I.

König und Künstler.

[3] Kindheit und Jugend König Ludwigs II. – Früher Einfluß von Wagners Werken und Schriften. – Erster persönlicher Verkehr. – ›Über Staat und Religion‹. – Besuch der Bülowschen Familie. – Besuch Liszts – Berufung Bülows ›Friedrich Schmitts und Cornelius‹. – Übersiedelung nach München. – Aufführung des ›fliegenden Holländers‹.


Wie mich dein hehrer Segensgruß entzückte,

der wonnestürmisch mich dem Leid entrafft:

so wandl' ich stolz beglückt nun neue Pfade

im sommerlichen Königreich der Gnade.

Richard Wagner.


Der junge Monarch, der im äußersten entscheidenden Moment in das Leben Richard Wagners eintrat, um von nun an mit seinem ›starken treuen Schutz‹ über dem Leben des Meisters und der Ausführung seines Lebenswerkes zu wachen, war am 25. August des ›Tannhäuser‹- Jahres 1845 geboren, – als der älteste Sohn des damaligen bayerischen Kronprinzen, nachmaligen Königs, Maximilian II. Fern den Wirren einer von ihm nicht gebilligten Politik, lebte dieser liebenswürdige edle Fürst meist im Schoße seiner Familie auf dem von ihm selbst geschaffenen Fürstensitz Hohenschwangau. Sein Geheiß hatte diese schlanken Türme, kühnen Erker und zackigen Mauern auf den Grundfesten des alten Schlosses Schwanstein erstehen lassen; die stolze Burg, deren gelbes Gemäuer auf ragendem Felsenkegel sich von dem dunkeln Grunde eines breiten dichtbewaldeten Bergsattels abhebt, mit ihrem Fernblick von zugleich lieblicher und erhabener Schönheit, blieb während seiner ganzen Regierungszeit sein und der königlichen Familie Lieblingssitz. ›Diese Herrschaft ist seit Jahrhunderten ein Königsaufenthalt: Handel und Industrie, mit ihrem Gefolge von Postkutschen, Eisenbahnen und Fabriken, haben da nicht eindringen können. Die Schwäne leben dort in Frieden, die Rehe springen in voller Freiheit umher. Die einfachen Wege, die hohen alten Bäume mit glatten Rinden haben ernste, nachdenkliche Mienen und scheinen [3] immer herrschaftliche Gäste zu erwarten. Aber der ganze Zauber der Landschaft vereinigt sich in dem größeren und einsameren der beiden Seen, der von alten Buchen umsäumt ist, überragt von Felswänden, Schroffen und Tannendickicht. Mit seinen wechselnden Farben, himmelblau, purpurn, smaragd, gleicht er einem lebenden Auge der Erde, abwechselnd feurig, träumerisch und voll unergründlicher Wehmut.‹1 Hier wuchs der junge Ludwig auf und empfing inmitten einer großen Natur und sagenreichen Umgebung die ersten sonnigen Jugendeindrücke. Von den Wänden der Väterburg winkten ihm die hohen farbigen Gestalten der Kaiser und Herzoge, Minnesinger und Kreuzritter aus der Chronik von Hohenschwangau, unter ihnen die des Schwanenritters Lohengrin, wie er in sein Horn stößt, um dem Kaiser sein Nahen zu verkündigen. Gewiß wirkten diese Eindrücke mit zu der mächtigen Anregung, die er als Fünfzehnjähriger aus der erstmaligen Anhörung einer Münchener ›Lohengrin‹-Aufführung erhielt. Doch fand er hier mehr als die bloße Verkörperung einer Sage, die seine Kindheit mit frühgewohnten Bildern und Klängen umgaukelt. Ihm trat zum ersten Male der nie gekannte, mächtig bestimmende Reiz eines eigenartigen neuen Kunstwerkes mit demselben entscheidenden Einfluß entgegen, der schon so manchem gerade aus dieser Schöpfung zu einem Wendepunkt seiner Kunstanschauung geworden war. Für seine Entwicklung als künstlerischer Mensch wurde das Bekanntwerden mit dieser neuen Erscheinung maßgebend. Seine Begeisterung für den Schöpfer dieses Werkes wuchs, je mehr er von dessen Werken, Schriften und Plänen kennen lernte. Als der achtzehnjährige Kronprinz die soeben veröffentlichte Dichtung vom ›Ring des Nibelungen‹ ergriff, als am Schluß ihres Vorwortes die, Frage: ›wird dieser Fürst sich finden?‹ an sein Herz pochte und dieses heftiger zu schlagen begann, wußte er, an wen sie gerichtet sei, und gelobte sich, sie nicht unbeantwortet zu lassen Aus dieser Begeisterung erwuchs ihm der tatenfrohe Wille, dem von allen Verlassenen mit königlicher Macht zur Seite zu stehen Zeitiger als zu erwarten war, beschied ihm das Schicksal Gelegenheit zur Einlösung seines, sich selbst verpfändeten Wortes.

Der Boden, auf welchem die ernste Pflicht des Regenten durch den frühen Tod seines Vaters in noch so jugendlichem Alter an ihn herantrat, war nicht dazu angetan, ihm ihre gewissenhafte Ausübung zu erleichtern. Schon zur Regierungszeit seines Großvaters war hier, trotz eines ansehnlichen Aufschwunges der bildenden Künste, ungeachtet liberaler königlicher Unterstützungen und der reichen Hilfsmittel der Universität, die freie Entfaltung der Wissenschaften und Künste durch die unangefochtene Machtstellung des Katholizismus erschwert und gehemmt, und Hand in Hand damit das Volk in geistiger Verdumpfung erhalten worden Weit hinaus über die Zeit von Franz Xaver [4] Baaders romantischem Mystizismus und ähnlichen Auswüchsen, wie sie nur der Boden Münchens erzeugen konnte, erhielten sich die Nachwirkungen der ›von den beiden Görres und ihren Geistesverwandten in den berüchtigten, historisch-politischen Blättern‹ eingeleiteten, kirchlichen Polemik gegen die edelsten Freiheitsregungen des Zeitalters. Erst der Regierungsantritt Maximilians entbot diesen düsteren Mächten den Kampf; die Fortführung desselben war das Erbteil Ludwigs II. Zu dem verdumpfenden Einfluß des Ultramontanismus kam noch der, durch die klerikalen Bestrebungen geförderte, politische Gegensatz zu dem Norden Deutschlands und zu allem, was von diesem auszugehen schien, oder was die allgemeine Erregung der Gemüter in jenen Jahren – unmittelbar vor 1866! – mit ihm in Zusammenhang brachte. Wie jene Zeit in ganz Süddeutschland eine gewaltige Gärung hervorrief, so war es besonders in der Hauptstadt Bayerns der Fall. Hier hatte ja schon unter König Max anläßlich der Berufung von Gelehrten, Künstlern und Dichtern norddeutscher Abkunft eine unverkennbare Verstimmung geherrscht, die sich ganz in dem Maße auf weitere Kreise übertrug, als sich in Preußen die Anzeichen einer selbständig ins Werk zu setzenden Politik zu mehren begannen. ›Glaubte man doch, das liebe Preußen gehe darauf aus, womöglich den ganzen Süden einfach in die Tasche zu stecken.‹2 Durch ein solches Zusammenwirken der Umstände geschah es, daß die edelste, in ihren Wirkungen weitreichendste, ihm zu ewigem Ruhm gereichende Tat des jungen Herrschers, die Berufung Wagners nach München, anstatt in der gesamten Bevölkerung einen freudigen Widerhall zu finden, ihn einer unerwarteten heftigen Agitation gegenüber stellte und die planvollen Hetzereien weniger, nahe beteiligter, aber in das Dunkel der Zeitungs-Anonymität gehüllter, leitender Personen in der bayerischen Hauptstadt einen wohlvorbereiteten fruchtbaren Boden für ihre Zwecke fanden!

Je ernstlicher König Ludwig bereits als Kronprinz durch eigene Neigung sich berufen fühlte, in getreuer Verfolgung der väterlichen Tradition den Bestrebungen zur geistigen Befreiung seines Landes und Volkes auf politischem Gebiet durch einen gemäßigten Liberalismus kräftigen Vorschub zu leisten, desto mehr sah er sich, durch den gleichen inneren Antrieb, die bestimmte Aufgabe zugewiesen: über den unfruchtbaren Gegensatz der politischen Parteien hinaus, in der Verwirklichung der erhabenen Absichten des schöpferischesten deutschen Künstlers den positiven Gehalt einer deutschnationalen Kultur zum großartigen Ausdruck zu bringen. Dies bedeutete zunächst soviel als das Verlangen, dem alles überragenden, und doch hilf- und heimatlos im eigenen Vaterlande umherirrenden großen Genius hier am Orte, in seiner eigenen[5] Hauptstadt, die Stätte zu bereiten und sein ferneres Wirken und Schaffen in seine schützende Hand zu nehmen. ›In der Zeit‹, so berichtet Wagner selbst, ›wo ich in Luzern meinen »Tristan« beendigte, mich unsäglich mühte, die Möglichkeit einer Niederlassung auf deutschen Boden mir zu gewinnen3 und endlich verzweiflungsvoll nach Paris mich wandte, um dort in Unternehmungen mich abzumühen, die meiner Natur zuwider waren, – damals wohnte der 15 jährige Jüngling zuerst einer Aufführung des »Lohengrin« bei, die ihn so tief ergriff, daß er seitdem aus dem Studium meiner Werke und Schriften seine Selbsterziehung in der Weise bildete, daß er seiner Umgebung offen eingesteht, ich sei sein eigentlicher Erzieher und Lehrer gewesen Er verfolgt meinen Lebenslauf und meine Nöten, meine Pariser Widerwärtigkeiten, mein Verkommen in Deutschland, und nährt nur den einzigen Wunsch, die Macht zu gewinnen, mir seine höchste Liebe beweisen zu können. Sein einziges, wirklich verzehrendes Leiden war, nicht zu begreifen, wie er seiner stumpfen Umgebung diese nötige Teilnahme für mich abgewinnen sollte‹4. Was hier Wagner anführt, klingt uns Wort für Wort aus den erhaltenen eigenen brieflichen Äußerungen des jungen Monarchen entgegen. So gleich in dem allerersten an ihn gerichteten Schreiben vom 5. Mai 1864, unmittelbar nach ihrer ersten persönlichen Begegnung ›Seien Sie überzeugt‹, heißt es darin, ›ich will alles tun, was irgend in meinen Kräften steht, um Sie für vergangene Leiden zu entschädigen; die niederen Sorgen des Alltagslebens will ich von Ihrem Haupte auf immer verscheuchen, die ersehnte Ruhe will ich Ihnen bereiten, damit Sie im reinen Äther Ihrer wonnevollen Kunst die mächtigen Schwingen Ihres Genius ungestört entfalten können! Unbewußt waren Sie der einzige Quell meiner Freuden, von meinem zarten Jünglingsalter an, ein Freund, der mir, wie keiner, zum Herzen sprach, mein bester Lehrer und Erzieher.‹ ›Ich seufzte stets nach der Zeit, die es mir vergönnen werde, Ihnen einigermaßen wenigstens alle die Sorgen und Leiden zu vergüten, welche Sie so zahlreich zu bekämpfen hatten; jetzt – o Wonne! – ist der Augenblick gekommen, jetzt hat der Purpurmantel mich umwallt; da ich die Macht habe, will ich sie benützen, um Ihr Leben zu versüßen. Keine Bande sollen Sie fesseln, frei und unumschränkt sollen Sie nur Ihrer herrlichen Kunst sich hingeben, wie der Geist es Sie lehrt.‹5 Wen will es nach diesen Äußerungen der liebevollsten Besorgnis noch wundernehmen, wenn sich dem lange Verschlagenen, [6] auf die Lieblosigkeit seiner unkünstlerischen Mitwelt Angewiesenen sogleich nach den ersten Unterredungen mit dem neugewonnenen königlichen Freunde die volle Schönheit dieser Begegnung erschloß! Wie tief sie ihn erwärmte und mit neuen Hoffnungen durchdrang, das zeigen seine brieflichen Worte an die bewährte Freundin, Frau von Muchanoff6: ›Was soll ich Ihnen nun sagen? Das Undenklichste und doch einzig mir Nötige ist volle Wahrheit geworden. Im Jahre der ersten Aufführung meines »Tannhäuser« gebar mir eine Königin den Genius meines Lebens, der, einst in tiefster Not, mich in das höchste Glück bringen sollte. Er ist mir vom Himmel gesendet, durch ihn bin und verstehe ich mich.‹

Von der äußeren Erscheinung dieses ›lieblichen Menschen‹, wie er damals in frühlingsfrischer Jugendlichkeit dem Meister entgegentrat, macht man sich das beste Bild nach dem in Wahnfried befindlichen Aquarell, das in phototypischer Nachbildung dem vorliegenden Bande zum Schmuck gereicht.7 Eine jugendliche Heldengestalt, deren immer noch schmächtige Formen sich doch schon zu runden und voller zu werden beginnen, schlank und groß wie eine Tanne, mit dem blitzenden Auge und dunkelgelockten Haar des Südländers und dem hohen Wuchs des Germanen. In seinem Antlitz lag die ganze Reinheit und Keuschheit der unberührten Jünglingsnatur; keine sinnliche Leidenschaft hatte in sein Herz ihre brennenden Züge geschrieben; jungfräulich, wie sein Körper, war sein Denken und Empfinden. ›Er ist kühn und emporstrebend, wie ein Adler, und unschuldig wie eine Lilie‹, sagte von ihm ein verdienter älterer Politiker und bewährter Beamter der bayerischen Krone.8 ›Jeder großen Idee ist er zugänglich, und es ist erstaunlich, wie viel er, ohne daß es bemerkt worden ist, studiert hat.‹ Der schwärmerische Glanz seiner herrlichen dunkelblauen Augen zeugte von hoher geistiger Begabung und Schwung der Phantasie; die Gesichtsfarbe war frisch und gesund, etwas ins Bräunliche spielend; der edelgeschnittene Mund bartlos, bis auf einen zarten flaumartigen Anflug auf der Oberlippe. Und doch war es nicht die Schönheit des Königs allein, die so allgewaltig anzog; sein Geist, seine Liebenswürdigkeit fesselte jeden, der mit ihm in Berührung kam. Seine phantasievoll künstlerischen Neigungen ließen ihn von vornherein an dem geräuschvollen, prunkenden, alles geistigen Inhaltes baren Hofleben kein Gefallen finden; desto voller und wärmer erschloß sich sein Inneres dem gereiften Geiste des großen künstlerischen Freundes. Da verklärte sich dieses leuchtende glanzvolle Auge mit [7] dem ihm so wunderbar eigenen Ausdrucke begeisterter Empfänglichkeit und liebevoller Hingebung. In der Ausübung seiner Regentenpflichten zeigte er seinen Ratgebern von Anbeginn eine Selbständigkeit des Urteils, eine Willenskraft und Entschiedenheit, wie er sie auch späterhin in den entscheidenden Angelegenheiten des bayerischen Staatswesens an den Tag gelegt. ›Zu nichts weniger hatte er bei seiner Thronbesteigung Lust, als die Rolle eines politischen Figuranten zu übernehmen‹9 – das hatten seine Minister sogleich in dem ersten Jahr seines Regierungsantrittes zu erfahren. ›Mir versicherte‹, sagt Wagner, ›ein vertrauter Freund des Königs, der Jüngling sei so ernst und streng in seinen Regierungsgeschäften, nur um niemand Einfluß und sich die vollste, Freiheit zu verschaffen, seiner Macht sicher und gewiß, in höchster Unabhängigkeit seiner Liebe für mich nachleben zu können. Er ist sich ganz bewußt, wer ich bin und wessen ich bedarf: nicht ein Wort hatte ich wegen meiner Stellung zu verlieren Er fühlt, eine Königsmacht müsse wohl dazu genügen, jedes Gemeine fern von mir zu halten, mich ganz meiner Muße zu übergeben und jedes Mittel herbeizuschaffen, meine Werke aufzuführen, wann und wie ich es wünsche.‹

