5. Zwei italienische Operntheater.

1733–1737.

Senesino wurde auch noch bei seiner zweiten Anwesenheit mit übertriebener Wichtigkeit behandelt. Dennoch wurden seinem Dünkel und seiner Habgier bei weitem nicht mehr die alten Opfer gebracht. Das neue Engagement war viel weniger ergiebig, und die einheitliche und energische musikalische Leitung ließ den Mucken der ersten Sänger nur noch einen geringen Spielraum. Auch nöthigten ihn Händel's letzte Opern, wie vorhin bemerkt, die unnahbare Sonderstellung eines ersten Castraten immer mehr zu Gunsten der Mitbetheiligung an einem dramatisch-musikalischen Ganzen aufzugeben. Zuletzt kam gar noch das Oratorium in die Mode, eine Musik, welche ihn nicht nur englisch zu singen zwang und schon dadurch in gewisser Hinsicht gegen jeden Eingebornen bloßstellte, sondern in welcher durch die vorwiegende Bedeutung des Chores und das Zurücktreten der Action von der früheren Bühnenherrlichkeit erster Sänger kaum noch ein Schatten übrig blieb. Mit innerem Widerstreben folgte er den Anordnungen des großen Tonmeisters, den er als die Ursache der ganzen unvortheilhaften Veränderung ansah; und daß Händel's taktvolle, so zu sagen contraktliche Behandlung keine Gelegenheit zum Skandal darbot, vermehrte nur den Haß seines Sängers.

Als sich aber gegen Debora der bekannte Lärm erhub, als Italiener und englische »Patrioten« vereint den Autor derselben nieder[322] zu schreien suchten, als das Theater sich leerte und der Händel-Heidegger'schen Herrschaft ein baldiges Ende geweissagt wurde: da faßte Senesino den Muth, mit seiner Widerspänstigkeit gegen Händel offen heraus zu rücken. Wollte er durch Contraktverletzung einen entschiedenen Bruch herbei führen, so erreichte er seinen Zweck, aber auf eine ebenso ehrlose als schimpfliche Weise; denn kaum war er mit unverschämten Forderungen hervor getreten, als Händel ihn zum Hause hinaus jagte. In dieser Demüthigung, wie ein schurkischer Diener behandelt zu sein, lag die gerechte Vergeltung für seine Tücke namentlich gegen deutsche Capellmeister. Ueber den Vorgang haben wir keinen Bericht, als den von Senesino's Partei im Kraftsmann, der aber nur zu sagen wagt: »Man hat uns glaubwürdig mitgetheilt, daß Hr. Händel, Generaldirector des Operntheaters, an einem Tage dieser Woche an Signor Senesino, den berühmten italienischen Sänger, eine Botschaft sandte und ihm sagen ließ, daß er für seine Dienste keine weitere Gelegenheit habe; und daß Senesino den nächsten Tag in einem Briefe antwortete, welcher eine volle Resignation aller seiner Opernrollen enthielt, die er so manche Jahre mit großem Beifalle gegeben hat. Wir hoffen, der höfliche Hr. Walsingham [Herausgeber der ministeriellen Zeitung] wird uns erlauben bei dieser Gelegenheit zu bemerken, daß die Welt über ein so unerwartetes Ereigniß äußerst erstaunt scheint, und daß alle wahren Liebhaber der Musik trauern, diesen seinen Sänger in einem so kritischen Augenblicke entlassen zu sehen.«1 Den letzten Satz sprach halb der Fuchs, halb der Politiker; in Wahrheit hatte man Senesino aufgehetzt und für den erwarteten Ausgang schon Vorkehrungen getroffen. Die Absicht ging auf nichts Geringeres, als auf die Errichtung einer neuen italienischen Oper mit Senesino, Rolli, der abwesenden Cuzzoni und allen sonstigen Italienern von Ruf, welche für englisches Gold und gegen Händel waren. Schon vierzehn Tage nach der Entlassung Senesino's konnten die »wahren Liebhaber der Musik« eine Versammlung ausschreiben –: »Die Subscribenten der Oper, in welcher Signor Senesino und Signora Cuzzoni singen werden, seien ersucht, am nächsten Freitag [am 15.] um elf Uhr in Hn. Hickford's großem,[323] Saal in Pantonstreet zusammen zu kommen, um passende Mittel zur Beschleunigung der Subscription zu berathen. Wer nicht in Person anwesend sein kann, wird gebeten einen Stellvertreter zu senden.«2 Konnte Cuzzoni's Mitwirkung bereits damals als gewiß angegeben werden, so muß man annehmen, Rolli habe sie schon vor geschehener That von den bevorstehenden Ereignissen in Kenntniß gesetzt und eine befriedigende Zusicherung von ihr erhalten. Daß sie unter so sicherer Deckung mit Freuden noch einmal gegen Beelzebub sich auflehnte und in Gemeinschaft der andern rechtmäßigen Thiere das Erbtheil des vermeintlich todten Löwen antrat, versteht sich bei einer solchen Person von selbst, um so mehr da Händel, allem Drängen des Adels trotzend, sich beständig geweigert hatte sie wieder zu engagiren.3 Senesino erreichte für einen Augenblick noch einmal seine volle Größe wieder; wenn die Mittheilung Malcolm's genau ist, fungirte er bei der neuen Oper anfangs sogar als Impressario.4

Der reißende Fortgang dieses Unternehmens setzte Nichteingeweihte einigermaßen in Erstaunen und verfehlte nicht auf Schwankende und Begehrliche seinen Reiz auszuüben. Die Folge davon war, daß sich Händel's Singbande auflöste. Montagnana hatte soeben den Contrakt für das folgende Jahr unterzeichnet und zu den Aufführungen in Oxford sich verbindlich gemacht, als er zu den Feinden überlief. Händel sollte jetzt manches erleben, was er bei all seiner Welt- und Menschenkenntniß nie für möglich gehalten hätte. Montagnana war für ihn ein bedeutender und ärgerlicher Verlust, denn[324] ihm entging dadurch nicht nur einer der ersten lebenden Bassisten, sondern für die bereits componirte Athalia auch der geeignetste Darsteller des Oberpriesters Joad, weßhalb er gezwungen war, die ganze Partie, wie S. 317 bemerkt, nachträglich für Alt einzurichten. Außer Montagnana ließen sich auch noch die Damen Bertolli und Celeste Gismondi nach der andern Seite hinüber ziehen5; Signora Strada allein blieb treu.

Daß diesem Gebahren politische Opposition zu Grunde lag, ist aus dem Vorhergehenden verständlich; die projectirte italienische Bettler-Oper wirkte aber hauptsächlich deßhalb so anziehend, weil sich der junge Prinz von Wales an die Spitze derselben stellte, lediglich, um seine ihm verfeindeten Eltern und Geschwister durch Ermuthigung der oppositionellen Barone und durch den Ruin des Hof- und Hausmusikers Händel zu ärgern. Um den voraussichtlichen Triumph vollständig zu machen, hätte Bononcini anwesend sein müssen. Leider war dieser für England eine Unmöglichkeit geworden, und so dachte man zunächst an Hasse, der von dem sächsischen Sardanapal einen jahrelangen unfreiwilligen Urlaub erhalten hatte. Aber »als Hasse eingeladen wurde herüber zu kommen, war seine erste Frage, ob Händel todt sei. Als dies verneint wurde, weigerte er sich die Einladung anzunehmen, in der Voraussetzung, daß neben seinem Landsmanne dort so leicht kein anderer Musiker auf kommen werde. Er konnte unmöglich glauben, daß eine wegen ihrer Urtheilsgabe so hervorragende Nation jemals gegen die Verdienste eines Künstlers wie Händel gleichgültig sein könne. Aber das Geheimniß wurde ihm in einer Weise erklärt, und diese Erklärung von solchen Anerbietungen begleitet, daß er zuletzt seine Scrupel überwand und sich engagiren ließ.«6 Diesen Ausgang nahmen die Verhandlungen aber erst später.[325] Inzwischen gewann man den Meister Porpora als Componisten und Leiter des Orchesters, mit dessen Oper Arianna oder Ariadne die Vorstellungen am 29. December '33 im Theater zu Lincoln's-Inn-Fields ihren Anfang nahmen. Die Hauptprobe war im Palais des Prinzen von Wales.7 Ein Lord Cooper oder »Herzog von Büffel«, wie Dr. Arbuthnot ihn nennt, stand an der Spitze der Verwaltung.

Händel muß vor der Entlassung Senesino's, wenigstens vor dem Abschlusse eines neuen Contraktes mit Montagnana, sich mit Heidegger über ein weiteres Jahr vereinigt haben. Zwar versichert Mainwaring, Händel habe seine letzte Saison in Haymarket ganz auf eigne Rechnung geführt8, also Haus, Decorationen und Maschinen von Heidegger einfach gemiethet; aber seine sämmtlichen Angaben über diese Zeit, von Hawkins mit großem Fleiße nachgesprochen, sind äußerst ungenau, verwirrt und verkehrt. Läßt er doch eine Verbindung, die schon vier Jahre bestanden hatte und im Ganzen fünf dauerte, nur drei Jahre anhalten; geht er doch, jung und unerfahren wie er war, als er das Leben Händel's beschrieb, in dem löblichen Bestreben nach Unparteilichkeit so weit, vieles von dem, was nur der Böswilligkeit seichter Italiener und neidischer Engländer seine Entstehung verdankte, als ausgemachte Wahrheit aufzunehmen und zu sagen: »Ein bischen Nachgiebigkeit würde ihm eine Menge Schwierigkeiten erspart haben... Es ist ein Hauptstück der Klugheit, bei allem, was uns überkommen mag, unserer Aufregung Herr zu bleiben; ein Grundsatz, von welchem Händel, die Wahrheit zu sagen, niemals Gebrauch machte. Diese Unterlassung stürzte ihn in Unglück, welches ihn eine andere Maxime der Klugheit (wenn man es so nennen[326] will) lehrte, die er niemals hätte ausüben sollen, nämlich daß er auf Kosten seiner Kunst die Gewinnsucht zu Rathe zog.«9 Wahrlich, eine höchst sonderbare, eine grausame Anklage, Händel von jetzt an zu gewinnsüchtigen Zwecken componiren zu lassen, wo seine Kunst nur noch dazu diente, ihn über Dummheit und Bosheit zu erheben, ihm die Mittel zur ehrlichen Tilgung seiner Schulden, zum Wohlthun und zur Veredlung seiner Mitmenschen zu gewähren! Und ein trefflicher Rath zur Mäßigung um jeden Preis im Munde eines 25jährigen Studenten, der noch nicht geboren war als die Streitigkeiten in London vorgingen, und der lakonisch bekennt: »Ich weiß nichts davon, wer bei diesem Streite im Rechte war und wer Schuld hatte«!10 In Händel's Natur liegt überhaupt manches, was Engländern schwer verständlich und ihnen denn auch bis auf den heutigen Tag noch nicht aufgegangen ist. Wer von ihnen hat erklärt, wie Händel's Zornausbrüche so oft die Grenzen kluger Mäßigung überschreiten, und dennoch Mäßigung und ruhige Bedächtlichkeit Grundzüge seines Charakters bilden konnten? Wer hat es einsehen wollen, daß er durch erregte Aeußerungen nicht Zwiespalt stiftete, sondern erledigte, – daß sein Zorn nicht in sittlichen Gebrechen, sondern in sinnlicher Stärke wurzelte, nur hervortretend wo er sich sittlich oder künstlerisch beleidigt fühlte, und daß hierin die ganze dämonische Gewalt desselben gelegen war? Wer hätte ihm bei seinen langen Kämpfen mit anerkannt boshaften, geistesleeren und standesstolzen Gegnern die Abwesenheit aller Bitterkeit und vollste Versöhnlichkeit zugetraut, die er doch besaß? Wer die durchdringende Heiterkeit bei der lastenden Schwere großer Gedanken und trüber Erlebnisse, die ihn niederzog und von jedem Beschauer schon auf dem ernsten, fast sauerblickenden Gesichte zu lesen war? Wir, die wir Luther und Göthe die Unsern nennen, begreifen das wohl; und der letzte hat uns dazu noch ausdrücklich bestätigt, es sei »der Charakter der Deutschen, daß sie über allem schwer werden, daß alles über ihnen schwer wird.« Aber den Engländern liegt die Einsicht davon weit ferner. Von allen ihren großen Künstlern war es nur Shakespeare, der auch hierin unserm,[327] Händel hätte ähnlich werden können, da er in eine Zeit kam, welche seine Kunst als standesmäßigen Erwerb ebenso gering hielt, wie Händel's Zeit die musikalische, und da er für einen ähnlichen Kampf dieselbe Gesundheit und Kraft des Geistes einzusetzen hatte, nur zum Glück nicht einzusetzen brauchte, denn durch die bürgerliche Rechtlosigkeit des Künstlers war er als geborner Engländer nicht zugleich heimathlos, und hatte daher wohl Geringschätzung und Brodneid zu befahren, niemals aber, wie Händel, eine Verbindung der Naturwüchsler zweier Nationen gegen den Eindringling aus einer dritten, eine Verbindung des Musik-erzeugenden Italien und des Geldspendenden England gegen den einzelnen Deutschen, dessen Volk bisher weder als Musik- noch als Geldmacht mit den beiden andern in die Schranken treten konnte. Von sonstigen Dichtern, deren Lebensgang Aehnlichkeiten darbietet, muß man nur Dryden, Pope und Byron neben fast alle großen deutschen Dichter und Tonkünstler halten, um zu sehen, wie innerlich fern die Engländer von Händel abliegen, wie nah ihm die Deutschen stehen.

Was sein ferneres Verhältniß zu Heidegger betrifft, so ist kein Zweifel, daß es schon jetzt innerlich vollständig gelöst war, und daß Heidegger auch trotz contraktlicher Verpflichtung wie Montagnana gehandelt, nämlich sein Haus sofort der gegnerischen Oper geöffnet haben würde, wenn ihn nicht der Hof noch zu einiger Rücksichtnahme genöthigt hätte, und wenn er überhaupt schon seiner Sache so ganz gewiß gewesen wäre, welche Partei die stärkere sei. Aber sicherlich suchte er Händel auf Grund der unvorhergesehenen Veränderungen zu zwacken, so daß er wohl mit gewinnen, aber nicht mit verlieren wollte. Die Abneigung gegen das Oratorium theilte er mit allen hohlen und wüsten Menschen seiner Tage. Ueberhaupt sollte Händel jetzt ein für alle mal unschädlich gemacht werden, und die weisen Männer von Gotham, welche der italienischen Oper nachschlenderten, blieben hartnäckig bei der Versicherung, solches sei auch wirklich geschehen. Einer unter ihnen erhob noch im Jahre 1751 seine Stimme, und bezeichnend genug in einer lächerlichen Broschüre über »die Kunst Musik zu componiren nach einer gänzlich neuen, selbst für die allergeringsten Fähigkeiten geeigneten Methode.« Hier lesen wir: »Es gab eine Zeit, wo der Mannberg Händel das Uebergewicht erlangt[328] hatte trotz mancher Versuche, die unternommen wurden ihn nieder zu halten, und er möchte es vielleicht behauptet haben, wenn er zufrieden gewesen wäre, die Leute nach ihrer eignen Weise zu vergnügen; aber sein böser Genius wollt' es nicht leiden; denn wahrlich, er bildete sich ein, daß ihn nichts in seinem Laufe hemmen könne, dieweil er im Zenith seiner Großheit stand; bohrte also ein neues Faß an mit einer anderen Art Musik [Oratorium], voller, großartiger (wie seine Bewunderer sich auszudrücken belieben), und um den Lärm desto größer zu machen, ließ er sie wenigstens von einer doppelt so großen Zahl Stimmen und Instrumente aufführen, als man jemals zuvor im Theater gehört hatte. Hierin gedachte er nicht bloß mit dem Gott der Musiker zu rivalisiren, sondern auch noch mit andern, als besonders Aeolus, Neptun und Jupiter; denn zu einer Zeit erwartete ich nicht anders, als das Haus würde von seinem kunstvollen Winde nieder stürzen; zu einer andern Zeit, daß die See die Bänke überfluten und uns verschlucken würde. Aber unerträglicher als alles andere war sein Donner. Ich werde das schreckliche Rollen niemals wieder aus meinem Kopfe heraus bringen. Dies war buchstäblich, wird man sagen, einen im Sturm nehmen. Ha, ha! Aber merkt den Ausgang. Durch diesen Versuch, den Apoll zu personificiren, theilte er das Schicksal des Phaëton; Heidegger revoltirte, und mit ihm die meisten des hohen Adels und sonstiger Vornehmen. Von dieser glücklichen Aera können wir Wachsthum und Gründung der italienischen Musik auf unserer Insel datiren. Dann kam der heilende Balsam von Hasse, Vinci, Lampugnani, Pescetti, Gluck u.s.w. Vielleicht werden einige meiner Leser fragen, was wurde denn aus dem alten Deutschen? Nun, wie ein Riese auf den Rücken geworfen, machte er ungeheure Anstalten wieder empor zu kommen, aber vergebens.« Der Mensch hatte doch bei all seinem Stumpfsinn ein richtiges Gefühl, gegen welchen Feind er sein Gift zu kehren habe; denn zur Förderung der Kunst, ohne Rücksicht auf Begabung in vier und zwanzig Stunden componiren zu lernen, war der boshafte Ausfall von wesentlichem Nutzen, da man, sobald nur Händel beseitigt war, die Richtigkeit dieser neuen Methode eigentlich nicht mehr in Zweifel ziehen konnte. Die »ungeheuren Anstalten« zielen zunächst auf die nun folgenden Opern, hauptsächlich aber auf die späteren[329] Oratorien. Dies wurde in demselben Jahre geschrieben, in welchem Händel mit Jephtha die Reihe seiner unsterblichen Tonwerke schloß! Man wird wohl nach und nach von der namentlich auch in Deutschland verbreiteten Vorstellung zurück kommen, als sei es Händel so leicht geworden, mit seinen Werken durchzudringen, als habe man ihm wenigstens zuletzt, wo er mit der Welt abgeschlossen hatte und in Frieden lebte, auch von allen Seiten ein offnes Verständniß entgegen gebracht. Die Geschichte lehrt aber, daß die Feindschaft der »wahren italienischen Oper« gegen ihn nie auf hörte, daß vielmehr das vereinte Geschrei aus ihrem und dem altenglischen Lager schon zu seinen Lebzeiten unter dem Publikum alle jene verderblichen Irrthümer verbreitete, welche bisher noch immer das rechte Verständniß und den wahren Vollgenuß der Händel'schen Kunst zu verhindern gewußt haben. Es ist nichts als ein bewußtloser Nachhall dieses Geschreis, wenn Sir John Hawkins ohne die geringste Kenntniß der betreffenden Werke und Verhältnisse mit größter Bestimmtheit behauptet: »Während von seinen früheren Opern, das ist zu sagen, von denen, welche er in den Jahren 1710 bis 1728 componirte, der Werth so groß ist, daß wenige im Stande sind zu sagen, welche von ihnen den Vorzug verdiene, haben die nach jener Periode componirten so wenig zu ihrer Empfehlung, daß wenige sie für das Werk desselben Autors halten würden. Zu der ersten Klasse gehören Rhadamist, Otto, Tamerlan, Rodelinda, Alexander und Admet, in jeder von welchen kaum eine unbedeutende Arie erscheint; während es in Parthenope, Porus, Sosarme, Orlando, Ezio, Ariadne und dem Rest bis herunter zum Jahre 1736 eine Sache von einiger Schwierigkeit ist, überhaupt nur eine gute zu finden.«11 Sir John hätte als Geschichtsschreiber der Musik freilich wissen müssen, daß die Bononcini-Partei gegen Händel's Opern vor 1728 unermüdlich dieselben Einwendungen erhob und erheben mußte, wie die neue Genossenschaft gegen die aus späterer Zeit, und daß das Gerede der ersteren nur deßhalb geringeren Erfolg hatte, weil nicht sie, sondern Händel das letzte Wort behielt; und er hätte seine Einfalt doch nicht so weit treiben sollen, Händel noch stärker zu verdammen, als die vorlautesten[330] seiner Feinde, da selbst der oben gehörte Erfinder der neuen Componirmethode Händel's Gunst- und Gnadenfrist bis 1733 verlängert, wohl wissend, daß Händel's musikalische Herrschaft niemals unumschränkter und, auf seine Kunstwerke gegründet, niemals allgemeiner anerkannt war, als eben in den Jahren 1729 bis 1733. Vor Hawkins hatte schon Mainwaring in ähnlicher Weise die alten Irrthümer arglos wiederscheinen lassen, ebenfalls in dem Bestreben nach Unparteilichkeit und natürlich ohne Sach- und Personenkenntniß. »Die Opposition, welche diese – Hasse, Porpora u.a., welche sich auszeichnen durch seine, heraus geputzte Sangweisen, die aber kaum einen Schein von Vollstimmigkeit zur Unterstützung haben – gegen Händel machten, ließ ihn ihre Verdienste mit großer Gleichgültigkeit betrachten, ihre Mängel aber mit desto größerer Verachtung. Diese Verachtung trieb er so weit, daß er sich bestrebte, ihnen so ungleich zu werden wie nur möglich. Er hätte seine Gegner mit ihren eignen Waffen überwinden können; allein er entdeckte, daß der beleidigte und in Vorurtheilen befangene Theil seinen Sieg nimmer eingestanden hätte, wenn er auch noch so entscheidend gewesen wäre, und daß seine neuen Freunde aus Mangel an Einsicht in die Natur und Führung solcher Waffen es niemals bemerkt haben würden, wäre es auch noch so augenscheinlich gewesen. Und so verfiel er stufenweise in jene zu ausschließliche und absonderliche Neigung zu der Harmonie, welche ihn mitunter zur Vernachlässigung der Melodie verleitete, selbst da, wo sie am meisten berücksichtigt werden sollte, nämlich in der Vocalmusik.«12 Nach dieser Theorie hätte z.B. Bach überhaupt nichts Singbares mehr geschrieben. Die angeführten Aussagen der sogenannten Unparteiischen, die sich noch ansehnlich vermehren ließen,[331] ergeben ein ziemlich bedeutendes Resultat, nämlich dieses, daß die herkömmlichen Vorstellungen über Händel's Opern- und Oratoriengesänge in den Nachreden der Gegner von 1733 ihre wahre Quelle haben; denn wie diese Gegner zum Theil nur das Erbe des Bononcini antraten, so folgte die beschränkte Arglosigkeit englischer Musikliebhaber wiederum ihren Fußstapfen, bis das Durchdringen einer neuen Kunstweise auf italienischer, nicht auf Händel'scher, Grundlage überhaupt das ganze Streben Händel's für lange Zeit verdunkelte. Heut zu tage sind es nur noch die Musikdirectoren und die Sänger, welche sich das traurige Verdienst erwerben, diese von jedem Kenner Händel's längst überwundenen Irrthümer durch Wort und Beispiel aufrecht zu erhalten.

Im Sommer '33 eilte Händel abermals nach Italien, um Sänger zu holen, diesmal in Schmidt's Gesellschaft, welchem durch die Erzählungen seines Freundes natürlich ein großes Verlangen nach dem herrlichen Lande erweckt war. Hawkins allein gedenkt dieser Reise –: »Händel reiste mit dem alten Hn. Schmidt auf das Festland, neuer Sänger wegen. In Italien hörte er Farinelli, einen jungen Mann von erstaunlichen Talenten, und gleichfalls Carestini, und, was sehr sonderbar ist, gab letzterem den Vorzug, engagirte ihn und ging nach England zurück. Mit solcher Beihülfe wagte er nun in Haymarket eine Oper auf eigne Rechnung zu unternehmen.«13 Der letzte Satz wiederholt eine irrthümliche Angabe Mainwaring's, und fast sollte uns die ganze Nachricht verdächtig werden, um so mehr, da Händel Mitte Juli noch in Oxford war, am 5. October aber schon in London seine Oper Ariadne beendigte. Doch darf man diesen Zweifeln hier nicht allzuviel Gewicht beilegen, denn die Vorzüglichkeit seiner neuen Sänger spricht wieder dafür, daß er sie sich selber ausgesucht hat. Auch daß Händel für Ariadne den Text eines Engländers, nämlich des ihm befreundeten Gesandten Colman in Florenz, verwandte, erklärt sich am einfachsten durch eine Reise nach Italien.

Er hatte das Glück, sehr bedeutende Gesangkräfte zu gewinnen. Der Sopran Carlo Scalzi war freilich noch ein Anfänger, obwohl ein sehr begabter, und Signora Durastanti, welche nach zehnjähriger,[332] Abwesenheit ebenfalls wiederkam, hatte den Höhenstand ihrer Künstlerschaft schon überschritten, auch Waltz war kein italienisch durchgebildeter Bassist; aber die Schwestern Maria und Rosa Negri waren als Sängerinnen zweiten Grades höchst liebliche Erscheinungen, und als Hauptsänger konnte Händel jetzt neben der Strada den Giovanni Carestini aufstellen, welchen Colman schon früher für ihn zu gewinnen suchte, und der, auf die vorzüglichsten Eigenschaften eines Opernsängers gesehen, jetzt bei dem Absinken Senesino's der erste Sänger seiner Zeit genannt werden muß. »Seine Stimme war zuerst ein machtvoller und klarer Sopran, welcher sich aber später in den vollsten, schönsten und tiefsten Contratenor veränderte, den man vielleicht je gehört hat. Carestini's Person war groß, schön und majestätisch. Er war ein sehr lebendiger und sinniger Darsteller und, mit Enthusiasmus sowie mit einer lebhaften und erfinderischen Einbildungskraft begabt, wußte alles was er sang durch guten Geschmack, kräftigen Ausdruck und wohl angebrachte Verzierungen zu verschönern. Er besaß eine große Leichtigkeit in der Ausführung schwieriger Passagen mit der Bruststimme in einer höchst deutlichen und bewunderungswürdigen Weise. Es war die Meinung Hasse's, wie auch die mancher andern Musiker von Bedeutung, daß demjenigen, der Carestini nicht gehört habe, der vollkommenste Styl des Gesanges unbekannt geblieben sei.«14 Noch zwanzig Jahre später war er eine erste Größe an der damals blühenden Oper in Berlin.


Erster Jahrlauf. 1733–34.


Händel kam den Gegnern zuvor und eröffnete sein Theater schon am Geburtstage des Königs, 30. October. Es war offenbar eine Begünstigung, daß der Hof diesmal den üblichen Ball aussetzte und dafür die Oper besuchte; selbst der Prinz von Wales konnte sich Anstands halber nicht ausschließen.15 Zur Aufführung kam eine neue Oper, genannt Semiramis; am 4. December folgte eine andere, Cajus Fabricius, in welcher Carestini zuerst auftrat, und am 5. Januar '34 eine dritte, Arbaces. Semiramis und Arbaces sind[333] von Metastasio gedichtet, letztere unter dem Namen Artaserse; Cajus Fabricius von Apostolo Zeno. Die Werke waren in den letzten Jahren von Caldara, Vinci, Hasse und Andern componirt; Händel hörte einige derselben 1729 in Venedig und Rom, und brachte sie jetzt, zunächst seiner neuen Sänger wegen, mit dieser Musik zur Aufführung. Seine Partituren sind durch Schmidt erhalten und bilden setzt einen Theil der Schölcher'schen Sammlung16; die Arien sind von Schmidt, die Recitative aber von Händel selbst geschrieben. Semiramis und Cajus Fabricius kamen in dieser Gestalt je vier mal zur Aufführung, Arbaces neun mal. Ein neues Werk eigner Composition ließ Händel am 26. Januar '34 nachfolgen.


Ariadne. 1733.

