung der einzelnen Tongedanken untereinander: so wird z.B. im ersten Satz des D-Dur-Konzertes das eigentliche Solothema aus einem zunächst ganz belanglosen Motiv aus der Schlußgruppe des Tutti herausgesponnen, und köstlich ist es, wie im Rondo desselben Konzerts vor der vorletzten solistischen Wiederkehr des Hauptthemas der Flötist nicht recht weiß, ob er dieses oder den Seitengedanken anstimmen soll. Vom speziellen »Mannheimer goût« sind diese Konzerte weniger berührt als die gleichzeitigen Klaviersonaten; besonders mit dynamischen Vorschriften ist Mozart weit sparsamer. Dagegen zeigt sich der Mannheimer Geist in der Behandlung des Orchesters, wie allein schon die selbständige Führung der zweiten Geigen und besonders der Bratschen beweist. Über das Soloinstrument aber bemerkte ein Kenner wie Fürstenau, daß es mit vollkommener Kenntnis seiner Eigenart, seiner Technik und der eigentümlichen, bequem zu erzielenden Effekte bedacht sei209, wenn auch freilich die Anlehnung an die Violintechnik deutlich zu erkennen ist.

Denselben Charakter trägt auch das Flötenquartett in D-Dur (K.-V. 285, S. XIV. 28) vom 25. Dezember 1777. Schon der Anfang weist mit den zahlreichen Seufzern auf Mannheim hin. Der originellste ist der Mittelsatz mit seiner pizzicato begleiteten, romanzenartigen Flötenmelodie, die am Schlusse vor einer Generalpause plötzlich abbricht, der bedeutendste der erste Satz mit seiner sorgfältigen Stimmführung, der für Mozartsche Begriffe sehr ausgedehnten, dabei aber thematisch gehaltenen, leidenschaftlichen[513] Durchführung und der gleichfalls auf frühere Motive210 zurückgreifenden Coda. Das A-Dur-Quartett, wohl ebenfalls für De Jean bestimmt, wurde nach einer dem Autograph von fremder Hand beigefügten Bemerkung erst in Paris komponiert. Das wird durch die der Suite nahestehenden Form: Variationen, Menuett und Rondo, bestätigt. Das ganze, knapp gehaltene Werk ist ein Erzeugnis munterer Laune, die namentlich im Schlußrondo mit dem in allen Stimmen auftauchenden Hauptthema ein humorvolles Spiel treibt211.

Die beiden Mannheimer Klaviersonaten in C- und D-Dur (K.-V. 309, 311, S. XX. 7, 9) kehren zwar nach den französischen Neigungen ihrer letzten Vorgängerin (K.-V. 284), mit der die zweite übrigens nicht allein der Tonart, sondern auch dem ersten Thema nach verwandt ist, wieder auf den deutschen Boden zurück, richten sich jedoch hier ganz anders ein. Zunächst fällt die Erweiterung der äußeren Dimensionen auf: in den ersten Sätzen wie in den Schlußrondos handelt es sich nicht mehr um einzelne Themen mit ihren Schluß- und Übergangsgruppen, sondern um ganze Themenkomplexe, bei denen wiederum der häufige, überraschende Stimmungsumschlag charakteristisch ist. Gleich der Beginn der C-Dur-Sonate ist ein Beispiel dafür:


Mannheim

ein heroischer Aufschwung und als Antwort darauf ein leises, an Stamitz gemahnendes Seufzen. Namentlich das Rondo von K.-V. 311 enthält, z.B. gleich am Anfang, ganze Partien, wo der Hörer fortwährend zwischen den verschiedensten Stimmungen hin und her geschleudert wird. Die Dehnung der Form und der revolutionäre Stimmungswechsel waren es, die Mozart, seinem eigenen Naturell gemäß, an der Mannheimer Kunst zunächst fesselten, während sich für ihr anderes Kennzeichen, die großen dynamischen Spannungen, hier überhaupt noch kein Beleg findet. Wohl sind die Bezeichnungen Crescendo und Diminuendo häufiger als sonst, aber nur um im älteren Sinn den Ausdruck innerhalb der einzelnen Phrasen abzuschattieren, nicht als Träger jener großen seelischen Spannungen im Mannheimer Stil.

Es wimmelt in diesen Sonaten von f und p (besonders im Andante von K.-V. 309), dazu streift die vorgeschriebene Dynamik manchmal geradezu[514] an widermusikalische Manier, weshalb man mit Recht gerade in K.-V. 309 die Sonate mit dem »vermanierierten Mannheimer goût« erblickt hat212. Rosa Cannabich muß nach diesem Porträt ein ziemlicher Racker gewesen sein. Ein weiteres Merkmal des Mannheimer Einflusses ist der orchestrale Charakter des Klavierstils. Eine Sonate für das neue Pianoforte war schon K.-V. 284 gewesen, jetzt aber sehen wir Mozart mit Eifer bestrebt, die Zauberkünste des Mannheimer Orchesters auch auf das Klavier zu übertragen. Das zeigt sich nicht allein in der sorgfältigeren Führung der Mittelstimmen und der größeren Vollgriffigkeit im allgemeinen, sondern auch in breitgeschwungenen Geigenmelodien, raschen Oktaven-, Septimen- und Sextenbrechungen, die das Tremolo ersetzen sollen, verschwiegenen Bläserklängen, Stakkatobässen u. dgl. im einzelnen. Auch die rein klavieristische Virtuosität ist bedeutend gesteigert und der Einfluß des Konzerts nicht allein in der freien Kadenz des Rondos von K.-V. 311 fühlbar. Namentlich die ornamentale Variationskunst spielt eine große Rolle; es wird kaum ein Thema wiederholt, ohne daß es nicht mehr oder weniger in Arabesken aufgelöst würde.

