[1250] Drey und achtzigstes Schreiben.

Fernere Anmerkungen vom Kaiserlichen Hofe.

Mein Herr!


Man hat Ihnen nicht unrecht berichtet, wenn von hier gemeldet worden, daß vor kurzer Zeit des bekannten Generals Bonneval Schrift, die er wider den Marquis de Prie in Druck gegeben, öffentlich durch den Henker verbrannt worden. Rand rechts: Vom General Bonneval. Bonneval ist jederzeit für einen Mann ohne Religion und Gewissen gehalten worden; er hat sich auch keine Mühe gegeben, dergleichen Gedanken durch eine äußerliche Vorsicht in seinen Reden und Umgange abzulehnen, sondern vielmehr gar oft über diejenigen Glaubensartikel, zu deren Beyfalle er sich äußerlich bekennete, seinen Spott getrieben. Unter der Regierung des Kaisers Josephs commandirte er einen Theil der Truppen, die in Commachio und das päbstliche Gebiethe einrückten, wobey er seines Vortheils so wenig vergaß, daß ihm diese Expedition unter andern ein schönes silbernes Service eintrug, auf welches er unter seinem Wapen die Worte: Ex Raptu & Benevolentia setzen ließ. Man weis wohl, was benevolentia in einem mit Kriegsvolke besetzten Lande insgemein sagen will, und hätte er vielleicht mit nicht wenigerm Rechte die Sache geben können: Ex raptu vel quasi. Seiner Heftigkeit und Hitze hat er hauptsächlich sein Unglück zu danken, und möchten sich nur alle diejenigen, welche also gesinnet sind, daß sie sich wider ihre Freunde und Wohlthäter wollten brauchen lassen, an seinem Exempel spiegeln. Ein mehrers kann ich für diesesmal der Feder nicht vertrauen; weil aber N. in wenig Tagen von hier und zu Ihnen reiset, so habe ihm mündlich von einem und andern Nachricht gegeben, und wird er erzählen, was den Bonneval wider den Marquis de Prie und den Prinzen Eugen aufgebracht habe.

Er wird Ihnen auch genauere Umstände melden von dem Handel, worein im Jahre 1727 der französische Gesandte de Richelieu vermischet gewesen, und worüber der Marquis von Westerlo1 in Ungnade gefallen, und sein Regiment verlohren hat. Was mein Herr sonst von dem Charakter des Prinzen Eugens und der übrigen Staatsräthe, von dem verstorbenen Favoriten Grafen von Althan, vom Erzbischofe zu Valenza und vom Conte di Stella, von des Bendenridters gemachtem Glücke, von den itzigen Theilungen im Ministerio, von der Administration der kaiserlichen Kammer, von des Baron Nimpsch und Abbé Todesqui Händeln, von des Kaiser Josephs Todesart, von der Vermählung seiner beyden Erzherzoginnen, von dcm Fürsten von Salm, der Gräfinn von Bathyani, dem neapolitanischen Fiscal Riccardi, dem ersten Leibarzte Garelli und der Gemüthsbeschaffenheit Seiner Kaiserl. Majestät in Ansehung der Bullæ Unigenitus zu wissen verlangen, alles dieses wird Ihnen N. aus sichern Nachrichten mündlich erläutern können.

Um meinem Herrn indessen zu zeigen, daß nicht die befürchtete Mühe eines weitläuftigen Schreibens mich abhalte, Ihnen alle obgemeldte und andere vorgelegte Fragen schriftlich zu beantworten, so füge ich hiebey eine im Manuscript mir mitgetheilte Nachricht vom kaiserlichen Hofe, wie solcher unter dem Kaiser Leopold noch im vorigen Jahrhunderte gewesen[1251] ist. Ich habe für nöthig erachtet, einige Stellen, worinnen nach den damaligen Absichten und Bündnissen der Krone Schweden, etwas heftig wider das Haus Oesterreich geredet wird, wegzulassen, und entgeht dadurch nichts von denenjenigen historischen Anmerkungen, welche ein begieriger Leser nicht gern zu missen pflegt. Der Namen des Verfassers und die Reputation eines geschickten Staatsministers, welche er sich mit allem Rechte erworben, können meinem Herrn zum voraus die Versicherung geben, daß die Lesung dieser Schrift Ihnen viel Vergnügen machen werde.


Auszug aus des Kanzlers Esaias von Pufendorf Relation vom kaiserlichen Hofe und dessen Beschaffenheit, wie solche Relation im Consilio zu Stockholm den 27 März im Jahre 1675 abgelesen worden.

Damit Ew. Königl. Majestät eine kurze Beschreibung des kaiserlichen Hofes haben mögen, so kann ich dieses summariter melden: daß Seine Kaiserliche Majestät ein von Gott mit gutem gefunden Verstande und Gemüthsgaben gezierter Herr, von Natur sanftmüthig und zu keinen Weitläuftigkeiten geneigt sind, haben daneben ihre natürlichen Dotes mit Erlernung allerhand Wissenschaften und Sprachen cultiviret, wie Sie denn neben den mathematischen Künsten, lateinisch, italienisch und spanisch vollkommen reden und schreiben, auch die alten und neuen Historien ziemlich durchgelaufen und sich derselben bey Gelegenheit zu bedienen wissen. Rand links: Gemüthsneigung des Kaisers. In Resolutionen von Wichtigkeit sind Sie etwas langsam und vorsichtig, sowohl von Natur, als weil die Lebensart am österreichischen Hofe es von langer Hand also mit sich bringt, und so etwan zuweilen eine Resolution gleichsam aus dem Stegreife zu nehmen ist, kostet es den Ministern nicht geringe Mühe, ehe sie ihn zu einem Schlusse bringen. Hingegen besteht er gar fest auf demjenigen, was er einmal recht gefasset, und läßt sich nicht leicht wankend machen, sonderlich wann es Sachen betrifft, die ihm auf das Gewissen gebunden worden, in welchem Stücke er gar delicat ist, und keinen Scherz versteht; es wäre auch zu wünschen, daß diejenigen, so ihn hiezu angeführet, ihm nicht neben andern Irrthümern auch folgende Meynung beygebracht, daß er in seinem Gewissen verbunden sey, seine vermeyntlich verirrten Unterthanen, es möchte seyn auf was für Art und Weise es wolle, wieder in den Schooß der römischen Kirche zu bringen. In äußerlicher Andacht und genauer Betrachtung der Kirchengebräuche wird er wenig Potentaten finden, die ihm gleichen, will nicht sagen übertreffen; und weil er selbst bis in sein vierzehntes Jahr und bis auf das Absterben seines Herrn Bruders des römischen Königs, Ferdinand des vierten, zum geistlichen Leben gewidmet und erzogen worden, so ist er gegen die Geistlichkeit sehr mild und gutherzig, so daß er nicht leichtlich etwas versaget, was zum Aufnehmen derselben und insbesondere des jesuitischen Ordens, als woraus er von Jugend auf seine Lehrmeister und Beichtväter gehabt, von ihm begehret wird. Den geheimen Rath besuchet er fleißig, und läßt denselben, so oft es die Minister gut finden, zusammen fodern. Er läßt sich auch nicht verdrüßen, fast jedermann, der darum anhält, ohne Unterschied Audienz zu geben, wiewohl er selten anders, als in terminis generalissimis antwortet, und die ihm eingereichten Memorialia, nachdem er sie vorerst durchgelesen, in die Kanzleyen und Expeditionen, wo sie hingehören, selbst vertheilet. Bey solcher Gelegenheit schreibt er bisweilen seine Meynung und Intention mit etlichen Worten darauf. Indessen kömmt aller dieser Fleiß mehr aus Gewohnheit her, und daß er glaubt, es müsse also seyn, als daß er gar sonderlich Luft zu den Affairen haben sollte. Denn von Natur liebet er die Ruhe und Ergötzlichkeit, als da vornehmlich[1252] sind die Jagd und Musik, an welcher letzten er ein so großes Belieben findet, daß er auch selbst componiret. Seine Complexion ist zwar nicht ungesund, aber auch nicht stark, so daß man insgemein nicht dafür hält, daß er zu einem hohen Alter kommen werde. Er hat auch schon zu verschiedenen malen so harte Anstöße gehabt, daß man fast an seinem Leben verzweifelte. Absonderlich ist er sehr schwach auf den Schenkeln, welches sein wankender Gang genugsam andeutet. Die Exercitia zu Pferde verrichtet ermitziemlicher Vigueur und Addresse, liebet auch diejenigen unter seiner Noblesse, welche sich vor andern darauf befleißigen. Er geht in das fünf und dreyßigste Jahr, und hat bis dato nur eine mit der ersten Gemahlinn erzeugte Prinzeßinn am Leben, welche aber durch Verwahrlosung der Ammen und Wärterinnen, wie man nicht anders muthmaßen kann, in das Unglückgerathen, daß sie ganz lendenlahm, und wenig Hoffnung vorhanden ist, daß sie vollkommen wieder zu rechte kommen werde. Rand rechts: Erzherzogliche Tochter. Ihre Gestalt ist noch ziemlich; und wird sie die reichste Dame in Europa seyn, wenn entweder der Kaiser oder der König von Spanien ohne männliche Erben abgehen sollte. Ihre Frau Mutter war gar ein schwaches und zartes Frauenzimmer, mehr auferzogen, um eine Religieuse als eine Prinzeßinn abzugeben, maßen sie ihre Zeit meistentheils mit Bethen, Stichen und Nehen zubrachte. Rand rechts: Von des Kaisers ersten Gemahlinn. Ich habe verschiedenemal selbst gesehen, daß wenn ein Scheibenschießen gehalten worden, und sie mit ihrem Herrn dahin gekommen um zu zusehen, sie inzwischen sich gesetzet und gearbeitet, damit immer etliche Zierrathen für Kirchen und Altäre vorhanden seyn möchten. Ich erinnere mich, daß bey ihrem Leichenbegängnisse ein Prediger auf der Kanzel behauptete, sie habe niemals eine Todsünde begangen. Der Kaiser liebte sie herzlich, sowohl weil sie seine Gemahlinn war, als wegen der nahen Verwandtschaft, massen sie seiner leiblichen Schwester Tochter war. Sie hieß ihn daher auch niemals anders als ihren Vetter. Man hat ihren Tod nicht sonderlich bedauert, theils weil man wegen ihrer Zärtlichkeit keinen lebhaften Prinzen von ihr vermuthete, theils weil das spanische Frauenzimmer sie solchergestalt umgeben hatte, daß die Deutschen wenig oder keinen Zutritt bey ihr haben konnten, wie sie denn nicht ein Wort deutsch reden durfte, wenn die spanische Oberst-Hofmeisterinn bey ihr war, gegen welche der Haß des Volkes um so viel größer war, als man glaubte, sie hätte den ersten Prinzen sowohl, als die andere Prinzeßinn muthwillig ums Leben kommen lassen, damit die älteste allein bleiben, und der König von Spanien eine so viel reichere Braut an ihr haben möchte. Aus diesen Ursachen hielt man es für ein Glück für die deutsche österreichische Linie, daß Gott diese Dame im ein und zwanzigsten Jahre ihres Alters weggenommen.