»Fine dell' Opera | London 5 Octobr G.F. Handel | 1733«; Schlußbemerkung in der Originalpartitur, wo das Werk, abweichend von den Ankündigungen und der gedruckten Musik, »Arianna« betitelt ist. Die Menuett als dritter Theil der seiner Zeit sehr beliebten Ouvertüre wurde bei offner Scene gespielt, während die Opfer von Athen an der Küste Kreta's landen, was die Wirkung dieses lieblichen Satzes noch bedeutend erhöhen mußte. Gleich die erste Arie (Mira mi), welche Durastanti im Charakter des Generals der Kreter, Tauris genannt, vorträgt, zeigt die hervorstechende Eigenthümlichkeit der Gesänge dieser Oper, nämlich sorgfältigste und feinste Verwebung der Begleitung mit dem Gesange. Eine derartige Verbindung von Gesang und Begleitung, in allen Schreibarten und mit allen möglichen Kunstgriffen ausgeführt, ist überhaupt einer von Händel's großen Vorzügen und in allen seinen Opern vorhanden, selten aber so absichtlich angebracht, wie hier. Er wußte, daß die gegnerischen Tonsetzer an Melodien, wie sie damals eben Mode waren, das möglich Beste auftragen, auch den Engländern zu Liebe hinreichenden Lärm machen würden; daher war er sorglich bemüht, die Goldfäden der Melodie in das kunstvolle Gewand einer reichen Tonfülle zu kleiden. Er konnte dem Kunstsinne des ihm treu gebliebenen[334] Theiles seiner Zuhörer keine größere Achtung erweisen, als durch Vorführung einer solchen Composition, und hatte auch die Genugthuung, daß der geistreiche Arbuthnot den Meister Porpora erinnerte, es sei noch ein gewisser Unterschied zwischen Lärmmachen und voller Harmonie. Sämmtliche Gesänge des ersten Aktes sind wahres Gold, schon als bloße Melodie.

Durch eine derartige Musik verdeckte Händel auch, so gut es anging, die Mängel seines Textes. Der Hauptmangel desselben besteht darin, daß er von einem Engländer, und nicht von einem Italiener herrührt.17 Schon im ersten Akte bemerkt man den Unterschied. In der 9. Scene singt Carilda, die durch das erste Loos zum Opfer bestimmt worden und von dem sie verehrenden Alcestes Versicherungen[335] kräftigster Hülfe empfängt, sie könne Alcestes nicht lieben, sie liebe Theseus und diesem bleibe ihr Herz treu. Das ist aber garnicht mehr italienisch, es ist zu ernst und in der gegenwärtigen Lage auch nicht natürlich genug. Theseus erklärt sich bereit für sie zu kämpfen (Sc. 10), worüber seine Ariadne sich beklagt (Sc. 11), ihn vorwurfsvoll fragend, ob sie ihm denn garnichts mehr sei, ob er von ihr nicht mehr halte als von Carilda, ob er auch wohl die Gefahren eines solchen Unternehmens erwogen habe u.s.w. Das ist wieder nicht mehr die Italienerin, das sind die treuherzig unschuldigen Taubenaugen einer Tochter Albions, die sich nur deßhalb in Leidenschaft und Eifersucht hinein redet, weil es die Oper so verlangt. Unzweifelhaft ist das alles viel besonnener, als was ein Italiener an dieser Stelle vorgebracht haben würde, aber insofern es die Handlung abkühlt, ist es keineswegs zweckmäßiger. Nicht ruhige helle Vernunft kommt in den Operndichtungen der Italiener zum Vorschein, sondern Leidenschaft um jeden Preis, die, wie grundlos sie auch sei, wie unsinnig sie sich auch gebehrde, doch gewöhnlich, was dramatische Wirkung anlangt, am rechten Orte losbricht. Abweichungen von dieser längst feststehenden und gewissermaßen durch den Erfolg gerechtfertigten Behandlung finden sich auch im zweiten und dritten Akt mehrere, und noch bedeutendere als im ersten. Der Anfang des zweiten Aktes für Theseus (Carestini) gehört zu den schönsten Scenen Händel'scher Opernmusik; aber der Gott des Schlafs wird hier vom Dichter unnöthig bemüht. Falschheit und Treulosigkeit sind bei den italienischen Poeten ganz herkömmliche Mittel zur Verkettung und Fortspinnung der Handlung, denen eine plötzliche allgemeine Aussöhnung am Schlusse nach ihrer Meinung auch durchaus nicht widerspricht; aber der offnen Lüge bedienen sie sich dabei eigentlich nicht, wie hier Alcestes (II, Sc. 4). Und wäre bei ihnen britische Ruhe und vernünftige Erwägung so vorwaltend, wie hier überall in entscheidenden Conflikten (man vergleiche das Benehmen des Theseus II, Sc. 10), so sollte es sämmtlichen italienischen Operndichtern schwer werden, über den ersten oder gar über den zweiten Akt hinaus zu kommen, denn das, was sie Handlung nennen, hält sich eigentlich nur aufrecht, weil niemand da ist, der zur rechten Zeit ein vernünftiges Wort spräche. Wir würden dann aber auch jene großen wechselreichen[336] Scenen bei ihnen vergeblich suchen, die den Tonsetzer zur Bethätigung seiner vollen Kraft aufrufen; wir würden uns nicht mehr einem beständigen, oft so unangenehmen, aller vernünftigen Leitung entbundenen Wogen und Schwanken dieses Meeres der Leidenschaft ausgesetzt sehen, aber auch nicht erleben, daß die Wellen musikalische Perlen aus der Tiefe holen. Der Musiker fühlt sich überall gehemmt, wo Colman's Text nichts bietet, als germanische Gefühlsweise in italienischer Form; und dieses macht sich hier so oft geltend, daß Ariadne deßhalb trotz aller musikalischen Fülle und Charakteristik den einheitlichen Schwung der besten Opern Händel's nicht erlangt hat. Wie alle Versuche seit Addison beweisen, sollten die musikalischen Dichter Englands ihre italienischen Zeitgenossen augenscheinlich nicht in der damaligen Form der Oper, sondern erst im Oratorium durch festere Einheit und höhere Idealität überbieten.

Ariadne besaß dennoch Eigenschaften genug, um auf der Bühne ihr Glück zu machen. »Sehr gut«, sagt Colman im Opernregister, »und sehr oft gegeben; Signor Carestino sang erstaunlich.« Ohne den hervorragenden Werth der Musik und des neuen Sängers hätte die Oper unter den damaligen Umständen in drei Monaten wohl nicht sechzehn mal aufgeführt werden können.

Der Vergleich mit der Leistung der Gegenoper wurde dadurch erleichtert, daß diese eine neue Oper von Porpora heraus brachte, welche ebenfalls Ariadne hieß (S. 326), aber »Ariadne auf Naxos«; in Porpora's Handschrift, von welcher mir der zweite Akt vorlag, hat sie den Titel »Arianna e Teseo«. Walsh druckte unparteiisch beide Werke, von Händel nach und nach das Ganze, von Porpora aber vorsichtiger Weise nur ein Heftchen.18 Porpora's Oper[337] ist leer; aber die Sätze für Senesino sind so pomphaft aus dem übrigen heraus gehoben, daß der Componist dadurch völlig als der Bediente desjenigen Sängers er scheint, dem er sein Engagement verdankte.19

Weil Händel's Oper der des feindlichen Adels so sehr überlegen war, wurde letzterer ein baldiges Ende geweissagt, und die Lage beider war ungünstig genug, um eine Wiedervereinigung als dringend wünschenswerth erscheinen zu lassen. Die Zeitungen suchten den Streit humoristisch-politisch auszubeuten20, und machten scherzhafte Friedensvorschläge, namentlich auch für die englischen Theater, die sich zur selben Zeit wegen ähnlicher Mißhelligkeiten zwischen Directoren und Schauspielern in vollständiger Auflösung befanden; Grubstreet-Journal, die Londoner satirische Zeitung, sagt aber, die wahren Ursachen des Haders zu ergründen und vernünftig zum Frieden zu sprechen, sei völlig nutzlos, denn es gehöre zu den Grundrechten eines freigebornen Engländers, niemals durch eine Meinung überzeugt zu werden, die nicht mit seiner eignen zusammen falle.21 Dies war buchstäblich der Fall bei den Lords welche Händel opponirten. Da ihnen die Erhöhung des Preises bei Debora und die Versagung Senesino's nur den Vorwand hergaben, um Musik für ihren, Händel'scher Kunst und Hoheit abgeneigten Geschmack zu bekommen, so wußten Sachkenner recht gut, daß an eine ehrenvolle Versöhnung nie zu denken war. Welches Loos dem Händel bevorstand, wenn es nicht gelang die Gegenoper schnell zu vernichten, konnte ebenfalls nicht zweifelhaft sein.[338]

In dieser Lage ergriff Händel's Freund Arbuthnot die Feder und schrieb seine beste Satire. Er kannte den Hergang der Sache und die Gegner der wahren Musik aus dem Grunde. Insofern letztere größtentheils zur Torypartei gehörten, konnte Arbuthnot wirklich keinen glänzenderen Beweis seiner Wahrheitsliebe und seines reinen Kunstsinnes geben, als durch die rücksichtslose Verdammung, welche er in dieser geistvollen Spottschrift über mehrere seiner alten Genossen ausspricht. Händel's Bühne war ihm die Pflanzstätte wahrer Kunst, auf allen übrigen Theatern dagegen erblickte er die elendeste Verkommenheit, und wie wenig er hiermit seinen Landsleuten zu nahe trat, mögen uns Andere sagen. In denselben Tagen, in welchen Arbuthnot schrieb, vernehmen wir vielfach Klagen wie folgende: »Der Geschmack für theatralische Darstellungen ist gegenwärtig in einer sehr niedrigen Ebbe, welches einige der Abwesenheit guter dramatischer Schriftsteller zugeschrieben haben. Aber ich muß denken die Ursache sei eine andere, wenn ich sehe, daß Harlequin's Schwert eine zahlreichere Versammlung herbeilockt als aller Zauber Shakespeare's, daß seine Grimasse anziehender ist als die zartesten Scenen von Otway, und seine Behendigkeit unterhaltender als aller Witz eines Wicherley oder Congreve.«22

Arbuthnot übergiebt nun dem verrückten Samuel Johnson (oder Lord Flamme, Flame, wie er nach der Hauptperson in seinem Hurlothrumbo genannt wurde) das Regiment über sämmtliche britische Theater, das Händel'sche ausgenommen, und läßt von ihm ein Sendschreiben an den Operndirector in Haymarket abgehen. Die Schreibart und überhaupt das ganze Wesen Johnson's, uns aus den früher (S. 215 und 360) mitgetheilten Proben genügend bekannt, ist mit großem Geschick nachgeahmt; dieses Urbild muß man kennen und im Auge behalten, dann erscheint selbst das, was unkundigen Lesern wie sinnloser Schwall klingt, als ein köstliches Charakterbild eines der ersten Dunze der Zeit. Wir können aber, indem wir hier die ganze Epistel aufnehmen, manches, was allzubreit oder allzuderb ist, ohne Schaden für das Gesammtverständniß weglassen.
[339]

»Harmonie im Aufruhr: ein Brief an Friedrich Händel, Esquire, Meister des Opernhauses in Haymarket, von Hurlothrumbo Johnson, Esquire, außerordentlichem Componisten aller Theater in Großbritannien, das in Haymarket ausgenommen. In welchem die Rechte und Verdienste beider Opern unparteilich betrachtet werden.


Wundervoller Herr!


Die aufsteigenden Flammen meines Ehrgeizes haben lange nach der Ehre gelechzt, eine kleine Unterredung mit Ihnen zu halten; aber erwägend die fast unübersteigliche Schwierigkeit Ihrer habhaft zu werden, bedachte ich bei mir, ein Brieflein, wie es Kite an Swift losließ, möchte Sie am ehesten treffen und sich zu Ihrer Wohnung aufschwingen, obgleich in den höchsten Wolken gelegen; denn alle Welt weiß, ich kann Sie überreichen, fliegen Sie so hoch Sie wollen.

Doch alle einleitenden Complimente bei Seite gelegt, lassen Sie uns zur Sache kommen. Sie müssen denn wissen, daß Ihre Vorgesetzten mir erzählt und zu verstehen gegeben haben, wie Sie letzthin verdammt insolent, kühn, anmaßend, verwegen und noch tausend schlechtere Dinge gewesen sind – Wissen Sie, was die Einzelheiten anlangt, auf Einzelheiten lassen wir uns garnicht ein; denn man sieht sie als große Geheimnisse an; denn Ihre Feinde sind sehr weise, verdammt schlau und scharfsichtig; durchtrieben scharfsichtig einige von ihnen und schreckliche Starrköpfe, meiner Treu; so Sie zu Ihrem eignen Schaden finden werden bevor diese Saison aus ist, wenngleich auf Kosten ihres halben Grundbesitzes.

Sag' an, Du ergötzliche musikalische Maschine, wie hast Du wagen dürfen die brüllenden Löwen und wilden Füchse der britischen Nation aufzuwecken; welche, bewegte sie nicht Mitleid, Dein ganzes Da sein in Atome zerreißen könnten so klein wie der hundertste Theil einer halben Note im Allegrotakt; welche von Deinem Körper Viertel und von Deiner Seele Sechzehntel machen, und mit dem mächtigen Schnauben ihrer Nüstern deine Existenz in die unterste Hölle blasen könnten. Geh' denn hin, Du verirrter Sterblicher, wirf Dich nieder vor diesen Großherren; willige in ihre unvernünftigsten Forderungen; laß Dich von ihnen puffen und knuffen; rede doch nicht närrisch von Verdienst, Gerechtigkeit oder Ehre – und dann mögen[340] sie sich vielleicht so gnädig erweisen, Dich leben, hungern und sterben zu lassen; sonst aber ist Deine Vernichtung geschworen; Deine Feinde sind so barmherzig als weise und werden Dir nicht einen Heller werth lassen; die Macht und Weisheit der Menschen hat es also beschlossen.

Und nun als Richter citire ich Sie vor mich, und da Sie vor dem ehrenhaftesten, unparteilichsten, zahlreichsten Großgericht stehen, das jemals eine Missethat richtete, hoffe ich, Sie benehmen sich wie ein gebildeter Mann und bekennen sich in Bausch und Bogen schuldig, das spart uns viel Zeit und Mühe. Aber bevor Sie sich an Ihre Vertheidigung wagen, bedenken Sie mit wem Sie zu thun haben, denken Sie daran mit Zittern. Wisset, Sterblicher, daß gegen Euch verbündet sind so viele blaue, grüne und rothe L –, als hinreichen würden, Euch, Eure Sänger und Euer ganzes Orchester wie todte Maulwürfe auf die Dornenhecke zu hängen: mächtige Leute und weise Leute.... Und Sie brauchen sich wegen Ihrer Vertheidigung nicht viel Mühe zu geben, ich weiß alle Ihre Argumente bevor ich sie gehört habe. Ich weiß Sie werden zu Ihren Gunsten anführen: daß Sie bei diesem ganzen Handel in keiner Weise zu tadeln seien; sondern daß, wenn Senesino erklärt hatte, er werde England verlassen, Sie sich in Ehre verbunden erachteten, dem Contrakte gemäß zu verfahren und sich sodann nach andern Sängern umzusehen; Cuzzoni anlangend, daß Sie an dieselbe nicht dachten, nichts von ihr hofften, sie auch nicht brauchten, da Strada ihr in allen bei einer Bühnensängerin erforderlichen Vorzügen unendlich überlegen sei; und die Sänger in den unteren Stimmen und Nebenpartien betreffend, daß Sie die beste Gesellschaft verschafft hatten, die je hier war, obwohl böswillig verlassen von Montagnana, nachdem dieser einen förmlichen Contrakt unterzeichnet, daß er Ihnen noch diese ganze Saison dienen wolle, wozu Sie ihn auch noch wohl zwingen wollten, fürchteten Sie sich nicht mehr vor unserm Gerichtshofe in der Westminster-Halle, als vor zehntausend Doktoren oder zehntausend Teufeln. – Ich weiß Sie werden sagen: daß, da Sie verbunden waren diesen Winter Opern aufzuführen, Sie sich auch glaubten die Freiheit nehmen zu dürfen die Sachen in einer Weise anzuordnen, welche dem vorurtheilslosen Theile des Adels und der übrigen vornehmen Welt am meisten genüge und Ihrem eignen Nutzen und Ihrer Ehre entspreche.[341] Ich weiß Sie werden sagen: es sei Ihnen unmöglich auf die unvernünftigen und tollen Vorschläge einzugehen, welche man Ihnen gemacht habe, bei denen Sie alle Contrakte und Versprechungen verletzen, ja Ihr Vermögen riskiren müßten, bloß um phantastischen Einfällen und Malicen zu Willen zu sein. Ich weiß Sie werden sagen: daß, wenn Sie [durch Heidegger] mißleitet waren, oder nicht recht urtheilten, indem Sie einmal den Preis erhöhten, Sie dafür genügend gestraft seien, ohne daß man die Rache dafür so in die Länge zu ziehen brauche. Ich weiß Sie werden sagen: diese Unterhaltung des Oratoriums, im rechten Lichte betrachtet, verdiene einen so außerordentlichen Preis eher, als irgend ein anderes von den bis jetzt dieser Nation dargebotenen Vergnügungen, sogar die hochgefeierten Schaustellungen im Bärengarten nicht ausgeschlossen. Ich weiß Sie werden –

Aber lassen Sie mich erst darauf antworten, und auf alles in Bausch und Bogen. Und so erkläre ich denn hier feierlich auf Ehre, daß alles was Sie sagen, falsch ist, äußerst falsch, verdammt falsch, und daß Sie ein frecher Lügner sind und ein Schuft und Schurke – und wenn Sie dies noch nicht überzeugt, daß Sie im Unrecht sind – Denn in derselben Weise argumentiren auch Ihre Parteigänger in den Chokoladen- und Kaffeehäusern. Sagte ein sehr seiner Mann, den Carestino wahrscheinlich bei den Ohren gefangen hatte, zu mir eines Tags: ›Na, Herr Hurlothrumbo, ich höre Ihr seid ein großer Trabant der Oper in Lincoln's-Inn; ein schönes Nest von Sängern, wahrlich! und was die Componisten anlangt, da übertrefft Ihr die Welt. Meint Ihr nicht (sagte er), daß Senesino bei seinen jetzigen Jahren in einem Conventikel in Weibskleidern sehr schön ein Bußlied durch die Nase zwängen könnte, und Signora Celesti eine Hymne schnaufen? Madame Bertolli (sagte er) hat so wenig Kraft in ihrer unbedeutenden Stimme, als ein Schmiede-Blasebalg mit zwanzig Seitenlöchern. Euer Baß macht allerdings ein sumsendes Geräusch und könnte mit einigem Nutzen brüllen, wenn er passende Gesänge hätte; aber Signora Fagotto [Segatti] schickt nur wieder zur Schule. Und Euer Componist Porpoise (sagte er) mag trommeln und tremoliren wie's ihm gefällt, und zu einem von ihm selbst erregten Sturm präludiren; aber Ihr solltet ihn wissen lassen, daß einer schlechten[342] Nachahmung immer Leben und Geist des Originals fehlt, und daß noch ein gewaltiger Unterschied ist zwischen voller Harmonie und Lärmmachen. Ich weiß (sagte er) Ihr hegt große Erwartungen von dem Spiel des Königs von Arragonien [Arrigoni, Lautenspieler]; aber dieser Bummelcomponist (sagte er), ein einfältiger Cantaten-Flicker, muß in einer Oper eine höchst armselige Figur machen, obgleich er letzten Winter so ekel war, daß er nicht zugeben wollte, Händel könne componiren, noch Senesino singen. Durch welche Künste er jetzt dahin gebracht ist, den Castraten für den ersten Sänger der Welt auszurufen, kann ich nicht wissen; aber verlaßt Euch auf Sr. Majestät nicht allzu sehr (sagte er)‹ – – Doch hier konnte ich es nicht länger ertragen und verließ das Haus. Aber das nebenbei; gehen wir zu Ihrem Rechtshandel über.


[Vor dem Großgericht.]


Ausrufer. O he, – o he, – o he! – Dies zur Nachricht allen Directoren der Opern, Vorstehern der Schauspielhäuser, allen Patentirten mit und ohne Patent, Componisten, Spielern, und andern Meistern so weder componiren noch spielen, allen Tanzmeistern, Directoren der Puppentheater, Präsidenten der Bärengärten, allen Seiltänzern, insonderheit allen Kennern der Musik und Andern –: auf daß sie jetzt erscheinen und ihre verschiedenen Klagen produciren gegen den Gefangenen hier auf der Anklagebank, damit er ohne Säumen gerichtet werden kann.

Gerichtshof. Friedrich Händel, hebt Eure Hand auf. Wisset, Ihr seid hier vor uns gebracht, um Euch zu verantworten wegen der folgenden Criminalvergehen und Missethaten, die Ihr an dem Willen und Verstande insonderheit dieser Stadt begangen habet, zur Aufstörung des Friedens unseres souveränen Herrn, welcher ist die Mobility23 von Großbritannien: Worüber Euch wahr und redlich[343] verantworten zu wollen, Ihr schwören müßt bei den beiden Opern von Ariadne, das ist zu sagen bei dem Kukuk [Porpora] und der Nachtigall [Händel].

Imprimis, Ihr seid beschuldigt, uns nun schon zwanzig Jahre lang behext zu haben, und wir wissen noch nicht, wann diese Verzauberung enden wird, wenn man nicht bei Zeiten Vorkehrungen trifft; gleichfalls bedroht Ihr uns im ganzen Gebiete des Haymarket mit einer gänzlichen Zerstörung unserer vorigen Freiheit und einer absoluten Dictatur in Eurer Person.

Zweitens, Ihr habt Euch unverschämter Weise unterfangen, uns gute Musik und gesunde Harmonie zu geben, wo wir schlechte wünschten und nöthig hatten, zur großen Unterstützung Eurer Opern, und zum Ruin unserer getreuen Bundsgenossen, der Professoren der schlechten Musik.

Drittens, Ihr habt höchst verrätherisch und übermüthig Euch die unumschränkte Gewalt angemaßt uns zu vergnügen, ob wir wollten oder nicht; und seid oft so kühn gewesen uns zu ergötzen, wenn wir fest entschlossen waren übler Laune zu sein.

Außer diesen können wir zu passender Zeit oder Zeiten produciren und vorbringen 550 Artikel von geringerer Beweiskraft, die jedoch im Ganzen die Sache als starken und vielfältigen Verrath erscheinen lassen werden – – Was sagt Ihr, seid Ihr schuldig der besagten Anklage oder nicht?

Angeklagter. Schuldig der gesammten Anklage.

Gerichtshof. Wir wußten, es müsse so sein. Puh, es konnte nicht anders sein – Doch um für Euer williges Geständniß unsere Milde zu zeigen, soll Euch gestattet sein eine Rede zu halten, aber benehmt Euch weise dabei.

Angeklagter. Höchstedle, hochwohlgeborne und überaus eccellente –

[344] Gerichtshof. Nur weiter, Schurke –

Angeklagter. Ich bin ganz verwirrt, mich vor eine so erlauchte Versammlung der weisesten Häupter der Nation gestellt zu sehen, und als ein Missethäter zu erscheinen, wo ich, obwohl der vorgebrachten Anklage mich schuldig fühlend, dennoch an irgend einem Verbrechen so unschuldig bin, als unwissend hinsichtlich irgend einer gegründeten Anklage. Worin habe ich denn eigentlich gefehlt?

Gerichtshof. Worin? Du – –, willst Du Ehre, Verstand und Gewalt des Gerichts angreifen? Worin Du gefehlt hast? unvergleichliche Kühnheit, diese Frage, nachdem wir gesagt hatten, Du hast gefehlt! So ein Schurke! Und man kann es sogar logisch beweisen –: Kein Mann wird auf die Anklagebank gesetzt, der nicht schuldig ist; Du bist hier auf die Bank gesetzt: ergo. Wirf ihn wieder in's Loch, Wärter, bis sein Urtheil gefällt ist.24


[Schluß der Gerichtsverhandlung.]


Nun, Herr Händel, diese Behandlung mag Ihnen hart vorkommen. Aber um Ihnen zu beweisen, auf wie schwachen Füßen Ihre Ansprüche stehen wegen Leitung einer Oper, so will ich mit fünfundzwanzig guten Gründen erhärten, daß Sie gar kein Componist sind.

Zunächst denn, Herr, haben Sie einen Grad erhalten? Puh! ha, ha, ha! Sind Sie ein Doktor, Herr? Aaah! Ein schöner Componist, wahrlich, und kein Graduirter! Die Doktoren Puschpin [Pepusch] und Blau [Greene] lachen über Sie und weigern sich mit Ihnen umzugehen; und mich haben sie versichert, es sei kaum zu sagen, wie viel besser sie componirten, nachdem ihnen das Hütlein aufgesetzt worden.

Zweitens, weiß ich, Sie haben niemals den Euclid gelesen, und sind ein erklärter Feind all der alten Tonarten, Formeln und hergebrachten Systeme der Musik, und weigern sich diesen Regeln unterthan zu sein oder Ihren Genius dadurch einzwängen zu lassen:[345] O Du Gothe und Vandale aller richtigen Klangverbindung! Wir könnten ebenso wohl Nachtigallen und Kanarienvögel hinter die Scene bringen und die wilden Naturopern von ihnen aufführen lassen, als zugeben, daß Sie ein Componist sind. Ein geschickter Zimmermann mit Regel und Zollstock wird im Componiren ja weiter kommen, Du vollendete Unregelmäßigkeit!

Drittens, Herr, habe ich von einigen Ihrer besten Freunde selbst gehört, daß Sie eines Sonntags in einer Landkirche im Psalmensingen schöne Schnitzer gemacht und den Küster und die ganze Versammlung aus dem Ton gebracht haben, zu nicht geringer Bestürzung des Hirten und seiner Heerde; stelle es also kundigen Richtern anheim, ob ein Ignorant im ländlichen Psalmensingen ein Componist von Oratorien sein kann.

Viertens, so können Sie auch nicht tanzen! Ein Componist, und nicht einmal eine Cheshire-Hornpipe tanzen! unglaublich! Und ich habe es doch [als Lord Flame in Hurlothrumbo] vor einer ebenso zahlreichen als gebildeten Versammlung gezeigt, daß die Schönheit der Composition und die Gewalt des Genius darin liegen, daß man zur selben Zeit singen, tanzen und fideln kann...

Aber mein fünfter Grund, der allein muß genügen Ihre Unfähigkeit zu zeigen; denn Ihren blinden Anhängern möge es hiermit gesagt sein, daß Sie, bei Gott, Musik gemacht haben, wie kein Mensch vor Ihnen gethan hat, und, denke ich, wie es auch Niemandem nach Ihnen wieder in den Kopf kommen wird zu componiren.

Meine zwanzig übrigen Gründe sind voll so stark wie diese, aber mein Verleger sagt, er kann für zwölf Pence nicht mehr Gründe geben; und diese sind denn für die Verständigen auch schon genügend. Um aber Ihre Sachen so aus- und aufführen zu können, wie Sie gethan haben, beweise ich Ihnen und Ihren Freunden, daß Sie nicht als ein Componist, sondern als ein Zauberer dabei verfahren sind – ja, Herr, als ein Zauberer sage ich, schneiden Sie ein so grimmiges Gesicht wie Sie wollen; und Ihr ganzes Verdienst soll hier in wahren Farben gezeigt werden als nicht in der Tonkunst, sondern in der Schwarzkunst begründet.