An Haydns Art dagegen gemahnen in den ersten Sätzen Länge, thematischer Charakter und Bedeutung der Durchführungen. Der improvisatorische Geist von K.-V. 284 ist geschwunden, dagegen die Mozartsche Leidenschaft geblieben. Während die Durchführung von K.-V. 309 auf Grund des einzigen Hauptthemas nach Ausbrüchen der Wehmut und des Trotzes in doppeltem Echo verklingt, bringt die von K.-V. 311, nach einer ähnlich gestimmten und ebenfalls wesentlich in Moll gehaltenen Partie, einen ungeahnten Aufschwung ins Virtuose, der bei der Reprise sogar das Hauptthema zunächst unterdrückt. Sie ist auch deshalb bemerkenswert, weil sie nach späterer Mozartscher Art aus Nebenmotiven gewonnen wird. Dieselbe Freiheit der Gestaltung herrscht in den Schlußrondos. Jeder Schematismus ist durchbrochen, mit souveräner Freiheit schaltet Mozart mit seinen Haupt- und Seitenthemen, von denen beide Male eines besonders bevorzugt wird, verkürzt und verändert sie, läßt sie neue Verbindungen eingehen und fügt, wie in den ersten Sätzen, noch eine Coda hinzu. Es ist eine weitere Station auf dem Wege zu den späteren Rondos Ph. E. Bachschen Schlages; ein so geistvolles Stück dieser Art wie das von K.-V. 311 hatte Mozart bis jetzt noch nicht geschrieben.

Ganz anders ist das äußere Bild in den Mannheimer fünf »Clavierduetten«, d.h. Violinsonaten in C-, G-, Es-, C- und A-Dur (K.-V. 296, 301–303, 305, S. XVIII. 24–27, 29)213. Nur die erste erinnert in ihrem Bau an die beiden[515] Klaviersonaten, die übrigen sind sämtlich zweisätzig und gleichen einander auch in der Tanzform des zweiten Satzes, an dessen Stelle nur in K.-V. 305 Variationen treten. Das italienische Vorbild der letzten Reihe (S. 291 ff.) wird also hier von dem französischen abgelöst, das auch damals noch den Suitencharakter besonders bevorzugte214. Deutsch sind dagegen die ersten Sätze215 mit ihren streng thematischen Durchführungen in Haydns Art216 und ihren häufig auf die Hauptthemen zurückgreifenden Schlußgruppen; an Mannheim gemahnt die große Zahl und der breite Wurf der Themen sowie die sorgfältig bezeichnete, kontrastreiche Dynamik. Vereinzelt, aber sozusagen nur als besondere Würze, tauchen auch die Crescendos auf – bezeichnenderweise führt nur ein einziges (K.-V. 301) zu einer breiten Entladung im Mannheimer Sinne217. Endlich macht sich auch der Einfluß der von Mozart besonders geschätzten und auf die Reise mitgenommenen »Duetti« von Jos. Schuster (1748–1812) fühlbar218. Schuster scheint, soviel sich bis jetzt erkennen läßt, die Schobertschen Anregungen (S. 69 ff.) in Deutschland mit besonderem Eifer aufgegriffen zu haben. Die Dreisätzigkeit herrscht bei ihm vor, wobei der erste Satz Sonatenform und der letzte einen oft sehr primitiven Suitencharakter (Rondo mit Mineur, Polacca, Anglaise usw.) aufweist. Daneben erscheinen aber bei Schuster auch freiere Formen wie die des ersten Satzes von K.-V. 303; in einem D-Dur-Divertimento219 werden Durchführung und Reprise sogar von einem bedeutenden Rezitativ der Geige durchbrochen, das dann unmittelbar ins Andante hinüberleitet. Auch der subjektive, phantastisch-leidenschaftliche Zug seiner Durchführungen verbindet ihn mit Schobert und Mozart220. Auch andere Züge, wie südländisch angehauchte, langsame Siciliani und dann wieder flotte deutsche Volksmelodien, verleihen seinen Sonaten einen pittoresken Charakter. Am sichtbarsten aber hat Schuster mit seiner Melodik und seiner Technik des Zusammenwirkens beider Instrumente auf Mozart gewirkt. So beginnt das Allegro der g-Moll-Sonate nach der langsamen Einleitung:


Mannheim

Mannheim

[516] und im Andante der G-Dur-Sonate heißt es:


Mannheim

Geradezu als Mittelglied zwischen Schobert und Mozart erscheint aber Schuster in seiner Behandlung der beiden Instrumente. Das Wesen der klassischen Violinsonate besteht ja in der immer stärker betonten konzertierenden Führung von Klavier und Violine, wobei auch dem Virtuosen ein immer größerer Raum vergönnt wird. Bei Schobert befindet sich dieser[517] Typus noch in den Anfängen, das Klavier hat noch die Vorherrschaft. Bei Schuster dagegen ist das konzertante Prinzip bereits ganz deutlich vorhanden. Nicht allein haben die beiden Instrumente ihre besonderen, aus ihrer Eigenart heraus erfundenen Themen, sie dialogisieren auch über dasselbe Thema, ja über dessen einzelne Teile. Neue Klangwirkungen werden angestrebt221, so namentlich die auch bei Mozart sehr häufige liegende Geigenstimme auf der Quinte, die über das darunter oder darüber sich entwickelnde Klavierthema hinstrahlt; oft trennen sich um eines solchen Effektes willen auch beide Instrumente nach anfänglichem Zusammenspiel:


Mannheim

So ist Mozart durch Schusters Vermittlung zu diesen seinen ersten Violinsonaten im modernen, d.h. konzertierenden Stile gelangt. Ihm verdankt er den großen Fortschritt über die Technik der »romantischen Sonaten« hinaus, auf seinen und der Franzosen Einfluß geht freilich auch sein Ausbiegen aus deren Stimmungskreis zurück. Die Mannheimer Sonaten kennen keinen solchen Kampf mit einem seelischen Chaos mehr wie jene. Der Suitengeist, Heiterkeit und Lebensfreude, waltet vor. Nur in den langsamen Sätzen hat Mozart die an dieser Stelle üblichen Idyllen mit dem ganzen Zauber seiner Poesie verklärt. Das Andante von K.-V. 296 gehört zu den holdesten Träumereien, die er überhaupt geschrieben hat, und vollends in K.-V. 302 klärt sich der jugendliche Schwung des ersten Satzes zu edler, männlicher Schwermut ab, die den Hauptgedanken am Schluß sogar noch ins Erhabene steigert, eine psychologische Vertiefung der Rondoform, wie wir sie bisher bei Mozart noch nicht gewahrten. Beide Andantes aber klingen schließlich in jene wunderbar poetischen Codas aus, die von jetzt ab in den Mozartschen Adagios immer häufiger werden und ganz den Stempel seines Genius tragen.