Von jener kurzen geschäftlichen Reise nach Wien10 in Begleitung seiner bewährten Dienerschaft und seines treuen Hundes Pohl zurückgekehrt, ließ sich Wagner, um in möglichster Nähe des kgl. Sommeraufenthaltes zu weilen, in Starnberg an den lieblichen Ufern des Sees nieder, wo ihm auf Befehl des Königs dessen Kabinetssekretär bei der Aufsuchung eines entsprechenden Unterkommens behilflich gewesen war.11 Es war die ruhig und angenehm gelegene Villa Pellet an der linken Seeseite, kaum eine Viertelstunde von Schloß Berg, mit lauschiger Gartenumgebung, so daß man vom See aus im Nachen unmittelbar im Garten landen konnte. Über seinen beglückenden täglichen Verkehr mit dem königlichen Freunde berichtet der Meister in den beredten Zeilen jenes längeren Briefes an Frau Wille. ›Er hält sich jetzt meistens hier in einem kleinen Schloß in meiner Nähe auf, in zehn Minuten führt mich der Wagen zu ihm Täglich schickt er ein- oder zweimal; ich fliege dann immer wie zur Geliebten Es ist ein hinreißender Umgang; dieser Drang nach Belehrung, [8] dies Erfassen, dies Erbeben und Erglühen ist mir nie so rückhaltlos schön zuteil geworden. Und dann diese liebliche Sorge um mich, diese reizende Keuschheit des Herzens, jeder Miene, wenn er mir sein Gluck versichert, mich zu besitzen. So sitzen wir oft stundenlang da, einer in den Anblick des andern verloren.‹ Wie ein ergänzendes Echo zu diesen Mitteilungen vernehmen wir dann die brieflichen Äußerungen des jungen Monarchen, so warm, so natürlich zu Herzen sprechend, als hörten wir den Ton seiner Stimme. ›Sie glauben gar nicht, wie überglücklich im bin, den Mann von Angesicht sehen zu dürfen, dessen hehres Wesen mich seit früher Jugend mit unwiderstehlicher Gewalt an sich zog und fesselte!‹ Und wieder: ›Wenn ich Sie so vor mir sehe, wie neulich, gerührt durch die letztempfangenen Eindrücke, wenn ich mir sagen darf: durch dich ist er glücklich und zufrieden geworden, – so bin ich so über und über glücklich, so erhoben durch wonnige Gefühle, daß ich den Himmel auf Erden wähne.‹ Mit wahrer Glut der Empfindung erwähnt er der ›herrlichen Stunden‹, die ihm Wagner in Berg bereitet, insbesondere auch der Vorlesun gen seiner dramatischen Schöpfungen, Empfangen Sie meinen gerührtesten Dank für Ihre Liebe und Hingebung, mit denen Sie mir Ihre herrlichen Werke vorlasen Alles, was Sie schaffen, ist mir so nahe, so innig verwandt... Oft sagen Sie mir, daß Sie mir viel verdanken, aber das ist alles wie ein leeres Nichts gegen das, was ich Ihnen zu verdanken habe. Die schönsten Augenblicke meines Lebens habe ich von Ihnen empfangen. Es war das erste völlige Erfassen, Durchdringen dieser Werke bis in ihre innersten Tiefen. ›Ich entsinne mich‹, sagt Wagner, ›aus meinen ersten Jünglingsjahren eines Traumes, wo ich träumte, Shakespeare lebte und ich sähe ihn und spräche mit ihm, wirklich, leibhaftig; der Eindruck hiervon ist mir unvergeßlich und ging in die Sehnsucht über, Beethoven noch zu sehen, – der doch auch schon tot war. Etwas Ähnliches muß in diesem lieblichen Menschen vorgehen, wenn er mich hat.‹ Daher liegt etwas von heilig bräutlicher Weihe in der Stimmung dieser wundervollen Briefe des jungen Herrschers. Galt es doch der Vermählung seiner empfänglichen innersten Seele mit dem Kunstideal, das durch ihn seiner segenvollen Verkörperung entgegenschreiten sollte. Die auf den höchsten Bestrebungen des Geistes begründete Freundschaft zwischen König und Künstler, sie ward in diesem intimen Verkehr durch das Feuer der edelsten Herzensempfindungen geglüht und gehärtet. Ein Bund, dessen Festigkeit keine Tücke des Schicksals brechen, keine höfischen Intriguen untergraben, keine erzwungene Trennung schwächen oder erschüttern konnte.

Auch aus der höfischen Umgebung ward ein störender Mißklang zunächst nicht vernehmbar. Die unvermeidlichen Beziehungen zu den hier in Betracht kommenden Persönlichkeiten gestalteten sich gut und freundlich. Auf diesem glatten Boden, wo alles zu einander in stiller Gegnerschaft steht, wo das [9] Steigen des einen den Sturz des anderen bedeutet, hat Wagner zunächst keinen offenen Widersacher gefunden. Die ehrerbietige Zuvorkommenheit, welche man dem Rufe des hochstehenden Genius schuldete, ward dem mit Auszeichnung behandelten Freunde des Monarchen in doppeltem Maße zuteil. Gerade die Intimität des beiderseitigen Verkehrs hielt den Neid in respektvoller Entfernung. ›Er prahlt nicht mit mir‹, sagt Wagner in diesem Sinne, ›wir sind ganz für uns. Wollte ich – so sagt man mir – so stünde mir der ganze Hof offen: Er würde mich nicht begreifen, wenn ich da nach einer ehrgeizigen Rolle verlangte. So schön und echt ist alles. Wie leicht wird es mir so nach jeder Seite hin zu beruhigen: man merkt mich nicht, niemand beeinträchtige ich; allmählich wird mich alles lieben. Schon die nächste Umgebung des Königs ist glücklich darüber, mich so zu finden und zu wissen... So wird täglich in und um uns alles schöner und besser!‹ Der Ausdruck ›nächste Umgebung‹ scheint auf die Angehörigen der kgl. Familie. den Großvater, die Königin-Mutter hinzudeuten. Über etwaige Beziehungen des Meisters zu den Gliedern dieser Familie ist uns näheres jedoch so wenig bekannt, daß wir zweifeln möchten, ob solche überhaupt jemals stattgefunden haben. Der Großvater weilte um jene Zeit meist in Italien. Es dürfte hiernach in erster Reihe etwa an die Kabinetssekretäre Pfistermeister und Hoffmann, demnächst vielleicht auch an den Leibarzt und Adjutanten des Königs zu denken sein. Als diejenige Persönlichkeit, die am meisten zwischen dem jungen Monarchen und seinem künstlerischen Freunde zu vermitteln, seine Einladungen an ihn auszurichten, seine auf ihn bezüglichen Befehle und Anordnungen zu erfüllen hatte, tritt uns der Kabinetssekretär Staatsrat Franz von Pfistermeister entgegen. Er hatte als Abgesandter des Königs den Meister in der Ferne auszusuchen und seinem königlichen Herrn zuzuführen gehabt, er war von Stuttgart aus Wagners Begleiter gewesen,12 er hatte ihm im Auftrag des Königs bei der Auffindung einer geeigneten Niederlassung geholfen (S. 8), er war in die finanziellen Bedrängnisse Wagners in Wien und deren nunmehriges Arrangement nicht uneingeweiht geblieben. Zeitgenossen bezeichnen ihn kurzweg als ›hartgesottenen Bureaukraten‹, als den personifizierten Zopf des Münchener Kabinets, einer derselben13 spricht bei seiner Charakteristik insbesondere von seiner, süßen heuchlerischen Freundschaftlichkeit ›und zitiert über ihn das herbe Urteil eines österreichischen Staatsmannes, er sei, zu dumm, um eigene Intriguen zu betreiben oder fremde mit Bewußtsein betreiben zu helfen‹. Was die letztere Behauptung anbetrifft, so hat die Folge ganz unzweifelhaft das Gegenteil bewiesen: unter allen Münchener Gegnern Wagners und verborgenen Unterminierern seiner dortigen Stellung hat sich Pfistermeister mit als der einflußreichste und gefährlichste erwiesen, um so mehr als [10] er den Vorteil genoß, bis zum letzten Moment von Wagners Münchener Aufenthalt beständig dienstlich in nächster Umgebung des Königs beschäftigt und daher über jeden geringsten Vorgang orientiert zu sein. Seine ganz hervorragende Fähigkeit, Intriguen zu dirigieren und sich von andern dabei helfen zu lassen, hat er dabei leider hinreichend dokumentiert! Trotz alledem macht es uns den Eindruck, als habe er sich wenigstens anfangs dem Meister gegenüber in der Rolle eines Vermittlers königlicher Huldbezeigungen gehoben und geschmeichelt gefühlt; auch blieb der Verkehr mit ihm wenigstens in den äußeren Formen noch auf längere Zeit hinaus ein freundschaftlicher.

Nicht volle drei Wochen lagen zwischen dem Ein tritt der ›großen Wendung‹ und dem 22. Mai, Wagners einundfünfzigstem Geburtstag. Trotzdem hatte es der König ermöglicht, in dieser kurzen Frist ihm zur Überraschung ein schönes Ölporträt von sich herstellen zu lassen, zu dem er dem Maler eigens gesessen. ›Dies wunderbare Bild‹, schreibt Wagner darüber, ›belehrte mich, nun auch andern zur Evidenz zu zeigen, daß ich »Genie« habe: da, blickt hin, hier habt Ihr mit Augen meinen »Genius« vor Euch!‹ – Der tägliche Umgang mit diesem guten Genius hatte ihn diese ganze Zeit über wie in einer schönen Berauschung erhalten; wich dieser wohltätige Zustand für einen Augenblick und sah er hinter sich, so konnte er nur mit Grauen in den Abgrund völliger Hilflosigkeit und Verzweiflung zurückblicken, dem er wie durch ein göttliches Wunder entronnen war. ›Was Du mir bist, kann staunend ich nur fassen, wenn sich mir zeigt, was ohne Dich ich war‹, heißt es in jenem schönen Gedichte aus dem Sommer 1864.14 Es kamen solche Momente, und seine Briefe bringen die Stimmung zum Ausdruck, die sich seiner dann bemächtigte. ›Nun die Aufregung schwindet, tritt der Schmerz, wie bei Wunden, hervor. Die Vorstellung, wie es jetzt um mich stehen wurde, wenn dieses Eine, Unerwartete, mir nicht begegnet wäre, macht mich noch immer erstaunen; denn alles, was ich erwarten zu dürfen glaubte, ist und wäre jämmerlich ausgeblieben! Das übersehe ich jetzt und schaudre.‹ Er empfand diesen Schauder am meisten, wenn er all ein war, und er war viel allein in dem ›ganzen großen Hause‹, das er, ›weil's nicht anders ging‹, für sich hatte. ›Meine Einsamkeit ist furchtbar – nur wie auf höchster Bergesspitze kann ich mit diesem jungen König mich erhalten.‹ Was er vor allem vermißte, war, seinem stets regen Mitteilungsverlangen entsprechend, – etwas Hausumgang. In diesem Sinne gedachte er an den treuen Genossen seiner Wiener Tage, Peter Cornelius.15 Einladungen zu einem Besuche in Starnberg ergingen auch an [11] andere Freunde, denen er seinen unerhörten Glücksumschwung mitzuteilen hatte.16 Vor allem stand die Berufung Bülows von Hause aus fest. ›Das wichtigste war, Bülow aus seiner wahnsinnig aufreibenden Kunstbeschäftigung zu reißen und ihm ein edleres Feld zu verschaffen.‹17 Seit bald neun Jahren lebte, kämpfte, rang dieser Tapfere auf dem sterilen Boden der preußischen Residenz, ohne Hoffnung auf ein Auftauchen aus dem Sumpfe des ›höheren Galeerensklaventums‹ einer müsikpädagogischen Tätigkeit am Sternschen Konservatorium. Überreizung der Nerven, Mattigkeit und schlechte Laune über tausend Verzögerungen und getäuschte Erwartungen, hatten ihn auf den Punkt gebracht, seine Rettung am Ende in einer Übersiedelung nach Rußland zu suchen, entweder nach Petersburg oder nach Moskau; denn von beiden Orten waren vorteilhafte Anträge an ihn ergangen.18 Nun war auch für ihn die Entscheidung gefallen, und kein Zweifel über das wahre Feld seiner ferneren künstlerischen Betätigung. ›Meine Pflichten für die Zukunft sind klar vorgezeichnet: exklusive Konzentration auf die Wagnersche Aufgabe. Jedenfalls habe ich mich darauf vorzubereiten durch gänzliches Zurückziehen von einer Welt, in der ich mit den reinsten Absichten, wenn auch mit unzureichenden Kräften, nur Bitteres und allen Wirkenstrieb Zernagendes erfahren.‹19 Den Übergang dazu, die unerläßliche Vorstufe für eine offizielle Berufung nach München bildete zunächst die Verabredung eines Besuches in Starnberg für den bevorstehenden Sommer.