Der religiöse Theil Ihrer Zuhörer mußte aus manchen Anzeichen[346] schon lange schließen, daß Sie alle unsere Sinne berückten. Es war kein Buchstabe in Ihren Theaterzetteln, in dem nicht Magie steckte; und wenn irgendwo ein Gequike Ihrer Fiedeln oder das Getute Ihrer Hörner zu hören war, he! wir spitzten gleich die Ohren; und dahin tanzte die ganze Stadt, holter polter, wie der Straßenpöbel hinter einem tollen Stier, schiebend, pressend und quetschend, und glücklich fühlten sich die welche zu Tode gequetscht wurden. Die Todten haben Sie aufstehen lassen, und alle Helden alter und neuer Zeit, von Theseus bis Orlando furioso, haben Sie in Dienst genommen, Ihre Schlachten für Sie auszufechten; Sie können Teufel beschwören und Geister aus der Luft hernieder ziehen, uns zu behexen. So wenn einmal ein anderer Componist [Bononcini] höflich und nett eine geduldige, verlassene, ländliche Prinzessin [Griselda] vorführt uns zu belehren: plötzlich steht da einer Ihrer verdammten Ritter Alexander oder Julius Cäsar, erschreckt höchst unmenschlich die arme Dame so, daß sie alle Fassung verliert, und legt den Componisten mit einem Schlage platt auf den Rücken. So etwas sollte in einem halbwegs christlichen Lande nicht geduldet werden! Nein, was noch ärger ist und von unsern frommen hochwürdigen Bischöfen wohl beachtet werden sollte, wenn Sie uns einen christlichen Helden vorstellen, einen Rinald oder Amadis, so bringen Sie immer heidnische Hexerei mit hinein; ja, solche Gewalt hatten Sie über uns erlangt, daß, obwohl wir beständig andere Componisten als die ersten Meister der Welt ausriefen, und Ihnen nicht erlauben wollten auch nur einen Takt erträglicher Musik producirt zu haben, wir doch nie die Aufführungen jener großen Meister besuchten, sondern nolens volens man weiß nicht wie in Ihre Häuser gehext wurden; und hätten wir unsere Weiber und Tochter durch Schloß und Riegel vor Ihrer höllischen Gewalt zu bewahren gesucht, sie wären durch Schlüssellöcher und Schornsteine doch zu Ihnen gekommen. Wenn das nicht heißt durch Hexerei getrieben werden, so weiß ich nicht was Hexerei ist. Verlor einmal der Zauber Ihrer Oper durch zu häufige Wiederholung seine Kraft, fort gingen der Teufel und Sie und arbeiteten unter einer andern Maske, und dann kam heraus ein Oratorium oder eine Serenata; und eben wenn unser Verstand anfing sich einigermaßen zu erholen, plötzlich war alles wieder so verrückt wie vorher; und juchhe![347] fort ging's wie die Hexen auf Besenstielen zu den nächtlichen Gelagen des Fürsten der Finsterniß. Wenn das nicht grauseliche Hexerei ist – – Und haben Sie nicht noch für diese Saison einen Erzfreund aus Italien geholt, einen Carestino, – sind Sie nicht mit einer notorischen Hexe verbündet, einer Strada, – haben Sie zudem nicht die ganze Familie Negri herüber gebracht als Magier, Sirenen, Teufel und sonstige Diener der Finsterniß, um Ihre schwarzen Absichten in's Werk zu setzen? Damit aber unwissende, wohldenkende Menschen nicht länger von Ihnen besessen werden, oder gar die Musik nur für ein harmloses Vergnügen ansehen, sei ihnen zur Erwägung gegeben, daß von jeher nichts mehr das Hexenwerk gefördert hat, denn Musik. Stets wurde sie in alter und neuer Zeit verwandt bei feierlichen Opfern, Beschwörungen von Teufeln, Aufrufungen der Geister aus der Erde, oder aus der Luft hernieder; ja, Beelzebub selbst macht einen großen Gebrauch davon und ziert seine Nachtfeste beständig mit Opern, Symphonien, Concerten und Madrigalen in der Luft, und er hat, fürchte ich, Ihnen nur zu oft hülfreiche Hand geliehen! Aber das kluge Unternehmen der Oper in Lincoln's-Inn-Fields, hoffe ich, soll jetzt Ihren Zauber brechen; obwohl wahre Musik durch Sie einen Stoß erhalten hat, von welchem sie sich vielleicht niemals erholen wird: und wenn das Gesetz für Verbrennung von Hexen und Beschwörern noch in voller Kraft bestünde, so weiß ich Jemand, den wir bald auf den von seinen Werken gebildeten Scheiterhaufen peitschen wollten, und der hier wie ein Schwan zu seinen eignen Melodien sterben sollte.

Doch um Sie zu verwunden, wo Sie sich gerade am sichersten fühlen: Ihre Partei giebt mit einem weisen Ansehen Ihrer aller Erstaunen darüber zu erkennen, daß die Lords, so gewichtige Mitglieder der Oberbehörde für Gesetz und Recht, Zeit und Geld verschwenden um ein Opernhaus zum Ruin des andern zu unterhalten, ohne irgend einen vernünftigen Grund dafür zu haben oder anzugeben; und das im jetzigen kritischen Augenblicke, wo ihre Thätigkeit für die schwierige Lage des Landes von unendlichem Nutzen sein könnte. – Herrlich gesprochen, mächtig weise! ja Ihr versteht es! Eben weil Ihre Insolenz einen so unvergleichlichen Grad von Kühnheit erreicht hatte, daß die Nation dadurch mit Ruin bedroht wurde, standen diese[348] Mächtigen, wie treuen Patrioten geziemt, dagegen auf und wagten Leben und Vermögen, um uns zu retten.

Vielleicht gefällt Ihnen zu fragen: ›Wie konnte das alles bewirkt werden durch ein so unschuldiges Vergnügen wie eine Oper ist?‹ Wie, Du Esel! wodurch konnte es wohl leichter bewirkt werden, als eben durch die Oper? durch diese Quelle von Ausgaben, Luxus, Faulheit, Ueppigkeit und Entnervung und dergleichen, durch eine verdammte Sippschaft von italienischen Quikern und Fiedlern? Auch gab es kein anderes Mittel, Ihre Oper zu ruiniren, als die Eröffnung einer andern Quelle von Ausgaben, Luxus, Faulheit, Ueppigkeit und Entnervung und dergleichen; und sehr weise war das auch, wissen Sie, damit nicht der ganze Plunder einer reichen Nation Ihnen allein zufalle, sondern einige unserer durch Klugheit und Patriotismus ausgezeichnetsten Männer auch etwas davon erhielten. Denn da eine Oper schon für so sehr lästig gehalten wurde und so vielen Anlaß bot zu gerechten Klagen, so gab es keinen besseren Weg, uns ihren Druck und unsere Mißgriffe empfinden zu lassen, als indem man noch eine zweite daneben errichtete.

Auch sind es diese Männer nicht allein, welche Sie zu verschlingen trachten; die ganze musikalische Welt ist gegen Sie verbündet. Der König von Arragonien schwört, Ihnen fehle das Sanfte; Signor Porpoise findet Sie ungenügend im Rauhen; Herr Honeycomb [Holcombe] versichert, daß er mit Ihren Arien nichts zu machen wisse und daß dieses Zeug allein für die Kehle eines Carestino und einer Strada gut genug sein möge; Herr Gaynote meint, Sie producirten nichts Zärtliches, nämlich so etwas um die Damen zu fangen; Dr. Pepusch sagt, Sie seien kein Mathematiker; und Dr. Blau behauptet rundweg in allen Gesellschaften, daß Ihnen Geist und Erfindung gänzlich fehle. Ja, ich kann einen italienischen Edelmann von anerkanntem Musikverständniß namhaft machen, welcher mich versicherte, daß Sie nicht mehr von der Harmonie verstehen, als er vom Glückspiel. Es ist wahr, nach seinem Betragen seit kurzem muß man ihn zu den Unsern zählen; doch das thut er nur so zu seinem Vergnügen; denn um seine Unparteilichkeit zu zeigen, hat er sich oft herbei gelassen, Ihnen Winke zu Ihrem Vortheil zu geben. Hat er Sie doch sogar einmal bei Little Pontack's neben der St. Martinskirche[349] zum Essen eingeladen und Ihnen dabei ein Project mitgetheilt, welches von unendlichem Nutzen für Sie hätte werden können; aber obwohl er nichts dafür verlangte, als die Bezahlung seines Mittagstisches und einen Platz auf Ihrer Gallerie, so haben Sie den Plan in Ihrer Einfalt und Ihrem trotzigen Dünkel dennoch verworfen. Und jene unermüdliche Gesellschaft [die Akademie für alte Musik], die Tapper nach der antiken Musik und Summer von Madrigalen, diese werden schon ohnmächtig vom bloßen Anblick moderner Stücke, besonders von Ihrer Composition, ausgenommen die Sätze ihres verehrungswürdigen Präsidenten [Pepusch], dessen Werke mit der regelrechten Gravität der Alten eine so erstaunliche Aehnlichkeit haben, daß, wenn man sie mit Spinnweb umzöge und mit Staub puderte, die philharmonischen Spinnen auf ihnen und in ihnen wohnen könnten bis in alle Ewigkeit.

Aber wenn diese Beweisführungen Sie noch nicht zum Stillschweigen bringen, so schlage ich Sie in Ihrer eignen Weise, nämlich mit einer – Cantate, deren Worte ich aus dem italienischen Original des unvergleichlichen dramatischen Poeten Rowley Powley [Paoli Rolli] in unsern Geschmack übersetzt habe: ›Das triumphirende Lincoln's-Inn-Fields. Eine Cantate zu der Melodie: Willkommen, Johanna Saunderson. Recitativ: Willkommen, süßer Porpora, an Britannia's Küste, Ariadne ist jetzt –‹ u.s.w. So sehen Sie, daß es uns weder an Worten noch an Musik gebricht; und bevor noch diese Saison zu Ende geht, werden wir ein Oratorium aufsetzen, da sollen Ihnen die Haare zu Berge stehen; und entschlossen bin Ich (wenn's kein anderer thun will), auf meine Kosten Bücher und Meister der Schwarzkunst herbei zu schaffen, und dann wollen wir Beschwörer gegen Beschwörer und Teufel gegen Teufel mit Ihnen spielen, bis zum Ende des Kapitels.

– Doch nun, Herr Händel, nachdem ich Ihnen einen Gesang gesungen habe, erlauben Sie mir Ihnen auch noch eine Geschichte zu erzählen. Sie müssen denn wissen, daß ich einmal nach der Welt im Monde (England) reiste; wie ich dahin kam, thut nichts zur Sache. Meine Profession und meine Fähigkeit wurde bald bekannt, da es unmöglich ist, daß ein außerordentliches Genie der Spürkraft dieses Volkes verborgen bleibt, besonders in der Tonkunst, von welcher sie[350] sich einbilden die größten Liebhaber und Kenner zu sein; aber unter uns gesagt (doch halten Sie das sorgfältig geheim), bei den meisten Bewohnern des Mondlandes sind die Ohren so weit nach unten placirt, daß sie häufig darauf sitzen.

Jedoch die glänzenden Strahlen meines Talentes verschafften mir sofort die Gnade des Hofes und der Großen des Reichs, die alle von der Neuheit und Vorzüglichkeit meiner Compositionen entzückt waren, in Folge dessen ich zum Hauptcomponisten ihrer Opern ernannt wurde. Und eine gleiche Stellung würde ich in ihren Hofcapellen und öffentlichen Kirchen eingenommen haben, wenn die Gesetze des Landes mich als Fremden nicht davon ausgeschlossen hätten. Doch bei allen feierlichen Gelegenheiten waren sie genöthigt ihre religiöse Musik von mir zu beziehen, obschon sämmtliche Musik für den gewöhnlichen Kirchendienst von Klotzköpfen geschrieben und aufgeführt wurde, die Eingeborne waren; denn auf Grund verschiedener Gesetze beanspruchen sie ein Erbrecht, die Stellen in ihren Tempeln nur mit den Thoren ihres eignen Landes zu besetzen. Weil aber Leute von Geschmack in der Veranstaltung irgend eines Vergnügens gewöhnlich viel genauer und gewissenhafter zu sein pflegen, als Leute vom Kirchenwesen, so waren jene für ihre Opern auch keineswegs mit derselben eingebornen Musik zufrieden, sondern suchten sich für eine erstaunliche Summe Geldes Sänger und Spieler von dem Königreiche auf der Sonne [Italien] und von verschiedenen andern Ländern auf den Fixsternen zu verschaffen.

Eminentes Verdienst in irgend einer Sache ruft den Neid hervor. In der That, meine Erfolge verschafften mir manchen Rivalen; die Mondkälber (denen nichts mehr zuwider ist, als durch irgend einen Gegenstand zu lange ergötzt zu werden, und die nur wegen ihrer Unbeständigkeit bemerkenswerth sind) machten Projecte für diese und bildeten Parteien gegen mich, immer so, daß es mehr aus Haß gegen mich, als aus Liebe zu meinen Gegnern geschah. Aber die Compositionen dieser Rivalen fielen so verächtlich aus, daß, wenn wir stritten, immer der Tag mein war; meine Feinde sahen das, erkannten mir den Preis zu, aber blieben meine Feinde.

So schaltete ich mehrere Jahre lang fast absolut im Reiche der Musik, beinah ungestört, abgerechnet die Bewegungen einiger Unzufriedenen[351] aus einem andern Feldlager [die Bettler-Opern], welche entweder die gänzliche Zerstörung der Tonkunst wünschten, oder völlig von Spleen und politischem Parteiwesen besessen waren, und überhaupt nicht wußten was sie wollten. Ich war außerordentlich beliebt bei Hofe, die Mitglieder der königl. Familie, allen Künsten und Wissenschaften hold, waren nicht nur Liebhaber, sondern auch vollkommne Kenner der Musik, ganz besonders die herrliche Prinzessin Urania [Anna], welche meine Schülerin war und solche Fortschritte machte, daß es mir fast wunderbar vorkam; denn aus bloßem Vergnügen erreichte sie einen Grad von Kunstfertigkeit, welcher sonst nur hochbegabten Künstlern erlangbar ist. Diese Gunst machte nichts besser, sondern erwarb mir vielmehr neue Feinde; und die ganze Heerschaar derselben von seinen Herren und Damen (völlig ungehalten, daß ich ihnen keine Musik gab, in der sie Fehler finden konnten) verbündete sich endlich zur Aufrichtung einer besonderen Oper, wo sie so viele schlechte Musik hören könnten, als ihr Herz sich nur wünschte. Sie beriefen Componisten, welche sich niemals im Mondlande durften blicken lassen, als jetzt unter ihrem Banner; warben abgenutzte Sänger an mit einem alten, notorisch habsüchtigen Gelderino [Senesino] an ihrer Spitze; brachten auch eine große Subscription zu Stande, in welche sie durch allerlei schlechte Mittel die jungen Menschen ihrer Bekanntschaft hinein zu ziehen wußten. Die heftigsten unter ihnen und ihre Parteiführer waren der Herzog von Buffalo, der Herzog von Trinkalo, der Marquis Besitzlos, Graf Verschwender, Graf Dickkopf, Baron v. Tollhund und der Chevalier Plattschnäuz. Gingen sie doch so weit, zu verstehen zu geben, daß sie Unterstützungen empfingen von des Königs ältestem Sohne [dem Prinzen v. Wales], der sie doch nur zum besten hatte.

Ich hatte dazumal eine überaus vorzügliche Gesellschaft von Sängern, besonders Angelo Carrioli [Carestini] und Cöleste Vocale [Strada], über deren musikalische Bildung, Kunsturtheil und wundervollen Vortrag alle Unparteiischen erstaunt waren. Meine Opponenten mußten zu den unwürdigsten Mitteln greifen, um sich zu halten und mir zu schaden; nicht nur entführten sie mir einen tüchtigen Sänger, sondern ruinirten mir auch durch schändliche Ränke an dem ersten Abend einer neuen Oper zwei vorzügliche Monstra, die schon[352] seit längerer Zeit für die Bühne abgerichtet waren; glücklicherweise hatte ich noch mehr derartige Ungeheuer in einer andern Höhle, wenn gleich nicht so geschickte.25

Sie eröffneten ihre musikalischen Farcen das erste Mal vor einer zahlreichen Versammlung, die die Neugierde dahin getrieben hatte; ihr Succeß bestand in einem gefüllten Hause diesen einen Abend, aber Applaus war niemals. Das Publikum verließ sie plötzlich, und sie suchten es durch die schimpflichsten Mittel wieder zu erlangen. Eine zeitlang spielte ich ganz gelinde mit diesen Gründlingen und hielt bei ihren mitleidswürdigen Anstrengungen meinen Kopf gut über Wasser. Doch dann kam ich über sie mit einer neuen Oper von meiner Composition [Ariadne], welche mir Gewinn und der Stad: Vergnügen brachte; die Schwäche der Gegner lag nun jedermann vor Augen, sie waren geschlagen und ich triumphirte.

Ich hätte von jetzt an ungestört das ganze Reich der Harmonie auf dem Monde regieren können.... Aber empört über die unwürdige Behandlung, welche mir von Menschen zu Theil wurde, für die ich zwanzig Jahre lang unablässig gearbeitet, die ich so lange mit meinen Kunstwerken geehrt und vergnügt hatte, entschloß ich mich das Land zu verlassen. Demnach, sobald mein Contrakt [mit Heidegger] für die laufende Saison (1733–34) zu Ende war, miethete ich ein großes Luftschiff und ging mit meinen Hauptsängern und Instrumentisten nach dem Königreich auf der Sonne zurück, wo ich der höchsten Gunst genoß, nicht gedruckt durch die Großen, noch belästigt durch ohnmächtige Angriffe eifersüchtiger Kunstgenossen. Dort verweilte ich mehrere Jahre, geehrt und geliebt, beladen mit Ruhm und Reichthum. Doch die angeborne Liebe zu meinem Heimathslande [Deutschland] konnte durch all dieses nicht gemindert werden; und hier jetzt glücklich wieder angelangt, hoffe ich den Rest meiner Tage in einer Geistesheiterkeit zu verleben, von welcher meine geistlosen Gegner keinen Begriff haben werden.

Nun, Herr Händel, was denken Sie von meiner Geschichte? oder wie gefällt Ihnen meine Reise nach dem Monde? – Wenn Sie[353] in diesem kurzen Abriß von einem Theile meines Lebens einiges finden sollten, was Ihnen für Ihr künftiges Benehmen zur Richtschnur dienen könnte, so werden Sie durch Beobachtung desselben mich zu Ihrem Freunde machen und sich als einen weisen Mann zeigen.

Um aber auf den Gegenstand der ersten Hälfte meines Briefes zurück zu kommen, so meine ich es sehr klar gezeigt zu haben, daß Sie äußerst im Unrecht sind, oder sonst jemand anders; und darin sind wohl alle einig, selbst die hitzigsten Parteigänger beider Seiten, daß es zur wahren Unterhaltung des Hofes und der vornehmen Welt durchaus nothwendig ist, Mittel zu ersinnen, wodurch Eins von den beiden Opernhäusern hell in die Luft gesprengt wird mit allem was darin ist.

Da Sie einige Ursache haben, diesen Vorschlag zu fürchten, so können Sie sich wenigstens nicht mit Unwissenheit entschuldigen, oder daß Sie nicht rechtzeitig gewarnt sind von,


Wundervoller Herr!

Ihrem, wie Sie es verdienen,

Hurlothrumbo Johnson.«26

Von meiner Wohnung in

Moorfelds-Palast, 12.

Februar 1733 [1734].


Aus dem ganzen Briefe geht deutlich hervor, daß er völlig unabhängig von Händel entstand. Besonders ist der Schluß ein treuer Spiegel der Gesinnungsart Arbuthnot's, aber Händel'scher Weise durchaus unähnlich. Händel wußte, daß der Genius der Kunst seinen Erwählten nur dann das höchste Gelingen sichert, wenn sie in aller Mühsal ausharren; der humoristische, gutherzige Arbuthnot wußte das nicht, er war nie im Feuer gewesen. Nicht der hochgebildete Kunstfreund, sondern der große Künstler war in diesem Falle der erfahrenere. Händel hatte sich, wie kein anderer, gesonnt in der musikalischen Fülle und Schönheit Italiens, aber zu einer Zeit wo diese[354] seiner eignen Jugend noch verwandt war; nachdem jenes bedeutende, wenn auch nicht zum Höchsten aufstrebende Kunstleben zu Anfang des Jahrhunderts sich zu dem nüchternen Kirchensatze Marcello's und der leeren tändelnden Opern-Bravourmusik der Neuneapolitaner abgeklärt hatte, wäre ihm der Besuch der Ottoboni'schen Akademie eine Plage, Ruspoli's Kunsthalle ein Gefängniß gewesen. Dagegen hatte in England die bessere Tonkunst bereits so tiefe Wurzeln gefaßt, daß der knabenhafte Uebermuth eines rohen und leichtfertigen Adels sie wohl zerzausen, ihre Zweige im Sturm zur Erde beugen, aber sie nicht mehr von Grund aus zerstören konnte. Ist doch dieses erbitterte Widerstreben im letzten Grunde nur ein Beweis von der ungeheuren, das innerste Leben der Zeit bewegenden Macht, über welche die Musik hier gebot; und man muß nicht meinen, daß die musikalische Tollhitze des damaligen England das Aufkommen und Durchdringen Händel'scher Tonwerke ebenso sehr, oder gar noch mehr erschwerte, als es die Gleichgültigkeit des jetzigen England gethan haben würde.

Arbuthnot's Rath, nach Italien zu gehen, war zwar zunächst nur eine Verspottung der Weisheit, die Hurlothrumbo bei dem Mißgeschicke Bononcini's kundgab (s. S. 300), doch traf hier seine eigne Ansicht von dem Maaße des Guten, welches seine Landsleute in Masse zu verstehen und aufzunehmen fähig seien, mit der des Hurlothrumbo wunderlich zusammen. Diese Streitschrift war der letzte Liebesdienst, welchen er seinem Freunde Händel erzeigte, denn er starb schon im folgenden Jahre, und damit schloß sich auch für den Musiker der glänzende Kreis künstlerischer und geistreicher Menschen, welche sich in den letzten Jahren namentlich an der Tafel des Herzogs von Queensberry versammelten.27 Arbuthnot war selber Musiker und[355] versuchte sich in früheren Jahren sogar im Kirchensatze; aber Händel's Erscheinung verleidete ihm das Componiren, um ihn durch Kunstgenuß hundertfach zu entschädigen. Sein Wohlwollen dehnte er auf alles aus, was mit Händel nah und fern zusammen hing. So erzählen die Familiennachrichten von dem jungen Schmidt: »Es war ein großes Glück für Schmidt, daß er mit Dr. Arbuthnot bekannt wurde, welcher sich gegen ihn wie ein Vater benahm und durch Rath und That zur Erhaltung seines Lebens beitrug. Achtzehn Jahre alt [um 1730], hatte er durch beständiges Studiren seine Gesundheit so sehr geschwächt, daß Dr. Mead ihn für schwindsüchtig erklärte. Arbuthnot war der Meinung, Ruhe und Veränderung der Luft könne ihn vielleicht noch wieder herstellen; und da er ein Haus in Highgate besaß, lud er ihn ein, dort in gesunder Lage den Sommer zuzubringen. Der Doktor sagte ihm, er werde sicherlich ein Opfer seines Fleißes werden, wenn er sich nicht schone; und obwohl er ihm ein Pferd lieh, erlaubte er ihm doch nicht nach London zu reiten, damit er nicht wie der in die Arbeitswuth gerathe. Durch diese gütige Fürsorge erstarkte seine Gesundheit bald soweit, daß er im Stande war, seine musikalische Profession fortzusetzen. So machte der Arzt auch hier Pope's Lobspruch wahr, er verstehe seine Wissenschaft aber nicht das Geldmachen (he knows his art, but not his trade). Bei Dr. Arbuthnot sah Schmidt häufig Swift, Pope, Gay und Congreve, eine vortreffliche Gesellschaft zur Bildung eines jungen Mannes. Er bemerkte, daß sie niemals sich darauf spitzten, weise Sentenzen und Witze zuwege zu bringen, sondern die Unterhaltung über allgemein anziehende Gegenstände verbreiteten, wobei Geist und Wissenschaft sich ohne Prunksucht zeigen konnten.«28

Seit der Herausgabe des Sendschreibens von Hurlothrumbo verschlimmerten sich Händel's Umstände mit jedem Tage; es scheint, daß die bittere Satire die Junkerpartei zur äußersten Kraftanstrengung reizte. Farinelli kam in's Land, und der Schwindel mit ihm war in vollem Gange, als Arbuthnot nach langer Krankheit am[356] 27. Februar 1735 verschied.29 Er starb, schreibt Pulteney an Swift, des Lebens satt und müde, die Bosheit der Menschen betrauernd. John Barber, Rathsherr der Londoner Altstadt und Mitstreiter Pulteney's, äußert gegen Swift: »Unser Freund der Doktor, fürchte ich, hat sich nicht so in Acht genommen, wie er hätte sollen. Man sagt mir, er war ein großer Epikuräer und verweigerte sich nichts. Möglich, daß er das Spiel nicht der Lichter werth hielt.«30 Aber Barber wurde dies schwerlich erwähnt haben, wenn er als Kraftsmannianer und Jakobit sich nicht durch Arbuthnot's letzte Schrift verwundet gefühlt hätte. Uebrigens liegt die Annahme sehr nahe, daß der Lieblingsarzt der Königin Anna in gastronomischer Beziehung Händel's Lehrmeister war. Ein sorgloser leichtlebiger Sinn und eine gewisse Geringschätzung des menschlichen Geschlechts war ihm eigen. Schon im Jahre 1714 hatte er das, was er »seine Theorie der menschlichen Tugend« nannte, ziemlich vollständig ausgebildet; edel spricht er diese in seinem letzten Briefe an Swift also aus: »Den Weg der Tugend und Ehre zu verlassen, dieser Welt wegen, das ist diese Welt nicht werth.«31 Er sah nur einzelne Gute in dem großen verkommenen und fast unverbesserlichen Ganzen, und Freundschaft war ihm der einzige Schutz vor dem selbstsüchtigen Ungeheuer, Mensch genannt. Seinen Freunden blieb er auch unvergeßlich. Erasmus Lewis, ebenfalls ein Freund aus den Tagen der Königin Anna, schrieb noch 1737 an Swift: »Ich beklage den Verlust von Dr. Arbuthnot jede Stunde des Tages; er war das beste Geschöpf das jemals athmete, und das liebenswürdigste.«32 Als Schriftsteller kommt er Swift's Weise näher als irgend ein anderer. Pope's poetische »Epistel an Dr. Arbuthnot«, 1734 erschienen, ist ein herrlicher Erguß innigster Geistesgemeinschaft, und ein bleibendes Ehrendenkmal für beide. Als Bewunderer und seiner Kenner der Tonkunst hatte Arbuthnot unter den Zeitgenossen kaum seines gleichen; und er war, seit ihm,[357] Händel nahe trat, ein unbarmherziger Spötter aller musikalischen Erzeugnisse seiner Landsleute, aller vierschrötigen Alterthümlichkeit, aller regelrechten Pedanterie, und aller Flachheit und schalen Kunstwütherei des neueren Italien. Das »Händel über alles« hatte er sich in enthusiastischer Uebertreibung zu einem »Händel und nichts weiter« ausgebildet.