Die itzige Kaiserinn, eine Prinzeßinn von Inspruck, ist eine wohlgewachsene Person, von hurtigem und lebhaften Geiste, so daß sie ihren Herrn aus seinem ernsthaften Wesen auf guten Humeur bringen kann. Rand rechts: Von der andern Gemahlinn. Sie wird auch von ihm gar werth gehalten, absonderlich da sie gleiche Neigung zur Jagd und Musik hat, auch selbst auf Instrumenten wohl spielet und dabey singt. Je größer die Hoffnung war, daß sie das erstemal einen Prinzen zur Welt bringen sollte, je betrübter wurde man, als die Hoffnung fehl schlug, und dazu das Kind an der Epilepsie starb, welcher Krankheit die Medici mit aller erdenklichen Vorsicht vorzubauen bemühet waren. Indessen da sie nun zum andernmale schwanger ist, so lebt man der Zuversicht, es werde Gott endlich die Frömmigkeit des Kaisers, und so vieler tausend Menschen, absonderlich aber der Geistlichen, Gebeth mit einem gefunden Prinzen, und die Nachfolge am Kaiserthumein dem Hause Oesterreich auch in dem dritten Jahrhunderte bekräftigen und befestigen.[1253]

Die verwittwete Kaiserinn Maria Eleonora, eine gebohrne Herzoginn von Mantua, wird insgemein für eine Dame von großem Witze und Scharfsinnigkeit gehalten, but auch durch selbige und die daraus fließende Aufführung ihr nicht nur die Liebe und Freygebigkeit des Kaiser Ferdinands des dritten, ihres Gemahls, (als der sie sowohl bey seinem Leben gar oft ansehnlich beschenket, als durch sein Testament in guten Zustand gesetzet) sondern auch die Hochachtung des itzigen Kaisers, ihres Stiefsohns, erworben, und dannenhero, ehe er noch verheirathet worden, wie nicht weniger bey Lebzeiten der spanischen Gemahlinn im grossen Ansehen und pouvoir bey Hofe gestanden, also daß durch ihren Beystand und Addresse wichtige Sachen durchgetrieben werden können, allermaßen Herr Gremonville sich anfangs ihrer Autorität meisterlich zu bedienen gewußt. Rand links: Von der verwittweten Kaiserinn. Allein nachdem die itzige Kaiserinn an den Hof gekommen, und ihre Frau Mutter, eine Prinzeßinn aus dem Hause Medicis, des itzigen Großherzogs zu Florenz Vaters-Schwester, zwischen welcher und der verwittweten Kaiserinn allezeit kleine Jalousien und æmulationes gewesen (indem unter andern diese jener in den Correspondenzbriefen und der Aufschrift keine andere Qualität als Archiduchessa d'Inspruc, und nicht d'Austria geben wollen), dazu gekommen, hat ihre vorige Autorität sich nicht wenig verlohren, wie man denn insgemein die aufsteigende Sonne mehr, als die niedergehende anbethet, und dürfte solche je länger je mehr ins Abnehmen gerathen, absonderlich wenn die regierende Kaiserinn einen Prinzen zur Welt bringen, und also ihren Proceß, wie man zu sagen pflegt, gewinnen sollte. Die verwittwete Kaiserinn hat noch ihre jüngste Tochter bey sich, eine Prinzeßinn von seiner Gestalt und gar guten humeur, die auch wohl und tugendhaft erzogen worden. Rand links: Prinzeßinn Maria Anna. Der Frau Mutter einzige Sorge ist anitzt, sie ihrem Staude nach wohl zu vermählen, und ist ihr auch von dem spanischen Ambassadeur zu verstehen gegeben, daß weil es seinem Könige zu lange fallen dürfte, auf die kleine Erzherzoginn zu warten, man auf die Prinzeßinn Maria Anna die meisten Gedanken richten würde. Ob dieses aber ernstlich gemeynet sey, oder ob der Gesandte sich dieser List gebrauchet, die Kaiserinn in seines Herrn Interesse und seine eigene Intriguen bey Hofe mit zu ziehen, lasse ich an seinen Ort gestellet seyn. Wenigstens hat er dadurch zuwege gebracht, daß sie dem Commandeur de Gremonville unter dem Vorwande einer gewissen Plauderey ihren Hof verbothen, und, daß man sich den französischen Anschlägen mit Gewalt widersetzen sollte, fleißig gerathen. Die vor nehmsten Minister, welche Se. Kaiserliche Majestät sowohl bey Dero Person und Hofstatt, als in den Affairen und Regierungen Dero Königreiche und Länder zu gebrauchen pflegen, finden sich beysammen in dem also genannten Geheimen Rathe oder Consilio Status, als welches sowohl aus den vornehmsten Hofofficieren (nämlich den Obersthofmeistern des Kaisers und der Kaiserinnen, Oberstkämmerer, Oberhofmarschalle und Oberstallmeister) als aus andern hohen Staatsbedienten, z. E. dem böhmischen Burggrafen, böhmischen Kanzler, Reichs-Vicekanzler, Unter-Oesterreichischen Oberstatthalter, Kammerpräsidenten, Reichs-Hofrathspräsidenten, Hofkanzler, Kriegspräsidenten und etlichen Feldmarschallen besteht, und in welchem sonst alle geheime Staatssachen und wichtige Dinge sowohl mit Fremden als Einheimischen im Beyseyn des Kaisers abgehandelt werden.