Fühlbar machte sich einstweilen dem einsamen Meister noch das Bedürfnis nach einer um ihn schaltenden weiblichen Hand. ›Die Verlassenheit meines Hausstandes, die Nötigung, mit Dingen, für die ich wahrlich nicht gemacht, mich immer noch einzig selbst zu befassen, lähmt meine Lebensgeister: ich hab' jetzt wieder ein Hauswesen einzurichten, um Messer, Gabeln, Schüsseln und Töpfe, Bettwäsche usw. mich zu bekümmern gehabt. Ich Verherrlicher der Frauen! Wie überlassen sie mir so freundlich dafür ihre Besorgungen!‹ Jeder entfernte Gedanke an eine Wiedervereinigung mit Minna zeigte einen solchen Schritt in dem Lichte einer ernsten Unmöglichkeit. Seit drei Jahren lebte sie von ihm getrennt, und er hatte diese Trennung, trotz aller dadurch ihm auferlegten Versorgungspflichten, auch in den Tagen drückender Not [12] immer nur als eine Erleichterung empfunden Hatte sie sich doch ihrer ganzen Natur nach von je als das verkörperte Mißverständnis seines außerordentlichen Daseins, in all seinen Äußerungen und Beziehungen, bewährt. Er war ihr bei aller Vertraulichkeit des täglichen Umganges stets fern, die Sphäre seines eigentlichen Lebens ihr verschlossen geblieben: genau auf dem Punkte, wo diese begann, hörte ihr Vermögen auf. Fremd war sie innerlich auch seinen eigentlichen künstlerischen und menschlichen Freunden. Eben das Außerordentliche seiner Existenz, als eines Künstlers, dessen Schaffen sich nicht an eine trivial genußsüchtige Mitwelt, sondern an eine ferne Nachwelt richtete, und der sich daher in dieser Mitwelt stets auf eine tragische Vereinsamung angewiesen sah, – es verlieh allen seinen persönlichen Beziehungen ihren besonderen Charakter, jenen feurig engen Anschluß, jenes eigentümlich Zarte und Schwungvolle, Unbedingte, wodurch er die ihm wahrhaft Nahetretenden über ihre Zeit und Umgebung heraus erhob und sie unwillkürlich mit sich isolierte, als Angehörige einer ›neuen Welt‹, als Bürger eines kommenden Zeitalters. Das stolz Beglückende einer solchen Zugehörigkeit, das höchste erhebende Wohlgefühl, welches der Umgang mit ihm verlieh, sie hatte es nie empfunden. Zudem war sie leidend und bedurfte der Pflege und eines ihrer Sinnesart angemessenen Verkehrs. Beides hatte sie vollauf und nach Wunsche in Dresden, an dem Orte ihrer Herkunft und Geburt, mit welchem sich zugleich die glänzendsten und erhebendsten Erinnerungen ihres Lebens verknüpften. Dort hatte sie ihre Verwandten und besten Freunde und führte in angenehmer häuslicher Umgebung ein behagliches, in sich befriedigtes Dasein, durch keinen Selbstvorwurf je getrübt, da sie in keiner Differenz mit ihrem Gatten jemals im Unrecht gewesen zu sein sich bewußt war Sie diesem Kreise ihrer selbstgewählten Existenz zu entreißen, um sie in die komplizierten, ihr gänzlich fremden Münchener Verhältnisse zu versetzen, wäre eine zwecklose Grausamkeit gewesen; dazu würde sie dem Meister seine Lage keineswegs erleichtert, sondern nur erschwert haben. Selbst ihre wohlgemeintesten brieflichen Äußerungen konnten unter Umständen, durch erneute Wahrnehmung der zwischen ihnen bestehenden unausfüllbaren Kluft, der Anlaß einer tiefen Verstimmung werden, wie sie z.B. in der Nachschrift des sonst so glücklichen, heiteren Briefes an Frau Wille, vom 26. Mai, zum Ausdruck gelangt.20 Es ist darin von einer ›unheilbar trostlos verstimmenden Eigenschaft der »Welt«‹ die Rede, ›gegen welche unsereines eben gar nichts vermag‹. Es sei dies ›der Dünkel der Philisterseele auf ihre »praktische Klugheit« und die, oft gemütlich lächelnde Anmaßung, den seltenen, unbegriffenen Geistern gegenüber, [13] einzig klug und weise zu sein‹. ›Diese abscheuliche Klugheit, diese lächerliche Mattigkeit im Begreifen und Würdigen der Dinge dieses Lebens, welche dem phantastischen Tollkopfe gegenüber dann und wann Triumphe feiert, zerfällt, genau genommen, dem eigentlichen tieferen Geiste gegenüber, in den nur tierischen Instinkt zum Auffinden des gerade heute Nützlichen und Nötigen; da der tiefere Geist oft absichtlich – eben um sich im weiteren Blick nicht stören zu lassen, dies unmittelbar Nötige häufig übersieht, erscheint er jener praktischen Weltintelligenz sinnlos und absolut unverständlich. Das müssen wir uns nun gefallen lassen, daß die Welt, die wir sehr wohl begreifen, uns nicht begreift und unser unpraktisches Wesen zu bemitleiden sich erlaubt. Wenn dies Verhältnis aber auf das Gebiet der Moralität hinübertritt, der Philister sich für einzig sittlich hält, bloß weil er die wahre Sittlichkeit gar nicht begreift und gar kein Gefühl dafür hat, wird uns die Nachgiebigkeit und das ironische Zugeständnis des Rechthabens auf der anderen Seite schwierig. Wenn aber gar ein weibliches Gemüt allen Instinkt der Liebe so vergißt, daß sie von dieser philister-sittli chen Ansicht aus den Gegenstand ihrer Liebe beurteilt, bemitleidet und – ermahnt, so ist es nicht mehr zum Aushalten.‹ Der unausgleichbare Gegensatz der Lebensauffassung hatte ihre bisherigen Wiedervereinigungen nach kürzerer oder längerer Trennung – erst in Zürich, dann in Paris – so völlig unfruchtbar an heilsamen Erfolgen gemacht; ein nochmaliger, dritter Versuch dieser Art, nach den beiden vorausgegangenen, konnte beiden Teilen nicht mehr ratsam dünken. Und so blieb der Mitteilungsbedürftige wiederum auf eine einsame Häuslichkeit und den Mangel einer angemessenen Leitung seines Hausstandes nach der wirtschaftlichen Seite hin dauernd angewiesen. ›Ob ich dem »Weiblichen« ganz werde entsagen können?‹ heißt es daher in eben demselben Zusammenhange. ›Mit einem Seufzer sage ich mir, daß ich es fast wünschen müßte! – Ein Blick auf sein liebes Bild hilft wieder! Ach, dieser Liebliche, Junge! Nun ist er mir doch wohl alles, Welt, Weib und Kind!‹ – – –

Ende Mai unternahm der junge Monarch einen kurzen Ausflug nach Kissingen. Veranlassung dazu gab ihm der dortige Aufenthalt des österreichischen Kaiserpaares, welches ihn soeben auf der Durchreise in seiner Residenz besucht hatte. Da er seine Cousine, die Kaiserin Elisabeth, in den zehn Jahren seit ihrer Verheiratung nicht wiedergesehen, war sie jetzt als eine völlig neue Erscheinung vor ihn getreten Damals (1854) hatte er selbst noch im Knabenalter gestanden, nun führte er die schöne Frau als Hausherr und Herrscher in seinem Münchener Königsschlosse am Arme zur Tafel. Als Verwandter und Landesfürst folgte er dem Kaiserpaare kurz nach dessen Abreise in das Bad Kissingen nach, wo damals auch Kaiser Alexander II. von Rußland mit den Seinigen zur Kur weilte. ›Ludwig ward jubelnd empfangen‹, berichtet einer seiner Biographen, ›er bezauberte die Einheimischen und die [14] Fremden, die Fürstlichkeiten und das Volk; und er selbst muß sich dabei wohlgefühlt haben, denn er blieb in Kissingen so viele Wochen, als er Tage hatte bleiben wollen.‹21 Die Zarentochter, Großfürstin Maria Alexandrowna, behauptet derselbe Gewährsmann, habe damals ›seine erste Liebesneigung erweckt‹ und er ihr auf Ausflügen und kleinen Reisen das ritterliche Geleit gegeben. Das sind freilich Angaben, deren Richtigkeit wir einstweilen völlig auf sich selbst beruhen lassen müssen, solange sie uns durch keine anderen Quellen verbürgt sind, als durch romantische Gerüchte, wie sie in dem Publikum einer Residenzstadt nur allzuleicht entstehen und Verbreitung finden, – andere Nachrichten aber scheinen jenem Erzähler in der Tat nicht zu Gebote gestanden zu haben. Inzwischen hatte ein trüber und regnerischer Juni mit mancherlei lästigen äußeren Unruhen dem Meister nur wenig Befriedigung gewähren können; auch waren seine Bemühungen, durch Heranziehung ergebener Freunde, wie Cornelius oder Porges, sich den gewünschten häuslichen Umgang zu verschaffen, vorläufig noch keineswegs von Erfolg gekrönt. Am 12. Juni begab er sich behufs Regulierung seiner dortigen Verbindlichkeiten nochmals auf einige Tage nach Wien. Erst gegen Ende des Monats belebten sich endlich seine bis dahin leeren Räumlichkeiten durch die Ankunft der Bülowschen Familie. Bülow selbst war, durch den Frondienst seiner bisherigen Berliner Funktionen als Konservatoriumslehrer, noch für eine volle Woche länger zurückgehalten; aber er hatte seine Gemahlin mit ihren beiden Kindern (Daniela und Blandine, im Alter von 3 1/2 Jahren und fünfzehn Monaten) vorausgeschickt, im Bewußtsein dessen, daß ihre Anwesenheit dem Meister jetzt die größte Wohltat bieten könne Kaum ein Jahr war zwischen heute und ihrer letzten persönlichen Begegnung, auf seiner Durchreise durch Berlin von Petersburg aus, verflossen,22 – aber was lag nicht alles an Schicksalswendungen dazwischen, bis zu dem jetzigen verheißungsvollen Umschwung der gesamten äußeren Verhältnisse! Und doch vermochte die bloße Aufhebung der materiellen Not, die endlich gewonnene Eröffnung der Bahn zu seinen höchsten künstlerischen Lebenszielen die tiefe innere Tragik des Lebens – seines Lebens! – nicht so mit einem Male aufzuheben und wegzulöschen. So meldet er denn auch das eben erfolgte Eintreffen des an sich so erfreulichen Besuches mit dem Zusatz: ›Das belebt etwas; doch bin ich so eigen, daß nichts rechten Eindruck mehr machen will. Vielleicht ist nur das schlechte Wetter daran schuld – meinen Sie nicht auch? Wir Künstler nehmet doch sonst nicht alles so ernst!‹ Ja, derselbe Brief enthält in demselben Zusammenhange noch den merkwürdig schwermütigen Ausruf: ›Ich stürbe jetzt so gern!23

[15] Acht Tage später, in der, Frühe des 7. Juli, kam denn auch Bülow, aber im allerangegriffensten Gesundheitszustand; die Berliner Musiklektionen, im Verein mit anstrengenden Konzertunternehmungen, hatten ihn so aufgerieben. Die Art seiner bevorstehenden Fixierung in München stand noch nicht fest: aber er war bereit, alles zu akzeptieren, um nur aus seinem bisherigen unfruchtbaren Wirkungskreise loszukommen. ›Ich werde nichts von der Hand weisen, was mir eine nicht zu anstrengende Weiterexistenz garantiert‹, hatte er noch kurz zuvor geschrieben.24 Körperlich hatte ihm eine im verflossenen, Frühjahr ausgeführte russische Konzertreise (nach Petersburg und Moskau) den Hauptstoß, moralisch der, alles Maß des Ausgestandenen und Erträglichen überschreitende Ärger seiner Berliner Musiklehrer-Existenz den Rest gegeben. ›In Starnberg angelangt, unter kräftiger Mitwirkung des beispiellos üblen Wetters, fiel ich gewissermaßen um‹, so erzählt er selbst.25 ›Der arme Bülow‹, berichtet Wagner, ›kam mit übernommenen und zerrütteten Nerven hier an; fand die ganze Zeit schlechtes kaltes Wetter, dadurch einen ungesunden Aufenthalt, und geriet aus einem Krankheitsfall in den andern.‹ Ein nervös-rheumatisches Fieber warf ihn bald nach seiner Ankunft für acht Tage aufs Lager; kaum aufgestanden, stellten sich Rückfälle ein, Schmerzen und Lähmungen in den Arm- und Fingergelenken hinderten ihn an: Musizieren ›Dazu‹, fährt Wagners Schilderung fort, ›eine tragische Ehe; – eine junge, ganz unerhört seltsam begabte Frau, Liszts wunderbares Ebenbild, nur intellektuell über ihm stehend. – Wäre ich gemacht, über die Oberfläche hin mir mein Teil Annehmlichkeit von Dingen und Verhältnissen zu versichern! Das bin ich nun nicht, ich bin so töricht, alles so ernst zu nehmen.‹ Fast durch die ganzen Sommermonate zog sich für alle Beteiligten noch eine eigentümliche Spannung durch einen lebhaften Wunsch Liszts, den der Meister unmöglich teilen oder befriedigen konnte, Für die letzte Augustwoche war in Karlsruhe eine allgemeine Tonkünstler-Versammlung angesetzt, die schon im Vorjahre stattfinden sollte und aus verschiedenen Gründen verschoben worden war. Liszt wünschte – von Rom aus, wo er immer noch weilte – daran teilzunehmen; den von Deutschland aus dazu drängenden Freunden, Brendel an der Spitze, hatte er für sein Erscheinen die Bedingung gestellt, daß die Leitung der mehrtägigen Feier Bülow übertragen würde;26 auch rechnete er bestimmt auf Wagners Anwesenheit Beide Wünsche mußten unerfüllt bleiben. Ganz abgesehen davon, daß genau mitten in die anberaumten Festtage (22.-26. August) des Königs Geburtstag fiel, für welchen sich der Meister von auswärtigen Anforderungen frei zu erhalten verpflichtet war, ganz abgesehen von der nicht besonders geschickten Wahl des Ortes (Karlsruhe [16] mit Ed. Devrient!), – konnte ihm gar nichts ferner liegen, als sich so gleichsam mutwillig und ohne zwingenden Grund in das bunte Gewühl einer solchen Versammlung ›deutscher Tonkünstler‹ zu stürzen. Er hatte genug an der Weimarer Zusammenkunft vor drei Jahren!27 Diese periodischen Zusammenkünfte des unter Liszts Auspizien begründeten ›allgemeinen deutschen Musikvereins‹ gehörten zu den hochherzigen Illusionen im Leben des großen Freundes; noch sein Todesjahr (1886) fand ihn unter den Gästen einer solchen Versammlung. Desto ferner lagen dem Meister von jeher derartige Täuschungen.28 Allem Partei-, Cliquen- und Coteriewesen abhold, einzig auf sich selbst und seine persönlich ergebenen Freunde bauend, gab er sich über alles musikalische Vereinswesen keinerlei Einbildungen hin. ›Daß nie Vereinigungen von noch so viel gescheiten Köpfen ein Genie oder ein wahres Kunstwerk der Welt bringen können, liegt allen wohl klar am Tage: die Werke des Genies erzeugen sich ganz außerhalb ihrer Sphäre.‹29 Wie wenig sich hinwiederum Liszt in die Notwendigkeit finden konnte, seinem auf die Anwesenheit Wagners und Bülows abzielenden Wunsche zu entsagen, zeigt sich noch in seiner vom 1. Juli aus Rom an Brendel gerichteten Äußerung: ›Frau von Bülow schreibt mir darüber Betrübendes. Sollte er (Wagner) sich definitiv weigern, der Tonkünstler-Versammlung beizuwohnen, so bliebe nur übrig, seine Erlaubnis zur Aufführung der Fragmente aus den »Meistersingern« und andern seiner Werke (nebst den Partituren und Stimmen) zu erlangen... Es scheint mir unmöglich, daß Wagner uns allen das Leid einer gänzlichen Absage zufügt! Jedenfalls muß alles angewandt werden, ein derartiges Mißgeschick – ja ich sage, Skandal – zu vermeiden.‹ Und noch in einem Briefe vom 7. August30 hält er wenigstens an der Annahme fest, die Konzerte würden von Bülow dirigiert werden. Ungefähr von dem gleichen Datum stammt ein Telegramm-Entwurf von Wagners Hand (an Brendel?), der die Angelegenheit zu völligem Abschluß bringt: ›Bülow sehr nervenkrank, nicht verwunderlich. Nötig zuerst Ruhe, dann Stärkung; Karlsruhe wäre Wahnsinn.‹31