Zu der königl. Vermählungsfeier führte Händel am 13. März die Serenata »Parnasso in Festa« auf, worüber schon oben S. 319 berichtet wurde. Fast wichtiger als die Hochzeitsmusik ist uns hier die Hochzeit selber und was an Hofgeschichten daran hängt. Prinzessin Anna, ihren Geschwistern an Geist, Charakter und Kenntnissen überlegen, war der Stolz ihrer Eltern; jedermann hielt sie des größten Thrones würdig, aber als sie heranwuchs, zeigte sich bald, daß in dieser Hinsicht nur wenig für sie zu hoffen war. Im Sommer 1733, als eine Aussöhnung zwischen den verschwägerten englischen und preußischen Höfen stattfand, hoffte man eine Wechselheirath werde zu Stande kommen zwischen Friedrich (dem Großen) und Anna, und zwischen dem Prinzen von Wales und der ältesten preußischen Prinzessin, der späteren Gräfin von Baireuth; doch die Beschränktheit und Charakterlosigkeit der Väter und die Intriguen östreichischer und französischer Diplomaten vereitelten einen Plan, dessen Ausführung auch für Händel's Leben von bedeutenden Folgen gewesen wäre. Darauf war zur Zeit in ganz Europa kein heirathsfähiger protestantischer Fürst, als der Prinz von Oranien, ein kleiner Souverän von abschreckendem Aeußern, dessen Jahreseinnahme nach Abzug der Schulden £ 12,000 betrug. »Es war also hier« – sagt Lord Hervey, der vertraute Kammerherr der Königin, dessen Denkwürdigkeiten eine fast unanständig rücksichtslose Erzählung dieser Vorgänge enthalten – »für die Prinzessin nur die Wahl, ob sie diesem Stück Mißgestalt aus Holland angetraut werden, oder als eine im königl. Kloster zu St. James eingemauerte alte Jungfer sterben wollte.« Eine große Schönheit war sie freilich auch nicht; sie war schon damals, gleich ihrer Mutter, ein gut Theil zu stark, auch hatten die Blattern auf ihrem sonst ausdrucksvollen und edlen Gesichte einige Spuren zurück gelassen; aber sie war geistreich, herzensgut, sehr gebildet und in ihrem Benehmen prunklos einfach. Heirathen wollte[358] sie allerdings, wie sie ihrem Vater sagte, unter allen Umständen; denn sie hegte die hochfliegende Hoffnung, der Streit ihres Bruders mit den Eltern werde sich bis zu seiner Ausschließung von der Thronfolge steigern und dadurch ihr oder ihren Nachkommen den englischen Thron sichern; und einen Tag Königin von England sein zu können, erklärte sie (ganz im Geiste ihrer Mutter und ihrer berühmten Urgroßmutter) der Dahingabe ihres ganzen übrigen Lebens werth. Als der Prinz zum Herbst '33 nach England herüber gekommen und, von vielen Gaffern umgeben, vom Hofe aber mit kaum gewöhnlicher Höflichkeit empfangen, in Somerset-House abgestiegen war, wurde Lord Hervey mit Complimenten zu ihm gesandt. Bei seiner Zurückkunft rief ihn die Königin sofort in ihre Gemächer –: »Nun, Hervey, auf was für eine Art von Unthier (what sort of hideous animal) muß ich mich denn da gefaßt machen?« – »O, Majestät, es ist gar so schlimm nicht, wie ich's mir vorgestellt hatte; zwar ist er kein Adonis, nichts weniger als das, sein Körper ist so schlecht wie möglich, aber sein Ansehen ist keineswegs unangenehm und seine Kleidung ist nobel. Ich denke aber, unsre Prinzeß muß doch bei der Geschichte nicht wenig in Aengsten sein.« – »O, da sind Sie sehr auf dem Holzwege; sie sitzt auf ihrem Zimmer am Clavier und hat Opernvolk [Händel und Strada wahrscheinlich] bei sich, und ist diesen Nachmittag so ruhig wie ich sie nur jemals zuvor gesehen habe.« So benahm sie sich zu Aller Erstaunen auch fernerhin. Der Prinz wird krank, die Trauung, zuerst auf den Krönungstag des Königs, den 11. October, dann auf den Geburtstag der Prinzessin, den 22. October, gesetzt, muß auf Monate hinaus geschoben werden, ihr Bräutigam wird vom Hofe vernachlässigt: sie zeigt überall denselben Gleichmuth, dasselbe Gesicht, sie, die sonst von allem Neuen in Bewegung gesetzt wurde und der eigentlich nichts gleichgültig sein konnte.

Endlich am 14. März '34 war die Hochzeit. Der König ließ sich den Pomp etwas kosten; hätte ihm sein Kind am Herzen gelegen, sagt Hervey, so würde er ihr dies lieber zur Aussteuer gegeben haben. Ueber das öffentliche Zubettegehen der Neuvermählten setzte die Königin sodann ihre erbaulichen Betrachtungen fort, und auch die Schwestern der Prinzessin sprachen mit Schrecken von dem Monstrum; aber Anna selbst behandelte den Gemahl mit zartester Aufmerksamkeit. Ihr Bruder,[359] der Prinz von Wales, benutzte die Heirath zu neuen Feindseligkeiten gegen sie; er war schon darüber ungehalten, daß sie, doch erst zwei Jahre nach ihm geboren, schon vor ihm heirathen dürfe, und sprach darüber gegen jeden der es hören mochte. Hervey erzählt weiter: »Eine andere und ebenso gerechte Ursache seiner Feindschaft war die, daß sie Händel begünstigte, einen deutschen Musiker und Componisten (der ihr Singmeister gewesen war und jetzt als Impressario eine der Opern leitete), gegen welchen verschiedene vom Adel, die ihm bösgesinnt waren, eine andere Person [Senesino] aufgestellt hatten, um ihn zu ruiniren; oder, um mich richtiger und genauer auszudrücken, der Prinz setzte sich beim Beginn der Feindschaft mit seiner Schwester selbst an die Spitze der andern Oper, um seine Schwester zu ärgern, deren Stolz und Leidenschaften ebenso stark waren als die seinigen (nur daß sein Verstand gegen den ihrigen um so viel schwächer war), und die so wenig Widerspruch ertragen konnte, als ihr Vater. Was ich hier erzähle, mag als kindische Kleinigkeit erscheinen; aber wenn auch die Ursache eine solche Kleinigkeit war, die Wirkungen davon waren keine Kleinigkeiten mehr. Der König und die Königin nahmen es mit diesem Gegenstande so ernst, wie ihr Sohn und ihre Tochter, obwohl sie die Klugheit hatten es zu verbergen, oder sich wenigstens bemühten es etwas mehr zu verbergen, als ihre Kinder. Sie waren beide Händelianer und saßen beständig frierend in seiner leeren Haymarket-Oper, während der Prinz mit allen Häuptern des Adels ebenso beständig zu jener nach Lincoln's-Inn-Fields hinzog. Der Handel wurde so ernsthaft, wie jener der Grünen und Blauen unter Justinian zu Constantinopel; ein Anti-Händelianer wurde geradezu als ein Anti-Königlicher (anti-courtier) angesehen; und im Parlament gegen den Hof stimmen war kaum gefährlicher oder eine unverzeihlichere Sünde, als gegen Händel sprechen oder die Lincoln's-Inn-Fields- Oper besuchen. Die Kronprinzessin sagte, sie werde wohl in kurzem erleben, daß das halbe Haus der Lords, mit Staatskleidern und Kronen angethan, in ihrem Opernorchester spiele. Und der König – obwohl er erklärte, er nehme in dieser Angelegenheit keine weitere Partei, als daß er jährlich. £ 1000 für Händel's Oper subscribire – fügte oft hinzu, daß er es nicht als eine für vornehme Leute sehr ehrenhafte Beschäftigung ansehen[360] könne, sich an die Spitze einer Partei von Musikanten (fiddlers) zu stellen; noch den Ruin eines armen Menschen für einen so edlen und gutherzigen Zweck, daß den Unternehmern daraus viel Ehre erwachsen werde; sondern daß er dafür halte, sie hätten um so mehr Ursache sich dessen zu schämen, je mehr ihnen ihr Vorhaben gelingen sollte. Die Kronprinzessin zankte mit dem Hofmarschall, weil er auch bei dieser Gelegenheit wieder seine gewöhnliche laxe Neutralität beobachtete; und von Lord Delaware, einem der Hauptanführer gegen Händel, sprach sie mit solcher Heftigkeit, als ob er an der Spitze jener holländischen Partei gestanden hätte, welche damals nicht zugeben wollte, daß ihr Gemahl Statthalter der Niederlande wurde.« Der Hofmarschall nämlich, welchem herkömmlich das Recht zustand, den Schauspiel- und Opernhäusern Concessionen zu ertheilen und zu entziehen, sollte nach der Meinung der Prinzessin von seinem Rechte hier Gebrauch ma chen und nicht die Errichtung einer zweiten italienischen Oper dulden, wo bisher die eine Gesellschaft nur mit Mühe bestanden hatte. Weil zudem die gehässigsten persönlichen Zwecke jedem als die eigentliche Triebfeder dieser neuen Unternehmung bekannt waren, so konnte ein Verbot niemals gerechtfertigter erscheinen, als in diesem Falle. Aber der Herzog von Grafton war nicht der Mann, seine adligen Freunde mit dem Maaße bürgerlicher Gerechtigkeit zu messen, und wir wollen einer solchen Erledigung, so einfach gerecht sie auch gewesen wäre, doch hier in Händel's Falle nicht weiter das Wort reden. Bürgerliche Gerechtigkeit ist für Alle, das heißt für gewöhnliche Leute oder für alles was den gewöhnlichen Weg einhält; wer darüber hinaus geht, muß sein Recht und seine Befriedigung in sich haben, und muß bereit sein von dem Treiben der gewöhnlichen Menschen Unterdrückung zu leiden. Was Andern als ihr Recht gewährt wird, fällt ihm nur zu Zeiten als Gnade zu; er muß sich mit Verehrung und Ungerechtigkeit begnügen. Der Große muß leiden: dies ist so förderlich für seine unsterblichen Hervorbringungen und so heilsam für die Besserung des großen Ganzen, daß Trägheit, Haß und Neid der beschränkten Menge, indem sie einem überragenden Geiste die gewöhnliche Straßengerechtigkeit versagen, wider Willen die Vorsehung spielen.

Am 22. April reiste das neue Paar nach Holland ab, und dadurch[361] wurde es in der wunderlichen Königsfamilie zu St. James etwas ruhiger. »Niemals gab es einen melancholischeren Abschied, als zwischen der Prinzessin und all den Ihrigen, – den Bruder ausgenommen, der überhaupt keinen Abschied von ihr nahm und den Prinzen von Oranien ersuchte, ihr zu sagen, er unterlasse solches nur, weil er fürchte sie würde zu sehr dadurch bewegt werden. Ihr Vater gab ihr tausend Küsse und ein Schauer von Thränen, aber keine einzige Guinee. Ihre Mutter hörte niemals auf zu jammern drei Tage lang; aber nach drei Wochen (die Posttage ausgenommen) schien Ihre Königl. Hoheit so gründlich vergessen zu sein, als wenn sie schon drei Jahre begraben gewesen wäre.«33

Händel's Verhältniß zu dem englischen Hofe erscheint nach diesen Mittheilungen in einem ganz neuen Lichte. Hofgunst war damals ein gefährliches Geschenk, wo der Hof selber so außerordentlich unbeliebt war, daß man jede Gelegenheit ergriff ihm solches zu beweisen. Nur wenn man alle diese Umstände zusammen rechnet, erklärt sich ein volles Haus bei einer leeren Oper, und ein leeres bei der reichsten und schönsten Musik die damals in irgend einem Theater zu hören war. Bis zu der Zeit, wo Arbuthnot schrieb, erfreute sich übrigens Händel's Oper eines recht guten Besuches; und hätte die Vermählung nach anfänglicher Bestimmung fünf Monate früher stattgefunden, so würde der Zank der königl. Geschwister von selber aufgehört und damit die Musik Raum gefunden haben sich ruhiger zu entfalten und wenigstens eher zu erfahren, auf wie viele vorurtheilslose Besucher sie überhaupt noch rechnen durfte. Die Bewunderung, welche Carestini erregte, war so allgemein, daß sogar die Pamphletisten dadurch in Bewegung gesetzt wurden34; Senesino konnte sich selbst unter den jetzigen günstigen Umständen nicht mehr gegen ihn behaupten.

Händel wollte seinen Zuhörern in dieser Saison noch etwas,[362] Neues bieten; und da er nicht in der Verfassung war, eine ganz neue Oper schreiben zu können, machte er sich an die Umarbeitung seines Pastor Fido vom Jahre 1712.


Pastor Fido. 1734.

Das Werk wurde jetzt am 18. Mai '34 zuerst gegeben. Die Ankündigungen verheißen Chore und einen besonders schönen scenischen Aufschmuck: »intermixed with Chorus's; the Scenery after a particular manner.« Es fanden noch in diesem Jahrlaufe vierzehn Aufführungen desselben statt. Die neuen Zusätze halten dem aus dem einfachen Pastoral von 1712 Entlehnten ungefähr die Waage, und das Ganze ist eine reiche, anziehende theatralische Musik, obwohl keine solche, die uns Gelegenheit gäbe zu Bemerkungen, welche andere Werke Händel's aus dieser Zeit nicht ebenso gut oder besser darboten; eine früher (I, 379) in Aussicht gestellte eingehende Analyse der Oper würde daher hier, wo uns die Masse des nothwendig zu Besprechenden fast erdrückt, nur den Raum beschränken.35

Prinzessin Anna setzte in Holland (Friesland) ihre englische Weise ziemlich ungestört fort. »Sie führte ein einsames Leben mit Musik und Büchern, und fand für das Verlassen Englands keinen andern Trost, als die Aussicht bald dahin zurück zu kehren.«36 Solches war ihr schon nach zehn Wochen gestattet. Händel kündigte am 29. Juni den Pastor Fido als »letzte Aufführung« an, mußte aber für seine am 2. Juli angekommene Schülerin das Werk noch drei mal, nämlich am dritten, sechsten und funfzehnten Juli, wiederholen.

Bei der Prinzessin, welche den Sommer über in England blieb, fand er vollste, herzlichste Theilnahme; es that ihr weh, den sonst heiteren, scherzhaften Mann so schweigsam und gedrückt einhergehen zu sehen, und sie war unermüdlich ihm helfende Freunde zu verschaffen. Freilich zeigten sich hier ihre Worte so unvermögend wie ihre Mittel. Am 21. October reiste sie nach dem Haag zurück. Lord Hervey ge leitet sie zum Wagen. Mit Thränen im Auge bittet sie ihn[363] um fleißige Briefe über alles, was am elterlichen Hofe Bemerkenswerthes vorfalle, ohne etwas weiter zu nennen; nur dieses führt Hervey an (man kann es nicht ohne Rührung lesen): »Sie hatte Händel und seine Oper so sehr am Herzen, daß sie selbst in diesen höchst traurigen Augenblicken so viel von ihm sprach, wie nur von etwas anderem, und mich ersuchte, ihm doch mit der äußersten Bereitwilligkeit zu Hülfe zu kommen.«37 Daß er ihr das Versprechen gab, hält er nicht einmal der Mühe werth zu sagen, da es sich in seinem Sinne ganz ebenso von selbst verstand, wie dies, daß er für Händel nie einen Finger rührte. Es ist derselbe geistreiche, schöne, eitle, freigeistige, grundsatzlose Mann und Liebling des Hofes, den Pope als »Sporus« in der Epistel an Arbuthnot gebrandmarkt hat.

Händel durfte sich auf eine solche Schülerin schon etwas zu gute thun. Musikalische Bildung war damals unter den Fürsten viel allgemeiner verbreitet als jetzt, und sehr viele von ihnen hatten im Singen und Spielen einen hohen Grad von Kunstfertigkeit erlangt. Der Gröningische Organist Lustig meint aber, wer nur recht begreife, was Händel in der musikalischen Harmonie voraus gehabt habe, selbst vor Fux und andern berühmten Harmonikern und Lehrern fürstlicher Personen, der werde nicht zweifeln, daß er, mit dem vollen Gespann seiner Kunst an's Werk gehend, den erhabenen Geist der Prinzessin zu höheren Dingen bringen konnte, als andere; und Händel selber habe ihm 1734 in London gestanden, nur dieser Prinzessin mit ganzer Luft seine Unterweisung zugewendet zu haben.38 Daß er[364] überhaupt nur sie allein unterrichtete, kann Händel nicht wohl zu Lustig gesagt haben, da u.a. auch Melusina von Schulenburg (seit 1733 mit dem berühmten Grafen Chesterfield vermählt) ausdrücklich seine Schülerin genannt wird (S. 17), wie sie ihm auch stets in anhänglicher Verehrung zugethan blieb. Die jüngeren Prinzessinnen des königl. Hauses hatte er ebenfalls zu unterrichten; einige der in der dritten Sammlung unserer Ausgabe (Lief. II) gedruckten Clavierstücke sind eigens für die Prinzessin Caroline geschrieben. Seine »einzige« Schülerin bleibt Anna aber dennoch, da nur sie allein nebst dem geistigen Verständniß die volle Liebe und Ausdauer besaß, um an seiner Hand eine reine grundmäßige Bildung in dieser Kunst zu erlangen. Hervey sagt auch ganz richtig, Händel sei ihr Singmeister gewesen; und wir wissen von Andern, daß sie sehr gut singen lernte. Hätte Mattheson dies gewußt, so würde er für die Fehler der Händel'schen Werke (die er nicht kannte) vielleicht eine andere Ursache heraus gesucht haben, als seinen Mangel in der Singekunst. Ihre Hauptstärke in der ausübenden Musik hatte die Prinzessin aber, wie Händel selber, im Generalbaß, nämlich in der Begleitung der Gesangwerke auf Grund des einfachen Basses. Die Fertigkeit, welche sie hierin besaß und unter Händel's Leitung in den Hofconcerten oft erprobt hatte, machte bei ihren Musikabenden in Holland die Mitwirkung eines Capellmeisters überflüssig. Der genannte Lustig erzählt: »Anna, Hendels eintzige Music-Schülerin, war im Singen und insbesondere im Generalbaß ungemein stark; pflegte bey gefunden, vergnügten Tagen jeden Abend ein öffentliches zwostündiges Concert zu halten.«39 Das Technische der Fugenkunst war ihr ebenfalls völlig geläufig; sie legte fremden Künstlern Fugen-Themata vor und prüfte ihre Organisten selber. Die Musik war ihr lebenslang eine Quelle der Freude und des Trostes bei dem Fehlschlagen fast aller ihrer Hoffnungen auf Herrschaft und großen weltlichen Besitz. Fux, Porpora, Quanz, Kirnberger und Andere haben ebenfalls berühmte fürstliche Dilettanten gezogen; aber was wir diesen gegenüber hier besonders hervorheben müssen, und worin man sogleich eine Wirkung[365] des eigenthümlich Händel'schen Geistes erkennt, ist dieses, daß er seine Schülerin nicht zu einer Thätigkeit anregte, auf welche noch immer alle Musiklehrer an Fürstenhöfen hingearbeitet haben, weil sie so sehr geeignet ist die Eitelkeit zu befriedigen: nämlich zum Componiren, – obwohl Prinzessin Anna im Technischen dieser Kunst wahrscheinlich allen fürstlichen Componisten und Componistinnen ihrer Zeit überlegen war. So entschieden also wußte er auch als Musiklehrer im Königshause die Würde des schaffenden Künstlers zu wahren und sein Gebiet vor den Uebergriffen der Eitelkeit und einer bloß erlernten Bildung sicher zu stellen.


Zweiter Jahrlauf. 1734–35.


Der Ablauf der vorigen Saison löste auch Händel's Verbindung mit Heidegger, und er verließ ein Theater, von welchem aus er vierzehn Jahre lang die musikalischen Angelegenheiten im Großen geleitet hatte. Heidegger vermiethete Haymarket sofort an die Gegenoper, während Händel mit John Rich (S. 202) in Verbindung trat, um in dessen Theater seine Opern abwechselnd mit den Schauspielen aufzuführen. Aus einem Briefe an den Baron Wyndham Knatchbull ersieht man, daß spätestens Ende August sein Plan für den folgenden Winter feststand. Soeben von einem Ausfluge in's Land nach London zurück gekehrt, schreibt er, finde er sich durch seine Einladung geehrt, die er leider nicht annehmen könne, weil die in Gemeinschaft mit Rich aufzuführenden Opern schon jetzt seine volle Thätigkeit beanspruchten. Der kleine Brief lautet wörtlich:


»Sir


At my arrival in Town from the Country, I found my self honored of your kind invitation.

I am sorry that by the situation of my affairs I see my self deprived of receiving that pleasure being engaged with Mr. Rich to carry on the Operas in Covent Garden.

I hope at your return to Town, Sir, I shall make up this loss.

[366] Meanwhile I beg you to be persuaded of the sincere respect with which

I am

Sir

your

most obedient and most humble

Servant

George Frideric Handel.


To Sir Wyndham Knatchbull, Bart.,

of Mersham le Hatch near

Ashford, Kent.«40


Coventgarden war erst seit kurzem eröffnet; es wurde von Rich im Jahre 1731 zu bauen angefangen. »Wie wir hören – schreibt eine Zeitung – wird das neue Theater, welches in Coventgarden errichtet werden soll, nach dem Muster des Opernhauses in Haymarket angelegt werden und dem angenommenen Grundrisse zufolge dasselbe an Pracht und Großartigkeit der Structur noch übertreffen.«41 Es lag dem Adel ferner, aber den mittleren Ständen näher, als Haymarket; auch die Preise (101/2, 5, 3 und 2 Shilling) waren schon etwas bürgerlicher. Rich's Zweck war, ein Universaltheater zu gründen, in welchem alle Arten theatralischer Spiele zur Darstellung gelangen konnten. Die ersten Jahre waren seinem Unternehmen sehr ungünstig; unter andern Umständen hätte die Verbindung zwischen ihm und Händel bedeutende Folgen haben können.

Die Opernvorstellungen nahmen schon am 5. October '34 ihren Anfang, aber nicht in Coventgarden, sondern in Lincoln's-Inn-Fields.42 Dies wird hauptsächlich deßhalb geschehen sein, weil Prinzessin Anna noch einige Opern hören wollte, und die Zurichtungen in Coventgarden nicht so früh beschafft werden konnten. Aufgeführt wurden Ariadne und Pastor Fido. Der letzte eröffnete sodann am 9. November auch die Vorstellungen in Coventgarden. Zur Einweihung[367] des Hauses wurde als Prolog ein Tanzspiel hinzu gefügt, genannt


Terpsichore. 1734.

Eine Zeitung vom 8. November schreibt: »Herr Händel eröffnet morgen in Coventgarden mit der Oper Pastor Fido, welcher eine neue dramatisch-musikalische Vorstellung vorausgehen wird; die [öffentliche] Probe war heute um Zwölf.«43 Die Anzeigen geben diesem Vorspiele den Namen Terpsichore, im Textbuche ist es einfach als Prologo bezeichnet. Es ist ein, wenn auch unbedeutendes, doch selbständiges Werk, Apoll einführend, welcher herbei kommt, um die hier errichtete neue Akademie (nuovo museo) in Augenschein zu nehmen, seine Zeit aber nur damit hinbringt, daß er Terpsichore zum Tanze auffordert und von ihr zu verschiedenen Melodien verschiedene Liebesleidenschaften ausdrücken läßt. Diese Art des Prologs wählte man, weil Rich für dergleichen in Madlle Sallé eine sehr beliebte Tänzerin hatte. Es waren ihre bekanntencharactères de l'amour, welche sie hier zu Händel's Musik vorführte. Ein Chor beschließt dieses aus verschiedenen Tänzen und Gesängen bestehende Spiel. Auch im Pastor Fido und überhaupt in allen Opern für Coventgarden ist die Tanzkunst zur Mitwirkung herbei gezogen.

Die neue, am 18. Dec. '34 zuerst gegebene Oper Orestes war vielleicht ebenfalls mit Rücksicht auf die anzubringenden Tänze gewählt. Sie ist von Händel, aber wesentlich nur aus seinen vorigen Werken gezogen mit Hinzufügung einiger neuen Sätze, insofern also kein originales Werk. Um möglichsten Zusammenhang herzustellen, unterzog er sich der Mühe, die ganze Partitur44 selbst zu schreiben, und die Zeitungen erzählen uns, daß die Oper bei Anwesenheit des Hofes mit bedeutendem Beifalle gegeben wurde.45 Sie erlebte indeß als ein bloßer Lückenbüßer nur wenige Aufführungen. Doch ein,[368] Hauptwerk für diese Saison war seit längerer Zeit fertig und die Probe dazu in vollem Gange.


Ariodante. 1734.

Die Zeit, in welcher Ariodante entstand, ist sehr vollständig und genau angegeben. Vor der Ouvertüre steht: »August. 12. 1734 | angefangen.« Der erste Akt ist unterzeichnet: »Agost 28: 1734.« Der zweite: »Fine dell Atto 2do li 9 di Settembre 1734.« Und der letzte: »Fine dell Opera Octobr 24. 1734.« Händel hat also diesmal, im Vergleich mit seiner sonstigen Art, ziemlich langsam gearbeitet und mehr als zehn Wochen zur Anfertigung der ganzen Oper bedurft. Die Composition ist ihm auch vorzüglich gerathen.

Die erste der zwölf diesjährigen Aufführungen fand am 8. Januar '35 statt. Den Text schrieb Dr. Antonio Salvi für Pratolino und Florenz 1709 unter dem Titel Ginevra. Im Jahre 1716 gelangte er mit Pollaroli's Musik als Ariodante in Venedig zur Aufführung, im Jahre 1733 ebendaselbst, aber auf einem andern Theater zu neuer Musik und mit Beibehaltung des ursprünglichen Titels. Diese letztere Aufführung wird Händel zunächst zur Composition des Textes angeregt haben. Die romantische Geschichte von der schottischen Königin Ginevra hat der Poet aus Ariosti's Orlando furioso genommen.

Die Musik hebt sich stellenweis höher, als in Ariadne, und ist von einer im italienischen Sinne einheitlicheren Handlung getragen. Reizend ist die perlende Melodie zu Anfang »Vezzi, lusinghe«, von Strada gesungen, und der bald folgende Gesang für Miß Cäcilia Young »Apri le luci«, einfach und sangbar wie eine Ballade, in welchen aber doch, wie in alle volksliedartigen Sätze Händel's, die seine Arienkunst hinein gearbeitet ist. Die Cavatine »Quì d'amor« für Carestini (Ariodante) ist ein wahrer Leckerbissen, wie auch das anscheinend so einfache Duett welches ihr folgt »Prendi da questo mano.« Sätze solcher Art, in ihrem Baue näher untersucht, überraschen uns stets durch die feinsten contrapunktischen Bildungen. Eine solche erscheint in der Mitte des Duettes da, wo Ariodante sein Thema in der Quinte von Adur beginnt und in Fismoll schließt, worauf Ginevra (Strada) die Antwort in der Quinte von Ddur anhebt und[369] zu Hmoll aufsteigt. Dergleichen, sich lediglich nach dem musikalischen Gedanken richtend und nicht unter allgemeine Regeln zu befassen, gehört zu den schwierigsten musikalischen Erzeugnissen und liefert ein Beispiel jener Mustergültigkeit, die nach inneren Gesetzen gebildet ist, aber nicht nachgeahmt werden kann. Das zweite Duett am Schlusse des ersten Aktes ist ein Tanzlied, welches der Chor aufgreift und weiter aussingt und austanzt; Händel'sche Lebendigkeit und Heiterkeit waltet überall.

Noch viele der übrigen Gesänge zeichnen sich aus durch Kraft und Pracht der Melodien, durch reichen Tonwechsel, durch eine bewundernswerth seine und mannigfaltige Begleitung. Alles dieses vereint der kleinste derselben, das Largo in Dmoll »Io ti bacio« von zwölf Takten im dritten Akte, ein Stück erster Klasse, ein vollendetes Muster eines wirklich bescheidenen, tiefen Gesanges. Die Anlage ist überraschend originell. Der Baß schlägt die ersten vier Töne vor, schweigt dann aber, um dem Gesange Platz zu machen, welcher dieselben Töne, von Violinen im Einklange pianissimo begleitet, in anderer Lage wiederholt; im vierten Takte treten plötzlich alle vier Begleitstimmen hinzu. Der erste Theil zählt sieben, der zweite fünf Takte; im Bau ist es also eine vollständige Arie. Kein Componist in der Welt hat je in einem Sologesange von zwölf Takten soviel gesagt.

Von einer ausführlicheren Zergliederung aller Hauptschönheiten dieser Oper müssen wir wieder absehen; es würde uns zu sehr in die Breite führen. Und kurze Lobsprüche ohne Begründung sind wenig am Orte, so lange die Werke fast keinem der Leser vorliegen, allen aber die unterschätzende Meinung über Händel's Opern noch geläufig ist.