Allein, weil sich nachgehends befunden, daß unter so vielen Leuten (maßen dieses Collegium insgemein etliche und zwanzig Mitglieder hat) das Geheimniß, welches doch gleichsam die Seele aller Vorschläge ist, nicht wohl beobachtet, sondern viele Dinge vor der Zeit gemein und dadurch entweder ganz unmöglich, oder doch zum wenigsten sehr schwer auszuführen gemacht worden: so hat kurz vor der Entfernung des Fürsten von Auersperg der Kaiser etliche wenige Personen unter dem Namen der Conferenzräthe ausgelesen, mit welchen die geheimsten[1254] Sachen überleget und geschlossen werden. Rand links: Conferenzräthe. Bey meiner Ankunft waren solches folgende vier Herren: der kaiserliche Obersthofmeister Fürst von Lobkowiz, der Reichshofraths. Präsident Fürst von Schwarzenberg, der Oberstkämmerer Graf von Lamberg, und der österreichische Hofkanzler Baron Hocher. Anitzo aber ist an des Lobkowiz Stelle der Graf Montecuculi gekommen, und pflegt nunmehr auch der Reichsvicekanzler, Graf von Königseck, gar oft dazu gezogen zu werden, nebst dem geheimen Secretär Abele, welcher aus allen Unterbedienten gemeiniglich diesen Berathschlagungen allein beywohnet, woraus abzunehmen, wie schwer es sey, hinter die Geheimnisse zu kommen, und wie viele Umschweife man gebrauchen müsse, ehe man eigentlich erfahren kann, was in Staatssachen vorgehe. Wie nun die fremden Minister in Staatssachen sich an itztgedachte Conferenzräthe allein addressiren, bey ihnen ihren Antrag thun und in Conferenz darüber treten; also gebrauchen die obgedachten kaiserlichen Staatsräthe sich dieser Weise, daß sie von allem, was bey ihnen gehandelt worden, einen schriftlichen Bericht aufsetzen, ihre Meynung oder Gutbefinden beyfügen, und solche Schrift durch den Hofkanzler oder geheimen Secretär dem Kaiser einreichen, wobey auch die Zeit abgeredet wird, wenn über solche Sache in Gegenwart Seiner Majestät gerathschlaget werden solle. Alsdann kömmt sie zu einer nochmaligen Untersuchung, und endlich zu demjenigen Schlusse, welchen der Kaiser sich gefallen läßt.

Anfänglich wurde ohne Vorwissen dieses Conferenzrathes keine wichtige Entschließung genommen; allein da der itzige spanische Ambassadeur gleich zu Anfange seines Ministerii sah, daß der Fürst von Lobkowiz sich nicht, wie Portia, wollte in allen regieren lassen (mit welchem der spanische Ambassadeur, als einem, der anfänglich aller Affairen und Interessen gänzlich unkundig war, dergestalt alles, was er nur wollte, machen konnte, daß er sich einsmals selbst gegen mich verlauten ließ: er müsse den Portia als einen Buben leiten, damit er nicht stolpere): so hat er den Schlüssel gefunden, durch den Credit, welchen Herr Hocher und Abele bey dem Kaiser haben, es dahin zu bringen, daß Seine Majestät verschiedene wichtige Dinge resolviret, davon die Conferenzräthecollegialiter nichts gewußt. Rand rechts: Intriguen des spanischen Ambassadeur. Wie ich dann aus des Ambassadeur eigenem Munde habe, daß er ohne des Fürsten von Lobkowiz, Schwarzenberg und Lamberg Wissen erst eine mündliche Resolution erhalten, welche nachgehends durch ein eigenhändiges Schreiben an die Königinn von Spanien bekräftiget worden, worinnen der Kaiser schon im Jahre 1671, und ehe es zum Bruche zwischen Frankreich und Holland gekommen, versprochen, daß er bey dem damals aufsteigenden Kriege sich mit dem spanischen Staatsrathe und dessen Conduite allerdings conformiren wollte, darum mir der Fürst auch nachgehends geklaget, daß etliche wären, die den Kaiser als ein unschuldiges Schlachtopfer zu sacrificiren gedächten.

Gleichwie es aber dem Fürsten von Auersperg den Fall verursachet, daß er zuweilen den Spaniern zuwider gewesen, und absonderlich im Jahre 1667 und 1668 dem Kaiser gerathen, sich in den damaligen niederländischen Krieg nicht zu mengen, auch ihm nicht helfen mögen, daß solch sein Consilium, welches er schriftlich von sich gegeben, von dem Kaiser und den gesammten Geheimden Räthen ohne den geringsten Widerspruch, ja zu Madrit selbst approbiret worden (wie er sich dann rühmet, daß eben dadurch das dreyfache Bündniß für die Erhaltung der spanischen Niederlande zuwege gebracht worden, und man andernfalls den Kaiser, wenn er sich des Werkes sogleich angenommen und mit Frankreich gebrochen hätte, allein würde haben stecken lassen); sondern er hat mit aller Gewalt entfernet und seiner Bedienungen beraubet seyn müssen, sobald sie nur Gelegenheit an ihm gefunden, welche sich auch darinnen erängele, daß er sich nach Absterben seiner Gemahlinn durch den[1255] König von Frankreich, sowohl bey dem Kaiser, als päbstlichem Hofe zur Kardinalswürde mit vielfältigem Anhalten mal à propos recommendiren lassen und dadurch den Argwohn wider sich erwecket, als hätte er sich um Frankreich besonders verdient gemacht. Rand rechts: Fürst von Auersperg. Die Ungnade des Fürsten von Lobkowiz kömmt aus gleichem Brunnquell her, und muß er darum im fünf und sechszigsten Jahre seines Alters sich aller seiner Ehrenämter beraubet, vom Hofe abgewiesen und auf eines seiner Güter in Böhmen, Namens Raudniz an der Elbe confiniret sehen, weil er mit Händen und Füßen dargegen gestrebet, daß der Kaiser sich nicht in den gegenwärtigen Krieg verwickeln, noch ohne Noth mit Spanien, welches anitzo weder gute Rathgeber, noch Geld, noch Volk hätte, sich einlassen sollte. Die Spanier rechtfertigen aber ihre Aufführung damit, daß der Fürst sich nicht daran begnügen lassen, dem Kaiser seine Meynung offenherzig zu sagen und mit rationibus zu bekräftigen, maßen er hiedurch mit Rechte keine Ungnade verdienet hätte; sondern weil er, nachdem einmal die Resolution gegen seinen Rath gefasset worden, deren Ausführung möglichstermaßen schwer zu machen und zu verhindern getrachtet. Wie denn nicht ohne, daßer etlichen zu Wien sich befindenden Ministern der deutschen Stände unter der Hand treulich widerrathen, sich in gegenwärtigen Handel mit dem Kaiser nicht zu vertiefen. Ich weis auch gewiß, daß er absonderlich Chur-Brandenburg von seinem andern und neuen engagement abzuziehen gearbeitet. Diese itzt gedachte Minister nun, denen er sich also vertrauet hatte, haben ihm keine Farbe gehalten, sondern es seinen Feinden entdecket, mithin ihnen das Messer in die Hand gereichet, den Fürsten zu beschädigen. Hiezu kam die Vehemenz des Baron de l'Isola, welcher durch seinen Rath, daß man den Lobkowiz zum Sündenbocke machen und die Schuld alles bis anher empfundenen Unglücks auf seinen Rücken legen müßte, um die Freunde dadurch zu rassuriren, und denen, so die wahre Beschaffenheit nicht wissen, einen Muth zu machen, daß sie von dem folgenden Fortgange der österreichischen Waffen bessere Hoffnung schöpfen sollen, des Fürsten Fall vollends befördert hat2.