Zu der Messe, mit der Mozart den Briefen zufolge in Mannheim beschäftigt war, gehört wohl ein einzelnes vierstimmiges Kyrie in Es-Dur (K.-V. 322, S. III. 3) für Soli, Chor und Orchester. Der Gesangsteil ist, den Mannheimer Verhältnissen entsprechend, sehr einfach, um so reicher dagegen der orchestrale, bei dem auch die Dynamik auf die Mannheimer Zeit hinweist. Der Ausdruck des dreiteiligen Stückes ist einfach und würdig.

Fußnoten

1 Geb. 1724, kam er 1743 zur Regierung, wurde 1778 Kurfürst von Bayern und starb 1799 in München.


2 Leben I 14, S. 136.


3 Schubart, Selbstbiogr. I 14, 145. Goethe, Dichtung und Wahrheit 3. Teil, 11. Buch. Schiller, Thalia I 176 ff. (Boas, Nachtr. II 355 ff.). Aus Herders Nachl. III 371 f., 374. Sophie La Roche, Briefe über Mannheim S. 233.


4 Schubart, Teutsche Chronik 1775, 729 f. Häusser, Gesch. d. rhein. Pfalz II 943 ff. Er. Schmidt, Lessing II 330 f.B. Seuffert, Anzeiger f. deutsches Altertum VI 276 ff., VIII 167 ff.


5 Schmidt Lessing a.a.O.


6 Wieland, Briefe an Merck I 105 ff., II 104.


7 Vgl. die gründliche Darstellung von F. Walter, Geschichte des Theaters und der Musik am kurpfälzischen Hofe, Leipzig 1898 und Ders., Archiv und Bibliothek des Großh. Hof- und Nationaltheaters zu Mannheim. Leipzig 1899.


8 Walter, Gesch. S. 246.


9 Schmidt a.a.O. Müller, der im Dezember 1776 in Mannheim war, berichtet (Abschied von der Bühne 207 ff.) nach eigenen Äußerungen des Kurfürsten und des Ministers von Hompesch, wie begeistert man damals in Mannheim von diesen Aussichten war.


10 Walter S. 267 ff.


11 F.H. Jacobi, Briefe I S. 273. Wieland schreibt an Merck (II, S. 116): »Nach Mannheim muß ich, denn ich will und muß einmal in meinem Leben mich recht an Musik ersättigen, und wann oder wo werde ich jemals dazu bessere Gelegenheit finden?« Auch Klopstock war besonders der Musik wegen nach Mannheim gereist (Briefe an Merck II, S. 51) und »man beeiferte sich, seinen großen Geschmack zu befriedigen« (Schubart, Teutsche Chronik 1775, S. 183).


12 H. Kretzschmar, SIMG III 292.


13 Euphorion I 529.


14 J. Maurer, A. Schweitzer als dramatischer Komponist, Leipzig 1912.


15 Brief an Klein, Morgenblatt 1820, Nr. 160. Zur Alceste im allgemeinen B. Seuffert Prolegomena zu einer Wielandbiographie 1898, V 26.


16 Teutscher Mercur I 34 ff., 223 ff., II 221 ff.


17 Dazu gehört außer Goethes Farce auch die Parodie »Orpheus und Euridice« von Einsiedel und Seckendorff (1779), vgl. Maurer S. 24.


18 Die Belege bei Maurer S. 23 f. Zelter, Briefw. mit Goethe (Reclam) III 38, fühlte sich durch Wielands Lobrednerei abgestoßen, läßt aber Schweitzer doch Gerechtigkeit widerfahren, wenn er ihn auch unter G. Benda stellt.


19 Vgl. die Statistik bei Maurer S. 22 f.


20 Teutsch. Merc. 1775 III 268 ff. Schubart, Teutsche Chronik 1775, 535, 575, 716, 720.


21 B I 133.


22 B I 276.


23 Günther von Schwarzburg, ein Singspiel in drei Aufzügen für die Kurpfälzische Hofsingbühne. Mannheim, Schwan (1777).


24 Neu herausgegeben von H. Kretzschmar DT VIII/IX. Die schön gestochene Partitur (Mannheim bei Götz) ist Karl Theodor, »dem durchlauchtigsten Gönner der Tonkunst, unter dessen erhabenem Schutze die Pfältzische Bühne zum erstenmal einen deutschen Helden besang«, gewidmet.


25 Die Dekorationen waren von Quaglio gemalt; das dazugehörige Ballett hatte Lauchery erfunden, Cannabich komponiert. Nach Burney (Reise II 72) wurden auf eine Karnevalsoper 48000 Fl. verwandt.


26 Teutsche Chronik 1776, 630 f. Die Oper wurde 1785 wieder in Mannheim mit Beifall öfter gegeben, Schillers Thalia I, S. 185 f. (Boas, Nachtr. II, S. 32 f., 494.).


27 Eine ausführliche Besprechung findet sich in den Rhein. Beitr. 1777 I, S. 377 ff. Vgl. Vogler, Betrachtungen der Mannheim. Tonschule I 1, S, 116 ff. Etwas von und über Musik S. 34 f. Düntzer, Frauenbilder aus Goethes Jugendzeit S. 258 f.