Händel erhob sich unmittelbar darauf zu einer noch bedeutenderen Schöpfung im Gebiete der italienischen Oper.


Alcina. 1735.

Unterzeichnet: »Fine dell' Opera | G.F. Handel | April 8 | 1735.« Die erste Aufführung war schon am 16. April, und das Werk wurde ununterbrochen achtzehn mal gegeben bis zum 2. Juli, wo die Saison schloß.

Der Text ist ebenfalls aus Orlando furioso genommen, einem[370] Grundbuche der Opernromantik. Händel's Text wurde von Antonio Marchi in Venedig gedichtet und dort mit Albinoni's Musik im Jahre 1725 zuerst aufgeführt. Während viele einer Opernvorstellung gedankenlos beiwohnten und sich um den dramatischen Inhalt nicht kümmerten oder ihn gemeinhin für sinnlos und albern erklärten – namentlich Engländer denen das Italienische und folglich auch die übertrieben heftige Körperbewegung italienischer Sänger unverständlich war –, gab es andere, welche sich die Geschichte in allen Einzelheiten sinnbildlich zurecht legten und eine schöne Moral als Kern des Ganzen heraus schälten. Einer von diesen, nachdem er einen jungen Mann bei der Vorstellung der Alcina sehr scharf über den Mangel aller italienischen Opern an Sinn und Moral hatte urtheilen hören, nahm sich die Mühe, besonders von Alcina das Gegentheil zu beweisen. », Das Gedicht von Alcina – sagt er in einem längeren Aufsatze ›zur Vertheidigung der Opern‹ – ist von dem unnachahmlichen Herrn Händel sehr schön in Musik gesetzt, und aus Orlando furioso, Buch 6 und 7, genommen. Es zeigt uns die Heftigkeit jugendlicher Leidenschaften, die uns zu unvernünftigen Dingen treiben; es zeigt, daß weder Freundesrath noch Anderer Beispiel den starrköpfigen heißen Jüngling von der Jagd nach eingebildeten flüchtigen Vergnügungen abhalten kann, was eine zu späte Reue verursacht. Der Charakter von Alcina's Schönheit und Unbeständigkeit beweist die kurze Dauer der irdischen Freuden. Rogero, der Held der Oper, angegriffen von Ungeheuern, welche die beständig auf uns einstürmenden Laster versinnbildlichen, zeigt uns durch seinen anfänglichen Widerstand die ersten Kämpfe eines tugendhaften Geistes. Und Alcina's Verwandlung in eine Mißgestalt durch den Zauberring, welchen die Hexe Melissa an Rogero gegeben hat, versinnbildlicht die Gewissensbisse erwachter Vernunft, die den lasterhaften Vergnügungen ihre gleißenden Hüllen abstreift, sie in ihrer ursprünglichen Häßlichkeit darstellt und Abscheu davor einflößt.«46

Derartige Auslegungen sind an sich unschuldig; auch muß man zugeben, daß die damaligen italienischen Opern in ihrer Gesammthaltung nichts Unmoralisches haben, namentlich die, welche Händel[371] sich auswählte. Bedenklich ist das Lob der Opern-Moralität nur, insofern demselben eine ganz falsche Ansicht vom Wesen und Zweck des Drama zu Grunde liegt, die endlich gar dahin führte, daß den dramatischen Musikspielen eine mittlere und vermittelnde, die Vorzüge von Tragödie und Komödie vereinende Stellung angewiesen wurde. Sagt doch der angeführte Opernvertheidiger, durchaus in Uebereinstimmung mit der Mehrzahl seiner Zeitgenossen, geradezu: »Die Harmonie erhält unsere Aufmerksamkeit bei der Sache, die Sprache ist verständlich und bildet die rechte Mitte zwischen dem Schwulst der Tragödie und dem niedrigen Witze der Comödie; dabei haben die Opern der italienischen Dichter köstlichere Sinnbilder, als die Theaterstücke unserer neueren Autoren.« Die Oper ist zwar als ein Mittleres zwischen Tragödie und Komödie hervor getreten, aber nicht als ein Höheres; ihr Streben wandte sich im Dramatischen durchaus seitwärts und ging in ihren höchsten Vorwürfen über alles Dramatische hinaus; es ist ihr nie gelungen und kann ihr nie gelingen, auch nur die Vorzüge von Tragödie und Komödie sich anzueignen, geschweige denn diese Dichtungsarten zu ersetzen und zu verdrängen. Auf die dramatischen Erzeugnisse der Jahre 1720–40 paßt der obige Vergleich allerdings vollständig.

Die Musik zu Alcina brachte die wenigen wahren Freunde, welche Händel noch besaß, in eine freudige Aufregung, und feuerte sie um so mehr an ihren Eifer für seine unterliegende Sache zu bethätigen, als er selber von aller Reclame absah und still und trotzig nur mit den Waffen seiner Kunst kämpfen wollte. Am Tage der ersten Aufführung bemerkt eine Zeitung: »Ihre MM. beabsichtigen heute Abend die Oper in Covent-Garden zu besuchen, und man hört die neue Oper von Hn. Händel übertreffe alle seine derartigen Compositionen.«47 Spätere kurze Bemerkungen im Laufe der Aufführungen von Alcina bezeugen den »großen Beifall«, welcher ihr von allen zu Theil wurde, die zugegen waren und Ohren hatten zu hören.

Alcina bietet eine schöne Mannigfaltigkeit dar an Vorgängen und echt musikalischen Persönlichkeiten. Händel hat diese Vorzüge seines Textes herrlich auszubeuten verstanden, und die Gesänge wirken[372] daher hier, wie so oft bei ihm, nicht nur durch ihren Kunstgehalt, sondern auch noch durch ihre Gruppirung. In dieser Hinsicht kann man nichts Vollkommneres hören, als die vier letzten Stücke des zweiten Aktes – »Ah! mio cor«, »È un folle«, »Verdi prati«, »Ah! Ruggiero crudel« mit der anschließenden Arie »Ombre pallide« –, von denen jedes für sich ein Meisterwerk ist, und die in ihrer Stellung zu einander die vollkommensten Gegensätze bilden. Das Trio in Bdur vor dem Schlußchore wurde mit Recht sehr bewundert, gelangte auch sofort zum Druck48; den Anforderungen der fugirten Schreibweise genugthuend, erhebt es sich dennoch zu der leichten Freiheit und melodiösen Schönheit einer einfachen Arie. Ein Hauptstück der Oper ist auch die Arie »Di cor mio«, ebenfalls in Bdur, mit welcher Signora Strada als Alcina in der zweiten Scene des ersten Aktes auftritt. Händel hat seiner Lieblingssängerin besonders diesmal die Melodien in verschwenderischer Fülle zuertheilt, und Melodien von solcher Pracht und Breite, wie seine Freunde sie noch nie gehört zu haben glaubten. Dürfen wir den Lobsprüchen einsichtiger Bewunderer Glauben schenken, so entfaltete sie hier in Gesang und Darstellung eine größere Trefflichkeit, denn je zuvor, und ließ sich durch den Schwung der neuen großen Melodien höher und höher heben, dadurch erst recht als die große, für Händel so einzig geschaffene Sängerin sich bewährend.

Manche Sätze in Ariodante und Alcina, besonders die für Carestini bestimmten, sind wieder ganz in der neu-italienischen Manier geschrieben. Sie liefern die kunstvollen Gegenstücke zu den Lappalien, welche Farinelli eben damals in dem andern Hause abträllerte; aber Händel componirte sie nicht zunächst zu diesem Zwecke, sondern in,[373] Gemäßheit seines Grundsatzes, in einer Oper die volle Mannigfaltigkeit des Sologesanges zur Erscheinung zu bringen.

In der ganzen Oper Alcina ist kein einziges Duett; nach damaligen Begriffen gewiß eine sehr gewagte Neuerung, und wieder ein Beweis, daß Händel sich dem Sängerschlendrian eben dann am wenigsten fügte, wenn dieser am ärgsten war. Dagegen finden sich im ersten und dritten Akte vier Chöre, die alle in ihrer Art köstlich sind. In dem Schlußchore erscheint bei der Cadenz in Ddur ein kurzer Gang in halben Tönen, wo die Freude gleich einem electrischen Strome durch alle Glieder fliegt.

Zwischen Ariodante und Alcina, in der Fastenzeit, brachte Händel in vierzehn Concerten seine Oratorien zur Aufführung, und wählte hierzu die Mittwochen und Freitage, um mit der Gegenoper an den gewöhnlichen Operntagen, Dienstag und Sonnabend, nicht zusammen zu stoßen. So erneuerte er zunächst Esther »mit verschiedenen neuen Zusätzen, beides vocal und instrumental, wie auch mit zwei neuen Orgelconcerten«, am 5. März; Debora »mit einem neuen Orgelconcerte und dem ersten Concerte, welches bei Esther gespielt wurde«, am 26. März; und zuletzt Athalia, welche noch niemals in London aufgeführt war, ebenfalls wieder »mit einem neuen Orgelconcerte, nebst dem ersten aus Esther und dem letzten aus Debora«, am 1. April. Die Rolle des jungen Königs Joas sang jetzt ein Knabe, Namens Savage, und zwar, wie vielleicht durch Verwandte desselben in der Zeitung erzählt wurde, »mit allgemeinem Beifall.«49 Esther erlebte sechs, Debora drei, Athalia fünf Aufführungen. Mittwochs und Freitags während der Fastenzeit durften keine Vorstellungen im Theater stattfinden; Händel sah aber seine Oratorien als Ausnahme an, und man ließ ihn auch ungehindert gewähren.

Das eigentlich Neue und Bedeutende der diesjährigen Oratorien war weder die neue Bearbeitung der Esther, noch das erste Erscheinen der Athalia, sondern die Einführung der öffentlichen Orgelconcerte. Händel war der erste, welcher bei einer solchen Gelegenheit, also vollkommen frei und öffentlich, Orgelconcerte vortrug; es ist daher von Bedeutung, noch genau bestimmen zu können,[374] daß die beiden ersten Concerte dieser Art zwischen den Abtheilungen der Esther am 5. März 1735 gespielt wurden. Hawkins setzt sie schon in das Jahr 1732, und Burney behauptet, die frühesten Anzeigen derselben seien vom Jahre 1736.

In der That war eben jetzt die Zeit, wo Händel an eine derartige Steigerung seiner Tonmittel denken mußte. Alle seine Neuerungen waren Erzeugnisse des bedrängenden Augenblickes, mit denen er der Noth des Tages wehrte: daher schlugen sie auch mit voller Stärke in die Zeit ein und erlangten geschichtliche Bedeutung. Sein Haus wie sonst zu füllen, war unter den damaligen Umständen freilich unmöglich; aber wer noch nicht ganz verflacht oder durch Parteiungen verhärtet war, ließ sich doch jetzt von seinem Orgelspiele anziehen, und alle Zuhörer bezeugen einstimmig die unerklärliche und beispiellose Gewalt, welche dieses Spiel über sie ausübte. Es war nur ein Ausdruck der Stimmung Aller, die Händel auf der Orgel und Strada als Alcina gehört hatten, wenn ein Philharmoniker sang:


O sanft, ihr Lüfte, sanft bewegt

Die goldnen Flügel in den Zweigen!

Sei alles stille, was sich regt,

Und Zephyrs Flüstern selbst laß schweigen!


Ihr Lebensquellen, hemmt den Lauf

Gewohnter Thätigkeit, in vielen,

Vieltausend Strömen fließend – horcht auf!

Hört Händel, den Vollkommnen, spielen!


Von solchen Saiten sanft berührt,

Versammelt die Freude ihre Schaaren,

Durch alle Sinne herbei geführt,

Gedanken, Wünsche von vielen Jahren:


Und hier sie steh'n, und hier sie ruh'n,

Vom Zauber der Musik befangen;

Und aller Sinn für Kunst ist nun

Allein in Tonkunst aufgegangen.


Wer wollte in Entzücken nicht

Sein Ohr zu diesen Klängen neigen;

Wer wollt' nicht, wenn ein Engel spricht,

Durch Stillesein Bewundrung zeigen?
[375]

O seht, wenn er, der mächt'ge Mann,

Der Orgel Kräfte läßt ertönen:

Die Groll'nden selbst bewegt's, und dann

Mahnt tiefe Regung zum Versöhnen.


Wollt' Orpheus einst der Verse Klang

Süßtönend auf der Harf' begleiten:

Der Fels erkannte Gottes Sang,

Natur stand auf vor seinen Saiten.


Und Händel, mit gleicher Kraft begabt,

Alcina50, deiner Macht verbündet,

Zeigt daß ihr Beid' die Herrschaft habt

Im Reich der Töne fest gegründet:


Durch sie sein herrlich Lied verklärt;

Durch ihn in größ'rem Zug entfaltet,

In Melodien, nie gehört,

Womit sie hier so zaubrisch waltet!


Laßt ab denn, Stümper in der Kunst

Des großen Händel, spart die Flügel!

Ihn zu erreichen, hilft nicht Gunst

Der Lords; denn hier lenkt Er die Zügel.


Wenn Händel unser Ohr berührt,

Er thut es, wie die Schöpferhand

Ihr hehres Werk im Großen führt,

Voll Ordnung, Plan und voll Verstand.


Wenn Ihr euch an die Großthat wagt,

Zusammenhang geht ganz verloren. –

Nach solcher Schönheit, wem behagt

Das wüste Chaos dieser Thoren?


Dieses Gedicht – und das ist ein bezeichnender Umstand – wurde in einer Zeitung veröffentlicht, von welcher, als dem humoristischsatirischen Punch oder Kladderadatsch damaliger Tage, die Sprache wahrer Begeisterung eigentlich ausgeschlossen war, nämlich in dem schon genannten Grubstreet-Journal.51 Das Journal ging von,[376] Pope's Jüngern aus, es war gleichsam die Dunciade in Form einer Wochenzeitung, ein unbarmherziger Verfolger der Henley-Oratoren, der Hurlothrumbo. Poeten, der Cibber-Laureaten, der geldsüchtigen Sänger und italienischen Vagabonden, und alles dessen was am Londoner Horizonte Bemerkenswerthes auftauchte und nur irgendwie eine lächerliche Seite zeigte. Aber Händel's wird nie in Unehren darin gedacht; ein neuer Beweis, daß sein Charakter und seine Kunst von halbwegs verständigen Zeitgenossen garnicht verkannt werden konnten. Dagegen brachte Grubstreet-Journal kurze Zeit darauf ein Gedicht an Farinelli des Inhaltes: Amphion habe Städte erbaut, er[377] zerstöre sie und ziehe sie aus.52 Dieses Ausziehen wurde von dem genannten Italiener allerdings sehr systematisch betrieben.

Die Geschichte der Gegenoper war jetzt eigentlich nur noch die Geschichte Farinelli's. Cuzzoni verschwindet vollständig, nicht einmal ihre Ankunft und ihr erstes Auftreten wird der Bemerkung werth gehalten. Ebenso ist es mit Montagnana. Auch Senesino's Name wird kaum noch genannt; das war die nothwendige Folge seines Bestrebens, die Oper aus der Hand des Componisten in die des ersten Sängers hinüber zu ziehen. Er verdingte sich jetzt, wo Farinelli der Liebling des Adels war, auch an untergeordnete Concertgesellschaften, und sein Dünkel, welcher in der Oper stets fürstlichen Rang beanspruchte, ließ es zu, Gewinnes halber vor einem gemischten Publikum zu singen.53 Noch schlimmer erging es den Tonsetzern; diese sind so vollständig in den Hintergrund gedrängt, daß man die Autoren der meisten neuen Werke der Gegenoper nur auf Umwegen entdecken kann.

Farinelli, damals gegen dreißig Jahre alt, war ein Schüler von Porpora. Wie Hawkins erzählt (s. S. 332), hatte Händel im Jahre 1733 die Wahl zwischen ihm und Carestini, und wählte letzteren. Man wunderte sich später hierüber, und doch kann für einen wahren Freund Händel'scher Kunst kaum etwas einleuchtender und erfreulicher sein, als dieser »Mißgriff.« Zwischen Carestini und Farinelli lief die Linie hin, durch welche Händel sich und seine Kunst von dem italienischen Sängerthume abschied. Die Gesangkunst in italienischer Vollendung war ihm sehr theuer, ja unschätzbar, denn mit ihrer Hülfe allein hatte sich der Sologesang in wahrer Pracht und Selbständigkeit auszubilden vermocht. Die Gefahr lag aber nahe, daß die große Bedeutung, zu welcher dadurch das Kunstwerk sich steigerte, nun auch auf das ausführende Gesangorgan übertragen wurde, und der Dünkel[378] jedes Sängers that sein möglichstes, um eine solche Gefahr für die Kunst herbei zu führen. Händel kämpfte gegen dieses Gebahren wie kein anderer, und schlug es siegreich zurück so lange er es mit Sängern zu thun hatte, die den Keim einer künstlerischen Eigenthümlichkeit in sich trugen und dadurch dem Tonsetzer für die Bildung bestimmter Kunstcharaktere ergiebig und so zu sagen auf ideale Weise unterthan wurden. Ein solcher Kern fehlte bei Farinelli gänzlich. Er war im Besitz einer Stimme, deren Klangfarbe und Stärke die Hörer gefangen nahm und deren Umfang, fast über das ganze Gebiet der menschlichen Stimme sich erstreckend, Erstaunen und Bewunderung erregte. Alle Sängerkünste seiner Vorgänger hatte er sich angeeignet; die Steigerung derselben bis zu einem Grade, welcher jedem unerreichbar blieb, der nicht seine Begabung besaß, war sein eigentlicher Vorzug und die Ursache aller seiner Triumphe. Die Kunst oder das Kunstwerk ging völlig leer dabei aus. Von Darstellung und Ausdruck im künstlerischen Sinne war nicht die Rede; Farinelli drückte nichts aus, stellte nichts dar, als sich selbst; die Gesänge waren immer nur seinetwegen da, und ihr Inhalt war unveränderlich derselbe, bestehend in der sinnlichen Fülle eines schönen Klanges und in einer höchst künstlichen Handhabung der Stimme. Für seine Stellung zu der Sache war schon sein äußeres Auftreten bezeichnend, denn er trug seine dramatischen Gesänge in der regungslosen Haltung einer Statue vor, alle Bewegung seinem Kehlmechanismus allein überlassend. Farinelli hat auf keinen Tonsetzer wohlthätig oder auch nur bedeutsam anregend gewirkt, wohl aber sehr verheerend auf die Kunst im Ganzen. Eine Kunst des Tonsatzes gab es von seinem Standpunkte aus eigentlich garnicht mehr; er beschränkte sein gesammtes Material jetzt schon auf ein Dutzend Arien, und es war rein zufällig, daß er sich dieselben, und aus ihnen die Opernrollen, nicht selbst componirte, sondern dieses seinem Bruder (Carlo Broschi) oder den Herren Porpora und Hasse überließ. Der Unterschied zwischen ihm und einem wahren Sänger ist der der schönen Sinnlichkeit als Selbstzweck oder aber als Mittel zu einem höheren Zwecke; es ist der Unterschied, den der große Hause niemals merkt oder zugiebt, sobald dieser sich durch das mit überwältigender Kraft und Geschicklichkeit auftretende Schlechte hat fortreißen lassen. Wenn Grubstreet-Journal dem Farinelli das Verdienst[379] nachrühmt, zur Zerrüttung des bürgerlichen Wohlstandes beigetragen zu haben; wenn Hogarth in einem seiner lehrreichen Bilder über den Lebensgang eines Taugenichts'(Rake's progress), ein Verzeichniß derjenigen Geschenke anbringt, welche der göttliche Farinelli anzunehmen geruhte; wenn eins der krankhaftesten und albernsten Adelsweiber im Theater »Ein Gott Ein Farinelli!« ausruft; wenn sämmtliche Zeitungen sämmtliche Vorwürfe gegen Castratenwesen und italienische Musik setzt mit verstärkter Heftigkeit erneuern: so läßt sich daraus allerdings auf den geistigen Gehalt dieses Sängers ein ziemlich sicherer Schluß machen. Aber in den Gemeinplatz, Farinelli sei ohne Frage der erste Sänger seiner Zeit, stimmten auch diese Spötter willig mit ein, sie waren also von einer wirklichen Beurtheilung des Tagesgötzen noch weit entfernt; eine solche war zur Zeit nur bei Händel und bei einigen seiner Freunde zu finden.

Wie fern Farinelli der Kunst Händel's stand und wie beschränkt seine Vorbildung war, sollte schon sein erstes Auftreten bei Hofe auf eine höchst merkwürdige Weise offenbaren. Er kam Ende September in London an54, als Prinzessin Anna noch in England war. Bei Hofe vorgestellt und zum Singen aufgefordert, legte die Prinzessin ihm einige Lieblingsarien von ihrem Meister vor. Burney berichtet: »Farinelli erzählte mir auch davon, wie er zum ersten Male am Hofe Georg's des Zweiten gesungen habe, wobei ihm die königliche Prinzessin, nachmalige [damalige] Prinzessin von Oranien, mit dem Flügel begleitete, welche verlangte daß er zwei von Händel's Arien vom Blatte wegsingen sollte, die in einem Schlüssel und in einer Schreibart gesetzt waren, welcher er garnicht gewohnt war.«55 Es gehört der ganze Stumpfsinn eines Castraten dazu, um arglos erzählen zu können, daß Schlüssel (nämlich der Altschlüssel) und Schreibart ihn hinderten, Händel's Arien vom Blatte zu singen.

Dieser Sänger war nun, wie man sich ausdrückte, »die regierende Tollheit der Saison«, und seine Benefizvorstellung, welche ihm mehr[380] als £ 2500 eintrug, wird als die Glanzleistung des Winters bezeichnet. Einer aus dem meinungslosen Haufen schreibt darüber und über die Lage der beiden Opern: »Die früheren Streitigkeiten bei der Oper sind recht gut beseitigt. Sie hatten einen hohen Grad erreicht; Parteien bildeten sich, und Proteste [gegen Händel], welche selbst manche vom schönen Geschlechte zu unterschreiben gedroht hatten, waren schon fertig, als durch eine Vereinbarung mit Senesino alle erregten Leidenschaften besänftigt wurden, wie so oft vorher durch die Melodie seiner Stimme. Farinelli übertrifft alles, was wir bislang gehört haben. Auch sind wir nicht zurückhaltend mit unserer Anerkennung, denn außer den zahlreichen Geschenken, welche er von dem Adel, von den fremden Gesandten und sonstigen Personen56 empfängt und die sich auf einige Tausend Pfunde belaufen, hatte er eine Versammlung zu seinem Benefiz, größer als man sie jemals in einem englischen Theater gesehen hat; und es war eine Aufmerksamkeit, welche deutlich zeigte wie jedermann ergötzt war. Bei dem blühenden Zustande dieser Oper ist es denn kein Wunder, daß die andern Theater verfallen. Händel, dessen ausgezeichnete Compositionen so oft unser Ohr vergnügt und unser Herz bewegt haben, hat diesen Winter seine Oper mitunter vor einem fast leeren Parterre abgespielt. Vor kurzem hat er sein schönes Oratorium Esther erneuert und bei dieser Gelegenheit zwei Orgelconcerte eingelegt, die unvergleichlich sind. Aber so stark ist die Abneigung, welche man gegen ihn gefaßt hat, daß selbst diese Werke noch lange nicht im Stande gewesen sind ihm ein volles Haus zu verschaffen, obwohl an jenen Abenden keine andern öffentlichen Vergnügungen stattfanden. Sein Verlust in dieser und der vorigen Saison beläuft sich auf eine große Summe. Die komische und die tragische Muse haben kaum ein besseres Schicksal gehabt.«57 Um so besser für Händel, wenn er den Sturm in Gemeinschaft der Eingebornen auszuhalten hatte. Die englische Bühne war damals, wo Fielding in Tom Thumb dem Großen die Tragödien travestirte[381] und den »Pasquin oder Leben und Tod des gesunden Menschenverstandes« darstellte, Händel's gewiß sehr wenig würdig; aber das einzige Mittel sie zu bessern war doch, wenn die Schauspieler in dem Bestreben, dem herrschenden Geschmacke fröhnend einander an Unsinn zu überbieten, zuletzt gründlich verarmten.

Was der unkundige Briefsteller den »blühenden Zustand« der Adelsoper nannte, bestand für die Unternehmer in einem Verluste von £ 10,000. Für diesen Preis hatten sie die Genugthuung, Händel in den beiden letzten Jahren etwa um £ 9000 ärmer gemacht zu haben. Als der Streit begann, betrugen seine Ersparnisse aus früheren Jahren £ 10,000: eine Summe welche unter so ungünstigen Verhältnissen zur Erhaltung eines Londoner Theaters nur kurze Zeit zureichte. Daß Händel außerdem noch eine jährliche Pension von £ 600 bezog, ist schon im ersten Bande (S. 426) auf Grund allgemeiner Annahme mitgetheilt; aber ich bin außer Stande aus den Besoldungslisten mehr davon nachweisen zu können, als die £ 200 für den Unterricht der Prinzessinnen (S. 175): Vorsicht gebietet also, sein Jahrgeld auf diese Summe zu beschränken, bis der eigentliche Sachverhalt aus den noch nicht untersuchten Akten des Schatzmeisteramtes festgestellt ist. Mit der Uebersiedelung nach Coventgarden verschlimmerte sich Händel's äußere Lage bedeutend; denn man sah Haymarket als das rechtmäßige königliche Operntheater an, und die Gegenoper erhielt jetzt mit dem Besitze desselben anscheinend auch ein Anrecht auf die £ 1000, welche der Hof seit 1720 jährlich für seine Loge gezahlt hatte. Das Ende aller Parteinahme für Händel's große und gerechte Sache war nun, daß Haymarket ohne Umstände nach wie vor £ 1000 bezog, eine gleiche Zahlung an Händel aber erst nach persönlicher Darreichung der Oper Ariodante verwilligt wurde. »Wie man uns erzählt, machte Hr. Händel Ihren Majestäten seine Aufwartung mit seiner neuen Oper Ariodante, wobei Sr. Maj. der Composition großen Beifall schenkte und zu den Opernaufführungen in Coventgarden für diese Saison £ 1000 subscribirte.«58 Nach Malcolm hätte Händel nur £ 500 erhalten.59 Wie dem auch sei,[382] war er selbst bei dem früheren Zuschusse jetzt schon um £ 1000 übervortheilt, und der Hof, dessen Familienzwist doch zunächst die Feindschaft des rohen Theiles vom Adel gegen Händel zum Ausbruche gebracht hatte, war denn auch gleich bei dem ersten Auftreten Farinelli's (29. Oct. 1734) in aller Form Rechtens in Haymarket gegenwärtig.

Mattheson, der mitunter englische Zeitungen sah, aber von den Londoner Verhältnissen keine rechte Vorstellung hatte, las aus solchen Angaben eine große Begünstigung und eine wirksame Unterstützung Händel's heraus. Ein Clavierwerk (die Fingersprache, zwölf Fugen, erster Theil), welches er im Mai 1735 auf eigne Kosten in groß Folio erscheinen ließ, widmete er Händel und wiederholte brieflich die Bitte um baldige Einsendung seiner Lebensbeschreibung für die schon seit lange vorbereitete Ehrenpforte; »ich beklage aber sehr, daß solches noch gar nicht geschehen; sondern vielmehr, auf mein Anhalten, da ich ihm weltbekannter maassen die Fingersprache dedicirte, am 5. August 1735. folgende Antwort eingelauffen ist:«


Ȉ Londres, ce 29.de

Juillet. 1735.

Monsieur,


Il y a quelque tems, que j'ai reçu une de vos obligeantes Lettres; mais à present je vien de recevoir votre derniere, avec votre ouvrage.