Es ist übrigens der Fürst von Lobkowiz Vir magni & acutissimi ingenii, aber wenn ich es ohne Scheu sagen soll, non sine mixtura dementiæ, hat auch durch seine wunderliche Conversation und ungewöhnlichen modum agendi bey denen, so ihn recht kannten, sich den Namen eines Phantasten zuwege gebracht3. Er trauet sich dabey allzuviel zu, und indem er auf seine Erfahrung pochet, verachtet er andere neben sich, machet sich auch nichts daraus, jemand ohne Noth zu offendiren, weswegen er auch nachgehends nicht viele Freunde gefunden, und wenig beklaget worden4. Daß ihm die Spanier nachstelleten, hat er lange voraus gesehen, und durch die burla, so er im Jahre 1671 mit Hrn. de Grémonville währender Komödie in Gegenwart des Kaisers und ganzen Hofes gehabt, sie zu besänftigen gesuchet. Allein weil er sich mit ihm wieder versöhnet, auch noch in selbigem Jahre den Traetat[1256] mit Frankreich, ohne dem Ambassadeur etwas davon zu eröffnen, befördert, nachgehends die Abschickung der Völker ins Reich, nebst dem engagement mit Holland äußerst widerrathen, und (wie man ihm nachredet) eine Zeitlang verhindert hatte, so ist der Haß gegen ihn verdoppelt, und durch die Verhaftung seines italienischen Secretärs zu seinem Ruin der Anfang gemachet worden, dadurch man gemeynet ihn zu obligiren, daß er selbst abdanken, den Hof verlassen und also den Extremitäten vorkommen sollte. Allein er war hiezu nicht zu bereden, sondern entschlossen, den Ausgang abzuwarten, in der ungezweifelten Hoffnung, es würde dem Kaiser, welcher seine Treue in vielen wichtigen Dingen und absonderlich bey der Wahl zu Frankfurt genugsam probiret hatte, an Beständigkeit nicht mangeln, ihn gegen seine Angeber zu vertheidigen und wenigstens zur Verantwortung kommen zu lassen. Wie sehr er sich in seiner Rechnung betrogen, hat die Erfahrung gelehret.

Der Fürst von Schwarzenberg hat ein treffliches äußerliches Ansehen und gute Beredsamkeit. Rand rechts: Fürst von Schwarzenberg. Es soll ihm auch an promtitude nicht mangeln, alle bey einer affaire sich eräugende Schwierigkeiten einzusehen und vor den Tag zu bringen. Allein man saget insgemein, er könne den Schlüssel und die Mittel sich aus einer schweren Sache zu wickeln nicht finden, und nennen ihn daher einige Doctorem perplexitatum & dubitatorem perpetuum. Er ist sonst einer der reichsten Herren, welche der Kaiser in seinen Diensten hat, wozu die Freygebigkeit des Erzherzog Leopold Wilhelms, dessen Obersthofmeister er gewesen, viel beyträgt. Er ist weder von dem Kaiser, noch von den Spaniern geliebt, weil er zu Frankfurt seinen Herrn animirt, nach der kaiserlichen Krone zu streben, und gerathen, daß dieser das Gouvernement inden Niederlanden verlassen und davon gegangen. Er wird nichts destoweniger in seinem Posten nicht nur geduldet, sondern hat auch durch seine großen Mittel zuwege gebracht, daß der Kaiser ihn in den Fürstenstand erhoben hat.

Den Grafen von Lamberg recommendiren am meisten seine langwierigen Dienste, und daß er des Kaisers Obersthofmeister gewesen, da er noch Erzherzog war. Rand rechts: Graf von Lamberg. Er ist zwar ein Mann von Studien, thut aber bey den Staatsaffairen wenig anders, als daß er andere darüber raisonniren höret und sein Jawort dazu giebt. Uebrigens befleißiget er sich, seine Oberstkämmererstelle wohl zu verwalten und dem Kaiser stets aufzuwarten.

Der Graf Montecuculi wird bey Hofe für denjenigen gehalten, welchem man die Direction der Rathschläge am besten anvertrauen könnte, wie er dann ein Mann ist, der ein ziemliches Phlegma besitzt und lange Zeit im Geheimen Rathe gewesen, folglich gute Erfahrung erworben, auch das Glück gehabt, daß er die Bataille bey St. Gothard gewonnen; wozu noch kömmt, daß er im Jahre 1673 die französische Macht, wie man zu Wien glaubet, zurückgetrieben, wiewohl Hr. de Souches mir von ihm sagte, daß er mehr für einen Staatsmann,[1257] als Capitain zu achten sey, und er seinen Krieg mehr aus Büchern, als im Felde gelernet habe. Warum er in abgewichenem Jahre die Armee nicht commandiret, soll die Ursache gewesen seyn, daß er sich gefürchtet, es möchte der Fürst von Lobkowiz, der damals noch im Staatsrathe saß, ihm ein und anderes schlimme Stückchen spielen und solche Befehle auswirken, die unmöglich ausgeführet werden, seiner Reputation aber einen Flecken anhängen könnten. Rand rechts: Graf Montecuculi. Andere meynen, er habe voraus gesehen, es werde durch die damals vorhabende und durch Hrn. de Souches zu Werke gerichtete Conjunction mit den Spaniern und Holländern, deren Conduite er das Jahr zuvor bey Bonn nicht gut geheißen hatte, wenig oder nichts auszurichten seyn, und habe der spanische Ambassadeur in des Montecuculi Absichten gewilliget, um jemanden zu haben, welchen er dem Fürsten von Lobkowiz entgegen setzen und seine Intriguen hintertreiben könnte. Wie dann Montecuculi nach seiner Wiederkunft aus dem Reiche zugleich mit Herrn Hochern allen geheimen Affairen beygewohnet und sich gänzlich an die Spanier ergeben, worgegen diese ihm ansehnliche Lehen und den Fürstenstand vom Kaiser zu verschaffen versprochen. Als ich von ihm Abschied nahm, stellte er sich gar wohlgemuth an, und meynte, es könnten Eure Königl. Majestät ihrer Sicherheit bey gegenwärtigen Läuften nicht besser wahrnehmen, als wann Sie es mit dem Kaiser hielten, in Betrachtung, daß die Franzosen allzu hohe und für ganz Europa gefährliche Anschläge, ja Heinrichs des vierten in desDuc deSVLLYMemoires befindliche desseins im Kopfe hätten, welche sie ins Werk zu setzen gedächten, da hingegen des Kaisers Absichten auf einen festern Grund beruheten, auch kein Zweifel sey, es würde die Macht und Standhaftigkeit der deutschen Stände dem französischen Anfalle, welcher schon abzunehmen anfinge, gewachsen seyn und endlich die Oberhand behalten.

Der Baron Hocher ist ein grundgelehrter und sehr beredter Mann, ein Juris Consultus ex professo, der anfänglich zu Bozzen einen Advocaten abgegeben, nachgehends aber bey dem regenspurgischen Reichstage die Verfassung des deutschen Reiches und die ihm anklebende Schwachheit wohl erlernet hat. Rand links: Baron Hocher. Von dem Interesse und der Macht der auswärtigen Potentaten hat er beym Antritte seiner Bedienung wenig gewußt; ich habe aber bey meiner Anwesenheit am Hofe deutlich merken können, daß er nach und nach, absonderlich durch den Umgang mit so vielerley fremden Ministern, manches gelernet, und von vielen Dingen genauere Nachrichten eingezogen hat. Er ist dabey ein sehr arbeitsamer Mann, und von welchem man mit Wahrheit sagen kann, daß er, ungeachtet seiner öftern Beschwerlichkeiten von der Gicht, sein einziges Vergnügen in der Arbeit und den Affairen suche. Seine Geduld geht sehr weit, und weis er alle Worte auf die Goldwage zu legen, auch seine Antworten dergestalt einzurichten, daß es ihm niemals an Schlupfwinkeln mangeln wird. Er hat das Glück, daß man ihn für vollkommen uninteressirt hält, und habe ich auch nicht anders finden können, als daß er des Kaisers Macht und Ansehen höher zu bringen suchet, ohne auf die deutschen Stände, als deren Schwäche ihm mehr als zu bekannt ist, viel zu reflectiren. Uebrigens ist er sowohl als der Geheime Secretär Abele den Jesuiten und folglich auch den Spaniern ganz ergeben, ein großer Verfolger der Protestanten, welcher niemals ermangeln wird, seinem Herrn solche Rathschläge, die eine unumschränkte monarchische Gewalt zum Endzwecke haben, an die Hand zu geben.