28 Briefe an Merck I 100.


29 Müller, Abschied von der Bühne S. 208 f.


30 Schubart, Ästhetik S. 131.


31 Musik. Alman. f. 1782, S. 23 f.


32 B I 117 f.


33 Der damals 67 jährige war 1747 in Italien gewesen, dann bis 1750 in Wien und von 1751–1753 in Stuttgart.


34 Kretzschmar a.a.O. XVI, der auch noch auf den Beginn der Ouvertüre hinweist.


35 Der Anfang findet sich sowohl in Glucks »Frühen Gräbern« als in Neefes »Da schlägt die Abschiedsstunde« (vgl. H. Kretzschmar, Gesch. des Liedes I 272). Die Vermutung Kretzschmars, daß es sich dabei um einen italienischen Melodietypus handle, kann ich bestätigen.


36 An Merck II 76.


37 Maurer S. 28.


38 Böttger, Lit. Zust. I 229 f.


39 Jacobis Auserl. Briefw. I 262 ff. An Merck II 93, I 102, 118 f.


40 Wieland, Briefe an Fr. La Roche S. 184, 187 f.


41 B I 133.


42 B I 144.


43 B IV 332.


44 B I 150.


45 B I 254. Holzbauer, »der sich alle möglichen Arten von Fieber über die Rosemunde an den Hals probiert hatte«, als diese 1780 gegeben wurde – Minna Brandes sang die Rosemunde, Toskani den König – sagte zu Heinse von Schweitzer: »Er ist ein Genie; wenn ers trifft, so ists göttlich; sonst ist es manchmal, als ob er Branntwein gesoffen hätte« (Briefe an Gleim und Heinse I, S. 424). Eine ausführliche Rezension findet sich in den Rhein. Beitr. 1780 I, S. 330 ff., 497 ff. – [Klein,] Über Wielands Rosamund, Schweizers Musik und die Vorstellung dieses Singspiels in Mannheim. Frkf. 1781.


46 Schubart, Selbstbiogr. 14 I, S. 157.


47 Briefe an Merck I 121.


48 B I 147 f.


49 B I 150.


50 Häusser, Gesch. der rhein. Pfalz II 957 f.


51 Briefe an Merck II 122, 124. Rosemunde wurde erst am 20. Januar 1780 in Mannheim aufgeführt, Maurer S. 29.


52 Maurer S. 29 f.


53 Bemerkenswert ist das Vorkommen des sog. Erinnerungsmotivs (Maurer S. 61), ebenfalls nach französischem Vorbild.


54 Walter a.a.O. S. 227 ff.


55 Heinse, Schriften III 221.


56 Wieland, Br. an Fr. La Roche (S. 191). Kritischer äußert sich Schubart (Ästhetik S. 144): »Sie hat sich als eine unserer besten Theatersängerinnen ausgezeichnet. Sie figurierte im französischen, welschen und deutschen Spiele, doch im komischen Fache weit mehr als im tragischen. Sie fing früh an zu schettern – was im ernsten Vortrag die widrigste Wirkung macht.«


57 Briefe von Gleim und Heinse I, S. 424.


58 Jacobi, Briefe I, S. 279.


59 Burney, Reise II 71, Hist. of mus. IV, p. 481, 508 f. Schubart, Ästhetik S. 142. Busby, Hist. of mus. II, p. 361. Geschichte d. Mus. II, S. 404.


60 Briefe an Merck I, S. 108.


61 Gerber, N. Lex. III 789, nennt Gelsdorf im Jülichschen als seinen Geburtsort, ihm folgt Walter a.a.O. Im allgemeinen vgl. AMZ XII 857 ff. Walter S. 231 ff.


62 1749 trat er in Wien in Jommellis »Didone« auf, Metastasio opp. post. I 359.


63 Über seine dortigen Erfolge vgl. Reichardt, Berl. musik. Ztg. 1805, I 278. Er verließ Lissabon kurz vor dem Erdbeben und ließ zum Dank für seine Rettung in Holzem eine Kapelle erbauen.


64 Hier traf er 1767 mit Naumann zusammen und soll auch die Fürstin Belmonte-Pignatelli durch seinen Gesang von ihrer schweren, durch den Tod ihres Gatten verursachten Melancholie geheilt haben. Gerber a.a.O. Caecilia V 44.


65 Selbstbiogr. I 14, 154.


66 Ästhetik S. 136 f.


67 B I 118.


68 Nach Bonner Tradition (Aufz. des alten Fischer, über welchen vgl. Thayers Beethoven I6, Anh. S. 407 ff.) war Raaff ein ziemlich großer, hagerer Mann mit schwarz-bräunlichen, schönen Gesichtszügen [D.].


69 B I 198 ff.


70 Raaff lebte, nachdem er in Mozarts Idomeneo 1781 zuletzt aufgetreten war, zurückgezogen im Verkehr mit wenigen Freunden, zwischen Andachtsübungen und Lektüre seine Zeit teilend, in München und starb dort 1797.


71 »Wir hatten dieser Tage den virtuoso Hartig hier«, schreibt Jacobi an Wieland (8. Juni 1777, I, S. 272), »Du solltest diesen Menschen singen hören! Das Rezitativ aus der Alceste: O Jugendzeit, o goldne Wonnetage – haben wir viermal exekutiert. Ich wünschte Dir die Freude, nur dieses Rezitativ von diesem Sänger zu hören«. Vgl. auch Mozarts oben angeführten Brief.


72 Selbstbiogr. I 14, 155. Walter S. 180 ff.


73 Ästhetik S. 132.