Es gelang leicht, den König zur Anstellung Bülows als seinen Vorspieler zu bewegen, und trotz seines Unwohlseins begleitete dieser den Meister mehr als einmal nach Schloß Berg, zunächst um dem jungen Monarchen [17] vorgestellt zu werden, sodann um vor ihm aus den Werken Wagners zu musizieren. Einmal dinierte er auch mit dem König allein, ohne Wagners Beisein; dann unterbrach seine Krankheit jeden ferneren Verkehr.32 Ende Juli begab sich der König wiederum für einige Wochen auf Reisen, und zwar nach Schwalbach, wo sich die Kaiserin von Rußland mit ihrer Tochter zur Nachkur aufhielt. Der romantischen Deutung dieses Ausfluges durch seine populären Biographen erwähnten wir bereits mit aller gebührenden Reserve. Daß er auch in dieser Abwesenheit mit gleicher Hingebung seines großen künstlerischen Freundes gedachte, beweisen seine unterm 30. Juli an diesen gerichteten Worte: ›Die ersten Zeilen, welche ich hier in Schwalbach schreibe, sollen an Sie gerichtet sein. Als ich vor einigen Stunden den Rhein – bei Mainz – zum erstenmal in der Nähe sah und das Gold der Sonne sich so hehr und licht in seinen Wassern spiegelte, – o wie dachte ich da an mein geliebtes Rheingold!‹ Auch Bülow wird in diesem Briefe nicht vergessen; er nennt ihn mit dem Ausdrucke einer zärtlichen Dankbarkeit. ›Ich bitte Sie, meinen lieben Bülow von mir zu grüßen; in der leider nur kurzen Zeit, in der ich ihn sah, habe ich ihn recht von Herzen liebgewonnen, – bitte, sagen Sie ihm das!‹ Von Schwalbach aus besuchte König Ludwig im nahen Biebrich des Meisters früheren nächsten Nachbar, den Herzog von Nassau.33 Es dürfte leicht der Fall gewesen sein, daß ihn dabei mehr die verlassene frühere Umgebung des Freundes, von welcher ihm dieser so manches in seinen Unterhaltungen mitgeteilt, als ›das Kleinod des Herzogs, dessen Park (mit der tropischen Pracht seines Wintergartens und seiner Gewächshäuser)‹ interessiert habe, – auf diesen Park und das herzogliche Schloß blickten ja, wie wir uns entsinnen, die Fenster der kleinen Villa am Rhein, in welcher die ersten Szenen der ›Meistersinger von Nürnberg‹ entstanden waren! ›Nach dem Besuch in Biebrich fuhr der König auf einem Dampfer den Rhein hinab, vom goldenen Mainz bis zum heiligen Köln. Die Rückreise geschah über Frankfurt: sein erster Gang in der freien Stadt war zum Goethehaus... Um angenehme Erinnerungen reicher, kam Ludwig Mitte August auf Burg Hohenschwangau an.‹34 In einem Briefe an Wagner vom 16. August, unmittelbar nach seiner Rückkehr, erwähnt er des mächtigen Eindruckes, den er von dem ›majestätischen Rhein‹, von dem ›alten ehrwürdigen Köln‹ empfangen, und unterläßt es nicht, seiner Begeisterung über den Dom glühende Worte zu leihen Gleichzeitig spricht er ihm seine lebhafte Freude darüber aus, [18] daß Wagner, wie er vernehme, zugleich mit seiner bevorstehenden Niederlassung in München sich als ›Bayer‹ zu naturalisieren gedenke.

Wohl durfte aus dieser geistigen Wechselbeziehung zwischen König und Künstler für diesen letzteren eine edle Hoffnung sich nähren, die Hoffnung auf die Verwirklichung seiner kühnsten und höchsten Ideale in bezug auf eine deutsche Kunst und Kultur. ›Der junge König ist für mich ein wundervolles Geschenk des Schicksals; wir lieben uns, wie nur Lehrer und Schüler sich lieben können. Er ist vollkommen nach meinen Werken und Schriften ausgebildet, nennt mich vor seiner Umgebung unbedingt seinen einzigen wahren Erzieher.‹35 Diesem, nicht bloß in seinen künstlerischen Schöpfungen, sondern auch in seinen Schriften ›vollkommen ausgebildeten‹ Jünger auf dem Königsthrone widmete er, während dessen Abwesenheit in der ersten Hälfte des August, als die erste Frucht einer langentbehrten Schaffensruhe, jene gedankenvoll tiefsinnige Abhandlung ›über Staat und Religion‹, von welcher Nietzsche so treffend sagt: sie sei eine jener Schriften, die, jedes Gelüst zum Widersprechen verstummen machen und sich ein stilles, andächtiges Zuschauen erzwingen ›wie es sich beim Auftun kostbarer Schreine geziemt‹. Die Tiefe und Weltentrücktheit der philosophischen Betrachtung vereinigt sich darin mit der ernsten Reise der Lebenserfahrung. ›Nie ist in würdigerer und philosophischerer Weise zu einem König geredet worden‹, bemerkt derselbe Beurteiler bei einer anderen Gelegenheit; ›ich war ganz erhoben und erschüttert von dieser Idealität, die durchaus dem Geiste Schopenhauers entsprungen schien.‹36 ›Sie gehört zu dem Tiefsten aller seiner (Wagners) literarischen Produkte und ist im edelsten Sinne erbaulich.‹37 Die Eingangsworte weisen auf den Anlaß ihrer Entstehung hin. ›Ein hochgeliebter junger Freund wünscht von mir zu erfahren, ob und in welcher Art meine Ansichten über Staat und Religion, seit der Abfassung meiner Kunstschriften in den Jahren 1849 und 1851, sich geändert haben.‹ Wohl durfte es ihm nicht unwillkommen sein, nach dieser Seite hin seine Gedanken noch einmal zu einem klaren Abschlusse zu sammeln, ›wenn nicht eben hier, wo eigentlich jeder eine berechtigte Meinung zu haben glaubt, eine bestimmte Äußerung, je älter und erfahrener man wird, immer schwieriger fiele‹. Er glaubte daher seinen jungen Freund am besten über sich zurechtzuweisen, wenn er ihn vor allem darauf aufmerksam machte, wie ernsteres eben von je mit seiner Kunst gemeint: in diesem Ernste habe der Grund gelegen, der ihn einst genötigt, sich auf scheinbar so abliegende Gebiete, wie Staat und Religion, zu begeben. ›Ich mußte mir die Tendenz des Staates deutlich zu machen suchen, um aus ihr die Geringschätzung zu erklären, welche ich überall im öffentlichen Leben für mein ernstes Kunstideal antraf.‹ Das Wesen des Staates und der Politik, [19] der ›Parteien‹, des ›Patriotismus‹, der ›Presse‹ und der sogenannten ›öffentlichen Meinung‹, der ›Staatsraison‹ und der idealen Aufgabe des Königs, auf der andern Seite das Wesen der Religion, des Dogmas, der Offenbarung, als zweier einander diametral entgegengesetzter Vorstellungsformen und Bestrebungen der menschlichen Natur werden nacheinander erörtert. ›Beide verschiedene Vorstellungsformen aber vereinigen sich in der hohen, fast übermenschlichen Stellung des Monarchen: aus jener Welt (der Religion mit ihren erhabenen Tröstungen) in diese (des Staates) blickend, wird der traurige Ernst, mit welchem ihn der Anblick der hier herrschenden Leidenschaften erfüllt, ihn zur Ausübung strenger Gerechtigkeit befähigen; die innige Erkenntnis dessen, daß alle diese Leidenschaften aber nur aus dem einen großen Leiden der unerlösten Menschheit selbst entspringen, wird ihn hingegen mitleidend zur Gnade stimmen. Unbeugsame Gerechtigkeit, stets bereite Gnade – hier ist das Mysterium des königlichen Ideales!‹ Und nachdem er im Verlaufe dieser Betrachtungen auch von diesem Ausfluge in die wichtigsten Gebiete des Lebensernstes zu seiner geliebten Kunst zurückgekehrt ist, weist er zum Schluß auf diese als den ›freundlichen Lebensheiland‹, der ›zwar nicht wirklich und völlig aus diesem Leben hinausführt, dafür aber innerhalb des Lebens über dieses erhebt‹. Der intime Charakter dieses, einzig für den königlichen Zögling bestimmten, ganz privaten Memoires war die Ursache, daß der Aufsatz erst nach langen Jahren, bei der Herausgabe der ›Gesammelten Schriften‹ des Meisters, zum ersten Male öffentlich im Druck erschien. Man erkennt aus jeder Zeile, aus dem weihevoll ernsten Ton seiner ganzen Durchführung, die väterliche Liebe des Autors zu diesem gekrönten Schüler und Jünger, die in ihn gesetzte Hoffnung auf die Verwirklichung eines edelsten Herrscherideales. ›Gott, – wenn der gedeiht und gerät! Dann endlich hat die deutsche Nation einmal das Vorbild, dessen sie bedarf, – ein anderes als Friedrich II.!‹ – Die Inbrunst dieser Hoffnung, dieses Glaubens, gelangt auch in dem feurig schwungvollen, von dem begeisterten Gefühle der Dankbarkeit eingegebenen ›Huldigungsmarsch‹ zum Ausdruck, aus dessen machtvollen Klängen uns gleichsam der segnende Genius des Friedens selber entgegentönt.

Das soeben genannte Tonstück war zu einer festlichen Musikaufführung in Hohenschwangau am bevorstehenden Geburtstage des Königs (25. August) bestimmt, zu deren Ausführung auf allerhöchsten Befehl mehrere tüchtige Militärkapellen sich vereinigen sollten. Unvorhergesehene Zwischenfälle, u.a. ein Besuch seines Oheims, des Königs Wilhelm von Preußen, stellten sich der Erfüllung des königlichen Wunsches an dem dafür angesetzten Termine in den Weg, und auch für den Meister drängten sich mannigfache Beunruhigungen gerade in diese Augusttage zusammen. Sehr bald nach seiner ersten Starnberger Niederlassung hatte er eine überaus belästigende Erfahrung[20] zu machen, in dem ›sommerfliegenmäßigen.‹38 Andrang von Supplikanten jeder Art, die sich, in gröblicher Verkennung der besonderen Art seiner Beziehungen zum Landesherren, in ihren persönlichen Angelegenheiten mit der Bitte um seine Protektion an ihn wandten. ›Ich gelte einfach als allvermögender Günstling: letzthin haben sich die Hinterlassenen einer Giftmörderin an mich gewendet.‹ So ließ sich, am 16. oder 17. August, der bekannte sozialistische Agitator Ferd. Lassalle bei ihm melden, um ihn zu einer Intervention beim Könige wegen dessen Gesandten in der Schweiz, des Herrn v. Dönniges, zu veranlassen. In dem Roman, welchen Lassalle mit der Tochter dieses Gesandten, Helene von Dönniges, angesponnen, war er auf den entschiedenen Widerstand ihres Vaters gestoßen: zur Brechung desselben wandte er nun eine förmlich fieberhaft aufgeregte Tätigkeit auf, durch wiederholte Besuche bei dem Minister von Schrenck und anderen einflußreichen Personen und eine ununterbrochene briefliche und telegraphische Korrespondenz nach allen Richtungen hin. Er war sogar erbötig, behufs Erreichung seines Zweckes zum Katholizismus überzutreten, und seine Gönnerin, die Gräfin Hatzfeld, suchte diesen Übertritt durch persönliche Unterhandlungen mit dem Erzbischof Ketteler in Mainz zu vermitteln. Mit Bülow war er von Berlin aus befreundet; er bediente sich dieser Beziehung, um durch ihn zu Wagner zu gelangen und ihm seine Wünsche zum Vortrag zu bringen. ›Ich kannte Lassalle noch nicht‹, äußert sich dieser über ihn; ›bei dieser Gelegenheit mißfiel er mir innigst. Es war eine Liebesgeschichte aus lauter Eitelkeit und falschem Pathos.‹ Das Bedeutende in den Anlagen des geistig hochbegabten Menschen entging ihm nicht, weder sein Scharfsinn, noch seine brillante Redegabe, aber auch nicht das Übermaß von Ehrgeiz und eitlem Selbstgefühl, durch welches er sich für berechtigt hielt, alles und jedes für die Erfüllung seiner privaten Anliegen auszunutzen. ›Ich erblickte in ihm den Typus des bedeutenden Menschen unserer Zukunft, welche ich die germanisch-jüdische nennen muß‹, schrieb der Meister bald darauf. ›Mit dem »christlichen Germanen« sei es nun wirklich aus, die Zukunft gehöre dem »jüdischen Germanen«‹, hatte er noch kurz zuvor von anderer Seite her in siegesgewisser Versicherung über die hohe Bestimmung des Judentums hören müssen. Eine Persönlichkeit, wie die Lassalles, schien der auffallendste Beleg zu dieser Behauptung. Er konnte seinem Drängen nur mit der zurückhaltenden Zusage entgegnen, anläßlich eines bevorstehenden Besuches bei dem Könige in Hohenschwangau vielleicht seiner Angelegenheit zu gedenken. Lassalle reiste nach der Schweiz ab, von dort aus erhielt Wagner wenige Tage später ein Telegramm, durch welches er selbst seine Bitte wieder zurückzog, mit der heftig kontrastierenden Erklärung: er habe verzichtet, ›wegen absoluter Unwürdigkeit der Person‹. Und wieder um einige Tage später kam [21] vom Genfer See die überraschende Kunde von dem Duell, in welchem der soeben noch so leidenschaftlich Ringende durch die wohlgezielte Kugel seines Nebenbuhlers zum stillen Mann gemacht war.