Der Graf von K. ist ein sehr freundlicher Herr und von gutem Umgange, er läßt sich bisweilen ziemlich offenherzig heraus, und ist leicht auszuforschen, was er im Schilde führe, absonderlich wenn man die gegenseitige Meynung vertheidiget und ihm also zu einiger Hitze Anlaß giebt. Er war anfangs im Verdachte, daß er es mit den Fürstenbergern hielte,[1258] wie er dann mit ihnen gar nahe verwandt ist: und daher kam es auch, daß in der Streitigkeit zwischen Chur-Cölln und der Stadt Cölln viele Dinge in der österreichischen Kanzley geschmiedet und ausgefertiget wurden, welche eigentlich vor ihn als Reichs-Vicekanzlern gehöret hätten. Er hat mir auch zu verschiedenenmalen geklaget, daß Herr Hocher ihm in sein Amt griffe, und von vielen Dingen keine Communication ertheilte. Die von ihm geschöpfte Meynung, daß er nicht Standhaftigkeit genug habe, den Versuchungen von Geschenken zu widerstehen, und davon er währender Zeit, als er Vice-Präsident des Reichshofraths war, einige Proben gegeben haben mag, hat ihm nicht wenig geschadet, und daher sollte ich fast dafür halten, daß man ihn entweder bey den Tractaten gar nicht gebrauchen, oder ihm einen andern an die Seite setzen werde, dem man die geheimen Absichten vertrauet, wie man den Baron de l'Isola zu Cölln gebrauchet hat. Rand rechts: Ansehen des spanischen Gesandten. Obstehende Minister insgesammt, außer welchen am kaiserlichen Hofe bey den auswärtigen Staatssachen niemand sonderlich gebrauchet wird, müssen sich nach dem Willen des spanischen Ambassadeur richten, als welcher sie theils durch Pensionen, theils durch ihre eigene Inclination zu den spanischen Rathschlägen, theils auch durch Furcht dermaßen im Zaume hält, daß sich keiner rühren darf, absonderlich da sie das Exempel des Fürsten von Lobkowiz vor Augen haben und sich billig an seinem Unglücke spiegeln.

Ungeachtet dieser Ambassadeur ein großer Ignorant in ausländischen Sachen ist, und erst zu Wien in die Schule zu gehen angefangen, so hat er doch Künste gewußt, durch seine Douceur und Souplesse sich bey dem Kaiser viel besser, als seine zween Antecessores, so gebohrne Spanier und daher voll Fierté waren, zu insinuiren und eine solche Autorität zu erlangen, daß man mit Wahrheit sagen kann, er habe bisher alles regieret und der päbstliche Nuntius Apostolicus nicht übel gescherzet, wenn er gesagt, daß der Kaiser anitzo Paulus, der Premierminister aber Leopold hieße.

Es befindet sich unter den Geheimen Räthen noch einer, nämlich der Graf Albrecht von Zinzendorf, der verwittweten Kaiserinn Obersthofmeister, welcher unter der Hand sich mit in die Affairen mischet, und in wichtigen Dingen zuweilen vom Kaiser insbesondere zu Rathe gezogen wird. Der Fürst von Lobkowiz, der ihn vor andern wohl leiden konnte, brauchte ihn vornehmlich, um das gute Vertrauen zwischen Seiner Kaiserlichen Majestät und der Frau Stiefmutter zu unterhalten, und wenn es nöthig war, Sie zu Genehmhaltung der gefaßten Rathschläge zu disponiren, wodurch er dann, und weil er anbey mit dem berühmten Kapuziner P. Emmerich in ganz genauer Vertraulichkeit stund, sich nicht weniger Credit zuwege gebracht, auch verschiedene fremde Minister an sich gezogen, deren Gesuch er nachgehends bey Gelegenheit beförderte. Allein, weil er bey der Conferenz nicht gebrauchet wird, auch sonst keine ordentliche Expedition unter Händen hat, sondern in die Staatssachen sich nur gleichsam bittweise & per modum meræ recommendationis mischet, so habe ich oben seiner zu gedenken unterlassen. Er ist übrigens ein Mann von gar seinem Verstande und judicio, es fehlet ihm auch weder an Phlegma noch Douceur, dergestalt, daß er in wichtigen Negotiationen wohl und nützlich zu gebrauchen wäre. Er hat aber das Unglück, daß die meisten, und absonderlich die Italiener dafür halten, er stehe seiner Bedienung bey der verwittweten Kaiserinn nicht also vor, wie es die Nothdurft und ihr Interesse erfodert, auch seine Antecessores zu thun gewohnt waren, als unter deren Aufsicht niemals ein so großer Geldmangel sich eräuget, wie unter seiner Administration sich bisher meistentheils gefunden hat.[1259]

Unter den Ordensleuten ist der Kapuziner- Guardian P. Emmerich, dessen vorhin Erwähnung geschehen, der vornehmste, ja fast der einzige, welcher etliche Jahre her beym kaiserlichen Hofe gleichsam Profession machet, einen Staatsmann abzugeben. Er empfängt nicht nur von den fremden und kaiserlichen Ministern die Visiten und unterhält sich mit ihnen über ihr Gesuch oder Anbringen, sondern nimmt auch über sich, desfalls mit andern in Conferenz zu treten, ja selbst Seiner Kaiserlichen Majestät die Sachen unmittelbar vorzutragen, und Dero Entschluß zurück zu bringen. Er war des Fürsten von Lobkowiz intimus, und wenn bey diesem etwas durchzutreiben vorfiel, niemand so bequem als der P. Emmerich, solches vorzubringen, und den Fürsten mit guter Manier zu dem, was der Pater für recht und billig hielt, zu lenken. Weil er nächst diesem auch beym Kaiser in überaus großen Gnaden stund, hatte er sich dergestalt necessair gemacht, daß er bey allen wichtigen Sachen, sie mochten fremde oder einheimische seyn, concurrirte, und nicht leicht etwas geschah, worüber man ihn nicht vorher um Rath gefraget und seine Gedanken vernommen hätte. Selbst der spanische Ambassadeur, wie mächtig und angesehen er auch beym Kaiser war, ließ sich nichts destoweniger angelegen seyn, diesen Mann zu gewinnen, und im Falle er ihn nicht ganz auf seine Meynung bringen konnte, ihn doch dahin zu bereden, daß ersich nicht widersetzte, sondern still schwieg: Wiewohl die letzten sechs oder sieben Monate, ehe ich von Wien abgereiset, der Ambassadeur ihn nicht mehr besuchet, und zwar solches aus der Ursache, weil er in dem Vorschlage, daß der Kaiser sich nicht allzutief in den Krieg verwickeln sollte, dem Fürsten von Lobkowiz starken Beyfall gab, und unter andern auch die gegen den Prinzen Wilhelm von Fürstenberg gebrauchte Schärfe, nebst der ganzen Weise, wie man mit demselben umgegangen, misbilligte. Uebrigens ist er in Ungarn von deutschen Aeltern gebohren, ein Mann von etlichen und funfzig Jahren, und machet nicht sowohl seine Gelehrsamkeit (weil solche nicht allzuhoch geht und nach der Schule riecht), als das aufrichtige Wesen, womit er denenjenigen, so mit ihm zu sprechen haben, begegnet, daß jedermann gern mit ihm zu schaffen hat, und er insgemein für ehrlich und uninteressirt gehalten wird. Diese zwo Qualitäten haben ihm auch des Kaisers Gnade dergestalt erworben, daß es schwer fallen würde, ihn daraus zu bringen. Zwar stunden ihrer viele in den Gedanken, es würde der Fall des Fürsten von Lobkowiz auch ihn mit zu Boden werfen, absonderlich da er den jesuitischen Schwarm gegen sich hatte, und zu eben dieser Zeit nicht wohl mit dem spanischen Ambassadeur stund. Allein er ist in der vorigen Gnade und Autorität geblieben, und hat der Kaiser gar nicht übel gefunden, sondern vielmehr selbst es gut geheissen, daß er dem Fürsten seine Affection bis ans Ende bezeuget; wie er denn der einzige gewesen, welcher die letzten drey Tage, da der Fürst Anstalten machen mußte, den Hof zu räumen, mit ihm umgegangen, und in ein oder andern Dingen guten Rath ertheilet hat. So viel kann ich von ihm sagen, daß er dem Kaiser treulich gerathen, die mit Eur. Königlichen Majestät im Jahre 1668 geschlossene Allianz zu ratificiren, und wann es seyn könnte, noch verbindlicher zu machen, hingegen mit Frankreich ohne die höchste Noth in keinen Krieg zu verfallen, noch mit Holland und Spanien gar zu weit sich einzulassen, weil man auf jenes Beständigkeit sich nicht verlassen könnte, dieses aber nicht im Staude wäre, dasjenige, was es angefangen, hinauszuführen, daher es Deutschland mit ins Spiel zu ziehen trachte, würde aber endlich selbst, wie er mir solches mehr als einmal gesagt, das Gelag bezahlen müssen. Rand links: Jesuiten. Anbey verwarf er alle die Heftigkeit und Schärfe, womit die Jesuiten das Reformationswerk in Ungarn und Schlesien trieben, bekannte auch ohne Scheu, daß er sich zu verschiedenen malen erbothen, in Beyseyn etlicher Geheimer Räthe mit ihnen amice sich darüber[1260] zu vernehmen und die Gründe, warum er meynte, daß man in der Religionssache einen ganz gelinden Weg durch Lehre und gute Exempel gehen müsse, anzuzeigen; würde aber auch gern nachgeben, wenn man ihm vermittelst tüchtiger Gründe den andern modum erweislich und practicabel machen könnte. Dieses hat ihn bey den Jesuiten zwar überaus verhaßt gemacht, ist aber gleichwohl nicht hinlänglich gewesen, ihm den Credit zu benehmen, absonderlich weil er seiner Passionen ziemlich Meister ist, und das Ansehen haben will, sich allein durch die Vernunft leiten zu lassen. Denn obschon die Jesuiten den Vortheil hatten, daß sie des Kaisers Gewissen dirigirten, und zugleich der angesehensten Herren Beichtväter waren, so war doch der vornehmste unter ihnen P. Müller ein gar schlechter Mann und ein bloßer Schulfuchs, der von Affairen gar nichts verstund. Ueber dieses hatten sie einen starken Gegenpart an dem Fürsten von Lobkowiz, welcher sie wegen ihres übermachten Geizes, und weil sie alles an sich reißen wollten, so viel er immer konnte, drückte. So lange er auch in Ansehen war, haben sie sich in die Staatssachen öffentlich nicht gemenget, sondern alles nur unter der Hand durch Herrn Hocher und Abele, als ihre Creaturen, handeln und nach ihrem Vortheile dirigiren lassen, und war es der einzige P. Richardi, des Prinzen von Lothringen Beichtvater, dessen sich der spanische Ambassadeur unmittelbar bediente, wenn er dem Prinzen etwas beygebracht haben wollte, wie dann Richardi auch ein verschlagener Mann ist, der im Jahre 1669 in Polen für seinen Herrn künstlich genug agiret hatte. Gleichwie sie aber niemals ohne Ränke gewesen, auch selbst zu der Zeit, da man dem äußerlichen Ansehen nach meynen mußte, sie hätten nicht so viel als vorhin zu sagen, zu ihrem Zwecke zu gelangen wußten; also haben sie nach des Fürsten von Lobkowiz Falle das Haupt wieder empor gehoben, auch einen aus ihrem Orden P. Montecuculi bey der verwittweten Kaiserinn ans Brett gebracht, durch welchen sie nun allenthalben öffentlich negotiiren lassen, was sonst heimlich und durch allerley Umschweife geschehen müssen.