Je vous en remerciè, Monsieur, & je vous assure que j'ai toute l'estime pour votre merite: je souhaiterois seulement, que mes circonstances m'etoient plus favorables, pour vous donner des marques de mon inclination à vous servir. L'ouvrage est digne de l'attention des Connoisseurs, & quant à moi, je vous rends justice. – –

Au reste, pour rammasser quelque Epoque, il m'est impossible, puisqu'une continuelle application au service de cette Cour & Noblesse me detourne de tout autre affaire. Je suis avec une consideration tresparfaite etc.


London den 29. Julius

1735

Mein Herr,


Vor einiger Zeit habe ich einen von ihren verbindlichen Briefen erhalten; aber itzo empfange ich dero letztern, mit dem Fugen-Wercke selbst.

Ich danke Ihnen, Mein Herr, und versichre sie, daß ich für dero Verdienste alle Hochachtung hege: ich wünschte nur, daß mein Zustand[383] etwas günstiger wäre, um Ihnen zu bezeugen, wie ich in der That geneigt bin, ihnen zu dienen. Dero Werck verdient die Aufmercksamkeit der Kenner, und so viel an mir ist, laß ich ihnen Recht wiederfahren. – –

Was übrigens die Sammlung meiner Lebens-Vorfälle betrifft, so ist mir unmöglich dieselbe zu bewerkstelligen, wegen der beständigen diesem Hofe und dem Adel zum Dienst gewidmeten Arbeit, die mich von aller andern abhält. Ich bin indessen mit sehr vollkommener Beträchtlichkeit etc.«60


»Ich glaube – setzt Mattheson hinzu –, er habe gedacht, daß ich etwa ein Geschenk von ihm erwartete. Aber, weit gefehlet! Man kann mich nicht besser regaliren, als wenn man dem Publico Gefälligkeiten erweiset. Inzwischen hätte ein Mann, dem ich so viel gütliches bey seinem ersten, ziemlich schwachen, Ausfluge erwiesen, dem ich auch sogar, nebst schuldigen Ehrenbezeugungen in meinen Schrifften, nicht nur das beschützte Orchester, sondern noch jüngsthin ein beträchtliches Kupfferwerck öffentlich zugeeignet, und ihm, nicht ohne Kosten, als einem hohen Kunst-Fürsten, übergesandt habe, wenigstens wo nicht mir, doch der ihn verehrenden musikalischen Welt, eine oder andre ordentliche Probe, oder nur Nachricht von seinen rühmlichen Profeßions-Geschäfften mittheilen mögen.« Etwas von seinen gedruckten Opern und Instrumentalwerken, die »alle zu verschreiben« den armen Mattheson »der hohe Preiß abgehalten« hat, hätte er ihm auch sicherlich als Gegengeschenk verehrt, wenn er nicht befürchten müssen, daß er dadurch eine nutzlose Correspondenz und das komische Verlangen nach seiner Selbstlebensbeschreibung nur noch mehr beleben würde. Mattheson sagt dann weiter: »Einmahl ging die Rede,[384] daß es, wegen der Italiäner Tücke und Verfolgung, sehr mit ihm auf die Neige gerathen wäre. Das war kurtz vor der Zeit, da er mir seine ungünstigen Umstände im Briefe anführte. Und man schrieb uns von glaubwürdiger Hand, daß, wenn sich der Königliche Beutel selbst seiner nicht angenommen hätte, welches bey Uberreichung der Partitur einer neuen Oper [Ariodante] geschehen, es vieleicht schlecht würde ausgesehen haben.«61 Er meint hiermit nichts mehr und nichts weniger, als die £ 1000 für Coventgarden, denn zur Verhütung alles Mißverständnisses verweist er auf seine kleine Generalbaßschule, wo geschrieben steht: »Der König wirfst jährlich tausend Pfund aus; dieses Jahr aber haben Seine Majestät zwey tausend, zum Unterhalt der Sing-Spiele, hergegeben.«62 Mattheson hat mit seinen Angaben, die Händel betreffen, immer ein besonderes Unglück.

Ein weiterer Verlust erwuchs Händel aus dem Abgange Carestini's, welcher sich durch Farinelli plötzlich in den Schatten gestellt sah und nach beendigter Saison England verließ. Händel war jetzt nicht in der Lage, ihm entsprechende Anerbietungen machen zu können. Nach einer Anekdote, die Burney sich erzählen ließ, wäre auch unter ihnen nicht alles friedlich abgelaufen; Carestini hätte ganz nach der Art eines italienischen Castraten auf das gepocht, was für ihn passe oder nicht passe, und wäre darob von Händel angeschnauzt worden. »Verdi prati, eine Arie in Alcina, die bei jeder Vorstellung der Oper wiederholt werden mußte, wurde anfangs von Carestini wieder an Händel zurück geschickt, als ungeeignet für ihn zu singen; worauf dieser sich hochzornig nach seiner Wohnung begab und in einer Weise, in der noch wenige Tonsetzer außer Händel einen ersten Sänger anzureden gewagt haben, ausrief: ›Sie Esel, muß ich nicht besser wissen, als Sie, was am besten für Sie zu singen ist? Wenn Sie nicht alle Gesänge singen wollen, die ich Ihnen gebe, so zahle ich keinen Heller‹.«63 Verdi prati ist derjenige Gesang der ganzen Oper, zu[385] welchem man jetzt unbedingt zuerst greifen würde, ein wundervolles Lied im Styl von Lascia ch'io pianga und an Gehalt und dramatischer Bedeutsamkeit nur diesem vergleichbar, für dessen Vertheidigung dem Autor schon ein grober Ausfall zu gute zu halten wäre. Aber verdient Burney's Erzählung hier auch vollen Glauben? Er läßt Händel in gebrochnem Englisch sprechen, Carestini verstand höchst wahrscheinlich diese Sprache noch garnicht, und gewiß ist, daß beide nie anders als italienisch oder französisch verhandelten. Damit fällt wenigstens die englische Derbheit weg; und der Nachweis, daß Burney dem Händel also unter Umständen leichtsinnig ein fehlerhaftes, ausländisch betontes Englisch andichtete, ist geeignet uns die Fassung seiner Anekdoten überhaupt etwas näher zu erklären.

Die Gegenoper suchte an Händel allseitig ihr Müthchen zu kühlen und holte deßhalb Porpora's Oratorium wieder hervor. »Wie man hört, werden im Opernhause in Haymarket große Vorbereitungen gemacht für die Erneuerung des Oratoriums von David und Bathseba, und ist noch ein Part für den berühmten Signor Farinelli hinzu componirt, um am Freitag, 28. dieses, aufgeführt zu werden.«64 Doch hiermit fielen sie elend zu Boden und ließen ab von weiteren oratorischen Versuchen.


Dritter Jahrlauf. 1735–36.


Händel war entschlossen auf dem betretenen Wege weiter zu gehen, aber über die nächsten Schritte befand er sich lange im Ungewissen. »Wer nicht mit dem persönlichen Charakter Händel's bekannt ist, wird sich wundern über seine anscheinende Tollkühnheit, so lange in einer Opposition zu verharren, welche doch nur auf seine Verarmung abzielte; aber er war ein Mann von einem entschlossenen und unerschrockenen Geiste, in keiner Weise ein Sclave geiziger und habsüchtiger Leidenschaften, und er würde nöthigenfalls noch weiter gegangen sein, als er that, anstatt sich vor denen zu beugen, die er als tief unter ihm stehend ansah.«65[386]

Um diese Zeit gewann er in Charles Jennens einen neuen Freund, der geeignet war ihm den Verlust Arbuthnot's zu ersetzen, und den die gleiche Hoffnung auf eine bessere Zeit und die Ahnung einer noch höheren Vollendung seiner Tonkunst erfüllte. Es ist möglich, daß sie schon seit Jahren bekannt waren, aber das früheste Zeichen ihrer Verbindung ist ein Brief aus diesem Sommer, in welchem Händel den Empfang eines oratorischen Gedichtes (wahrscheinlich Saul) anzeigt. Er war eben im Begriff das Bad Tunbridge zu besuchen; über seine weiteren Unternehmungen sagt er: »Für die folgende Saison ist noch kein fester Plan gemacht, aber es ist möglich, daß auf die eine oder andre Art etwas zu Stande kommt, was ich mir erlaube Ihnen sodann anzuzeigen; für die edelmüthige Theilnahme, welche Sie dieser Sache schenken, bin ich Ihnen äußerst verbunden. Die Partitur von Alcina wird für Sie abgeschrieben [von Schmidt] und Ihnen auf dem angegebenen Wege zugesandt werden.« Der Brief lautet vollständig:


»London, July 28. 1735.

Sir


I received your very agreeable Letter with the enclosed Oratorio. I am just going to Tunbridge; yet what I could read of it in haste, gave me a great deal of satisfaction. I shall have more leisure time there to read it with all the attention it deserves.

There is no certainty of any Scheme for next Season, but it is probable that something or other may be done, of which I shall take the liberty to give you notice, being extremely obliged to you for the generous concern you show upon this account.

The Opera of Alcina is a writing out, and shall be sent according to your direction. It is always a great pleasure to me if I have an opportunity to show the sincere respect with which I have the honour to be,


Sir,

your......

George Frideric Handel.«66
[387]

Es muß zuerst die Rede davon gewesen sein, daß er seine sehr angegriffene Gesundheit durch das Bad zu Aachen und eine Sommerreise in Deutschland stärken wolle, denn die Zeitungen erzählen schon im Mai: »Hr. Händel geht davon, um den Sommer in Deutschland zuzubringen, wird aber gegen Winter wieder kommen und die nächste Saison in Covent-Garden musikalische Concerte haben, aber keine Opern.«67 Die Zeitungsschreiber wußten also im Mai schon mehr, als er selber im Juli. Aus dem Briefe an Jennens geht unzweideutig hervor, daß er bis Ende Juli in London blieb und dann nicht ein deutsches, sondern ein englisches Bad besuchte.68 Die Zeitungen wiederholen im October: »Wir hören, daß Hr. Händel diesen Winter in Covent-Garden Oratorien aufführen und musikalische Concerte geben wird.«69

Das Ende des Jahres 1735 und der Anfang des folgenden bis zur Fastenzeit verging, ohne daß er sich öffentlich regte. Am 19. Februar 1736 kam er sodann mit der Ode Timotheus und Cäcilia (Alexanderfest) hervor, worüber im folgenden Kapitel zu berichten ist, und ließ Acis und Galatea und Esther mit Orgelconcerten folgen.

Dieses allein konnte ihm indeß nicht genügen, denn damit vermochte er weder bedeutende Sänger zu unterhalten, noch sich das ganze Gebiet seines früheren Reiches nach und nach wieder zu verschaffen. Daß er dasselbe wirklich nie in alter Weise wieder gewinnen, dafür aber ein viel größeres erlangen sollte, konnte er damals noch nicht deutlich sehen; aber welches auch immer das Endziel sein mochte, für alle Fälle gab es nur diesen einen Weg. Von äußeren Mitteln entblößt, konnte er jetzt in seinem Gange durch das öffentliche Leben so wenig eine feste Richtung einhalten, wie der Schiffer im sturmbewegten Meere: er mußte sich von den Wellen lenken[388] lassen und diejenige Küste zu er reichen suchen, welche zuerst vor seinen Blicken auftauchte, selbst auf die Gefahr hin an ihr zu stranden.

So ermuthigte ihn denn, sonderbar genug, die Verlobung und bevorstehende Vermählung seines bisherigen Gegners, des Prinzen von Wales, mit der Prinzessin Auguste von Sachsen-Gotha zu einer neuen Opernunternehmung. Die Anregung scheint vom Hofe ausgegangen zu sein, vielleicht gar von der gothaischen Prinzessin selber, der er aus früherer Zeit bekannt oder durch seine Schülerin empfohlen sein mochte; die Zeitungen würden sonst wohl nicht gesagt haben: »Wir hören, daß Hr. Händel einige der ersten Sänger Italiens engagirt hat, und daß dieselben zu der nächsten Woche hier erwartet werden, um acht Opern [d.i. acht Vorstellungen] zu geben für die Unterhaltung J.K. Hoheit der zukünftigen Prinzessin von Wales.«70 Einige Tage darauf heißt es: »Wir hören, daß Signor Conti, welchen man für den besten Sänger Italiens hält, von Hn. Händel veranlaßt ist herüber zu kommen und in einigen Tagen hier eintreffen wird.«71 Nach seinem ersten Auftreten wagte man, erfüllt von Farinelli's Leistungen, jedoch nur zu sagen »Signor Giacchino Conti Ghizziello erhielt einen ungewöhnlichen Beifall; und in Betracht seiner Stimme wie auch der Art seines Vortrages muß man ihn wahrlich für einen der ersten Sänger halten, welche jetzt hier anwesend sind.«72 Dies ist auch keineswegs übertrieben. Er war Sopranist und schon insofern etwas Neues für Händel. Ein anderer, ebenfalls verschriebener Sänger ließ vergebens auf sich warten; Händel war daher genöthigt (wie in der Ankündigung vom 28. April gesagt ist), Alcina bei Seite zu legen und an ihrer Statt Ariodante aufzuführen.

Bevor die Opernvorstellungen ihren Anfang nahmen, schrieb er zu der am 27. April '36 mit großem Pomp begangenen Hochzeit ein Trauungsanthem (Wedding Anthem), eine festlich glänzende, nur etwas zu leichte Composition, die von allen seinen Kirchensätzen am wenigsten kirchliches Gepräge hat. Hochzeitsbegeisterung lag ihm wohl ziemlich fern, besonders damals. Uebrigens sind auch die Hochzeitschöre[389] der altkirchlichen Meister in der Regel schwach und tändelnd. Die Aufführung ging den Zeitungen zufolge in derselben Weise vor sich, wie früher bei der Prinzessin Anna (S. 321).

Die kurze Opernsaison dauerte vom 5. Mai bis zum 9. Juni, und brachte zehn Vorstellungen zu wege (nicht acht, wie die Zeitung sagte). Nach zweimaliger Vorführung des Ariodante erschien am 12. Mai »zu Ehren der kön. Vermählung« Händel's neue Oper


Atalanta. 1736.

»Fine dell Atto 1 | April 9. 1736.« – »Fine dell Atto 2do | April 14. 1736.« – »Fine dell' Opera. G.F.H. April 22. 1736.« Diese Daten geben kaum drei Wochen für die Ausarbeitung eines Werkes, welches wieder eine Fülle schöner, wenn auch nicht hervorstechend origineller Gesänge enthält.

Eine Hauptsache der Hochzeitsoper Atalanta war natürlich die passende Anbringung einer Huldigung des neuen Paares, was auch sehr gelungen zu sein scheint. Hymen's Tempel und Liebesgötter wurden vorgeführt, über einem Triumphwagen las man die Namen Friedrich und Auguste, und »die Oper schloß mit einem großen Chore, während dessen sich zum Ergötzen und zur Verwunderung des Publikums verschiedene herrliche Beleuchtungskünste entfalteten.«73

Händel ließ sich durch seine Freunde bereden, bei dem Druck dieser Oper die Subscription in Anspruch zu nehmen. Unmittelbar nach der ersten Aufführung theilte Walsh die Bedingungen mit, welche auch bei allen noch folgenden Opern fast mit denselben Worten wiederholt wurden: »An alle Liebhaber der Musik. Heute sind Subscriptionsbogen ausgelegt für den Druck der Oper Atalanta in Partitur. Erstens, das Ganze wird auf dem besten holländischen Papier gedruckt werden. Zweitens, der Preis ist für Subscribenten eine halbe Guinee und muß bei der Zeichnung entrichtet werden; das ist um ein Drittel weniger, als irgend eine der bisher in Partitur gedruckten Opern kostet. Drittens, das Werk wird vom Autor sorgfältig corrigirt, und nach der Veröffentlichung wird kein Exemplar[390] unter 16 sh. zu haben sein. Diejenigen Liebhaber der Musik, welche willens sind diese Unternehmung zu unterstützen, werden ersucht ihre Namen recht bald einzusenden; an dem Werke wird so eifrig gearbeitet, daß es den Subscribenten schon Mitte Juni eingehändigt werden kann. Subscriptionen werden angenommen bei J. Walsh und in den meisten Musikläden in London.«74 Atalanta konnte sogar noch vor der versprochenen Zeit, nämlich schon am 9. Juni ausgegeben werden.75 Es waren 195 Exemplare gezeichnet. Auf diesen Subscriptionsbogen hat man den engeren Kreis seiner Freunde und Verehrer beisammen, und aus der Abwesenheit königlicher und fürstlicher Namen kann man sehen, daß Händel auch jetzt noch nicht gelernt hatte, seine Werke als Bettelbriefe zu benutzen.

Seine Verhältnisse scheinen sich durch die diesjährige Unternehmung nicht verschlimmert, sondern Einnahme und Ausgabe einander ungefähr die Waage gehalten zu haben. Vorausgesetzt daß seine Getreuen (Signora Strada, Maria Negri, Herr Beard und Herr Waltz) in dieser bösen Zeit mit einer mäßigen Zahlung zufrieden waren, kann sein Aufwand nicht sehr bedeutend gewesen sein. An Rich, den Director des Theaters in Coventgarden, hatte er, wie aus dem Rechnungsbuche desselben hervorgeht76, für die neunzehn Abende[391] dieser Saison alles in allem. £ 1553. 11 sh. 4 d. zu entrichten: nämlich jeden Abend für das Haus £ 12, für Bedienung £ 7. 5 sh. 8 d., und sodann an den Tagen, an welchen englische Schauspiele gegeben werden konnten (Dienstags und Sonnabends), außerdem noch £ 33, d.h. den vollen Betrag dessen, was der Director seinen Schauspielern zu zahlen verpflichtet war, gleichviel ob er sie beschäftigte oder nicht.77 Durch diese Abzahlung der Schauspieler vertheuerte sich Händel's Oper außerordentlich. Die Bedingungen, unter denen er in Coventgarden spielen konnte, waren also so ungünstig für ihn, daß er von vorn herein die Unmöglichkeit eingesehen haben muß, jemals dabei etwas gewinnen zu können, und zur Fortsetzung der Aufführungen keinen andern Grund gehabt haben kann, als der Stadt den überwiegenden künstlerischen Werth seiner Oper zu beweisen und in allen Fällen für seine Kunstwerke ein ausführendes Personal zur Hand zu haben.

Die Vermählung des Prinzen von Wales zu feiern, war eigentlich die Pflicht der Gegenoper. Rolli und Porpora hatten auch eine dem Händel'schen »Parnasso in Festa« ähnliche Serenata vorbereitet, genannt »Festa d'Imeneo«, die aber gegen Händel's Oper armselig genug ausfiel und trotz Farinelli nur wenige Aufführungen erlebte.[392] Ueberhaupt war der Farinelli-Rausch schon ziemlich verschwunden. Händel's Vertheidigung der Kunst und der gesunden musikalischen Vernunft im Alexanderfest hatte doch einigen Eindruck gemacht; nun kam Fielding mit scherzhaften Gründen unmittelbar hinterdrein und ließ im »Pasquin, dramat. Satire auf die Zeiten«, die Königinnen des gesunden und des ungesunden Menschenverstandes ihre Sache ausfechten. »Als ich letzten Herbst [1735] die Stadt verließ«, schreibt Frau Pendarves an Swift, »war Farinelli die regierende Tollheit; ich finde, jetzt hat sie sich auf Pasquin geworfen. Dieser hat fast einen Zulauf wie die Bettler-Oper, besitzt aber nach meiner Meinung nicht gleiches Verdienst, obwohl Humor darin ist.«78 Daß die Satire dem Farinellikultus ebenso gefährlich war, als dem Walpole'schen Ministerium, ist außer Frage.79 Ueberhaupt mußte auf die langjährigen musikalischen Erregungen jetzt, nachdem sie an sinnlicher Heftigkeit bei Farinelli ihren Gipfel erreicht hatten, eine um so größere Abspannung folgen, sich als Uebersättigung und Musiküberdruß äußernd. Dies sah Händel nicht, weil der Geist der Kunst im Bunde mit äußerer Noth ihn unaufhaltsam zu neuen Werken anfeuerte; wohl aber merkte es Senesino, der ebenfalls übersättigt war und seinen Säckel so ziemlich gefüllt hatte. Er verließ daher am Schlusse der Saison England, ohne auch nur entfernt diejenige Theilnahme zu erregen, welche ihm bei einem ehrenhaften Betragen gewiß gewesen wäre, und ohne den furchtbar beschwornen Plan zu gänzlicher Vernichtung und Vertreibung des musikalischen Deutschen in's Werk gesetzt zu haben. Roubiliac verfertigte seine Büste, und Grubstreet-Journal rief ihm ein halb satirisches Lebewohl nach. Von seinen ersungenen £ 15,000 lebte er fortan in seiner Vaterstadt Siena, ließ[393] sich aber noch mitunter vor hohen Personen hören und traf oft mit reisenden Engländern zusammen. Horaz Walpole schreibt von Italien aus: »Als wir [bei Rè di Coffano] mit zwei elenden Postkracken einen abschüssigen Berg hinunter fuhren, fiel der eine Gaul unter den Wagen; und während wir beschäftigt waren ihn wieder auf die Beine zu stellen, kam eine Kutsche heran mit einer Person in einem rothen Mantel, einem weißen Taschentuch um den Kopf und einem schwarzen Hut darauf: wir hielten's für eine alte fette Frauensperson, aber es redete aus enger Kehle in einem hohen schrillen Ton und producirte sich als Senesino.«80

War die neue Prinzessin von Wales noch keine entschiedene Händelianerin, als sie nach England kam, so wurde sie es doch schon durch die wenige Musik, welche sie bis jetzt von ihrem Landsmanne hier gehört hatte. Auch Prinz Friedrich bekam wieder mehr Ohr für Händel, was aber nicht allein der Einwirkung seiner sanften, ihm demüthig ergebenen Gemahlin zugeschrieben werden muß; denn innerlich war er ebenfalls Händelianer, und nachdem seine Schwester Anna ihn nicht mehr mit Lobreden auf ihren Meister zum Widerspruch reizen konnte, hatte er gegen die Musik desselben ferner nichts einzuwenden, hielt es aber natürlich unter seiner Würde, etwas zur Beilegung des Streites zu thun, den er früher aus kleinlichen, eigennützigen Absichten angefacht hatte. Diese veränderte Stimmung des kronprinzlichen Hauses war indeß für Händel schon Ermuthigung genug; dazu kam noch, daß sich jetzt Signora Bertolli und der ausgezeichnete Trompeter Snow von der Gegenoper wieder bei ihm einstellten. Beide Opern machten nun starke Vorbereitungen für den nächsten Winter, nicht ahnend, daß es der letzte sein werde.


Vierter Jahrlauf. 1736–37.


»Wie wir hören, haben die Operntheater verschiedene Personen nach Italien gesandt, um zu der folgenden Saison noch einige Stimmen aufzusuchen, und Signor Dominichino, einer der besten jetzt[394] lebenden italienischen Sänger, soll von Hn. Händel gewonnen sein und in kurzer Zeit hier erwartet werden.«81 Der genannte Sänger kam im October von Dresden nach England und ließ sich, wie gewöhnlich, vor seinem Auftreten zuerst bei Hofe hören. »Am letzten Dienstag [5. Oct.] langte der gefeierte Domenico Annibali von Dresden hier an, um in Händel's Coventgarden-Oper zu singen; der Hof ließ ihn zu sich nach Kensington hinaus kommen, wo er die Ehre hatte, der Königin und den Prinzessinnen verschiedene Gesänge vorzutragen, und alle gaben ihm ihren vollsten Beifall zu erkennen.«82 Daß sich darin nicht eben Parteinahme für Händel aussprach, erhellt aus einer andern Zeitungsnachricht, nach welcher die drei von der Gegenoper engagirten Damen bei Hofe dieselbe Aufnahme fanden. »Signora Merighi [S. 233], Signora Chimenti und die Francesina [Elisabetta Duparc, detta la Francesina], drei Sängerinnen welche kürzlich für die kön. Akademie der Musik von Italien herüber gekommen sind, hatten letzten Montag Abend die Ehre, in Kensington vor der Königin, dem Herzoge und den Prinzessinnen zu singen, und fanden eine höchst gnädige Aufnahme; Ihre Majestät geruhte ihren Vorträgen Beifall zu schenken, und zum Schlusse machte die Francesina mit ihren Tänzen dem Hofe ein großes Vergnügen.«83

Signora Strada war den Sommer über bei der Prinzessin Anna in Holland gewesen. Am 4. October stellte sie sich wieder ein. »Wie wir hören, kam die berühmte Signora Strada letzten Abend von Holland an, und zwar zunächst zu dem Zwecke, um am folgenden Donnerstage im Gasthause zum Schwan in der Börsenallee zu singen.«84

Händel eröffnete Coventgarden am 6. November mit Alcina. Er wollte eigentlich etwas später beginnen; aber »daß der Prinz und die Prinzessin von Wales beabsichtigen, Herrn Händel nächsten Sonnabend bei der Oper Alcina mit ihrer Gegenwart zu beehren,[395] dieses ist der Grund weßhalb die Opern früher anfangen, als beabsichtigt war.«85 Auf deren Wunsch kam Alcina an dem genannten Tage »vor einer zahlreichen und glänzenden Versammlung« zur Aufführung. Am 20. November wurde die Hochzeitsoper Atalanta erneuert und »mit verschiedenen passenden Feuerwerken« vorgestellt, ebenfalls bei Anwesenheit des kronprinzlichen Paares. Auch dem am 8. December folgenden Porus und andern Werken schenkten sie ihre Theilnahme.

Dagegen zog sich der König in diesem Winter ganz von der Oper zurück und gewährte ihr weder Unterstützung noch Aufmunterung. Aus einem im November 1736 geschriebenen Briefe von Benjamin Victor an Händel's Freund Dubourg, den Violinisten und Musikdirector in Dublin, ersieht man die Lage der Dinge sehr klar. Er schreibt: »Keine der beiden Opern ist auf einem erfolgreichen Wege; und es ist die feste Meinung, daß dieser Winter den Ruin Ihres Freundes Händel vollenden wird, insoweit der Verlust seines Geldes ihn ruiniren kann. Von seinem neuen Sänger [Annibali] haben Sie ohne Frage schon eine bessere Beschreibung erhalten, als ich Ihnen zu geben vermag; man sieht, Händel weiß die durch Senesino's Abgang verursachte Lücke besser auszufüllen, als erwartet wurde. Aber es ist hauptsächlich in seinem Auftreten (seine Stimme und Manier sind nämlich ganz nach dem neuen Modell), daß Farinelli jeden andern übertrifft, und doch hat auch dieser im vorigen Winter, in seiner zweiten Saison, schon vor leeren Bänken gesungen. Wir sind nicht ohne Hoffnung, daß Senesino nach England zurückkehrt und daß wir ihn dann noch einmal wieder in seinem höchsten Glanze erblicken werden, nämlich im Vortrage Händel'scher Compositionen.

Am letzten Dienstag [20. November] hatten wir eine neue Oper von Händel [die erneuerte Atalanta]; und bei dem Erscheinen dieses großen Fürsten der Harmonie im Orchester erhob die Versammlung ein so allgemeines Beifallklatschen, daß einige erstaunt und andere unwillig darüber waren. Die Oper anlangend, so sagen die Kritiker, sie sei seinen vorigen Compositionen zu ähnlich und nicht mannigfaltig[396] genug. Ich hörte dabei auch seinen neuen Sänger [Annibali] und schätze ihn dem früheren Carestini so ziemlich gleich, nur hat er dieses vor seinem Vorgänger voraus, daß er dann und wann einen Ton heraus bringt, welcher dem eines verlassenen jungen Kalbes sehr ähnlich ist.