Zu dem geplanten Besuch in Hohenschwangau und der Musikaufführung daselbst kam es aber (wie bereits erwähnt) ebenfalls nicht, so sehr sich der König auch im voraus darauf gefreut hatte. Er hatte für diesmal Sohnespflichten zu üben und den Festtag ausschließlich seiner Mutter zu widmen, die sich kurz zuvor dazu bei ihm angemeldet. Um die gleiche Zeit (22. bis 26. August) nahm in Karlsruhe die Tonkünstler-Versammlung ihren geräuschvollen Verlauf, unter Liszts Beisein, aber ohne Bülows Mitwirkung: Letzterer lag, durch sein nervös-rheumatisches Leiden und die notgedrungene Untätigkeit gleich gepeinigt, in seinem Münchener Gasthof (Hôtel de Bavière) krank darnieder. Da Liszt zuletzt seiner Tochter, um sie in keiner Weise zu beeinflussen und da er sich über Bülows Situation kein klares Bild machen konnte,39 gar nicht mehr geschrieben, hatte sie ihn ihrerseits telegraphisch und brieflich über Bülows schwere Erkrankung benachrichtigt und sich zu ihm in die badische Residenz begeben, wo sie die ganze Konzertwoche mit ihm verbrachte, ihn des Morgens zur Messe begleitete, Mittags und Abends mit ihm allein auf seinem Zimmer war und bei dem großen Festsouper (26. August) in die seltsame Lage kam, einen Eduard Devrient zum Tischnachbar zu haben!40 Über den Verlauf der musikalischen Festlichkeiten spricht sich Liszt in seinen gleichzeitigen Briefen (an die Fürstin und an Eduard Liszt) sehr befriedigt aus. Am Sonntag, d. 28. Abends neun Uhr traf er in Begleitung Cosimas in München ein, – in erster Reihe, um Bülow, nicht um Wagner zu sehen, den er bei dem Könige in Hohenschwangau glaubte. Aber der Meister hatte es sich nicht nehmen lassen, sogleich an demselben Abend von Starnberg aus nach München zu kommen,41 um ein Wiedersehen mit dem alten großen Freunde zu feiern.

Es war ihre erste Begegnung seit Paris42 und Weimar,43 – die seitdem verflossene Zeit war auch in Liszts Leben eine ereignis- und prüfungsreiche Periode gewesen. Als sich – vor drei Jahren – beide in Weimar von einander trennten, ging Wagner den Wiener Schicksalen seines ›Tristan‹ entgegen, Liszt aber seiner, für den 22. Oktober (seinen 50. Geburtstag) in Rom angesetzten Trauung mit der Fürstin Wittgenstein. Ob diese Vermählung, hätte sie sich verwirklicht, in Wahrheit ein Glück für ihn gewesen wäre, muß dahingestellt bleiben; sie wurde in letzter Stunde durch die Intriguen ihrer Verwandten in Rußland vereitelt. Dieses Fehlschlagen dicht am Ziel erfüllte die Fürstin mit einer Art abergläubischer Scheu: von Stund' an verzichtete [22] sie in ihrem Innern auf die eheliche Verbindung mit Liszt, das heißersehnte, mit Aufgebot aller Mittel und Kräfte angestrebte Endziel eines mehr als zehnjährigen Ringens. Nun hatte sie kürzlich durch den Tod ihres (von ihr geschiedenen und längst aufs neue vermählten) ehemaligen Gatten, des Fürsten Nikolaus Wittgenstein, auch nach den Satzungen der römisch-katholischen Kirche ein völlig unbehindertes freies Verfügungsrecht über ihre Hand und Person wiedergewonnen; fast schon ein halbes Jahr war seitdem verflossen, aber sie sprach nicht mehr davon, ihre endlich erlangte Freiheit Liszt zu widmen. Der überwältigende Einfluß Roms auf ihren rastlosen Geist ließ ihr die Interessen der Kirche allmählich höher erscheinen als die der Kunst; nun trachtete sie danach, den Freund in den Bann ihrer letzten Ziele zu zwingen, zum Eintritt in den geistlichen Stand.44 Sie traf damit die innerste Seite seines Gemüts und weckte den in seiner ersten Jugend bekämpften Drang zur Kirche wieder auf. sein Wunsch ging auf eine große künstlerische Tätigkeit, auf die Erneuerung und Wiederbelebung der katholischen Kirchenmusik. Dies alles war damals im Werden. Die wunderbare Wendung in Wagners Schicksale fand in seiner Seele einen Widerhall, der – in den Briefen an die Fürstin, wie man deutlich durchfühlt, doch nur einen gedämpften Ausdruck erhält.

Trotzdem sind es eben diese gleichzeitigen Nachrichten Liszts, denen wir die näheren Einzelheiten über diesen Verkehr beider Freunde entnehmen. Am Abend seiner Ankunft in München hatte die erste Wiederbegegnung stattgefunden; der darauf folgende Montag war, wie es scheint, hauptsächlich Bülow gewidmet, über dessen Befinden er der Fürstin eingehende Nachricht gibt. Acht Tage hindurch habe sein nervöser Rheumatismus ihm die Beine gelähmt, dann sei er ihm in den linken Arm gefahren, wo er ihm nun heftige Schmerzen verursache. Von seinem behandelnden Arzt, dem Medizinalrat Wolfsteiner, habe er nichts wissen wollen, am wenigsten von dessen Empfehlung eines Kuraufenthaltes in Wildbad oder Gastein, und seinerseits alle Hoffnungen auf ›römische Bäder‹ gesetzt, die er in Berlin zu nehmen gedenke. Am Dienstag Vormittag begleitete Wagner auf Liszts Wunsch diesen bei einem Besuche, welchen er seinem alten Münchener Freunde, dem Direktor der Kunstakademie, Wilhelm v. Kaulbach,45 abstattete. Mit dem Nachmittagszuge um fünf Uhr fuhren dann die beiden Freunde nach Starnberg hinaus, [23] wo Liszt in Wagners Villa die Nacht verbrachte, nachdem sie in fünfstündiger ununterbrochener Unterhaltung alles Nähere über ihre beiderseitigen Erlebnisse und nächstbevorstehenden Pläne und Absichten ausgetauscht: die Aufführung des ›fliegenden Holländers‹ im Oktober, des ›Tristan‹ im nächsten Frühjahr, die nach Wagners Wunsche bevorstehende Berufung von Klindworth und Cornelius nach München, und seine Absicht, Liszt im nächsten Jahre in Rom zu besuchen. Wagner machte ihn mit seinen ›Meistersingern‹ bekannt (nach Liszts Worten einem ›Meisterwerke von Humor, Geist und lebensvoller Anmut‹) und Liszt wiederum ihn mit den inzwischen entstandenen ›Seligpreisungen‹ aus seinem Oratorium ›Christus‹. Wagner zeigte ihm die Briefe seines jungen Königs, von dessen schwärmerischer Liebe und Verehrung er mit Staunen und Entzücken Kenntnis nahm, Liszt sah Briefe von ihm an mich und erklärte: dieser königliche Jüngling sei als Rezeptivität ganz das ›was ich als Produktivität sei.‹46 ›Wagners Verhältnis zu dem Könige‹, schreibt er tags darauf (noch unter Wagners Dache) an die Fürstin, ›grenzt an das Wunderbare! Salomo hat sich geirrt – es gibt Neues unter der Sonne! Seit gestern abend bin ich vollkommen davon überzeugt, nachdem mir Wagner mehrere Briefe des Königs an ihn mitgeteilt hat.‹47 Und in einer anderen brieflichen Äußerung Liszts heißt es von einem dieser königlichen Schriftstücke: es sei ›so schön und außerordentlich wie die Partitur des Lohengrin‹48 Den einzigen Mißklang in der augenblicklichen Gestaltung der Dinge bildete der leidende Zustand Bülows. Seine, Fixierung in München, anstatt seiner bisherigen unerträglichen Stellung in Berlin, war der nächste und wichtigste Schritt auf der Bahn der angestrebten Reformen. ›Ich hoffe nun‹, sagte der Meister, ›Bülows in kurzem für immer bei mir zu haben. Beiden habe ich für uns alle nur ein Erlösungsmittel in Aussicht gestellt: höchstes gemeinsames Kunstschaffen und -Wirken.‹

Bereits in den ersten Tagen des folgenden Monats wurde es um ihn her wieder völlig still. Am Freitag, den 2. September, kam er abermals aus Starnberg nach München, um den Scheidenden das Geleit zu geben. Am Samstag Morgen, früh sechs Uhr, reiste zuerst Liszt ab, dessen Weg ihn nach Stuttgart führte; dann um sechs Uhr abends auch Bülow, ›so schlecht es ging‹, von Cosima begleitet, nach Berlin zurück, zur Ordnung seiner dortigen Angelegenheiten49 Dahin folgte ihm, acht Tage später, sein, im Namen des [24] Königs durch Pfistermeister ausgefertigtes, aus Hohenschwangau vom 12. Sept. datiertes, offizielles Anstellungsdekret als ›Vorspieler des Königs‹ mit 2000 Gulden Jahresgehalt.50 ›Die Münchener Berufung‹, schreibt darüber Bülow selbst, ›ist mir in verschiedener Hinsicht eine Erlösung. Ich verhehle mir keine der Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten, die meiner dort warten können; aber nach einem Rosenbette lechze ich durchaus nicht‹51 Die Notwendigkeit einer anderen Berufung stellte sich dadurch heraus, daß es in München an einem tüchtigen Gesanglehrer fehlte, einem Manne, der es verstünde, jungen Leuten die Stimmen zu bilden und zu stählen, um sie für den Vortrag seiner Werke tauglich zu machen. In dieser Hinsicht korrespondierte er mit einem alten Freunde aus der Magdeburger Periode, dem intelligenten Tenoristen Friedrich Schmitt, der die Laufbahn eines Theatersängers für seine Person früh aufgegeben und sich dafür ausschließlich auf Gesangunterricht nach einer gewissen, ihm eigenen Methode verlegt hatte. In der Eigenschaft als Gesanglehrer befand er sich trotz der unleugbaren Verdienste, die er sich durch einige geglückte Stimmkuren erworben, in seiner Vaterstadt Leipzig doch in einer andauernd schwierigen Lage. Den brieflichen Verkehr mit Wagner hatte er nie ganz abgebrochen;52 doch war der Meister bisher beim besten Willen nicht imstande gewesen, ihm eine Förderung zuteil werden zu lassen. Jetzt stand es anders; ein tüchtiger Gesangsmeister war für die Durchführung aller ferneren, auf München abzielenden künstlerischen Pläne von größter Wichtigkeit. Noch während Liszts Besuch (29. Aug.) schrieb er ihm daher die Worte: ›Deine Theorie hat mir vollkommen zugesagt: Liszts Urteil über Deine Praxis53 konnte mich nicht erschüttern; aber es mußte mich bedenklich machen. Du mußt mich durch irgend etwas überzeugen, daß Du das praktische Geschick hast, Deine theoretischen Behauptungen wahr zu machen. Gelingt es Dir, so sei gewiß, daß Dir die glänzendste Anerkennung und der lohnendste Wirkungskreis durch mich bereitet werden sollen Bereits sprach ich vor einigen Tagen mit unserm jungen König von Dir Er ist zu allem und jedem bereit, um die Aufführung meiner neuen Werke zu ermöglichen; seiner Ungeduld habe ich bis jetzt immer nur noch meine Verzweiflung, die Sänger dazu zu finden, entgegenzusetzen.‹ Die Angelegenheit zog sich bis gegen Ende des Jahres hinaus. Ein Versuch zur Gewinnung Stockhausens blieb erfolglos; dieser war an Hamburg gebunden. Leichter war es, die schon längst geplante Überführung des guten Peter Cornelius durchzusetzen. Aber auch hierfür mußte er erst eine passende Gelegenheit zu mündlicher Besprechung abwarten.

[25] Einstweilen, da auch der König noch in Hohenschwangau weilte, kam ihm die Stille und Fremdheit der neuen Umgebung, in der er nur seine Dienerschaft um sich sah, recht zum Bewußtsein. ›Seit einiger Zeit bin ich wieder ganz allein, wie in einem verwünschten Schloß‹, schreibt er in einem Briefe an Frau Wille. ›Ich leugne nicht, daß mir diese vollständige Einsamkeit jetzt sehr verderblich wird: glauben Sie mir, es ist ein Elend, an dem ich mich verbluten werde.‹, Jetzt bin ich noch ohne Wohnung in der Stadt; ich möchte gerne etwas, was Dauer verspricht, und finde nichts. Ich soll mir was bauen lassen: das dauert aber zwei Jahre. Soll ich denn noch so lange leben? Und doch soll ich's. Mein junger König spart, stellt väterliche Bauten ein usw. ›um das Geld für die Aufführung der Nibelungen zusammenzuhalten. Ich hab' noch keinen Tag eigentlicher alter Ruhe gehabt: ich schwanke, was ich zuerst angreifen soll. Am Ende lass' ich doch wohl alles zur Seite und mache die Nibelungen fertig.‹ Eine kurze, aber erfreuliche Unterbrechung dieser Einsamkeit bildete der Besuch seiner Schwester Ottilie mit ihrem Gemahl, dem Prof. Hermann Brockhaus, bei denen er noch während seines letzten Besuches in seiner Vaterstadt Wohnung genommen hatte. Diese Schwester und dieser Schwager waren ihm unter den Leipziger Verwandten von je die liebsten, nächststehenden, unter ihren Kindern besonders der, allzufrüh (1877) verstorbene, Theologe Clemens Brockhaus. Bei ihrem damaligen, zweitägigen Besuche war besonders viel und lebhaft von Schopenhauers Philosophie die Rede, und die freundlichen Gäste des Meisters, nachdem sie noch mit sehr abweichenden Ansichten bei ihm eingetroffen (Ansichten, wie sie damals in den Leipziger Professorenkreisen gang und gäbe waren!), verließen ihn als überzeugte und begeisterte Anhänger des großen Denkers. Noch in einem Briefe Ottiliens vom Beginn des nächstfolgenden Jahres klingen diese Gespräche nach: sie berichtet darin von den harten Kämpfen, die sie in ihrer dortigen Professorenumgebung zu bestehen habe, da sie sich mit den Schriften eines so ›spottschlechten Menschen‹ beschäftige, ja daß aus dieser Umgebung ganz ernsthaft die besorgte Frage an sie herangetreten wäre: ob sie wohl noch eine christliche Mutter sei?