Wenn ich nun dieses alles zusammen nehme und bey mir überlege, so vermag ich keinen andern Schluß zu machen, als daß Consilia Hispano-Jesuitica etc. – –

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Die Minister sowohl als die Schmeichler des Hauses Oesterreich haben die starke Hoffnung, daß Gott die Frömmigkeit und den Eifer, welcher den österreichischen Prinzen, die römisch-katholische Religion wider alle Rotten und Ketzereyen zu vertheidigen und diese hergegen zu vertilgen, vom Anfange gleichsam eingepflanzet wird, damit krönen und beseligen werde, daß sie ihren Zweck erhalten, und dadurch in einen Zustand gerathen, in welchem sie dem Erbfeinde des christlichen Namens besser widerstehen und dermaleinst den verdienten Lohn abzahlen könnten. Rand rechts: Hoffnung und Absichten des kaiserlichen Hofes. Es scheinen auch nicht die zu Ausführung eines solchen Anschlages gehörige Mittel zu mangeln, wenn man in Betrachtung zieht, was man zu Wien für eigene Kräfte habe, und was darneben die kaiserliche Würde, so in ihrem Hause gleichsam erblich ist, dazu beyträgt. Rand rechts: Einkünfte des Kaisers. Denn obschon die beyden Ferdinande, der zweyte und dritte, durch eine ungewöhnliche und unbedachtsame Freygebigkeit ihre Domanial- und Kammergüter, nebst dem, was aus Veranlassung der böhmischen Unruhe an ihren Fiscum verfallen, meistentheils verschenket, und zwar noch dazu mit diesem Bedinge, daß sie die auf den Gütern haftende Schulden auf sich und ihre Kammer genommen, damit absonderlich die Geistlichkeit, welche einen großen Theil davon erhaschet, desfalls nicht beschweret werden möchte: So sind nichts destoweniger die Bewilligungen und Contributionen der Stände von solcher Wichtigkeit, daß wenn der Kaiser sie nur ein wenig anstrengen will, er jährlich sechs Millionen[1261] Thaler an Silbermünze von ihnen haben kann, wie ich dann glaubwürdig weis, daß er im 1673 Jahre sieben und funfzigmal hundert tausend ein und zwanzig tausend und zwey hundert Gulden wirklich genossen, und noch darzu die außerordentliche Verzehrung der Regimenter, als sie nach Trier, als den Musterplatz, marschiret, nicht gerechnet noch an der Bewilligung abgezogen worden. Wobey ferner zu bemerken ist, daß unter diese Summen weder Tirol mit den übrigen also genannten Vor-Oesterreichischen Landen, noch Ungarn gezählet werde, maßen ich von jenem zu Wien keine Nachricht gefunden, indem es nicht unter der Hofkammer steht, sondern insbesondere verwaltet und gleichsam zum kaiserlichen Sparpfennig aufgehoben wird, mit diesem aber es in lauter Confusion steht, und keine gewisse Rechnung desfalls gemacht werden kann, zumal man gegenwärtig allda fast a Discretion lebet und soviel von den Ungarn erpresset, als sie nur geben können. Wenn ich nun die noch übrigen obgleich wenigen Kammergüter mit den herrlichen Salzwerken und Zöllen, desgleichen die ungarischen Bergwerke, als Quecksilber im Friaul nebst den tirolischen Einkünften nur auf drey Millionen setze (wie sie jedoch gewißlich alle Jahre höher laufen); so kann der itzige Kaiser als der totum Patrimonium domus Austriacæ in Deutschland beysammen und weder Brüder noch Vettern zu appanagiren hat, auf neun Millionen Thaler Silbermünze ordentlichen Staat machen und derselben versichert seyn, welches gewißlich ansehnliche Einkünfte sind, womit mehr, als nun geschieht, auszurichten stünde, wenn die österreichischen Minister ihren Herren nicht schon von langer Hand her weis gemacht hätten, daß sie sich um die Kammersachen nicht bekümmern dürften, sondern selbige Sorgen, als die ihrer Würde und Grandeur unanständig, dabey auch sehr verdrüßlich und schwer wären, denenjenigen, so darüber bestellt, allerdings und absolut überlassen, und also in diesem Stücke nur mit fremden Augen sehen müßten; da es doch an sich selbst ein leichtes und nur in einer guten Einrichtung bestehendes Werk ist, welches billig die erste Occupation eines Herrn seyn sollte, maßen auch die allerklügsten Anschläge unausgeführet bleiben, und nur für gute Gedanken angesehen werden müssen, wenn sie nicht zuvor mit dem Beutel im Rath gestellet, und dessen Vermögen wohl überleget worden. Ich will hier nicht gedenken, daß sich ein großer Herr gar oft um weit schlechtere Dinge bekümmern muß, ich auch am kaiserlichen Hofe selbst bemerket habe, daß man zuweilen Dinge, so ganz geringe und von keiner Wichtigkeit waren, im Geheimen Rathe und in des Kaisers Gegenwart vortragen und untersuchen lassen.