74 Kretzschmar DT VIII, S. XII.


75 B I 104.


76 B I 104 f.


77 Darauf geht Wielands Bemerkung von den »verkleideten Schuljungen« bei den Chören (Abderiten I 3, c. 5).


78 Eine Übersicht des Orchesters aus dem Jahre 1756 bei Marpurg, Hist.-krit. Beitr. II 567 (vgl. H. Riemann DTB III 1, XV), aus dem Jahre 1767 bei Hiller, Wöch. Nachr. II 167 ff. Vgl. Walter S. 207 ff. Mozart schreibt seinem Vater (4. November 1777): »Das Orchester ist sehr gut und stark; auf jeder Seite 10 bis 11 Violin, 4 Bratschen, 2 Oboe, 2 Flauti und 2 Clarinetti, 2 Corni, 4 Violoncelli, 4 Fagotti, 4 Contrabassi und Trompeten und Pauken.« Für die starken Trompetenchöre waren im Opernsaal auch hier (S. 187) zwei Tribünen gebaut.


79 Darüber vgl. oben S. 187. Jahns Behauptung (I4 434 f.), Mozart habe in Mannheim die Klarinette zuerst als Orchesterinstrument kennengelernt, ist darnach zu berichtigen. Burney (Reise II 74) bemängelt nur die nicht ganz reine Intonation der Blasinstrumente, an der freilich alle ihm bekannten Orchester litten.


80 B I 272.


81 Burney, Reise II 74. Schubart, Selbstbiogr. I 14, S. 152 f. AMZ I 882.


82 Reichardt sagt (Briefe eines aufmerksamen Reisenden I, S. 11) vom Berliner Orchester: »Von dem Anwachsen und Verschwinden eines langen Tones oder auch vieler aufeinanderfolgender Töne, welches, wenn ich mich so ausdrücken darf, die ganze Schattierung einer hellen oder dunkeln Farbe durchgehet, und welches in Mannheim so meisterhaft ausgeführt wird, von diesem will ich hier gar nicht reden, denn Hasse und Graun haben sich desselben niemals bedient.« Er erzählt, daß, als Jommelli es zum erstenmal anwandte, sich die Zuhörer beim crescendo allmählich von den Sitzen erhoben und beim diminuendo wieder Luft geschöpft und bemerkt hätten, daß ihnen der Atem ausgeblieben wäre; und diese Wirkung habe er in Mannheim an sich selbst empfunden.


83 Schubart, Ästhetik S. 130.


84 Schubart, Ästhetik S. 130: »Kein Orchester der Welt hat es je in der Ausführung dem Mannheimer zuvorgetan. Sein forte ist ein Donner, sein crescendo ein Katarakt, sein diminuendo ein in die Ferne hin plätschernder Krystallfluß, sein piano ein Frühlingshauch.«


85 Vgl. die Zusammenstellung bei Mennicke, Hasse und die Brüder Graun als Sinfoniker S. 270 ff.


86 A. Heuß in der Riemann-Festschrift S. 435 ff.


87 S. 278.


88 H. Riemann, DTB III 1, 5, XVII f. Das Marpurgsche Verzeichnis erwähnt bezeichnenderweise keinen Cembalisten.


89 Dieser von Hiller (Wöch. Nachr. 1767, 21. Sept.) bezeugte Unterricht hat jedoch nicht von 1760–1763 gedauert (wie noch Walter S. 212 annimmt), da Jommelli um diese Zeit in Stuttgart wirkte, sondern fällt schon in die Jahre 1753–1754 (vgl. A. Sandberger in der Festschrift für H. Kretzschmar 1918, S. 130). Er ist übrigens wegen des geschichtlichen Parallelverhältnisses von Jommelli und den Mannheimern bezüglich des Crescendos wichtig.


90 Außer Opern und Sinfonien schrieb er auch Ballette, vgl. AMZ 1870, 310 ff. und H. Niedecken, J.G. Noverre 1918, S. 56.


91 Schubart, Ästhetik S. 137. Mus. Alman. f. 1782, S. 6 f.


92 Schubart, Selbstbiogr. I 14, 152. AMZ V 276.


93 Ein Verzeichnis aller aufgeführten Opern, Oratorien, Ballette usw. bei Walter S. 362 ff. Über das Mannheimer Musikleben von 1765 vgl. auch den Brief Pascal Taskins SIMG XII 239 f.


94 Vgl. M. Seiffert, JP 1916, 61 ff.


95 Betrachtungen der Mannheimer Tonschule II 280.


96 Seiffert a.a.O. 65.


97 B I 104.


98 Selbstbiogr. I 14, S. 152.


99 Selbstbiogr. I 14, S. 162. R[isbeck], Briefe I 341.


100 B I 116 f.


101 Cannabichs Tochter Elisabeth.


102 B I 138. Daß sie damals sehr anziehend war, bezeugt auch eine Äußerung des Malers Kobell in einem ungedruckten Brief an Dalberg: »Wie viel solcher süßer, unschätzbarer Augenblicke schenkte mir der Himmel in dem lieben Umgang mit der schönen Rose Cannabich. Ihre Erinnerung ist meinem Herzen ein Eden!« Eine begeisterte Schilderung gibt der Musik, u. Künstleralm. f. 1783, S. 27 f. Später (1786) wird sie als Mad. Schulz erwähnt.


103 B I 117.


104 Diese Sonate ist aller Wahrscheinlichkeit die C-Dur-Sonate K.-V. 309, wie Nottebohm, Köchel, Deiters und neuerdings A. Heuß (ZIMG IX 277 ff.) vermuten. L. Scheibler dagegen (Rheinlande 1906) nimmt K.-V. 311 an. Ausschlaggebend scheinen mir Mozarts Worte (B I 117) zu sein: »Das Andante ist voll expression und muß accurat mit dem gusto, forte und piano, wie es steht, gespielt werden.« Nun ist das Andante von K.-V. 309 der an Vortragszeichen reichste Satz aller dieser Werke: nur 12 von seinen 79 Takten entbehren eines dynamischen Zeichens, und manche davon sind tatsächlich Belege für jenen »vermanierierten goût«, von dem der Vater spricht.