Auch der junge Weißheimer stellte sich für einen Tag in Starnberg ein; er war soeben in Augsburg Kapellmeister geworden und stand im Begriff seine dortige Tätigkeit anzutreten. Er war – so erzählt er selbst – in einem gemieteten Kahn über den See gekommen, um den Garten der Villa von der Wasserseite her zu betreten; da habe aber auch schon der treue Mrazek den Heranrudernden von weitem bemerkt und ihm den Eintritt verwehrt: hier sei keine Landungsstelle für Fremde. Ihr Wortwechsel habe den Meister selbst ans Fenster gelockt, und kaum habe seine Stimme hinabgerufen: ›Franz, dieser Herr passiert!‹ – so sei der drohende Cerberus an der Pforte mit einem Schlage wie umgewandelt, der fügsamste Mensch von der Welt [26] geworden. Aus der längeren Schilderung dieses Besuches halten wir nur einen charakteristischen Zug fest. ›Um Mittag werden wir ins Eßzimmer zu ebener Erde hinabgerufen. Gegen das Ende der Mahlzeit ließ er zu Ehren meiner Anwesenheit Champagner bringen, und Franz mußte seine Frau mit ihrer stattlichen Reihe Kinder hereinführen. Sie wurden wie die Orgelpfeifen aufgestellt, jedes mit einem Glas Champagner versehen; dann mußten sie der Reihe nach mit mir anstoßen und auf meine Gesundheit trinken. Wagner empfand bei diesem Anblick sichtlich viel Vergnügen und sagte: »Endlich habe ich es so weit gebracht, andern auch einmal eine materielle Freude zu machen«‹. Die traulich ungezwungene Heiterkeit, mit welcher wir in dieser kleinen Episode den einsamen Großen mit seiner Dienerschaft und dem jungen Biebricher Freunde verkehren sehen, wird durch eine hierhergehörige Beobachtung Nietzsches treffend illustriert. ›Die Heiterkeit Wagners‹, so lautet dies Wort, ›ist das Sicherheitsgefühl dessen, der von den größten Gefahren, Ausschreitungen und Ekstasen zurückgekehrt ist, zurück ins Begrenzte und Heimische. Alle Menschen, mit denen er umgeht, sind solche begrenzte Abschnitte aus seinem eigenen grenzenlosen Laufe; deshalb kann er mit ihnen heiter und überlegen gütig verkehren; sind doch alle Leiden, Nöte, Bedenken derselben im Vergleich zu den seinigen wunderliche Spiele.‹54 Die weiteren, breit ausgesponnenen Detailschilderungen dieses Besuches in den Erinnerungen Weißheimers sind innerlich und äußerlich ohne Wert; auf einen Gran Wirklichkeit kommt bei diesem Gewährsmann unbewußt immer eine unverhältnismäßige Menge Phantasie. Man halte nur die angeblichen Abschiedsworte Wagners an ihn: ›besuchen Sie mich bald in meiner neuen Wohnung bei den Propyläen‹, damit zusammen, daß eben der, an Frau Wille gerichtete Brief vom 9. September, in dessen Abfassung Weißheimer den Meister durch seine Ankunft unterbrochen haben will, die unwiderleglich präzise Angabe enthält: ›jetzt bin ich noch ohne Wohnung in der Stadt.‹55 Wichtiger und zuverlässiger als solche, in wohlgedruckten Büchern vorliegende, aber widerspruchsvolle, zum Teil unmögliche Behauptungen haben sich daher für den Biographen in bezug auf die Feststellung gewisser Einzelheiten in Wagners Leben so manche, äußerlich weit unscheinbarere Anhaltspunkte bewährt, die sich aber als haarscharf genau und richtig dokumentieren. Als solcher haben wir uns im gegenwärtigen Bande wiederholt einer Quelle von ganz besonderer Beschaffenheit bedient, die wir gerade in diesem Zusammenhange gern namhaft machen. Es sind die handschriftlich fixierten, uns zur Verfügung gestellten Erinnerungen einer zuverlässigen [27] Dienerin, der redlichen Frau Verena Stocker, damals noch Vreneli Weitmann (in den veröffentlichten Briefen Wagners an Mrazek häufig genannt, wenn es z.B. am Schlusse heißt: ›Vreneli grüßt‹). Diese tüchtige, geistig aufgeweckte Person56 hatte ihn bereits in der Luzerner Zeit (1859), als er im ›Schweizerhof‹ am dritten Akte des ›Tristan‹ arbeitete, mit Verständnis für seine Bedürfnisse zu bedienen gewußt, weshalb er sie, eben um die Zeit seines bevorstehenden Umzuges nach München, wieder in seine Dienste berief, in denen sie ihm lange Jahre hindurch ihre goldechte, kernige Treue bewährt hat. Allerdings stand diese schlichte, einfache Frau aus dem Volke darin himmelhoch über den meisten ihrer ›gebildeten‹ Zeitgenossen, daß sie – wenigstens im moralischen Sinne – ein felsenfestes Bewußtsein davon hatte: wem sie diente. Wogegen jene, bei all ihrer angeblichen Bewunderung des ›Künstlers‹, es fertig brachten, an seiner Herzensgüte und Seelengröße unwürdige Zweifel zu hegen, die mit vollem Gewicht auf ihr eigenes Haupt zurück fallen. ›In meinem ganzen Leben‹, sagt sie, ›habe ich keinen Menschen getroffen, der für Alles, was man ihm erwies, so voll Dankbarkeit war wie Er.‹ Man vergleiche hiermit die ganze Tendenz der Aufzeichnungen Weißheimers, welcher aus jeder ihm erwiesenen rührenden Freundschaftlichkeit immer nur die Anwartschaft auf neue Freundschaftsbeweise herleitet und schließlich ganz mit Wagner bricht, als seine hochgespannten Erwartungen auf eine verhoffte Protektion sich nicht erfüllen.

Gegen Ende September waren die Verhandlungen im Betreff seiner städtischen Niederlassung soweit gediehen, daß an einen Umzug zu Beginn des nächsten Monats gedacht werden konnte. Auf einen Neubau hatte der Meister definitiv verzichtet; dagegen hatte ihm die Liberalität des Königs die prächtige Villa Brienner Straße Nr. 21, vor den Propyläen, mit den schönen, alten Nußbäumen davor und den stillen Gartenanlagen im Hintergrunde für alle Zeiten zum Geschenk gemacht. In ihrer nächsten Nähe bezog er einstweilen einen Gasthof, um von hier aus die Einrichtung der neuen Wohnräume besser unter den Augen zu haben. Hier überraschte ihn der ganz unerwartete persönliche Besuch Friedrich Schmitts, der die Reise von Leipzig her nicht gescheut hatte, um die Angelegenheit seiner Münchener Berufung in mündlicher Unterredung zu betreiben. Kurz darauf traf auch der König von Hohenschwangau aus für eine Woche Aufenthalt in seiner Residenz ein. Die zur Feier seines Geburtstages bestimmt gewesene Aufführung des ›Huldigungsmarsches‹ fand nunmehr am Abend seiner Ankunft in München (5. Oktober) unter den Fenstern seiner Gemächer im Kgl. Schlosse statt. Ein zahlreiches Publikum wogte dabei in festlicher Erregung durch die Straßen. ›Von den [28] vereinigten Musikkorps der drei hiesigen Infanterieregimenter‹, lesen wir in den gleichzeitigen Berichten, ›wurde die von Wagner eigens hierzu komponierte Serenade (gemeint ist natürlich der »Huldigungsmarsch«!), dann einige Stücke aus »Tannhäuser« und »Lohengrin« mit größter Präzision ausgeführt. Der Musikmeister des Infanterieleibregiments, Herr Siebenkäs,57 dirigierte; die Proben hatte Wagner selbst geleitet.‹ Tags darauf sprach der König dem Meister aus vollem Herzen seinen Dank für die ihm bereitete große Freude aus; am 7. empfing er ihn persönlich im Schlosse, strahlend von Schönheit und warmer Begeisterung, um mit ihm über verschiedene schwebende Angelegenheiten die nötigen Verabredungen zu treffen. Dabei kam denn auch die Angelegenheit Peter Cornelius' zur mündlichen Erledigung. In bezug auf diesen leitete den Meister nur der Wunsch, ihn durch eine ehrende Anerkennung aus seinem Wiener Elend herauszureißen und ihn durch Zuwendung eines kleinen festen Jahresgehaltes – ohne weitere Verpflichtung – in die Lage zu versetzen, daß er, unbehindert durch die gröbsten Entbehrungen, frei seiner Kunst leben könne.58 Von dem jungen Monarchen mit so vielen Aufmerksamkeiten überhäuft, blieb er ihm gegenüber jederzeit äußerst zurückhaltend in bezug auf die Inanspruchnahme seines fördernden Interesses für Zwecke mehr persönlicher Art, die zu seinen künstlerischen Reformen in keiner unmittelbaren Beziehung standen oder gar irgendwelche Ähnlichkeit mit einem, stets von ihm verabscheuten, Coteriewesen hatten. So berührte es ihn z.B. äußerst peinlich, zu vernehmen, ein gewisser Privatdozent an der Münchener Universität, namens Dr. Nohl, habe die Anwesenheit des Königs dazu benutzt, um sich ihm als erklärter Anhänger Wagners zu nähern und in eigens erbetener Audienz eine von ihm herausgegebene Sammlung von Mozarts Briefen zu überreichen! Als nächste künstlerische Unternehmungen werden bei diesen Besprechungen für den Monat November – nach Ablauf der Hoftrauer um den verstorbenen König – eine Aufführung des ›fliegenden Holländers‹ im Hoftheater in Aussicht genommen, für das nächste Frühjahr [29] der ›Tristan‹ mit Schnorr und Frl. Tietgens, für den Sommer 1867 aber – der ›Nibelungenring‹. Zu letzterer Bestimmung war durch Wagner selbst der Ausschlag gegeben, indem er, den Wünschen seines hochsinnigen Beschützers entgegenkommend, in einem nach Hohenschwangau gerichteten Schreiben seine Bereitschaft erklärt hatte, unter vorläufiger Zurückstellung anderer Arbeiten die Vollendung seines großen Werkes in Angriff zu nehmen.59 Wie sehr die begeisterte Aufnahme seines größten künstlerischen Planes den Meister entzückte, das zeigen uns seine brieflichen Worte vom 8. Oktober: ›Gestern, wo wir die Vollendung und Aufführung meiner Nibelungen festsetzten, war ich doch vor Erstaunen über das Wunder dieses himmlischen königlichen Jünglings so ergriffen, daß ich nahe daran war, vor ihm hinzusinken und ihn anzubeten.‹ Und ganz unmittelbar gelangt der tatenfrohe Enthusiasmus König Ludwigs für seine hohe Aufgabe in den Zeilen zum Ausdruck, die er noch an demselben Abende (des 7. Oktober) an Wagner richtete. ›Mein geliebter Freund‹, heißt es darin, ›unmöglich ist es mir, diesen Tag vorübergehen zu lassen, ohne Sie noch einmal zu versichern, daß auch ich überglücklich in dem Gedanken bin, Sie glücklich zu wissen. Die Erfüllung unseres Wunsches soll nun nahen; was ich meinerseits zu tun vermag, will ich tun und keine Mühe scheuen; dies wonnevolle Werk wollen wir der deutschen Nation zum Geschenk machen und ihr, sowie den anderen Nationen, zeigen, was deutsche Kunst vermag. Sie, mein teuerer Freund, sollen bald nun sehen, daß Ihr Streben nach Wahrheit das echte war; die gräßlichen Mühen und Leiden, die Sie durchzukämpfen hatten, sollen auf kaum geahnte Weise reichlich vergolten und gelohnt sein! Das Ideal, welches wir beide uns ersehnten, soll nicht mehr in der Einbildungskraft schweben, es soll unseren Boden berühren O Wonne des Gedankens, das Drama in seiner vollendetsten Form soll es werden‹ – –

Am 15. Oktober waren die Vorbereitungen in dem neuen Hause endlich soweit gediehen, daß der Meister seinen Einzug in dasselbe halten konnte. Wohl mußte er vermeinen, dies werde nun für zeitlebens sein. Und doch wiederholte sich die eigentümliche Tragik, an welcher bisher noch jede seiner Hoffnungen für eine dauernde Niederlassung gescheitert waren, hier in einem fast noch vergrößerten Maßstabe. ›Es ist mir nicht bestimmt, meine Muße in einer trauten Häuslichkeit zu pflegen‹, hatte er bei einem früheren Anlaß ausgerufen,60 ›und jeden künstlichen Schein wirst mein Lebensdämon über den Hansen. Es ist mir nicht bestimmt, und jede gesuchte Ruhe wird mir der [30] Quell peinigendster Beunruhigungen.‹ Tatsächlich sollte sein Aufenthalt in dieser neuen Umgebung, durch die Machinationen seiner Münchener Gegner, kaum volle vierzehn Monate dauern!