Es hatte zwar der Burggraf von Prag, Graf von Martiniz, fünf oder sechs Monate vor meiner Ankunft zu Wien Seiner Kaiserl. Majestät von der Nothwendigkeit einer Reformation in der Kammer vieles vorgesaget, und es endlich so weit gebracht, daß ihm desfalls unter der Hand Commißion ertheilet worden, einige Vorschläge zu thun, und dem Kaiser die Bahn zu zeigen, wie dem eingeschlichenen Misbrauche und den unnöthigen Verwendungen der gemeinen Einkünfte gesteuert, auch fernere Unterschleife verhütet werden könnten, wozu ihm unter andern, der gemeinen Rede nach, die großen Mittel des Kammerpräsidenten Ursache gegeben, als dessen Vermögen, da er zu seiner Bedienung gekommen, wie männiglich bekannt, nicht über zwanzig tausend Thaler werth gewesen, nachgehends aber dermaßen gewachsen ist, daß er einen einzigen Perlenschmuck für seine Gemahlinn mit sechszig tausend Thalern bezahlet haben soll, ohne der schönen Güter und Herrschaften, die er hin und wieder erkaufet hat, zu gedenken: Es soll auch vorerwähnter Graf Martiniz schon ziemlich weit gekommen und es nun an dem gewesen seyn, daß die von ihm festgestellte Grundsätze appliciret; der Kammerpräsident wegen seiner Administration zur Rechnung gefodert,[1262] und die Kammersachen auf einen ganz andern Fuß gesetzet werden sollen; Allein weil dieser nicht rathsam gefunden, den Hazard zu stehen, noch sich einen so fetten Bissen entziehen zu lassen, hat er sich hinter den Fürsten von Lobkowiz gemacht, und ihm einen Anschlag gegeben, wie er eine zum Theile von seinem Herrn Vetter noch herrührende verlegene Prätension, so sich auf zwey hundert tausend Gulden belaufen, baar bezahlt bekommen könnte, welches dann auch wirklich erfolget, und solche Summe aus der Kammer an den Fürsten geliefert, der Graf Martiniz aber in seinem dessein dergestalt traversiret worden, daß er an gutem Fortgange verzweifelt und ganz disgoustiret von Wien ab- und nach Böhmen gegangen. Und dieses sind eben diejenigen Gelder, welche der Kaiser im abgewichenen November wieder zu sich genommen, und dem Fürsten abgeborget, als er sie aus seinem Hause in Wien auf seine Güter in Böhmen führen lassen wollte, und wovon das gemeine Geschrey gieng, daß er sie vom Könige in Frankreich bekommen.

Hiernächst kann der Kaiser in seinen Erblanden nicht nur ein starkes Kriegesheer zusammen bringen, sondern auch unterhalten, weil es nicht leichtlich an Mannschaft mangeln wird, zum wenigsten so lange der Feind sedem belli nicht darinnen machet, wovon wir bey dem langwierigen deutschen Kriege vielfältige Exempel und Proben gesehen, daß es scheint, als wären diese Länder nicht einmal auszuschöpfen, nachdem seit dem Jahre 1618 sie fast keine Ruhe gehabt, sondern immer eine Armee nach der andern stellen, und durch Abschickung so vieler trefflichen Mannschaft nach Italien, Portugal und den spanischen Niederlanden, wie auch durch den Krieg in Polen und Dännemark, nachgehends in Siebenbürgen und gegen den Türken gleichsam beständig in Werbung und Richtung neuer Regimenter und Armeen begriffen seyn müssen. Rand rechts: Des Kaisers Kriegesmacht. Nichtsdestoweniger hatte der Kaiser im Jahre 1673 eine Macht von sechszig tausend Mann auf den Beinen, welche von den Ständen verpfleget werden mußten, ob ich gleich nicht eben behaupten will, daß alle Compagnien complet gewesen. In die Länge hätte es zwar den Ländern schwer fallen sollen, eine so starke Armee zu unterhalten, allein wenn Spanien nur acht bis neunmal hundert tausend Reichsthaler jährlich dazu herschießen wollte, würden sie gar wohl recroutiret und jahraus jahrein in den Erbländern verpfleget werden können, welches dann mit demjenigen, so ich vom Markgrafen Hermann von Baden verstanden, überein kömmt, daß nämlich der Marquis de Castel Rodrigo Zeit seiner Ambassade zu Wien ein Project gemacht, vermöge dessen der König in Spanien verbunden seyn sollen, alle Jahre anderthalb Millionen Reichsthaler herzuschießen, da hingegen der Kaiser allezeit wirklich siebenzig tausend Mann in seinen Erblanden haben sollte, wovon dreyßig tausend jedesmal zum Dienste der Spanier entweder in Italien oder nach den Niederlanden zu gehen bereit seyn müßten, und habe Castel Rodrigo dieses für eine sonderbaremenage geachtet, weil anders eine Armee von dreyßig tausend Mann dem Könige von Spanien ein weit mehreres kosten würde.

Dieses ist nun die große Macht des Hauses Oesterreich deutscher Linie, und wenn zu solcher die sonderbaren Vortheile, welche die kaiserliche Würde nach sich zieht, gesetzet werden, so ist nicht zu verwundern, wenn sie zu Wien etwas hoch gehen, und weit aussehende Anschläge führen. Rand rechts: Vortheile der kaiserlichen Würde. Denn obschon der Kaiser von dem Reiche keine Geldmittel hat, und die Bewilligung von vierzig oder funfzig Römermonaten, (davon ein einfacher sich ungefähr auf siebenzig tausend Gulden beläuft, wenn das Königreich Böhmen mit den Oesterreichischen und Burgundischen Kreisen davon eximiret werden) um so viel weniger in Consideration kommen, als nicht leicht ein Stand ist, der nicht zu compensiren und abzurechnen hat, auch der Kaiser entweder den vornehmsten Chur- und Fürsten selbst, oder deren Principal-Ministern[1263] das auf sie fallende Contingent verehren läßt, um sie bey guter Neigung zu erhalten; über dieses man nicht einmal weis, wo die also genannte Reichssteuer, wovon im neun und zwanzigsten Articulo Capitulationis Cæsareæ gemeldet wird, hinkommen, und wie viel sie eigentlich austragen sollen: So ist nichts destoweniger diesem ohnedieß mächtigen Hause ein hochschätzbares Kleinod und Vortheil mit der kaiserlichen Würde gezieret zu seyn, aus folgenden Ursachen.

I. Daß es dadurch allezeit Gelegenheit in den Händen hat, sich sowohl in die zwischen den Ständen des Reichs, als auf den deutschen Gränzen unter den benachbarten Potentaten entstehende Streitigkeiten ex officio Cæsareo zu mengen, und einen großen Theil der Kriegesmacht auf der Stände Unkosten zu unterhalten.

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II. Giebt der Reichshofrath dem Kaiser den Vortheil, daß er nicht nur in Lehenssachen, sondern auch in andern Streitigkeiten zwischen den Ständen kraft seines Amtes der oberste Richter ist, welches von ungemeiner Wichtigkeit ist. etc. etc.

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III. Der dritte Vortheil eines Kaisers besteht in dem Zwiespalt der Religion, der durch Luthers und Calvins Lehre eingeführet, und nach einiger Vorgeben von Karl dem fünften nicht mit allem Eifer unterdrücket worden etc. etc. – – –

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IV. Der vierte Hauptvortheil besteht darinnen, daß der Kaiser der Ursprung und die Brunnquelle aller Dignitäten im Reiche ist, wodurch er sich viele Creaturen auch in den Ministeriis der vornehmsten Reichsstände machen kann, weil es niemals an ehrgeizigen Gemüthern fehlet etc. etc. – – – –