Die beiden Schauspielhäuser anlangend, so hat Ihr Freund Fleetwood [Director von Drury-Lane] einige Zeit Succeß und volle Strömung gehabt; aber man versichert mich, daß die Wasser zurück fließen und daß jetzt Rich mit dem Strome gehen wird. Die beiden Opern anlangend, diese müssen fallen, denn des Königs Gegenwart, welche sie bislang kaum aufrecht zu erhalten vermochte, ist ihnen nun gar noch verweigert, da Se. Majestät nicht zulassen will, daß seine königl. Ohren in dieser Saison ergötzt werden. Und die Musik anlangend, die blüht hier (mehr als jemals zuvor) in Subscriptions-Concerten und Privat-Gesellschaften, was die Menschen nothwendig gegen alle Opern und öffentlichen Concerte einnimmt und gleichgültig macht.«86 Händel scheint die Erfolglosigkeit seiner Anstrengungen also nicht so vorausgesehen zu haben, wie sein Publikum; für alle Fälle wollte er einen letzten, äußersten Versuch machen. Er hatte bereits zwei neue Opern fertig und machte sich noch vor Ablauf dieses Jahres an die dritte.


Giustino. 1736.

Angefangen »Agost 14 | 1736«. – »Fine del Atto 1 Agost 29. 1736.« – »Fine dell Atto 2. Sept 3. 1736.« – »Fine dell' Opera G.F. Handel. London 7. Septembr 1736; u. von den 15. Oct. biß den | 20. 1736. ausgefüllet.«

Der Text ist wahrscheinlich derselbe, welchen Graf Beregani 1683 für Venedig schrieb. Die erste Vorstellung fand am 16. Februar '37 statt.87


Arminio. 1736.

[397] »angefangen Sept 15 | Mittwoch | 1736« – »Fine dell' Atto Primo | Sept 19. 1736.« – »Fine dell Atto 2do |Sept. 26. | 1736. – Fine dell' Opera | G.F. Handel Octobr 3 Anno 1736. | Den 14 dieses vollends | alles ausgefüllet.«

Händel benutzte (wie Burney behauptet oder vermuthet) zu diesem Werke den Text der Oper gleiches Namens, welche Heidegger hier schon im Jahre 1714 hatte aufführen lassen. Arminius kam vor Justin zur Aufführung, nämlich am 12. Januar '37.88


Berenice. 1736–37.

»angefangen Decembr 18. 1736.« – »Fine dell Atto primo | Decembr 27. | 1736. « | »Fine dell' Atto 2do Jan 7. 1737 | G.F. Handel.« – »Fine dell' Opera Berenice | G.F. Handel January 18. 1737. | auszufüllen geendiget den 27 January 1737.«

Der Text wird wieder einer früheren Oper entnommen sein, doch läßt sich vermuthungsweise nichts näheres darüber sagen. Berenice wurde am 18. Mai '37 zuerst gegeben.89

Aus Händel's Beischriften ist ersichtlich, daß die hier zusammen gestellten drei Opern in fünf aufeinander folgenden Monaten geschrieben wurden. Von allen dreien hält sich nur der Arminius nicht auf gleicher Höhe mit seinen besten dramatischen Compositionen; aber Justin und Berenice sind wahre Meisterwerke, voller Schönheit und Mannigfaltigkeit. Wahrlich, man erstaunt, den Strom des Gesanges[398] nach so vielen außerordentlichen Ergüssen noch immer in derselben Stärke fließen zu sehen. Händel's Hoffnungen waren neu belebt. Auch Porpora und die Cuzzoni hatten England verlassen müssen, was aber die Zeitungen nicht für wichtig genug hielten zu erwähnen, so daß wir den genauen Zeitpunkt nicht wissen; wahrscheinlich gingen sie mit Senesino davon, jedenfalls im Sommer 1736. Händel hatte also insofern gesiegt, als die musikalische Macht, mit welcher die Gegenoper ihn angriff, geschlagen und vertrieben war. Es galt jetzt nur noch Farinelli zu verscheuchen und sodann zu jedem ehrenhaften Schritte bereit zu sein, der die so zweckmäßige und von vielen befürwortete Wiedervereinigung der beiden Opern herbei führen konnte. Dieser Winter mußte also vieles zur Entscheidung bringen.

Arminius, das schwächste der drei Werke, ging vorauf, vielleicht weil die Vorbereitungen zu Justin längere Zeit in Anspruch nahmen, und erlebte sechs Aufführungen.

Justin folgte am 16. Februar und schlug durch so sehr es unter den jetzigen Umständen möglich war. Nachdem drei Vorstellungen stattgefunden hatten, kam die Fastenzeit heran, welche die Theaterabende beschränkte. Händel, äußerst behindert durch ein solches Herkommen, zeigte an, daß die Opern auch in den Fasten Mittwochs und Freitags gespielt werden sollten, und ließ mit Justin fortfahren. Wie wir wissen, wählte er diese Tage, um nicht mit der Gegenoper zusammen zu treffen, namentlich aber auch, weil er das Theater dann um £ 33 billiger haben konnte. Auch dem Director Rich mußte es erwünscht sein, dadurch für seine Gesellschaft mehr Spielraum zu erhalten; aus der Bezeichnung »die Directoren«, welche in einer Anzeige gebraucht wird,90 scheint überhaupt hervor zu gehen, daß Händel und Rich die Opernunternehmung jetzt in gewisser Hinsicht gemeinsam betrieben. Händel würde nun die Oper dem Oratorium sicherlich nicht vorgezogen haben, wenn sie ihm nicht einträglicher gewesen wäre und wenn er nicht neben einer schlechten englischen eine vorzügliche[399] italienische Gesellschaft gehabt hätte. Auch konnten ohne diese Neuerung zwei italienische Opern fernerhin nicht mehr bestehen: es war also ein Schlag, der seiner Unternehmung in's Herz drang, als die Mittwochs- und Freitags-Aufführungen verboten wurden.

Darauf mußten die oratorischen Werke wieder hervor kommen. »Wir hören«, schreibt eine Zeitung, »nachdem Mittwochs und Freitags während der Fasten in Coventgarden Opern aufzuführen verboten worden, bereitet Herr Händel Dryden's Ode von Alexander's Fest vor, zudem die Oratorien Esther und Debora mit verschiedenen neuen Concerten für die Orgel und andere Instrumente, und noch eine neue musikalische Unterhaltung, genannt Il Trionfo del Tempo e della Verità, welche Werke in diesen Wochen abwechselnd zur Aufführung kommen sollen.«91 In welcher Weise das Jugendwerk »Triumph der Zeit und Wahrheit« jetzt umgearbeitet wurde, ist schon Seite 220 des ersten Bandes erzählt. Debora kam in diesem Jahre nicht heraus, aber die übrigen Oratorien wurden selbst in den vier ersten Tagen der Passionswoche gesungen, vielleicht erst in Folge besonderer Verwilligung, nämlich am Montag (4. April) Il trionfo del tempo, am Dienstag Alexander's Fest, am Mittwoch und Donnerstag Esther.

So schien Händel, wenn ihm der eine Weg vertreten war, sich immer in wenigen Tagen einen neuen bahnen zu können. Die Thätigkeit, welche er in diesem Jahrlaufe als Componist und Director entfaltete, ist im höchsten Grade bewundernswerth, aber auch beängstigend zugleich. Der eigentliche Ausgang der Unternehmung war dem Publikum, wie wir aus Victor's Briefe sehen, schon zu Anfang der Saison nicht mehr zweifelhaft, und es war nicht die geringste Aussicht vorhanden, daß die mit einer so außerordentlich heftigen und ausdauernden Thätigkeit erstrebte Besserung seiner äußeren Lage erreicht werden konnte. Nun kam das Unglück von allen Seiten. Die Bäder in Tunbridge 1735 (und wahrscheinlich auch 1736) hatten sein körperliches Uebel nicht völlig gehoben; durch die Anstrengungen und Erlebnisse dieses Winters verschlimmerte es sich dermaßen, daß es zuletzt Körper und Geist über den Haufen warf: der Schlag rührte ihn und lähmte[400] seinen rechten Arm, ja seine ganze rechte Seite, so daß die Hand, deren Spiel so viele Tausende entzückt hatte, ihm jetzt die gewöhnlichen Dienste versagte, – und wie sehr zu Zeiten seine Verstandeskräfte zerrüttet waren (sagen Mainwaring und Hawkins), sah man an hundert Beispielen, die zu erzählen dem Leser aber wenig Vergnügen machen würde; es bestätigte sich hier wieder, daß die Abweichungen von der Vernunft um so gewaltsamer zu sein pflegen, je stärker die Geisteskräfte sind, welche ihre natürliche Bahn verließen.92 Die Zeitungen äußern sich sehr zurückhaltend über Händel's Zustand, und wir erfahren durch sie eigentlich nur, daß er bald nach seiner letzten Oratorienaufführung erkrankt sein muß und anfangs Mai wieder soweit hergestellt war, um Opern dirigiren zu können. »Herr Händel, welcher seit einiger Zeit an rheumatischen Uebeln litt, ist auf einem so guten Wege der Besserung, daß man hofft er werde im Stande sein nächsten Mittwoch als am 4. Mai die Oper Justin zu leiten, an welchem Abende Ihre Majestäten [?], wie wir hören, diese Oper mit ihrer Gegenwart beehren werden.«93

Während Händel's Krankheit (seit dem 13. April) kam die Oper Dido, vielleicht von Ristori componirt, drei mal zur Aufführung, vermuthlich unter der Leitung desjenigen ungenannten Musikers, welcher in Coventgarden den zweiten Flügel spielte.

Die Zeit, in welcher Justin für Händel hätte ergiebig sein können, war nun vorüber. Aber Andere wußten ihn desto besser auszubeuten. Die höchst abenteuerliche Handlung, namentlich der Kampf mit dem alles verheerenden Drachen, erweckte in Henry Carey den Gedanken, Justin's Drachen auf Grund der alten Ballade vom Ritter Moore in Moorehall zu engilsiren und in einer Posse die italienische Oper ähnlich durchzuziehen, wie Fielding im Pasquin die englischen Luft- und Trauerspiele. So entstand sein »Drache von Wantley (The Dragon of Wantley)«, ein köstlicher und sehr theatralisch angelegter Unsinn. Lampe besorgte die Compositionen; für den Drachen diente Händel's Bassist Waltz und die für diesen gesetzte Musik zum Muster. Die Farce kam am 26. October 1737 in Coventgarden[401] zur Aufführung. Der Zulauf war so allgemein, wie bei Pasquin und der Bettler-Oper; »wäre der König doch lieber in den Drachen von Wantley gegangen, als die Königin und uns hier zu langweilen!« ruft Hervey an einem dieser Abende aus und setzt hinzu »Der Drache von Wantley war eine neue einfältige Farce, welche aber jedermann sehen mußte.«94 Die Zahl der Vorstellungen in der ersten Saison belief sich auf 67, und das Textbuch erlebte im Laufe dieses Jahres vierzehn Auflagen. Später folgte noch ein zweiter Theil. Rich gewann also durch die Travestie wieder, was er vielleicht bei der Ausstattung des Originals oder der übrigen italienischen Opern zugesetzt hatte. Auch in den nächstfolgenden Compositionen von Augustin Arne, in Comus und Alfred, finden sich deutliche Spuren, daß dieser die Oper Justin ebenfalls stark auf sich wirken ließ. So hatte jeder in seiner Art Förderung und Nutzen davon, nur Händel nicht.

Berenice folgte erst am 18. Mai, also zu spät für eine bedeutende Wirkung in diesem Jahre. Die mittleren Stände, welche Coventgarden besuchten, hatten überhaupt ihre Neugier bald befriedigt und konnten schon aus Mangel am Verständniß der Sprache nicht näher auf die Musik eingehen, also auch ihre Besuche nicht oft wiederholen. Der kronprinzliche Hof besuchte Händel's Oper oft, der königliche fast garnicht; daß beide gemeinsam sich so für seine Musik aussprachen, wie sie es nach ihrer Werthschätzung derselben wünschen mußten, stand eben jetzt am allerwenigsten zu erwarten, denn der alte Streit um die £ 50,000, welche der Prinz von Wales als jährliche Zulage beanspruchte, entbrannte von neuem, – und solche Schimpfreden über den ungerathenen Sohn wurden im St. Jamespalast gehalten, daß der Herausgeber der Hervey-Memoiren selbst von den Ausdrücken der Königin mehrere hat streichen müssen. Die Feindschaft der beiden Hofhalte nahm mit der der beiden Opern einen gleichen Lauf und auch so ziemlich denselben Ausgang.

Die Gegenoper ließ sich von Hasse ein neues Werk anfertigen, Siroe genannt, mit welchem sie am 23. November 1736 ihre letzte Saison eröffnete. Als ein neues Reizmittel wurden in diese Oper und in die folgenden komische Zwischenspiele eingelegt, welches in,[402] Italien der neueste Fortschritt war und als eine nothwendige Folge der von Hasse, Porpora und Aehnlichen componirten und von Farinelli und seines Gleichen abgesungenen Opera seria angesehen werden muß. Ebenfalls eine Folge der schimpflich geringen Bedeutung, zu welcher der Tonsetzer als solcher in diesem Kreise absank, war es, daß der königl. Poet Rolli jetzt selber eine Oper componirte, d.h. zusammen setzte, und nicht bloß eine Oper schlechthin, sondern eine Musteroper, wie er noch vor Aufführung derselben mit der ihm eignen Bescheidenheit zu verstehen gab. »Signor Rolli's neue Oper, genannt Sabrina, wurde gestern in Hn. Heydegger's Salon probirt. Die Signora Marchesini, welche kürzlich von Italien hier angelangt ist, sang darin mit allgemeinem Beifall; und wir hören, daß Ihre königl. Hoheiten der Prinz und die Prinzessin von Wales, an deren Hofe sie letzten Freitag sang, beabsichtigen die Vorstellung im königl. Theater in Haymarket diesen Abend mit ihrer Gegenwart zu beehren. Die Arien der Signora Marchesini sind von dem genialen Autor in einer so vortrefflichen und wohlberechneten Weise über die ganze Oper vertheilt, daß sie damit die Zuschauer von Akt zu Akt gradweise immer höher anzieht.«95 Die Stadt war aber so taub und blind gegen ihr eignes Vergnügen, und schon nach drei Vorstellungen dieses gradweisen Aufziehens so müde, daß auch das genannte Musterwerk ein komisches Intermezzo zum Vorspann nehmen mußte. Selbst den göttlichen Farinelli ließ die von ihren eignen Gerichten übersättigte Adelspartei jetzt vor einem leeren Hause singen, und Colley Cibber erklärt uns dieses Factum mit Gründen, welche für die Wirkung der rein italienischen d.i. der anti-Händel'schen Oper und für den Geschmack der Bewunderer derselben außerordentlich bezeichnend sind. »Die Wahrheit ist,« sagt er, »daß diese Art von Vergnügungen so gänzlich sinnlicher Natur sind, und deßhalb für sie keine andere Möglichkeit bleibt unserer Vernunft Herr zu werden, als durch ihre Neuheit; und ein solcher Reiz der Neuheit ist nur zu erhalten durch einen jährlichen Wechsel der besten Stimmen, welche gleich den schönsten Blumen nur für eine Saison blühen, und nachdem diese vorüber ist nichts als welke Blumensträuße sind. Aus dieser natürlichen Ursache[403] sahen wir selbst Farinelli in seinen beiden letzten Jahren vor einer Gesellschaft von fünf und dreißig Pfund singen.«96 Aber auch erst Farinelli's Auftreten war es, welches ihn diese »Wahrheit« finden ließ; denn Senesino's Sommer hatte zwölf, Cuzzoni's sieben, Strada's neun Jahre gedauert, nämlich unter Händel's Pflege, der es verstand die sinnliche Schönheit des Tones geistig zu veredeln und Kunstgestalten her vor zu bringen, an denen sich der ausführende Künstler gleichsam verjüngte, deren Reize sich auf ihn übertrugen und um ihn und seine Zuhörer ein ideales Band schlangen. Den Farinelli erfüllte der Schaden, welcher seinem Ruhm aus einer solchen Vernachlässigung erwachsen mußte, mit gerechter Besorgniß; er richtete seinen Blick auf ein anderes Land. Nun gab es keinen Hof der Christenheit, welcher geistig so verödet und versunken war, wie der spanische, und mit richtigem Takt entschloß er sich an diesem sein Glück zu versuchen; der Gesandte desselben in London, von Anfang an sein bester Beschützer, bahnte ihm den Weg dorthin. Sein Abschied von England war eines so großen Mannes würdig. Am 11. Juni 1737 sang er in Rolli's Sabrina. Zum vierzehnten wurde dieselbe Oper wieder angezeigt: aber durch das leere Haus am elften hatte Farinelli sich eine Erkältung zugezogen, und die Vorstellung unterblieb. Hiermit war die Gegenoper zu Ende. Auf eine so pomphafte Weise feierte sie ihren Sieg über Händel! Und der Repräsentant des musikalischen Materialismus machte sich in aller Stille davon, die Stadt verlassend, sagt Burney, nachdem die Stadt ihn verlassen hatte. Auch der zunächst unternommene Streifzug nach Paris wollte ihm nicht glücken; aber die Aufnahme in Spanien ersetzte alles. Hier hielt man seine Töne zu gut für die Unterthanen, und sorgte dafür daß sie allein von dem erhabenen Geiste des Monarchen vernommen würden. Für unermeßliche Geschenke und ein lebenslängliches Einkommen von zwanzig tausend Thalern hatte Farinelli die Aufgabe einem blödsinnigen Könige allabendlich dieselben vier Arien vorzusingen. Er erlangte die Macht eines ersten Ministers, und seine Lobredner, zu denen auch Burney gehört, erzählen uns, er habe sich in dieser Stellung nie übermüthig oder zudringlich erwiesen; sie vergaßen aber, daß, wenn[404] seine Zärtlichkeit sich gegen die Großen des Hofes mitunter allzu vertraulich äußerte, er auch wohl zur Antwort bekam, sie hätten nicht die Ehre ihn zu kennen. Als er geadelt wurde, trug man Sorge, das Diplom in herkömmlicher Form auszufertigen und demnach zu sagen, dieses gelte nun »für ihn und alle seine in rechtmäßig katholischer Ehe erzeugten Leibeserben.« Nach zwanzig Jahren kam ein neuer König, welcher ihn sofort ersuchte Spanien zu verlassen und ihm Bologna als ferneren Aufenthalt anzuweisen geruhte; aus seiner eigenen Aeußerung und der seiner Lobredner, es sei ihm allergnädigst sogar gestattet worden, seine Sachen mitzunehmen, sollte man fast schließen, daß nicht nur der neue Hof von Spanien, sondern auch er selber diejenigen Kostbarkeiten, welche er einem blödsinnigen Könige abgelungert hatte, eigentlich als gestohlene Waare ansah. Das Ende und die Frucht seines Wirkens war also hier, wie früher in England, Uebersättigung und Musikhaß. Dies geschah 1759, als Händel starb, der nie um Herrengunst gebuhlt hatte, aber noch erlebte, daß sich der junge Thronfolger Georg III. in freier und tiefer Neigung für seine Kunst entschied. Und so ließen sich zwischen Händel und diesem Castraten noch manche Vergleiche ziehen, aber immer nur vollkommen gegensätzliche. Wahrlich, kein geschickterer Vertreter des musikalischen Materialismus läßt sich denken, als Farinelli, und bei vollster Freude am musikalischen Klange kein entschiedenerer Gegner desselben, als Händel.

Die Oper in Coventgarden hörte schon am 1. Juni auf und zwar mit Dido. Wir schließen hieraus, daß Händel durch Unwohlsein behindert war, seine Unternehmung persönlich weiter zu führen. So endete vorläufig der Streit in allseitiger Ermattung. Daß Händel obsiegte, ist jetzt von uns aus der Uebersicht seines ganzen Wirkens deutlich genug zu erkennen, konnte aber in einem Augenblicke, wo er Vermögen, Gesundheit und Verstand verloren hatte, wenig sichtbar sein; die allgemeine Abspannung, Uebersättigung und Ermüdung, welche sich nach den langjährigen musikalischen Aufregungen und Kämpfen auch des Publikums bemächtigte, mußte überhaupt einer klaren Erkenntniß ebenso hinderlich sein, als entscheidenden Thaten, und nur aus der zunehmenden Verehrung für den persönlichen wie für den künstlerischen Charakter Händel's konnte man abnehmen,[405] wem der Sieg zugefallen war. Er befand sich nicht in der Lage seine Sänger vollauf bezahlen zu können, es mußte ihm aber einigen Trost gewähren, daß sie so vertrauensvoll mit seinen Versprechungen zufrieden waren. »Unter diesen traurigen Umständen zeigten sich Strada und andere seiner Sänger mit Schuldverschreibungen zufrieden und verließen England auf Hn. Händel's Versicherung, daß sie ihre Bezahlung erhalten würden; und er entledigte sich später seiner Verbindlichkeiten, indem er ihnen das Geld nachsandte.«97

Seit 1737 hat Händel keine selbständige Opernleitung wieder übernommen. Dieses Jahr bezeichnet auch noch in anderer Weise einen Abschluß in der dramatischen Kunst. Das Parlament faßte im Laufe desselben den denkwürdigen Beschluß, die Theater unter Aufsicht zu stellen und deßhalb von dem Hofmarschall eine Censurbehörde errichten zu lassen. Dieses neue Gesetz Walpole's wurde ebenso widerwillig aufgenommen, wie das frühere über die Accise, namentlich wegen der beleidigenden Fassung die er ihm gab. Er beantragte es nämlich als einen Zusatz zu der Verordnung über Landstreicher. Jede Schauspielergesellschaft, welche weder eine gesetzliche Ermächtigung noch einen Erlaubnißschein des Hofmarschalls beibringen konnte, sollte als eine Bande von Strolchen eingefangen werden; das auf Herkommen beruhende Privilegium des Hofmarschalls, die Aufführung jedes Stückes nach seinem Ermessen verbieten zu können, wurde in eine rechtmäßige Befugniß verwandelt, und jeder Autor hatte bei Strafe von £ 50 und Verwirkung des Rechts der Aufführung sein Stück vierzehn Tage vorher einzusenden; zudem beschränkte man die in letzter Zeit willkürlich vermehrte Zahl der Schauspielhäuser auf die bereits seit längerer Zeit bestehenden sogenannten königlichen Theater, und setzte fest daß niemand anderswo als in Westlondon (liberty of Westminster) und in der jeweiligen Residenz spielen dürfe. Das war nun in einem Lande, wo allem Schriftthum Preßfreiheit gewährt ist und deßhalb jedem verbotenen Drama die Wege zu weitester Verbreitung offen stehen, gewiß ein außerordentliches Gesetz, und von diesem Gesichtspunkte aus setzte auch Graf Chesterfield in einer allgemein bewunderten Rede auseinander, daß eine[406] solche Verordnung die Aufhebung aller Preßfreiheit nach sich ziehen müsse. Aber über die auf der Bühne eingerissene Zügellosigkeit und über die Sucht alles zu persifliren, alle Berufsthätigkeiten, alle Stände, alle Persönlichkeiten zu verspotten, war nur eine Stimme. Mister Punch fand sich wirklich hart bedrängt, alle seine Vergehen wurden ihm jetzt vorgerechnet; und da es ein Lieblingsproject des Hofes war, ihn gesitteter zu machen, seine Richter auch aus lauter Personen bestanden die vornehmer waren als er, und die er daher bei irgend einer Gelegenheit schon einmal mitgenommen hatte, so kam es dahin, daß er mit großer Stimmenmehrheit unter polizeiliche Aufsicht gestellt wurde. Er beschwerte sich in seiner Art und suchte das ihm beschnittene Gebiet wenigstens durch Vermehrung der Spieltage in der Fastenzeit zu erweitern, selbst Händel's Oratorienaufführungen scherzhaft als Vorwand für seine gerechten Ansprüche benutzend. Nach Erwähnung der italienischen Sitte, welche an diesen Tagen sogar in den Kirchen Aufführungen zulasse, heißt es in den beiden Schreiben an den Herausgeber des »Gesunden Menschenverstandes« weiter: »Und in unsern Tagen hat der gefeierte Hr. Händel der Stadt oft Mittwochs und Freitags Oratorien vorgeführt ohne irgendwelche Behelligung. Freilich, seine Aufführungen sind nur auf die Vornehmen berechnet und Leute von bescheidenem Einkommen können nicht daran Theil nehmen, obwohl sie als freie Briten ein ebenso gutes Recht haben, als die Vornehmen, durch Werke entzückt zu werden die sie nicht verstehen. Ob Hr. Händel von der geistlichen Behörde oder von den Oberwächtern der Bühne eine besondere Erlaubniß erhalten hat, kann ich nicht sagen; aber wenn nicht, so muß ich das Verbot, durch welches man den scherzhaften Hn. Punch an diesen Tagen vom Agiren abhalten will, ein wenig parteiisch nennen.« Um allen Vorwand zu beseitigen, verspricht Punch in der Fastenzeit ebenfalls Oratorien aufzuführen, »als z.B. ›Leben und Tod des Haman [Walpole], Premierminister bei dem Könige Ahasverus‹; und zwischen den Akten wird Punch in der Kleidung eines Kardinals oder eines Erzbischofs auf der Orgel verschiedene ernsthafte Tänze vortragen.«98[407] Diese Schutzschrift für Herrn Punch kam wahrscheinlich aus Henry Fielding's Feder, den das Theatergesetz zunächst am härtesten traf und gleichsam ächtete und brodlos machte. Seine neu errichtete Gesellschaft, welche er in Verspottung der »königlichen« Schauspieler die Komödianten-Gesellschaft des Großmoguls (Great Mogul's Company of Comedians) nannte und im kleinen oder französischen Haymarket-Theater agiren ließ, gehörte zu den nicht privilegirten, löste sich nun also in eine Sammlung von Landstreichern auf; und die politische Satire in seinen Schriften, im Pasquin (1736) und im historischen Register (1737), war es vor allem, was den Zorn des ersten Ministers hervor rief. Die Verhütung der Angriffe auf Religion und Sittlichkeit diente nur zum Vorwande, um jede, die zeitweilige Regierung treffende politische Satire für immer von der Bühne zu vertreiben; denn im rein Sittlichen und Schicklichen waren Fielding's Schnurren mindestens nicht schlimmer, als die dramatischen Scenen, welche Lord Hervey aus den in der Gesellschaft der Königin vorfallenden Reden zur Ergötzung seiner Gebieterin gleichsam stenographisch zusammen schrieb, und im Vergleich mit Walpole's Tischreden konnte man sie jungfräulich nennen. Die wirkliche Unsittlichkeit wird auf dem dramatischen Gebiete auch immer weniger in den satirischen Farcen und Opern, als in den eigentlichen Schau- und Lustspielen ihre Wohnung aufschlagen. Hier setzte sie sich unter der Regierung Karl's II. fest, und nachdem Jeremias Collier sie um 1700 aufstörte, konnte sie auf dem englischen Theater nie wieder in solcher Stärke mächtig werden. Daß der satirischen Posse bei aller Unreinheit, die ihr anhing, eine gesunde Kraft innewohnte, sieht man nirgends besser, als bei Fielding selber. Obwohl sich auf der von der Bettleroper eröffneten Bahn bewegend, nahm er doch nicht von dem Kreise der Geistreichen seinen Ausgang, sondern gehörte nebst seinem Freunde Hogarth jener seit 1730 langsam sich bildenden mittleren Richtung an, von deren Erstarkung das Heil Englands abhing. Er war also in der englischen Literatur eine neue Kraft, die uns in vieler Hinsicht den eigensten Geist dieser Jahre abspiegelt; und die Eigenthümlichkeit dieser neuen Männer, kraftvolle sittliche Erhebung nach einer im Strudel des Lebens durchtobten Jugend, liegt vielleicht bei keinem derselben so klar vor, wie bei Fielding, der[408] sein geistiges Selbst auf eine wirklich bewundernswürdige Weise läuterte. Da er eigentlich kein Dramatiker war, so gelangte er jetzt nur um so eher in den Besitz desjenigen Gebietes, auf welchem er der Vater des englischen Romans geworden ist, und insofern konnte er dem Parlamente für das Theatergesetz dankbar sein.