Gerade um die Zeit seines Einzuges verbreitete sich durch die Zeitungen die falsche Nachricht, als liege er lebensgefährlich am Typhus darnieder. Wie dieses irreführende Zeitungsgerücht so manchen seiner auswärtigen Freunde mit unbegründeter Besorgnis erfüllte, so ward es insbesondere, noch in den Einzugstagen, die Ursache eines überraschenden Besuches seiner – in Mainz gewonnenen – jungen Freundin Mathilde Maier.61 Nach allem Lieben und Freundlichen, das sie und ihre Familie während seines dortigen Aufenthaltes von dem verehrten Meister erfahren, beschloß sie alsbald, in schwerer Beängstigung um sein Befinden, ihm, wenn nötig, ihre aufopferndste Pflege angedeihen zu lassen. Kaum hatte sie die falsche Nachricht am späten Abend in der Zeitung gelesen, so gönnte sie sich nur wenige Stunden der Nachtruhe: in der Frühe des folgenden Morgens depeschierte sie ihrer, in der Isarstadt lebenden Cousine Frau von Hornstein ihre Ankunft daselbst, und trat dann in Begleitung ihrer Mutter in angstvoller Hast ihre Fahrt an. Bereits unterwegs, in Augsburg, empfing sie durch Weißheimer (den sie telegraphisch auf den Bahnhof bestellt) die beruhigende Kunde von der Grundlosigkeit jenes üblen Gerüchtes. Von ihren Münchener Verwandten freundlichst bewillkommnet und gastlich aufgenommen, sah sie den Meister erst am folgenden Tage: sie fand ihn leidlich wohlauf und heiter, und wurde nun nicht eher aus München entlassen, als bis sie sich eine mehrtägige Erholung von der anstrengenden Reise gegönnt, und eines mehrfachen ungezwungenen Beisammenseins mit ihm genossen hatte. Dazu gab u.a. ein festliches Diner zur Einweihung des neuen Heims Veranlassung; dasselbe fand seltsamerweise, da das Haus noch nicht völlig eingerichtet war und der Meister tatsächlich noch im Gasthofe wohnte, in der im Souterrain belegenen Küche, als einzig verfügbarem Raume, statt: galt es doch hauptsächlich der treuen Dienerschaft. ›Der Meister wollte immer, daß die, welche ihm dienten, in einem gemütvollen Verhältnisse zu ihm stehen, nicht allein um des Geldes willen ihm dienen sollten‹, fügt die Erzählerin ihrem Bericht darüber hinzu; ›deshalb sollten sie auch diese Feier mit ihm teilen.‹62 Trotz aller Heiterkeit, alles reich sprudelnden Scherzes und Humors, den er bei diesem Anlaß, wie auch bei jedem sonstigen Zusammensein mit seinen Gästen zeigte, fand sie doch seine Stimmung im ganzen wenig erfreulich, vielmehr bei unbedeutenden Veranlassungen zu außerordentlicher Heftigkeit und Reizbarkeit geneigt. In der Tat erwies sich die ominöse Krankheitsnachricht als der Vorbote einer wirklichen schweren Erkrankung, eines schmerzhaft peinigenden Hämorrhoidalleidens, [31] das ihn in der zweiten Hälfte Oktober für volle zwei Wochen auf das Lager warf, und von dem er nur allmählich wieder zur Genesung und zu Kräften kam. Um so lästiger war ihm jetzt die Krankheitsstörung, als er sich, neben aller dadurch verursachten Pein, nach jeder Richtung in seiner Betätigung gehemmt sah und sich auch noch durch die unvollendete Einrichtung seiner neuen Häuslichkeit in mannigfacher Unruhe befand. Von dieser Einrichtung heißt es in ›Vrenelis‹ Erinnerungen, sie habe ihm ›viel Spaß, aber auch viel Ärger gemacht, da er von den mit der Ausführung Betrauten selten richtig verstanden wurde‹. In einem Briefe an Friedrich Schmitt vom 5. November erwähnt er dieser beiden störenden Momente: der Krankheit und der häuslichen Unruhe; er setzt ihm darin auch die Gründe auseinander, weshalb er in seiner Sache noch nichts erreicht habe. ›Ich habe hier am Orte noch nicht das mindeste leisten können, was ich meinen Forderungen und Vergünstigungen gegenüber in die Wagschale legen könnte, was mich für eben diesen Augenblick zur Vorsicht mahnt. Mit dem König habe ich nur einmal mein Anliegen wegen Deiner besprechen können; er stimmte meinem Plane und Wunsche vollständig bei. Um Dir nun ganz bestimmte, sofort in Geldzahlung ausgehende Anerbietungen zu machen, bedarf ich der Mittelspersonen; unter diesen ist Pfistermeister der Wichtigste. Dieser ist mit dem König in Hohenschwangau.‹ Das Schwierige war, der Berufung die angemessene Form zu geben und für die Ausgabe die geeignete finanzielle Anlehnung und Einreihung zu finden. Ja, wenn er das gewollte Neue von Grund aus hätte aufbauen können und nicht bei jedem Schritte soviel Bestehendes vorgefunden hätte, – Bestehendes der übelsten Art, wie es durch jahrzehntelanges Gehenlassen unter der Oberleitung des Generalmusikdirektors Franz Lachner sich angesammelt hatte! Hier war nicht aufzuräumen, ohne zugleich nach allen Seiten hin persönliche Interessen bisheriger Angestellten zu verletzen und seitens der Betroffenen einen Sturm von Feindseligkeiten gegen den angeblich rücksichtslosen Neuerer zu eröffnen. Das mußte der Meister schon zeitig empfinden, lange bevor die öffentlichen Agitationen in der bayerischen Presse gegen ihn eintraten. Es gährte bereits unter der scheinbar ruhigen Oberfläche. Ein Vorgefühl davon spricht schon aus seiner Äußerung, die er während des Besuches von Mathilde Maier und ihrer Mutter, gerührt durch den Beweis ihrer Anhänglichkeit, den sie durch ihr unerwartetes Erscheinen gegeben, ganz plötzlich und unvermittelt gegen die beiden Frauen tat: ›Wenn ich einmal aus München fort muß, so komme ich zu Euch! – auf Euch kann ich mich verlassen!‹

Wie teilnehmend König Ludwig auch in seiner Abwesenheit auf alle diese Angelegenheiten einging, beweisen seine Briefe aus Hohenschwangau. Man muß sich dabei vergegenwärtigen, wie ernstlich ihn daneben seine Regierungsgeschäfte, sowie gleichzeitig gepflegte Studien (der Staatskunde und des [32] Völkerrechtes) in Anspruch nahmen.63 Mit innigem Bedauern erfährt er, daß der Freund durch Unwohlsein an das Bett gefesselt sei, mit lebhaftester Freude beglückwünscht er ihn zu der eingetretenen Besserung. Er nimmt nicht allein mit Interesse die ihm vorgelegten Anträge auf; er fügt auch von sich aus Vorschläge für Engagements u.s.w. hinzu. ›Vollkommen einverstanden bin ich mit Ihrem Plane, jenen Gesangslehrer‹ (Schmitt) ›zu beauftragen, ein paar Sänger in strenge Lehre zu nehmen und den Unterricht vor Ihren Augen zu leiten. Ich denke, der Versuch wird von ersehntem Erfolge gekrönt werden Im glaube fest, vollkommen befriedigende Darsteller für das Nibelungenwerk zu erhalten! Sehr erfreut wäre ich, wenn wir jenen Frankfurter Sänger‹ – es ist offenbar Karl Hill gemeint, von welchem Wagner dem Könige erzählt hatte64 – ›für unsere Bühne gewinnen könnten Vielleicht würde er sich geeignet zeigen, außer den von Ihnen genannten Rollen: des Wolfram und Kurwenal, auch die des Grafen Telramund und des fliegenden Holländers zu übernehmen; denn unser Kindermann ist von der Natur leider nur mit Stimme begabt und wird den höheren Anforderungen Ihrer Werke schwerlich genügen können Meiner Ansicht nach wäre auch der Gewinn eines jüngeren Tenoristen sehr wünschenswert‹ usw. In einem andern Briefe vom 26. Nov. spricht er die Hoffnung aus, bei seiner in einigen Tagen bevorstehenden Rückkehr nach München und ›nach Erledigung des ersten starken Andranges von Geschäften und Aufwartungen‹ den vielgeliebten Freund wieder begrüßen zu können. Auch enthält dieser Brief die erste bestimmte Ankündigung der Errichtung eines eigenen Festspielhauses für München. ›Ich habe den Entschluß gefaßt, ein großes, steinernes Theater erbauen zu lassen, damit die Aufführung des, Ringes des Nibelungen. eine vollkommene werde; dieses unvergängliche Werk muß einen würdigen Raum für seine Darstellung erhalten Mögen Ihre Bemühungen in betreff tüchtiger dramatischer Sänger von schönem Erfolge gekrönt werden! Das Nähere über dieses Theater gedenke ich mündlich mit Ihnen zu besprechen.‹

Immerhin war, bei fortdauernd leidendem Gesundheitszustand des Meisters, der definitive Eintritt Bülows in sein neues Tätigkeitsgebiet erfolgt. Auch er war durch fortgesetztes Unwohlsein verhindert worden, Berlin früher zu verlassen, erschien aber nun hoffnungsvoll auf dem Schauplatz. Die Proben des ›fliegenden Holländers‹ lagen zum Teil bereits in seinen Händen. Daß die Wahl für eine erste Aufführung unter Wagners Leitung gerade auf den ›fliegen den Holländer‹ gefallen war, begründete sich in dem Umstand, daß dieses Werk, bisher hier noch völlig unbekannt, schon im [33] letzten Frühjahr, vor der Berufung des Meisters, in Angriff genommen und nur einstweilen, der Hoftrauer wegen, beiseite gelegt worden war. Die einzelnen Rollen lagen ausschließlich in den Händen einheimischer Sänger.65 Zur Generalprobe war bereits ein zahlreiches Publikum zugelassen. Der Meister eröffnete sie mit einer Ansprache an das Orchester. Er konstatierte darin die Tatsache, es seien eben jetzt, da sein Werk zur ersten Darstellung in München gelange, fünfundzwanzig Jahre her, daß er die Partitur desselben von Paris aus der hiesigen Hoftheaterintendanz eingeschickt, sie aber mit dem Bemerken zurückgesandt erhalten habe: ›die Oper eigne sich nicht für Deutschland‹! – Am Sonntag den 4. Dezember ging die erste Aufführung vor dichtbesetztem Hause vor sich, unter persönlicher Leitung Wagners, der nach dem zweiten und letzten Akte lebhaft gerufen wurde. Der König war dazu anwesend: ›noch ganz ergriffen von der gestrigen Aufführung‹, spricht er ihm in einem Billet vom 5. Dezember seinen Dank dafür aus, zugleich mit dem Verlangen, ihn recht bald wiederzusehen. Auch ein Brief Bülows aus diesen ›Holländer‹-Tagen spricht von dem ›mächtigen, elektrisierenden Eindruck solcher Aufführungen unter des Meisters eigener Leitung‹ und vergleicht diesen Eindruck, einem wohltätigen Blitze ›der einem das wahre Wesen der Musik erschließe und entschleiere‹.66

Für den nächstfolgenden Sonntag (11. Dezember) war eine Musikaufführung von Fragmenten aus Wagners Werten angesetzt, an welcher eigentlich auch Schnorr mitwirken sollte Wegen dieser Mitwirkung hatte der König noch von Hohenschwangau aus (26. Nov.) sich in einem eigenhändigen Schreiben bei dem König von Sachsen verwendet und ihn ersucht, dem am Dresdener Hoftheater engagierten Sänger in der ersten Hälfte Dezember einen 10–12 tägigen Urlaub zu bewilligen. ›Wie freue ich mich auf die Darstellung des Erik durch ihn!‹ hatte er unterm gleichen Datum an Wagner geschrieben. Leider war die Erfüllung seines Wunsches nicht zu ermöglichen gewesen! So empfindlich durch diese Urlaubsverweigerung die geplante Musikaufführung auch betroffen wurde, fand sie dennoch an dem dafür angesetzten Tage, mit den einheimischen Sangeskräften, statt. Sie umfaßte, nicht der ›Faust‹-Ouvertüre, Bruchstücke aus den ›Meistersingern‹, aus ›Tristan‹, der ›Walküre‹ und ›Siegfried‹. Die ›Tannhäuser‹-Ouvertüre bildete den Beschluß. Das Haus war keineswegs gedrängt voll und der reichlich gespendete Beifall doch mit der glühenden Aufnahme, den endlosen, orkanartigen Begeisterungsstürmen, welche eben dieselben Töne in Wien entfesselt hatten, nicht zu vergleichen.67 In den Reihen der Zuhörer saß mancher gegenwärtige und [34] mancher zukünftige enthusiastische Verehrer der Schöpfungen Wagners; der echte Münchener Philister verhielt sich aber, in seinem Fremdenhaß, lieber noch vorsichtig mißtrauend. Verbitterte Gegner gab es nicht allein im Publikum und in der ›Kritik‹, sondern selbst unter den mitwirkenden Musikern der Kgl. Hofkapelle. Aber der eigentliche Zweck dieser Aufführung war doch nicht der einer Wirkung auf das noch unvorbereitete große Publikum, sondern – trotz der zugelassenen Öffentlichkeit – ein ganz intimer. Sie war dem Könige auf seinen Wunsch dargeboten und hatte hier ihre Wirkung nicht verfehlt. ›Erschüttert, ergriffen durch den herrlichen gestrigen Abend‹, dankt er ihm tags darauf und fügt die bedeutsamen Worte hinzu: ›was ich auch tue, was ich für Sie auch unternehmen mag, es kann nur ein Stammeln des Dankes sein.‹

In diesen Tagen erfolgte auch der erste Eintritt Bülows in seine Funktion als ›Vorspieler‹ bei dem Könige, den er im verflossenen Sommer doch nur mehr vorübergehend kennen gelernt (S. 18). Mit Enthusiasmus spricht Bülow nach dieser erneuten Begegnung von dem ›herrlichen, tiefernsten und unglaublich entwickelungsfähigen jungen Monarchen‹68 und seiner ›ungemeinen Liebenswürdigkeit‹:69 es habe ihn ›mit mächtiger Sympathie in seine Nähe gezogen‹.70 Und wiederum: ›Ja, an diesen König muß man glauben, wenn man ihn gesehen und gesprochen. Das ist ein Unikum; er sieht auch ganz tropisch aus, oder exotisch.‹ ›Der Fürst, an den Wagner in seinem Vorwort zum Ring des Nibelungen appelliert, um, was er gedichtet, zur überzeugenden, versinnlichenden Tat werden zu lassen: der zu werden, das hat sich dieser prädestinierte Ludwig II. in den schönen Kopf gesetzt, der, beiläufig bemerkt, Wagners sämtliche Schriften auswendig kennt und nach seinem eigenen Eingeständnis ihm nicht bloß die Offenbarung des Wesens der Kunst, sondern die des Lebens und der Welt überhaupt verdankt. Gott Lob, es geschehen noch Zeichen und Wunder!‹71

Von dem ersten – und einzigen! – Weihnachtsfeste des Meisters in den neuen Lebensverhältnissen (das letztvorhergegangene hatte er noch in den mißlichsten Verhältnissen in Wien, in dem dortigen kleinen Freundeskreise verbracht) erfahren wir aus den anspruchslosen Aufzeichnungen Vrenelis, es habe ihn ›recht glücklich gemacht: denn seine Freude bestand in der Freude, die er andern machte‹. Am 24. Dezember konnte er denn auch wirklich noch den, vom Empfänger bereits ungeduldig erwarteten Kontrakt an Friedrich Schmitt nach Leipzig befördern, womit dessen Anstellung als Gesanglehrer in Kgl. bayr. Diensten zur Tatsame geworden war; seine Durchsetzung war [35] keineswegs eine leichte Sache gewesen.72 Der König hatte ihn an diesem Weihnachtsabende mit reichen Geschenken überschüttet. Den brieflichen Dank des Meisters erwidert er tags darauf mit der Versicherung, daß es ›ihn innig freue, wenn seine kleinen Gaben Freude bereitet hätten‹, und der Mitteilung, daß er soeben von einem Odeonskonzert zurückkomme, in welchem Bülow meisterhaft gespielt habe,73 sowie daß er täglich Semper erwarte, um mit ihm den projektierten Theaterbau zu besprechen. ›In diesen Tagen‹, schreibt Bülow um dieselbe Zeit an seine Mutter, ›sollen Semper von Zürich und Cornelius von Wien ankommen. Der letztere zögert leider recht lange; er wäre notwendig gewesen. Wagner bedürfte sehr der Erfrischung durch Cornelius' glücklichen Humor; denn sein ewiges Kränkeln, das er durch Ungeduld in die Länge zieht, stimmt ihn traurig und – herab. Wir selbst sind in der Lage, uns selber zusprechen zu müssen, haben also keinen Zuspruch für andere übrig. Ich hoffe in allem sehr auf den Anfang des neuen Jahres.‹74

Fußnoten

1 Schüré, Erinnerungen an R. Wagner. Leipzig, Breitkopf & Härtel, S. 12.


2 Vgl. die Ausführungen Gustav Wittmers in der Einleitung seines Aufsatzes: ›Richard Wagner in München, ein Rückblick‹ im Mus. Wochenblatt 1894, No. 14 ff.