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Es ist anitzo kein einziger Stand, der aus seinen eigenen Mitteln eine Armee von funfzehntausend Mann ins Feld stellen, und ohne seine Unterthanen äußerst anzugreifen, Jahr und Tag unterhalten kann, es möchte denn solches der Churfürst von Bayern seyn, als welchen ich wegen der in seinem Lande im Schwange gehenden Oekonomie fast für den mächtigsten unter den deutschen Herren rechnen muß, dessen Land aber hingegen also gelegen ist, daß es gegen Oesterreich meist offen steht, und Noth haben würde, den Feind aus seinem innersten Gebiethe zu halten, wenn es mit Macht vom Kaiser angegriffen werden sollte. Rand links: Schwäche der deutschen Stände. Gesetzt auch daß noch einige andere wären, die eine Armee von obbeschriebener Anzahl auf die Beine bringen und gegen den Feind führen könnten; so ist doch nicht zu vermuthen, daß wann sie nur ein einziges Unglück mit Verliehrung einer Bataille oder anderer Ruinirung ihrer Armee erlitten, sie wieder aufkommen werden, wie wir bey vorigen deutschen Kriegen an dem Churfürsten Friedrich von der Pfalz, dem Herzoge Christian von Braunschweig, dem Markgrafen von Durlach, und an Chursachsen hievon deutliche Proben gesehen. Es muß uns hierinnen das Exempel des alten Churfürsten in Bayern nicht irre machen, maßen derselbe den Beutel der ganzen Ligue zu seinem Befehl und dabey so viele Bißthümer hatte, die ihm contribuiren und aufrecht erhalten mußten, daß folglich seinen eigenen Kräften nicht zugeschrieben werden kann, was er ausgeführet hat. Dergleichen Beschaffenheit hat es auch mit Hessen. Cassel gehabt, welches vom Anfange bis zu Ende ansehnliche Geldsubsidien von Frankreich genossen, und anbey von Schweden kräftiglich unterstützet worden. Solche[1264] oberzählte und andere mehr aus der inwendigen Constitution des Reiches nothwendig herfließende Schwachheiten sind den kaiserlichen Ministern dermaßen bekannt, daß sie allerdings glauben, es könne die Zusammensetzung der deutschen Stände sie nicht einmal gegen einen auswärtigen Feind in Sicherheit setzen, wenn dem Kaiser nicht eine illimitirte Direction – – über selbige aufgetragen werde, maßen Herr Hocher, der sonst gar behutsam in Reden ist, mir solches ganz deutlich zu verstehen gegeben, und die im Jahre 1598 in dem Reiche und insbesondere gegen den westphälischen Kreis und das Churfürstenthum Cölln durch Spanien und Holland verübte Insolentien, gegen welche man jedoch nimmer zu einer nachdrücklichen Verfassung und resistence kommen können, artig zu allegiren gewußt, mit dem angehängten Schlusse, daß es ihnen anitzo eben also ergehen, und alle ihre Reichsarmatur in die Luft verschwinden werde, diesemnach der Kaiser sein Bestes dabey thun, und ihr Vormund seyn müßte.

Was mit dem Herrn Markgrafen von Baden-Durlach und seinem Reichsgeneralat vorgegangen, ist einer Komödie nicht unähnlich etc. – – – – –

Als ich einstens mit dem Grafen von Königseck; auf Königliche Majestät allergnädigsten Befehl, von dieser Materie zu reden kam, und daß die Lehenssache endlich zu ihrer Richtigkeit, absonderlich bey damals aufgehendem Kriegesfeuer zwischen Frankreich und Holland, gedeihen möchte, nachdrücklich recommendirte, gab er mir nach vielem vergeblichen Raisonniren endlich die offenherzige Antwort: daß ich ja nicht begehren könnte noch würde, daß der Kaiser zu Einrichtung einer stets auf den Beinen stehenden Armee im Reiche arbeiten sollte, zu welcher er zwar aus seinem Hause neuntausend Mann, und also fast den dritten Theil geben müßte, aber dabey anders nichts zu sagen hätte, als daß er simplement einen Generalwachtmeister bestellen könnte; woraus zugleich die Proportion, so die dem Hause Oesterreich in Deutsch- und Niederland zugehörige Provinzen gegen das ganze Reich haben, erhellet. etc. etc. – – – – – – – – – – –

Die türkische Macht wird zu Wien nicht gar sehr gefürchtet– und schreibt man der Hartnäckigkeit und dem Hasse der Ungarn gegen die deutsche Nation einzig und allein zu, daß der Türke bisanher so weit avanciret und keinen größern Widerstand gefunden, welcher sich aber hiernächst (wie man glaubt) desto leichter eräugen wird, je mehr die türkische Miliz und Disciplin in Abnehmen gerathen, nachdem die alten und von Kindesbeinen in den Kriegsexercitien auferzogene und geübte Janitscharen in den ungarischen, candischen und itzigen polnischen Kriegen meist umgekommen, die neuen aber nicht mehr von denen den Christen zum Tribut abgezwungenen Kindern genommen werden, (weil solches die Länder allzusehr depeupliret) sondern man gegenwärtig genöthiget sey, allerhand ungeübtes Gesindel unter die Janitscharen zu nehmen, und ins Feld zu führen, wenn sie gleich nur ein Paar Monate enrollirt gewesen, wie ich solches vom General Montecuculi selbst gehöret. Rand rechts: Interesse von Polen. Von Pohlen wissen sie zwar so viel, daß der itzige König keine sonderliche Ursache habe, gut öfterreichisch zu seyn, auch wider sein Interesse streite, daß der Kaiser allzumächtig werden sollte; allein sie glauben, er werde mit den Türken, Cosacken, Tartarn und Russen so viel zu thun haben, daß er den Kaiser wohl werde zufrieden und ungehindert lassen müssen; wie dann Hocher, als die Zeitung von des Sobiesky Wahl nach Wien kam, sich alsobald damit tröstete, daß er Freunde und appuy vonnöthen haben, auch zu Hause genug zu schaffen finden würde. Rand rechts: Gegen die italienischen Staaten. Ebenmäßig ist von der italienischen Seite nichts zu fürchten, weil es der Pabstgern sieht, daßdie römischkatholische Kirche in Deutschland ihre vormalige Autorität wieder erlange,[1265] auch die andern italienischen Souverainitäten kein sonderliches Interesse dabey haben. Die Republik Venedig kann kein so mächtiges Kriegesheer aufbringen, daß man sich davor zu fürchten hätte, weil von den Deutschen, die ihr sonst zulaufen, gar wenige sich gegen den Kaiser gebrauchen lassen würden; zu geschweigen, daß sie ihren eigenen auf dem platten Lande habenden Conquesten wenig Gutes zutrauet, und hier und da befürchten muß, daß die Unterthanen suchen würden, das Joch abzuschütteln, sobald dieser Staat sich zu einem Kriege gegen den Kaiser resolviren sollte. Und dieses ist es etc.

Fußnoten

1 Joh. Philipp Eugen, Graf von Merode, und des Heil. Röm. Reichs Marquis von Westerlo, starb im Jahre 1732, fünf und funfzigsten Jahre seines Alters.


2 Hiezu kam insbesondere, daß er die Heirath des Kaisers mit der tirolischen Prinzeßinn zu hintertreiben gesucht und nicht mit dem gehörigen Respect von ihr gesprochen hatte: welches sie ihn hernach, da sie Kaiserinn wurde, wohl empfinden ließ.


3 Weil Locco in der spanischen Sprache einen Narren bedeutet; so applicirte einsmals jemand solches auf den Lobkowiz: es antwortete ihm aber ein anderer, man müsse auch auf Wiz, als die deutsche Endigung seines Namens sehen, weil dieser Minister ein witziger Narr sey.


4 Mit dem Charakter, welchen Esaias von Pufendorf dem Lobkowiz giebt, stimmet auch sein Bruder Samuel von Pufendorf vollkommen überein, wenn er in seinem trefflichen Werke de rebus gestis Friderici Wilhelmi Lib. XII, § 51 schreibt: In ejus viri externo actu aliquid erat ab insania parum abiens. Id unum ipsi negotium datum videbatur, ut omnium Principum Viennæ Legatis persuadere niteretur, non esse, quod quis in Cæsare fiduciæ quid reponat, – – – quo ipso impedire studebat, ne Cæsar ullos amicos sibi adjungere posset eoque ad bellum gerendum inhabilis redderetur. – – – Nec ipse inficiabatur, consiliis Hispanorum se obstitisse, qui Cæsarem bello contra Gallum implicare volebant. Quæ & Aurspergii antea artes fuerant, qui effecerat, ut Cæsar Anno 1667. otiose spectaret, a Gallo tantam Belgii partem abripi. – – – Sane tanta tunc Viennæ erat secretorum proditio, ut Montecuculus superiore anno Cæsari scriberet: satius fore, ut cursores non ad se, sed recta Lutetiam tendant. Eum ruentem nemo miseratione, plerique lætitia prosequebantur, quod neminem non exmera animi petulantia insultare solitus esset, asperæ dicacitati sine modo indulgens. Des Lobkowiz völliger Fall trug sich im Jahre 1674 zu.


Quelle:
Johann Georg Keyßler. Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen. Theil 2. Hannover 1751, S. 1266.
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