105 Schubart, Ästhetik S. 144. Nach B I 136 war sie stets kränklich.


106 B I 109 f.


107 Wieland, Briefe an Fr. La Roche S. 192. Vgl. Briefe von Gleim und Heinse I, S. 424.


108 Die beiden französischen Lieder »Oiseaux, si tous les ans« und »Dans un bois solitaire« (K.-V. 307, 308, S. VII. 9, 10) werden diese in Mannheim komponierten sein.


109 Sie ist später ausgeführt worden (K.-V. 486a, S. XXIV. 61).


110 Wolzogen, Rezensionen 1865, Nr. 6, S. 82. Vgl. Schubart, Ästhetik S. 143.


111 B I 103. Das Konzert ist leider nicht erhalten.


112 B I 114.


113 Schubart, Selbstbiogr. I 14, 147.


114 B IV 334.


115 AMZ XXVIII 466.


116 M.M.v. Weber, C.M.v. Weber I 1864, S. 248.


117 B I 125.


118 B I 152 f.


119 »In Absicht des Spielens vom Blatt weg«, heißt es Musik. Real-Zeitg. 1788, S. 61, »ist Vogler vielleicht unvergleichbar und der einzige«. Vgl. Musik. Korresp. 1790, S. 119, 1792, S. 379. Schubart, Ästhetik S. 133 ff. Manche zogen Beecké und Mozart ihm ausdrücklich vor (Musik. Real-Ztg. 1789, S. 262).


120 Am 4. November 1777 (B I 104) schreibt er: »Der H. Vizekapellmeister Vogler, der neulich das Amt machte (s.o.), ist ein öder musikalischer Spaßmacher, ein Mensch, der sich recht viel einbildet und nicht viel kann.«


121 B I 152.


122 Mus. Realzeitg. 1788, S. 70.


123 Ebda. S. 77. Forkel, Mus. Almanach 1789, S. 135.


124 Vgl. die Biographien von J. Frölich, Würzburg 1845 und K.v. Schafhäutl, Augsburg 1887, und J. Simon, Abt Voglers kompositorisches Wirken 1904, auch M.M.v. Weber a.a.O. I 77 f., Gottfr. Weber, Caecilia XV 40 f. und Walter a.a.O. S. 188 ff.


125 Vgl. die Beilage »Mozart und Vogler«.


126 Die unbestimmte Äußerung in dem Briefe vom 10. Dezember 1777 (B I 142): »Ich weiß schon, wer die Ursache ist«, genügt nicht. Vogler erkannte auch später Mozarts Größe an, vgl. Schafhäutl, AMZ 1778, 40 [D.].


127 Musik. Korresp. 1788, 70.


128 AMZ 28, 354.


129 B I 133 f.


130 Seit 1774 erster Ballettmeister am Theater.


131 B IV 328.


132 B I 103 f.


133 B I 109.


134 Brief vom 13. November (B I 112): Nun habe ich mit dero Erlaubnis 5 Uhren. Ich habe auch kräftig im Sinn, mir an jeder Hosen noch ein Uhrtäschl machen zu lassen und wenn ich zu einem großen Herrn komme, beyde Uhren zu tragen (wie es ohnehin jetzt Mode ist), damit nur keinem mehr einfällt, mir eine Uhr zu verehren.


135 B III 241.


136 Schubart, Ästhetik S. 182.


137 Es waren die Kinder der Schauspielerin Seuffert (Gräfin Haydeck). Der Sohn wurde später Fürst von Brezenheim, die Töchter an vornehme Herrn verheiratet. Häusser, Gesch. d. rhein. Pfalz II 934.


138 B I 109.


139 B III 268.


140 B IV 328.


141 B I 128 ff.


142 B I 128 ff.


143 B I 131 f.


144 B I 139 f.


145 B III 296.


146 B I 145.


147 B I 145.


148 B I 150 f. Anfang Dezember 1777 hatte der Kaiser Müller beauftragt, Hartig als Tenoristen für Wien zu engagieren, was sich zerschlug (Müller, Abschied von der Bühne S. 254 ff.); auf diesem Wege konnte Mozart genau unterrichtet sein.


149 Franz, Edler von Heufeld, als Schriftsteller für das Wiener Theater tätig und mehrfach bei der Leitung desselben beteiligt. S. oben S. 111 [D.].


150 Als im Jahre 1776 Graf Kohary als Pächter seine Zahlungen einstellte, übernahm der Kaiser selbst die Administration des Theaters, das nun nicht mehr Hofbühne, sondern Nationaltheater hieß.


151 Er hatte Schweitzer nach Wien empfohlen (Müller, Abschied von der Bühne, S. 188).


152 B III 321.


153 Padre Martini hatte diesem den zweiten Teil seiner »Storia della musica« (1770) gewidmet und stand mit ihm in Briefwechsel.


154 B I 170 f.


155 Mozart hat recht, der Text stammt von einem nicht näher bekannten Dichter.


156 Das Autograph mit der Überschrift: »Aria per il Sigre Raff di Amadeo Wolfgango Mozart. Mannheim li 27 di Febr. 1778« zeigt die Korrekturen und nicht unerheblichen Kürzungen, die auf Raaffs Wunsch vorgenommen sind.


157 B III 316 ff.


158 9. Februar 1778: »Mit hohen Standespersonen kannst Du immer ganz natürlich seyn, aber mit allen andern mache einen Engelländer.«


159 B I 156.


160 Wolzogen (Rezens. 1865, Nr. 6, S. 81) berichtet nach Familientraditionen, daß dies ein falsches Gerücht gewesen sei, daß aber der Kurfürst während Wendlings Abwesenheit in Paris die Tochter unter dem Vorwand, mit seinen natürlichen Töchtern zu musizieren, an sich gelockt und gewaltsam entehrt habe, und daß sie im Jahre 1778 im Irrenhaus gestorben sei. Aber Karl Theodor ging schon Anfang 1778, vor Wendlings Abreise, nach München, und Heinse sah im Sommer 1780 Auguste Wendling »wie eine völlige hundertblättrige Rose« neben ihrer Mutter im Theater (Briefe an Gleim I, S. 224).