3 Anknüpfungen mit Karlsruhe und dem großherzoglichen Paar, vgl. Band III, S. 210. 216. 225.


4 Brieflich an Frau Wille, 26. Mai 1864.


5 Der König an Wagner, in einem Briefe vom 5. Mai 1864 und einem darauf folgenden vom Ende Mai. Es sei hier ein für allemal bemerkt, daß in diesem Buche die Briefe des Königs ausschließlich nach den Originalen zitiert werden, nicht aber nach jenen unrechtmäßigen, auf dem Wege des Diebstahls und der Bestechung mit scheuer Hast angefertigten, daher lückenhaften und entstellten Kopien, deren (wiederum unrechtmäßige) Veröffentlichung in einer Wiener Unterhaltungszeitschrift seinerzeit ein so allgemeines Aufsehen erregte.


6 Band III, S. 265.


7 Als König Ludwig es am 8. November 1864 Wagner übersandte, fügte er die Begleitworte hinzu. ›Hier sende ich meinem teuren Freunde eine gemalte Photographie von mir, wie ich glaube und höre, das gelungenste Bildnis, welches von mir besteht.‹


8 Der Archivrat Franz Löhr, der noch unter Maximilian durch seine Schrift: ›Rechte und Pflichten der Bundesstaaten zwischen Österreich und Preußen‹ der großdeutschen Sache einen schätzenswerten Dienst geleistet (vgl. Fröbel, Erinnerungen II, S. 317).


9 Fröbel, a. a. O. S. 316.


10 Vgl. Band III, S. 464. In jenen wenigen Wiener Tagen hatte er seine alte Wohnung in Penzing aufgesucht, seine treuen Diener daselbst begrüßt, mit den dortigen Freunden, Standhartner und Cornelius verkehrt, das Arrangement seiner finanziellen Geschäfte eingeleitet und außerdem noch Zeit gefunden, seinen alten russischen Verehrer Alexander Sseroff zu besuchen, der sich damals einer Kur halber in Dornbach bei Wien aufhielt und mit ihm eine schöne Landpartie zu unternehmen, die im Gedächtnis ihrer beglückten Teilnehmer mit so hellen lebendigen Farben fortlebte, daß Frau Sseroff noch mehr als dreißig Jahre später ihre interessanten Erinnerungen an dieselbe aufzeichnen konnte. Vgl. den Anhang des gegenwärtigen Bandes.


11 Brief des Königs an Wagner v. 5. Mai 1864: ›Ich beauftragte Hofrat Pfistermeister, mit Ihnen eine passende Wohnung zu besprechen‹ etc.


12 Band III, S. 461/63.


13 J. Fröbel in seinen Memoiren II, S. 416/17.


14 ›Dem königlichen Freunde‹, Ges. Schr. VIII; zuerst gedruckt als Widmung des Klavierauszuges der ›Walküre‹ im Sommer 1865.


15 ›Ich bin hier ganz einsam: noch fehlt mir etwas Hausumgang, vielleicht bekomme ich Cornelius her‹ (Briefe an Frau Wille, S. 130.)


16 16. Mai an Karl Klindworth in London, 20. Mai an W. Weißheimer (damals in Augsburg): ›Besuchen Sie mich einmal‹, heißt es in dem letzteren Briefe, ›nur müssen Sie sich Tags über hübsch ruhig halten. Denn Ruhe bedarf ich jetzt vor allem.‹


17 An Frau Wille S 135.


18 Am 4. Mai 1864, d.h. genau an dem Tage von Wagners Reise aus Stuttgart nach München, schreibt Bülow (von Königsberg aus): ›Ich schwanke nicht unerheblich, ob ich nicht Anton oder Nikolaus‹ (Rubinsteins) Antrag, an die Newa oder Moskwa überzusiedeln, vielleicht noch in diesem Jahre annehmen soll ›Rücksicht auf das Klima, d.h. dessen Schwererträglichkeit für Frau und Kinder, steht einerseits entgegen, andererseits‹ usw. (Bülows Briefe III, S. 589.)


19 Bülows Briefe IV, S. 16/17.


20 Den Anlaß dazu hat jedenfalls ein Brief Minnas gegeben, das ist aus dem Zusammenhang leicht zu erkennen, vielleicht gar ein Geburtstagsbrief mit – ihrem Charakter und ihrer Lebensauffassung angemessenen – Wünschen und Betrachtungen!


21 K. Heigel, König Ludwig II. ›S. 134.


22 Band III des vorliegenden Werkes, S. 426/27.


23 Brief an Frau Wille vom 30. Juni 1864.


24 An J. Raff, Berlin 21. Juni (Bülows Briefe III, S. 596).


25 Ebendaselbst S. 602.


26 Liszts Briefe II, S. 34. 64. 67. 71. 73. Vgl. Bülows Briefe III, S. 542. 595. 597.


27 Band III, S. 335.


28 Ebenda, S. 212 (Dräsekes Besuch in Luzern). Bülow selbst, auf dessen Mitwirkung es hier abgesehen war, bezeichnet diese ganze Vereinigung – ein Jahr später – in einem Privatbriefe an Dr. Gille vom 15. Nov. 1865 offen als den, Allgemeinen deutschen Dilettantenverein‹, mit der Motivierung: ›So lange unser großer Meister in Deutschland war, konnte der Musikverein wenigstens ein schönes Scheinleben führen – ohne Liszt ist sein Weiterbestehen unmöglich, wenigstens in würdiger, künstlerischer Weise‹ (Briefe IV, S. 65. 66).


29 ›Deutsche Kunst und deutsche Politik‹, Ges. Schr. VIII, S. 68.


30 An einen unbekannten Adressaten, Liszts Briefe II, S. 73.


31 Bülows Briefe III, S. 597.


32 Vgl. Liszts Briefe VI, S. 35: ›Heureusement il a pu voir encore le Roi, à son arrivée à Starnberg.‹ (S. 36:) ›Il a vu le Roi quatre fois, et a diné une fois avec lui, sans Wagner, en tête-à-tète. Ses relations avec Sa Majesté sont d'une nature aussi exceptionnelle que flatteuse pour lui. Il se trouve de fait plus avancé en faveur, en quelques jours – que je ne l'étais au bout de 10 ans à Weymar.


33 Band III, S. 357. 365/66.


34 Heigel, König Ludwig II., S. 139.


35 An Weißheimer, S. 270.


36 Nietzsche, Briefe I, S. 85.


37 Ebenda, S. 154.


38 Ein treffender Ausdruck Bülows für diese wirklich unerhörte Plage!


39 Liszt, Briefe VI, S. 35.


40 Liszt an die Fürstin Wittgenstein, a. a. O. S. 35. 39.


41 Wagner, qui n'avait fait qu'apparaître à Hohenschwangau, est arrivé ici le soir du 28, muß offenbar a. a. O. S. 40 gelesen werden!


42 Band III, S. 325/27.


43 Ebenda, S. 333/36.


44 ›Sie hat gewiß den Traum geträumt, Liszt zu seinem Heil und zur Ehre der Kirche in ihr künstlerisch wirksam und vielleicht dereinst mit jenem Kardinalshut ausgezeichnet zu sehen, der, wie man sagt, Rafael bestimmt gewesen sei‹ (Bayreuther Blätter, 1900, S. 94: ›Zu Liszts Briefen an die Fürstin Carolyne Sayn-Wittgenstein‹). So hat sie selbst die letzte Konsequenz ihres ersten Schrittes nicht gezogen: ›während sie einst alles ihrer Liebe geopfert hatte, brachte sie nun wiederum ihre Liebe einem Traume von Ruhm zum Opfer und gab die Wirklichkeit hin für ein Schattengebild.‹ (La Mara in der Einleitung zu Liszts Briefen, Band IV, S. XIX).


45 Band III, S. 190.


46 Brieflich an Frau v. Muchanoff; vgl. den fast wörtlich entsprechenden Passus in den Briefen an Frau Wille, S 131: ›Liszt meinte, er stehe darin an Rezeptivität mit meiner Produktivität auf vollkommen gleicher Höhe.‹


47 Liszts Briefe VI, S. 36/36.


48 Aussi belle et extraordinaire que la partition de Lohengrin. (Liszts Briefe III, S 172/73.)


49 ›J'espère que le déménagement de Berlin à Munich pourra s'opérer sans trop de secousses, malgré des susceptibilités, affarouchements, subtilités et rétorsions de la part de Hans‹ schreibt darüber Liszt. ›Cosima montre beaucoup de bon sens en cette circonstance, et parviendra à bien mener les choses‹ (Liszt, Briefe VI, S. 35).


50 Abgedruckt in H. v. Bülows Briefen III, S. 598/99.


51 Ebenda S. 602.


52 Österlein, Katalog einer W.-Bibliothek III, S. 14 ff.


53 In recht drastischer Weise gelangt dieses Urteil zum Ausdruck im ›Briefwechsel zwischen Wagner und Liszt‹ II, S. 145; vgl. dazu S. 148.


54 Nietzsche, Schriften X, S. 419.


55 Bei demselben Besuche will er – Weißheimer! – durch seine Empfehlung (!) die Aufmerksamkeit Wagners auf den Leipziger Gesangslehrer Friedrich Schmitt gelenkt haben, mit welchem der Meister doch schon von sich aus wegen einer etwaigen Berufung nach München in Korrespondenz stand usw. usw.


56 Daß sie, wenn es darauf ankam, gelegentlich sogar auch Briefe in seinem Namen (›p. R. Wagner‹) beantwortete, dafür befindet sich ein interessantes Beispiel in den Händen des Verfassers.


57 Der Name dieses Mannes wird noch 8 Jahre später von dem Meister in einem Schreiben vom 14. April 1872 an den Bayreuther Verwaltungsrat in Verbindung mit diesem Tonstücke genannt. Es handelt sich darin um die Grundsteinlegung des Festspielhauses: bei Eröffnung der Feier soll das Bayreuther Militärmusikkorps den ›Huldigungsmarsch‹ spielen; wegen eines brauchbaren Arrangements solle sich der betr. Dirigent, an den Militärkapellmeister Siebenkäs in München wenden ›von welchem er ihn jedenfalls beziehen kann‹.


58 Der hübsche, herzliche Brief, in welchem er gleich nach Empfang der königlichen Zusage dem altbewährten Genossen die willkommene Mitteilung macht, hat folgenden Wortlaut: ›Lieber Peter! Im besonderen Auftrag Sr. Maj. des Königs Ludwig II. von Bayern habe ich Dich aufzufordern, sobald Du kannst, nach München überzusiedeln, dort Deiner Kunst zu leben, der besonderen Aufträge des Königs gewärtig, und mir, Deinem Freunde, als Freund behilflich zu sein. Dir ist vom Tage Deiner Ankunft an ein jährliches Gehalt von 1000 Gulden aus der Kabinetskasse S. M. angewiesen. Von Herzen Dein Freund Richard Wagner, Briennerstraße 21.‹


59 In seiner Erwiderung (vom 30. Sept. aus Hohenschwangau) spricht der König seine Freude darüber aus, ›daß, nach seinem (Wagners) letzten Briefe, der Entschluß in ihm reif geworden, den, Ring des Nibelungen. zu vollenden und zur Aufführung zu bringen.‹


60 Brieflich an Fr. Wesendonck, 12. Juli 1861.


61 Vgl. Band III, S. 357/58. 372/73 u. sonst.


62 Brieflich an den Verfasser.


63 ›Hier in meinem lieben Hohenschwangau‹, schreibt er am 8. November: ›bringe ich meine Zeit still, aber freudig zu: eine wohltuende Ruhe herrscht hier; ich finde mehr Zeit für die Lektüre. Auch die stärkende Gebirgsluft übt einen wohltätigen Einfluß auf mich; fast täglich mache ich einen Ausflug zu Pferde‹ (Briefl. an Wagner, 8. Nov. 1864.)


64 Vgl. Band II, S. 396.


65 Der Holländer – Nindermann, Senta – Frl. Stehle, Daland – Fischer, Erik – Richard, Steuermann – Bohlig, Mary – Seehofer.


66 Bülows Briefe IV, S. 3.


67 Band III des vorliegenden Werkes, S. 412/15 (Konzerte im Theater an der Wien).


68 Bülow, Briefe IV, S. 12.


69 Ebenda, S. 8.


70 Ebenda, S. 12.


71 Ebenda, S. 15.


72 Vgl. Wagners Brief an Schmitt vom 20. Nov. 1864: ›Ich habe Dir eine sehr unangenehme Nachricht mitzuteilen‹ usw.


73 Ein Augenzeuge berichtet über dies Konzert, des Königs freudige Bewegung über die spontane Herzlichkeit, mit welcher das Publikum den jungen Künstler begrüßte, wäre ersichtlich, die Art, mit welcher er Bülows Verbeugung erwiderte, voll natürlichster Grazie und zugleich königlicher Würde gewesen. ›Bülow spielte göttlich, und alles in allem hat er auch wohl daran getan aufzutreten: für Wagner, für den König, für das Publikum und für sich; aber beiden kostete es große Selbstüberwindung. Es ist kaum zu beschreiben, mit welchem Interesse der König der so ernsten Musik folgte; sein schönes Auge, tief und sanft, erglänzte und nahm auf Augenblicke eine elektrische Lebhaftigkeit an‹ (Bülows Briefe IV, S. 7 Anm.).


74 Ebenda S. 10.

Quelle:
Glasenapp, Carl Friedrich: Das Leben Richard Wagners in 6 Büchern. Band 4, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1905, S. 3-36.
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