Chesterfield's Verkündigung, auch die englische Preßfreiheit werde nach und nach schwinden, ist nicht in Erfüllung gegangen. Aber eine abschließende Epoche bezeichnet das Theatergesetz dennoch. Mit ihm schlossen sich die drei Perioden des englischen Theaters, welche die im eigentlichen Sinne schöpferischen sind; die erste und größte derselben, das Zeitalter der Tragödien, hörte 1640 mit dem ausbrechenden Bürgerkriege auf, die Lustspielzeit ging unter Collier's Polemik kurz nach 1700 zu Ende, die satirischen Farcen erstarben mit dem Jahre 1737. Es ist bezeichnend, daß gegen die Regierungsmaaßregel überall nur die Freiheit der Presse vertheidigt wurde, niemals die der Bühne, und daß keinem Redner der Gedanke eines Volkstheaters als der höchste Zweck einer freien Bühne vorstand. Die englischen Schauspieler ernteten jetzt die Früchte der Verkommenheit, zu welcher sie hinab gesunken waren. Die Späße des Herrn Punch waren wohl geeignet Vergnügen zu erregen, nicht aber Achtung einzuflößen; es ist daher kein Wunder, daß man ihm so rücksichtslos die Narrenkappe ab nahm und das bunte Jäckchen auszog, und ihm barsch befahl, seine Herrschaft nieder zu legen. Aber die wahrhaft großen Erzeugnisse des bedeutendsten Theaters der neueren Zeiten wollte oder konnte das Regierungsgesetz so wenig unterdrücken, daß diese vielmehr erst von jetzt an wie neuverjüngt wieder hervor traten. An Originalwerken hat die dramatische Dichtung der Engländer seit 1737 nichts rein Selbständiges und Bahnbrechendes hervor gebracht; eine Verminderung der schöpferischen Kraft im Vergleich zu früheren Zeiten ist unverkennbar und macht überhaupt erst das Hervortreten und das unveränderte Bestehen eines solchen Gesetzes in England erklärlich. Dagegen leuchtet Shakespeare's Erscheinung plötzlich in einem so hellen und reinen Lichte auf, daß man den Zeitpunkt seiner Wiedererweckung geradezu mit dem Jahre 1737 oder mit der Erlassung eines halbwegs berüchtigten Theatergesetzes bezeichnen muß. Diese schnelle Folge der Theatercensur war freilich[409] nicht das Verdienst der Walpole und Cibber, sondern vielmehr die Frucht der Satiren Fielding's und der vereinten Bestrebungen aller wahren Patrioten. Die ernste würdige Richtung, welche die englischen Theater hiermit einschlugen, ging Händel's folgenden Oratorien zur Seite, und zwar so, daß jene die größten vaterländischen Kunstdenkmale der Vergangenheit erneuerten, während er geistverwandte Werke der Gegen wart schuf.

Fußnoten

1 Craftsman v. 2. Juni '33. Vgl. The Bee II, 635.


2 Daily Post v. 13. Juni '33.


3 Früher einmal muß man schon nahe daran gewesen sein, ihre Herüberkunft durchzusetzen, denn eine Zeitung schreibt: »We are credibly inform'd, that the celebrated Signiora Cuzzoni, with another famous female voice from Italy, are daily expected here, in order to perform in a new Opera which will be soon acted, and 'tis to be the last this Season.« Daily Advertiser v. 8. März 30/31.


4 »Senesino, the celebrated Italian performer, is said to have hired the Theatre in Lincoln's-inn-fields for the winter of 1733–4 as an Operahouse.« Malcolm, Anecdotes of the Manners and Customs of London p. 351. Eine Quelle ist nicht weiter angegeben; aber auch Colman schreibt »Haymarket, Handell's House«, und »Opera Lincoln's-Inn-Fields, Senesino's House«, – womit dasselbe gesagt ist.


5 Als letztere im Jahre 1735 starb, ließ sie sich aber nicht ihre Treulosigkeit zum Lobe nachsagen, sondern vielmehr dies, daß sie die Ehre gehabt unter Händel mit Beifall zu singen. »Signora Celeste Gismundi, a famous Singer, wife to Mr. Hempson, an English Gentleman died on Tuesday, alter a lingering illness. She performed in Mr. Handel's Operas for several winters with great applause, but did not sing this season on any Stage, on account of her indisposition.«The Bee v. 19. März '35. (IX, 69.)


6 Mainwaring, Memoirs p. 116–17. Mattheson bemerkt bei der Uebersetzung S. 89: »Mit der Ursache, warum diese beyden Sachsen einander nicht ins Gehege kommen wollten, hat es eine ganz andre Beschaffenheit, als unser Lebensbeschreiber vorgiebt.« Aber da es ihm nicht gefiel, die eigentliche Beschaffenheit anzugeben, wird es wohl bei dem Gesagten sein Bewenden haben müssen.


7 »Last night [Weihnachtabend] there was a rehearsal of a new Opera at the Prince of Wales's house in the royal gardens in Pall Mall, where was present a great concourse of the Nobility and Quality of both sexes: some of the choicest voices and hands assisted in the performance.« Daily post v. 25. Decbr. '33.


8 Mainwaring, Memoirs p. 114.–15.


9 Mainwaring, Memoirs p. 111. 115–16.


10 Mainwaring, Memoirs p. 108.


11 Hawkins, History V, 325.


12 Mainwaring, Memoirs p. 117–18. Für Mattheson war dies noch nicht stark genug, er übertrieb und vergröberte daher den Sinn bei der Uebersetzung und ließ hier, wie im ganzen Werke, alles was für Händel nur irgend nachtheilig lautete, mit großen Buchstaben drucken. Probe seiner Uebersetzung: »In diesen Gedanken verfiel er nach und nach auf die eingeschränkte und seltsame Liebe der eigentlichen Harmonie, die ihn oft so weit brachte, daß er der Melodie schier ganz vergaß; selbst in solchen Dingen, da sie am meisten gelten sollte, nehmlich: in der Singekunst.« S. 90.


13 Hawkins, History V, 318.


14 Burney, History IV, 369–70.


15 Daily Courant v. 31. Octbr. '33.


16 Schölcher, Life of Handel p. 161.


17 Es ist schon S. 332 gesagt, daß Colman der Verfasser desselben war. Diese Angabe bedarf indeß der Rechtfertigung. Nachdem ich aus der Beschaffenheit des Textes den ausländischen Ursprung desselben erkannt hatte, las ich in den Nachrichten über die Familie Colman: »Francis Colman scheint dieselbe Vorliebe für das Theater gehabt zu haben, welche sein Sohn und sein Enkel besaßen. Von seinen dramatischen Erzeugnissen läßt sich aber weiter nichts gewiß angeben, als der Text zu der Oper Ariadne in Naxos, mit welcher Senesino im Januar 1734 das Lincoln's-Inn-Fields-Theater eröffnete.« Memoirs of the Colman Family by Rich. B. Peake (London, 1841. 2 Bde. 8) I, 14. Die Ariadne der Gegenoper war aber von Rolli gedichtet, was wir schon aus den obschwebenden Verhältnissen schließen müssen und auch sicher genug bestätigt finden, denn Rolli hat in dem I. Bande seiner 1744 in Verona erschienenen Melodrammi diese Arianna in Nasso wieder abgedruckt. – Ein anderer Widerspruch, Colman betreffend, ist noch auffallender. Nach einem in den Posth. Letters p. 43 und bei Peake (Memoirs I, 32) gedruckten Briefe starb Colman am 20. April '33 in Pisa, wo er sich den ganzen Winter zur Stärkung seiner Gesundheit aufgehalten hatte. Händel hätte ihn danach auf der S. 332 erwähnten Reise im Sommer '33 nicht mehr gesprochen und also auch nicht persönlich den Operntext von ihm erhalten. Nun geht aber das kleine Opernregister, dessen lakonische Bemerkungen wir so oft mit einem »sagt Colman« angeführt haben, bis zum 11. April 1734, und ist bis zu Ende in derselben Handschrift, enthält jedoch aus der ganzen letzten Saison fast nichts, als eine rühmende Bemerkung über Händel's Ariadne; man glaubt darin die zitternde Hand eines Kranken zu erkennen, der bei langsamer Abnahme der Kräfte nur noch unvollkommen den Zeitungen zu folgen vermochte. Hier bleibt also nur die Wahl, entweder das Opernregister ihm abzusprechen, oder den Brief in das Jahr 1734 zu rücken. Bei der gänzlichen Unsicherheit, mit welcher sich die angeführten Familiennachrichten über Franz Colman aussprechen, müssen wir uns für die letztere Annahme entscheiden.


18 »The favourite Songs in the Opera call'd Ariadne [v. Händel]; also the fav. Songs in Arbaces«. Daily Journal v. 26. Febr. '34. – Etwas später: »The fav. Songs in the Operas call'd Ariadne. By Mr. Handeland Sig. Porpora... Price of each 2 s. 6 d.« – »A second Collection of the fav. Songs in the O. c. Ariadne. To which is prefixed the Ouverture in Score. Composed by Mr. Handel. J. Walsh.« London Evening-Post v. 6. April '34. – Titel der vollst. Ausgabe: »Ariadne an Opera as it is Perform'd at the Theatre Royal in Covent Garden. Compos'd by M. Handel... No. 605.« 88 Seiten in Fol.


19 Eine eingehende Besprechung Porpora's muß ich mir für eine spätere Gelegenheit aufheben; die vielen unbekannten Opern, Oratorien, Motetten und sonstige Werke, welche mir größtentheils in seiner eignen Handschrift vorlagen, würden hier, einzeln durchgenommen, einen zu großen Raum beanspruchen.


20 »Do you know what you are about? Or, a Protestant Alarm to Great Britain; proving our late Theatric Squabble to be a type of the present Contest for the Crown of Poland; and that the Division between Handel and Senesino has more in it than we imagine. Also that the latter is no Eunuch, but a Jesuit in disguise. Printed for J. Roberts. pr. 6 d.«Gentl. Magazine, Nov. '33, p. 612.


21 Grubstreet Journal v. 14. Juni '33. Vgl. Read's Weekly Journal v. 1. Dec. '33 u. London Magazine v. Januar '34.


22 Universal Spectator v. 23. Febr. '34.


23 Mobility: ein unübersetzbarer und in seiner Art unübertrefflicher Ausdruck, den man sammt seinem Grundworte einfach in's Deutsche aufnehmen kann.Mob bedeutet den großen Haufen als solchen, besonders die zuschauende und nachlaufende Menge, nicht allein, wenn auch vorzugsweise, aus den niederen Ständen; Pöbel, Rotte, Gasser sagt theils zu viel theils zu wenig. Es ist der Hause aus dem nichts Einzelnes hervorsticht; in dieser Hinsicht nennt Horaz Walpole die Sternenhaufen der Milchstraße witzig the mob of stars. Der Adel, der höchste Stand, als Gesammtmacht heißt nobility (Aristokratie); der Mob, der niedrigste, in gleicher Lage durch ein glückliches Wortspiel mobility (das wäre Pöbelkratie): benimmt sich nun der Adel in Masse pöbelhaft, so kann man in weiterer Verwechslung für Nobility auch sagen Mobility, und in diesem Sinne gebraucht Arbuthnot hier das Wort.


24 Diese Scene ist zugleich eine Verspottung der damaligen Rechtspflege, – ein stehendes Thema jeder Satire zu einer Zeit, wo das englische Gerichtswesen so ungerecht und unwürdig war, wie es jetzt gerecht und fast in jeder Hinsicht vorzüglich ist.


25 Wie der hier angedeutete gemeine Streich ausgeführt worden, ist nirgends weiter erzählt.


26 »Harmony in an Uproar: a Letter to F-d-k H-d-l, Esq., M-r of the O-a H-e in the Hay-Market, from Hurlothrumbo Johnson, Esq; Composer Extraordinary to all the Theatres in G-t B-t-n, excepting that of the Hay-Market. In which the rights and merits of both O-s are properly consider'd.« Arbuthnot, Miscell. Works II, 18–42. Als erschienen angezeigt am 18. März '34; s. unten S. 362, Note 34.


27 »Mrs. Skaites, an ancient maiden lady, was the Duchess's [v. Queensberry] companion, and occupied a house in Park-street, which looked over the then Duke of Glocester's garden. I have often heard these venerable members of their graces' household speak of the memorable evening coteries, wh ich met at the duke's, when Pope, Handel, Swift, Gay, Prior, Dr. Arbuthnot, Kent, Jarvas the painter, and other distinguishing professional men, were guests at the table.« Memoirs of Henry Angelo, with Memoirs of his late father and friends. (London, 1828. 8. 2 vols.) I, 21–22.


28 Anecdotes of Handel and Smith, p. 39–40. Congreve starb anfangs 1729, Swift war seit 1728 nicht in England; diese beiden kann Schmidt um 1730 also nicht bei Arbuthnot gesehen haben.


29 »Feb. 27 died at his house in Corkstreet, Burlington Gardens, after a very long illness, Dr. Arbuthnot, Physician to his [? her] late Majesty.« The Bee 1735. VIII, 532.


30 Barber an Swift, 22. April '35. In Swift's Briefwechsel.


31 Arbuthnot an Swift, 4. Oct. '34. In Swift's Briefwechsel.


32 Lewis an Swift, 30. Juni '37. In Swift's Briefwechsel.


33 Hervey, Memoirs I, 233–34. 273–75. 313–15. 327.


34 »This day is published (price one Shilling): An Epistle from the platonic Madam B-ier to the celebrated Signor Car[est]ino. Printed for R. Smith in the Strand. Where may be had: Harmony in an Uproar... [Arbuthnot's Pamphlet]... properly considered. Price 1 s.« Daily Journal v. 18. März '34.


35 »The favourite Songs in the Opera of Pastor Fido« kündigt Walsh im Craftsman v. 30. Nov. '34 an.


36 Hervey, Memoirs I, 404–5.


37 Hervey, Memoirs I, 411.


38 »En wie ter deege begrypt, wat HENDEL hebbe vooruit gehad in de muzikaale Harmonie, zelfs boven Fux en andere Roomsch Keizerlyke Kapel meesters, die zal gansch niet hoeven to twyfelen, of Hy, alle zyne Krachten te werk stellende, in een Hoogverheven Geest meer hebbe konne outvonken, dan oit iemand anders. Hy zelf zeid my, in 't jaar 1734, te London: sedert ik anno 1709 uwe vaderstadt, Hamburg, verliet; Italiën doorreisde en eindelyk te Hannover in dienst ging, heeft niets ter wereld my ooit konnen beweegen tot eenig onderwys, behalven gansch alleen HET PUIK DER KROONPRINCESSEN.« Lustig, Inleiding tot de Muzickkunde (Gröningen, 1771. 8.) p. 172. Die Zeitangabe »anno 1709« kann er nicht aus Händel's Erzählung, sondern nur aus der von seinem Lehrer Mattheson herausgegebenen Uebersetzung Mainwaring's genommen haben.


39 Kritische Briefe über die Tonkunst (Berlin, 1763. 4.) II, 463.


40 Im Besitz des Musikers Ch. Salamon in London.


41 Daily Advertiser v. 2. März '30 (= 31).


42 Burney, History IV, 377. Die betreffende Zeitung lag mir nicht vor.


43 The Bee VII, 452.


44 in Schmidt's, jetzt in Schölcher's Sammlung. Schölcher, Life of Handel p. 175.


45 The Bee VIII, 121.


46 »Defence of Operas«. Universal Spectator v. 5. Juli '35.


47 London Daily Post v. 16. April '35. Bei Burney, History IV, 384.


48 »Just published, price 2 s. 6 d., The favourite Songs in the last new Opera called Alcina in Score. By Mr. Handel. J. Walsh.« Craftsman v. 30. Aug. '35. Dabei wurde eine andere Sammlung angezeigt: Zwölf Duette, aus Händel's Opern gesammelt, nebst dem »celebrated Trio in Alcina«. – Ariodante scheint der ungünstigen Umstände wegen erst etwas später gedruckt zu sein; die erste Anzeige davon fand ich im Kraftsmann v. 13. Sept. '35: »The fav. Songs in Alcina and Ariodante, price 2 s. 6 d. each.« Nach und nach setzte Walsh auch aus den »beliebten Gesängen« dieser Opern sogenannte Partituren zusammen.


49 Daily Journal v. 3. April '35.


50 Signora Strada als Zauberin Alcina.


51 Grubstreet Journal No. 280 v. 8. Mai '35. In der Beilage V habe ich das Gedicht englisch mitgetheilt. – Grubstreet-Journal entlehnte seinen Namen von einer engen schmutzigen Straße zwischen dem Theater (Drury-Lane) und dem Wohnorte der Verlagsbuchhändler (Fleetstreet), welche seit langer Zeit der sprichwörtliche Sitz aller verkommenen Literaten, aller Hungerpoeten, aller gelehrten Buchhändlersclaven, Pasquillanten, Pamphletisten und Artikelschreiber war. Das Grundwort grub (gröbb) hat eine gar weitgreifende Bedeutung. Zunächst bezeichnet es die aufgehäuften Speisevorräthe aller Art, und hiervon bekant die Straße ihren Namen; auch siedelten sich die Literaten hier an, um für den erworbenen Pfennig die Nahrung gleich zur Hand zu haben. Ferner bedeutet es das Ungeziefer, welches in der Wärme und im Schmutze solcher Vorräthe entsteht; grub heißt Made, Regenwurm, Mehlwurm, auch Zwerg oder Würmlein schlechthin. Dies sodann auf die Bewohner der Dachkammern übertragen, wurde grub mit Literaturwurm und den Erzeugnissen desselben gleichbedeutend. Wer Gelegenheit gehabt hat sich eine solche Straße Londons anzusehen, dem wird der Begriff von Grub und Grubstreet gewiß lebenslang in vollster Lebendigkeit vorstehen. Schon in Swift's Zeiten war »Grubstreet« der stehende Ausdruck für die gesammte Broschürenliteratur. Er schreibt an Frau Dingley: »Grubstreet ist sehr fruchtbar gewesen. Ich habe letzte Woche fünf bis sechs Grubstreetpapiere [politische Broschüren] geschrieben. Heute wird ein neuer Grub heraus kommen, ein Brief vom Prätendenten an einen Lord der Whiggpartei. Grubstreet hat nur noch zehn Tage zu leben, denn ein Parlamentsbeschluß, welcher auf jeden halben Bogen einen halben Pence Tare legt, wird es ruiniren... Wissen Sie schon, daß Grubstreet todt ist?« (Briefe v. 17. Juli u. 7. Aug. 1712.) Aber es war ein Scheintod; das Gewürm belebte sich besonders seit 1730 in einer Weise, daß der Kraftsmann, die ganze Wichtigkeit desselben erkennend, sich beeilte, seinerseits mit den »vereinigten Staaten von Grubstreet« einen Friedensvertrag abzuschließen. (S.Craftsman v. 29. Mai 1731.) Eine satirische Zeitung konnte wohl keinen besseren Titel wählen, als »Grub street-Journal«. Die poetische Kunst ist natürlich am meisten darin berücksichtigt, die musikalische nur ganz ausnahmsweise. Die englische Geschichte und Dichtung dieser Jahre sind ohne Grubstreet-Journal und Kraftsmann nicht quellenmäßig zu beschreiben, man hat aber die Blätter noch niemals zu einem solchen Zwecke benutzt.


52 Grubstreet Journal v. 5. Juni '35.


53 »So engrossing are Italians, and so prejudiced the English against their own Country, that our Singers are excluded from our very Concerts; Bertollisinging at the Castle, and Senesino at the Swan, to both their shames be it spoken, who, not content with monstrous salaries at the Operas, stoop so low as to be hired to sing at Clubs! thereby eating some English Singers bread.« The Prompter, No. 13 vom December '34.


54 »Signior Farinelli, a famous Singer, is arrived here from Italy, in order to perform in the Operas the ensuing Winter.« The Bee v. 26. Sept. '34. VII, 195.


55 Burney, Tagebuch einer musikal. Reise, B. I S. 161 der deutschen Ausg.


56 z.B. von jener Person, welche ihm eine £ 50-Note in einer goldenen Dose zu £ 30 übersandte, und dafür ihren Mann betrog und ihre Kinder darben ließ. S.Prompter vom März '35.


57 »A Letter to a Friend in the Country«, in The Old Whig No. 2 v. 20. März '35.


58 London Daily Post v. 4. Nov. 34. (Burney IV, 382.)


59 »The King gave his annual 1000 l. to the Managers of the Operahouse [Haymarket], and added 500 l. as a subscription to Mr. Handel, who had Operas at Covent-garden Theatre, in consequence of a dispute with the latter, which caused an expediture of 12,000 l. at the Haymarket and 9000 l. to Handel.« Malcolm, Anecdotes of the manners and customs of London p. 354. Alle Angaben Malcolm's sind aus den damaligen Zeitungen gezogen; er hat seine Quelle hier aber nicht näher angegeben.


60 Mattheson, Ehrenpforte S. 97–98.


61 Ehrenpforte S. 99.


62 Mattheson, kleine Generalbaßschule (Hamb. 1735) S. 5.


63 »You toc! don't I know better as your seluf, vaat is pest for you to sing? If you vill not sing all de song vaat I give you, I vill not pay you ein stiver.« Burney, Sketch in Comm. p. *24.


64 The Bee v. 20. Febr. '35. VIII, 495.


65 Hawkins, History V, 324–25.


66 Mitgetheilt von Horsley in der Vorrede seiner Ausgabe des Messias. Das Original ist im Besitz des Grafen Howe, eines Nachkommen von Jennens.


67 General Evening Post v. 17./20. Mai; Old Whig v. 22. Mai '35.


68 Hawkins giebt an einer Stelle (History V, 326) eine ganz richtige Erzählung, nur ohne genaue Zeitbestimmung; ab er an zwei andern (p. 353 u. 356) läßt er Händel schon jetzt, anstatt 1737, in Aachen seine Gesundheit herstellen. Bei Husk (An account of the musical celebrations on St. Cecilia's Day, London, 1857 p. 66) findet man dieselbe irrthümliche Angabe.


69 General Evening Post v. 14./16. Oct.; Old Whig v. 23. Oct. '35,


70 Old Whig v. 9./15. April '36.


71 London Daily Post v. 13. April '36.


72 London Daily Post v. 6. Mai '36.


73 London Daily Post v. 13. Mai; Old Whig v. 20. Mai '36.


74 London Daily Post v. 14. Mai '36.


75 »Atalanta an Opera as it is Perform'd at the Theatre Royal in Covent Garden. Compos'd by Mr. Handel. London, J. Walsh... No. 589.« 83 Seiten in Fol.


76

»Mr. Handel's Music.


Dr. Charge

1735–6

Thursday

Feby. 19 Alexander's Feast5258

Wed. 25 Alexander's Feast5258

Mar. 3d Alexander's Feast5258

Friday 12 Alexander's Feast1958

Wed. 17 Alexander's Feast1958

Wed. 24 Acis & Galatea1958

Wed. 31 Acis & Galatea1958

Wed. Apl. 7 Esther1958

Wed. 14 Esther1958

Wed. May 5th Ariodante5258

Fri. 7 Ariodante5258

Wed. 12 Atalanta5258

Sat. 15 Atalanta5258

Wed. 19 Atalanta5258

Sat. 22 Atalanta5258

Wed. 26 Atalanta5258

Sat. 29 Atalanta5258

Wed. June 2 Atalante5258

Wed. June 9 Atalante33138


Nights paid for Cr.

1735–6

Received For Rent & Actors9000

Received Servants pr. list14114

Feb. 27 For Rent & Actors9000

Feb. 27 Servants pr. list14114

Mar. 3 Received in full5258

Mar. 12 Received in full1958

Mar. 17 Received in full1958

Mar. 24 Received in full1958

Mar. 31 Received in full1958

Apl. 7 Received in full1958

Apl. 14 Received in full1958

May 5 Received in full5258

May 7 Received in full5258

May 12 Received in full5258

May 15 Received in full5258

May 19 Received in full5258

May 22 Received in full5258

May 26 Received in full5258

May 29 Received in full5258

June 2 Received in full5258

June 19 Recd33138.«


Mitgetheilt von Husk (Mus. celebrations on St. Cecilia's Day, p. 68) als »entry in the Account of the Treasurer of Lincoln's Inn Fields and Covent Garden Theatres.«


77 Die täglichen Ausgaben in Drury-Lane, dem ersten englischen Theater, waren schon im Jahre 1733 etwas höher, hauptsächlich wegen der ungerechten Begünstigung des Cibber'schen Anhanges. »By these and other salaries, with the incident charges, (besides cloaths and scenes) the Patentees are at the daily charge of 49 l. odd money, each acting day.« Grubstreet Journal v. 14. Juni '33.


78 Mrs. Pendarves an Swift, 22. April '36. In Swift's Briefwechsel.


79 Ein Landfräulein, die Tochter des Bürgermeisters, sagt zu ihrer Mutter: »Yes, Mamma, and then [in London] we shall see Faribelly [nach Carey englisirten die Bedienten ihn Fardinello], the strange man-woman that they say is with child; and the fine pictures of Merlin's cave at the play-houses; and the rope-dancing, and the tumbling. – Fustian. By Miss's taste I believe she has been bred up a woman of quality too. – Lord Place. I cannot but with pleasure observe, Madam, the polite taste Miss shews in her choice of entertainments; I dare swear she will be much admired in the Beau Monde.« Pasquin, Act. II,Sc. 1.


80 Horaz Walpole an Richard West, 23. März 1740.The Letters of Horace Walpole.Edited by Peter Cunningham. (London, 1857–59. 9 vols. 8.) I, 41.


81 London Daily Post v. 18. Juni '36.


82 Old Whig v. 14. Oct. '36. Vgl. London Daily Post v. 5. Oct. '36.


83 London Daily Post v. 18. Nov. '36.


84 London Daily Post v. 5. Oct. '36.


85 London Daily Post v. 1. Nov. '36.


86 Original Letters, dramatic Pieces and Poems. By Benjamin Victor (London, 1776. 3 vols. 8.) I, 13 ff. Der Brief hat das Datum »November 1738«: ein augenscheinlicher Druckfehler, da Händel im Herbst '38 keine Opern aufführte und da der ganze Inhalt des Briefes sich auf Vorgänge im November '36 bezieht.


87 »Justin an Opera as it is Perform'd at the Theatre Royal in Covent Garden. Compos'd by Mr. Handel.London, J. Walsh... No. 609.« 104 Seiten in Fol. Erschienen am 30. März d. J.; s. Craftsman v. 26. März u. 2. April '37.


88 Die Aufforderung zur Subscription bringt derCraftsman v. 22. Jan. '37, und die Oper erschien darauf am 12. Februar. »Arminius an Opera as it is Perform'd at the Theatre Royal in Covent Garden. Compos'd by Mr. Handel. London, J. Walsh... No. 605.« 91 Seiten in Fol.


89 Die Aufforderung zur Subscription steht imCraftsman v. 28. Mai '37, und die Oper erschien am 18. Juni. »Berenice an Opera as it is Perform'd at the Theatre Royal in Covent Garden. Compos'd by Mr. Handel. London, J. Walsh... No. 619.« 82 Seiten in Fol.


90 Am 1. Dec. '36 wurde eine Vorstellung des Porus wegen plötzlicher Erkrankung der Strada unmöglich, »which sudden indisposition«, wird entschuldigend bemerkt, »put it out of the power of the Directors, to give earlier notice to the town of their disappointment.« London Daily Post v. 2. Dec. '36.


91 London Daily Post v. 11. März '37. Vgl. Burney, History IV, 403.


92 Mainwaring, Memoirs p. 121–22. Hawkins, History V, 326.


93 London Daily Post v. 30. April '37.


94 Hervey, Memoirs II, 491.


95 London Daily Post v. 26. April '37.


96 Cibber, Life p. 342.


97 Hawkins, History V, 326.


98 Zwei Schreiben an den Herausgeber des Common Sense; s. die Auszüge im London Magazine v. Mai '38, p. 228.

Quelle:
Chrysander, Friedrich: G.F. Händel. Band 2, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1860.
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