161 B IV 344.


162 B III 362.


163 B I 160.


164 B III 366 ff.


165 B III 363.


166 B III 360.


167 B I 163 f.


168 WSF II 404 machen noch auf ein drittes Quartett in G-Dur aufmerksam, das bei Köchel nicht erwähnt und in der Edition Peters erschienen sei. Das beruht indessen, wie mir der Bibliothekar der Petersschen Musikbibliothek, Herr Prof. Dr. Rud. Schwartz, freundlichst mitteilt, auf einem Irrtum. Bei Peters ist außer den Quartetten in D- und A-Dur noch eines in G-Dur erschienen, das Köchel im Anh. III, Nr. 171 unter den übertragenen Kompositionen anführt.


169 B I 172. Eine Sonate (K.-V. 304) wurde nach der Überschrift erst in Paris fertig. Die 1778 bei Sieber in Paris erschienene Serie war der Kurfürstin gewidmet. Die Autographe besitzt Baron Ernouf in Paris, der sie von Siebers Witwe erwarb [D.].


170 B III 340.


171 B III 375.


172 Vgl. M.M.v. Weber, C.M.v. Weber I 6 f., dessen Angaben freilich keineswegs zuverlässig sind, und Walter a.a.O. 308 f.


173 Mozart, der sonst seinen Freund dem Vater gegenüber geflissentlich herausstreicht, erwähnt von dieser Doktorwürde nichts, obwohl er doch gerade damit auf seinen Vater sicher einen großen Eindruck hätte machen können.


174 Walter a.a.O. 302, 308. Sein jüngerer Bruder Franz Anton war der Vater C.M.v. Webers und Konstanze Mozart somit eine richtige Kusine des Freischützkomponisten.


175 B I 151 f.


176 De la Potrie.


177 Dies bestätigt Schubart, Ästhetik S. 192, vgl. Musikal. Almanach (Alethinop. 1782).


178 B I 154 ff.


179 Nottebohm, Mozartiana S. 47.


180 B I 164 f.


181 B I 171 f.


182 B I 186.


183 B I 158 f.


184 B I 159 f.


185 B I 156 ff.


186 B I 165.


187 B IV 341.


188 B III 353 ff.


189 »Die Zeiten, wo ich Ihnen auf dem Sessel stehend das ›oragna fiagata fà‹ sang und Sie am Ende auf das Nasenspitzel küßte, sind freylich vorbey, aber hat dessentwegen meine Ehrfurcht, Liebe und Gehorsam gegen Sie abgenommen? mehr sage ich nicht.« (Wolfgangs Antwort vom 19. Februar 1778.)


190 Katharina Leidner, geb. 1753, war von ihrem Schwager Schindler erzogen worden und betrat unter diesem Namen als Sängerin die Bühne in Wien, fand dann in Italien und London großen Beifall und verheiratete sich 1777 mit Bergopzomer. Sie wurde 1780 in Braunschweig, 1783 in Prag engagiert und starb dort 1788.


191 Cecilia Davis, die jüngere Schwester der berühmten Harmonikaspielerin, begleitete diese auf ihren Reisen. Während des Aufenthalts in Wien wohnte sie in demselben Hause mit Hasse und genoß dessen Unterricht (Burney, Reise II 203 f.). Sie trat im Jahre 1771 in Neapel auf, und dort müßte die von Leop. Mozart erzählte Begebenheit vorgefallen sein. In den nächsten Jahren rivalisierte sie in London glücklich selbst mit der Gabrielli (Busby, Gesch. d. Mus. II S. 402 f. Burney, Hist. of mus. IV p. 499 f.); später trat sie auch in Florenz auf – man nannte sie l'Inglesina – kehrte 1784 nach London zurück und trat von der Bühne ab.


192 Hummel war Musikverleger in Amsterdam und derjenige, der für fremde Künstler gegen gute Spesen alles besorgte, was zu einer guten Aufnahme beim Publikum erforderlich schien. Scheurleer, Mozarts Verblijf in Nederland S. 35.


193 »Friedrich Schwindel«, berichtet Gerber, »ein sehr angenehmer und beliebter jetzt lebender Komponist, aber unstät und flüchtig und nicht länger an einem Orte, als er seinem Hang zum Vergnügen daselbst genugtun kann«. Er hielt sich um 1770 im Haag auf, ging dann nach Genf, von da nach Mühlhausen, Lausanne und starb 1786 in Karlsruhe.


194 Francesco Zappa, ein Violoncellist, der auf Konzerte reiste.


195 Pasquale Ricci, geb. in Como 1733, hielt sich lange auf Reisen auf und mochte wohl während dieser Zeit Leop. Mozart bekannt geworden sein; er lebte dann in Paris und zuletzt wieder in Como.


196 B I 165 ff.


197 Schubart sagt von Vogler (Ästhetik S. 135 f.): »Sein Unterricht im Singen wird gleichfalls sehr gerühmt. Die vortreffliche Sängerin Lange in Wien ist sein Gebild. Sie hat Höhe und Tiefe und markiert die Töne mit äußerster Genauigkeit. Sie singt mit ganzer und halber Stimme gleich vollkommen. Ihr Portamento, ihr Schweben und Tragen des Tons, ihre ausnehmende Richtigkeit im Lesen, ihre Feinheit im Vortrag, ihr Mezzotinto, das leichte, geflügelte Fortrollen der Töne, ihre unvergleichlichen Fermen und Cadenzen, auch ihren äußeren majestätischen Anstand hat sie größtenteils diesem ihrem großen Lehrer zu danken.« Hiervon dürfen wir wohl etwas zugunsten Mozarts abziehen; denn Voglers Unterricht wird die Weber, soweit sie ihn genossen hat, erst später in München erhalten haben. Übrigens erzählt Brandes (Selbstbiogr. II S. 260), Kirnberger und andre haben seine Tochter Minna ernstlich vor Voglers Unterricht gewarnt.


198 B I 169.


199 B III 339 ff.


200 B I 185.


201 B I 172.


202 Piccinnis Roland, die erste Oper, die er für Paris schrieb, war Anfang 1778 aufgeführt worden.


203 B I 187.


204 S.o.S. 206. Auch die Tonarten der Arien sind dafür bezeichnend; zwei stehen in Es-, eine in B-Dur und außerdem sind sie alle in langsamem Tempo gehalten, die Allegros bilden nur Episoden.


205 Die Figur der zweiten Geigen ist die Vergrößerung der Figur der ersten.


206 I4 480.


207 Anselm Hüttenbrenner erhielt 1837 von der Witwe Mozart ein Blatt von Mozarts Hand, das eine auf den Schlußsatz der Arie, von der Wiederkehr des 3/4-Takts an, sich beziehende Kolorierung der Singstimme enthält. Das betreffende Blatt aus Hüttenbrenners Besitz befand sich später im Besitze des Autographensammlers J. Kafka in Wien. Es trug von Konstanzes Hand die Aufschrift: »Echtes Manuskript von Wolfgang Mozart, erhalten von seiner Gattin Constanze Etatsrätin von Nissen, gewesenen Witwe Mozart aus Salzburg. Am 30. März 1837.« Vgl. Neue Wiener Musikz. I 4 (1. Nov. 1889). Für die Zeit, aus der das Manuskript stammt, vergleiche man die Briefe Mozarts vom 12. März 1783: »Meine Schwägerin sang die Arie von ›Non sò d'onde viene‹ (11. März)«, vom 12. April: »– ich werde auch mit dieser Gelegenheit die variierte Singstimme der Arie ›Non sò d'onde viene‹ schicken«, und 21. Mai: »Hier überschicke ich Ihnen den variierten Singpart von ›Non sò d'onde viene‹, wünsche, daß Sie es lesen können« (B II 216, 220, 224, 228). Die Kolorierung deckt sich nicht völlig mit der Lesart der Partitur und muß zu einer nicht mehr vorhandenen Bearbeitung geschrieben sein. Köchel, Zusatz zu 294. Nottebohm, Rev.-Ber. zu S. VI. 17. [D.]


208 Nach der elastischen Behandlung von Solo und Tutti ist es ganz unmöglich, sie mit J I3 362 in eine frühere Zeit zu setzen. Namentlich in den langsamen Sätzen, auch in dem einzelnen Andante (K.-V. 315), wirkt der Vorgang des Violinkonzerts in G-Dur (K.-V. 216) bis in den schönen solistischen Abschied deutlich nach.


209 J I4 473 f.


210 Das erste davon klingt bereits an das Hauptthema des ersten Satzes des Quintetts in g-Moll (K.-V. 516) an.


211 Das Schlußrondo trägt die launige Überschrift: »Rondieaoux. Allegretto grazioso, ma non troppo presto, però non troppo adagio, così – così – con molto garbo ed espressione«. Das Rondothema deckt sich fast vollständig mit dem Thema der Arie »Chi mi mostra, chi m'addita« aus Paisiellos »Gli schiavi per amore«. Das Jahr der Entstehung dieser Oper ist noch nicht mit Sicherheit festgestellt, sie gehört aber aller Wahrscheinlichkeit nach in die erste Hälfte der achtziger Jahre. Damit läge hier eine Benutzung des Mozartschen Werkes durch den Italiener vor, die bei den nahen Beziehungen zwischen beiden auch ziemlich glaubhaft ist; hat doch Paisiello gelegentlich mit Mozart zusammen Quartett gespielt. Kelly, Remin. I 238. Vgl. St. S. Stratton ZIMG V 450.


212 Vgl. A. Heuß ZIMG IX 277 ff. Manieriert für die damalige Zeit ist auch das vorletzte Thema der Themengruppe im ersten Satz von K.-V. 311, das zuerst p, dann f, also in umgekehrtem Echo vorgetragen wird.


213 Die erste, am 11. März für Therese Pierron komponierte, erschien zusammen mit K.-V. 376–380 1781 bei Artaria in Wien, die übrigen wurden mit K.-V. 304 und 306 in Paris 1778 gestochen und der Kurfürstin Maria Elisabeth von der Pfalz, Karl Theodors Gemahlin, gewidmet.


214 Im Rondo von K.-V. 301 ist Mozart sogar zu der alten, von ihm längst verlassenen französischen Rondoform mit der Mineur-Episode zurückgekehrt. Auch der Charakter der ausgesprochenen Tanzsätze sowie die Variationen weisen auf Frankreich hin.


215 Sie haben sämtlich Sonatenform außer K.-V. 303, wo ein einleitendes Adagio nach Art der Buffoarie zweimal mit einem Allegro abwechselt.


216 In K.-V. 301 und 305 werden die Themen umgekehrt. Sonst tritt schon hier Mozarts spätere Neigung hervor, seine Durchführungen auf Nebengedanken aufzubauen.


217 Dagegen dauert die Entladung des großen Crescendos im ersten Satze von K.-V. 302 nur zwei Takte, dann folgt, ganz unmannheimerisch, ein plötzliches Piano.


218 Die Chronologie seiner Violinsonaten bedarf freilich noch der Aufklärung; indessen sind z.B. die in Dresden befindlichen fünf »Divertimenti da camera a cembalo e violino« ihrem ganzen Stil nach sicher früher entstanden als die Mozartschen Werke.


219 Öffentl. Landesbibliothek Dresden.


220 Vgl. die geheimnisvolle Rückleitung aus dem Allegro in das Adagio in der g-Moll-Sonate mit den langgehaltenen Geigen- und gebrochenen Klavierakkorden.


221 Dazu gehört auch das von Schuster mit Vorliebe angewandte Pizzikato.


Quelle:
Abert, Hermann: W. A. Mozart. Leipzig 31955/1956, S. 518.
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