[1380] Zwey und neunzigstes Schreiben.

Nachrichten von Pommersfeld und Christian-Erlang.

Drey Stunden von Bamberg liegt das gräfliche Schönbornische Schloß Weißenstein Pommersfeld, welches der vorige Churfürst zu Mainz und Bischof zu Bamberg zu bauen angefangen hat, und der itzige Reichs-Vicekanzler und Bischof von Bamberg zu vollenden im Begriffe ist. Rand links: Pommersfeld. Es ist dasselbe nebst den dazu gehörigen Gärten, Stallungen, und Menagerien von dem churmainzischen Ingenieur Salomon Kleiner, in zwanzig Prospecte und Grundrisse gebracht, und von des Jeremias Wolfen Erben zu Augspurg im Jahre 1728 in Kupfer gestochen worden. Es werden keinen Reisenden die Mühe und Unkosten solches zu sehen, gereuen, zumal da es zwischen Bamberg und Erlang nicht gar weit außer dem Wege liegt. Eine Stunde von Bamberg geht die Straße vor dem schönen Jagdschlosse Seehof, vorbey. Das Schloß zu Pommersfeld ist in einer angenehmen Gegend angelegt. Das Corps de Logis hat keinen Haupteingang oder prächtiges Thor, wie einem so ansehnlichen Gebäude wohl anstehen würde, sondern fünf kleine Thüren, davon drey in einer Linie in der Mitte, die übrigen zwo aber in den zurückweichenden Seiten stehen.

Gleiche Zahl der Pforten findet sich auch an der Seite gegen den Garten, allwo sie aber in gerader Linie, wie die sieben Eingänge an dem amsterdamischen Rathhause, zu sehen sind.[1380]

Dem Hauptgebäude gegenüber ist in einer oval-eingebeugten Galerie, die Menagerie und Stallung für funfzig Pferde angelegt. Rand rechts: Menagerie. Vor der mittlern Thür derselben steht auf der einen Seite die Statue Julius Cäsars, und auf der andern Alexander der große mit dem nodo Gordio zu seinen Füßen. An dem Eingange des herrschaftlichenCorps de Logis sind auf der einen Seite die Statuen der Liebe und der Treue, auf der andern aber der Tapferkeit und Gerechtigkeit zu sehen. Hinter dem schön gearbeiteten eisernen Gitterwerke der fünf obgedachten Pforten, kömmt man alsbald an die große doppelte Treppe, welche wenige ihres gleichen hat, ob man schon vorgiebt, es werde diejenige, so in dem neuen Residenzschlosse zu Würzburg aufgeführet werden soll, diese mit der Zeit noch übertreffen. Rand rechts: Haupttreppe. Die Pommersfeldische Treppe führet zwar nicht weiter als ein Stockwerk hoch, ihr Gewölbe aber ist so hoch, als das Haus selbst, und der Plafond theils von des itztregierenden Bischofs Kammerdiener Bies, theils vom Marchini einem Italiener gemalet, welcher letztere insbesondere die Architecturstücke verfertiget hat. Gleichwie die Treppe von Quadersteinen ist, also sind es auch die daran befindlichen Bildhauerwerke, an welchen etliche Kenner dieses aussetzen, daß nach ihrer Meynung die Vasa nach Proportion der piédestaux, worauf sie stehen, viel zu klein sind. Andere behaupten, daß auch die Fenster im ganzen Gebäude eine größere Breite haben könnten. Aus dem Platze, in welchem die Treppe ihren Anfang nimmt, geht man etliche Stuffen hinunter in die herrliche Grotte, welche zwar nur mit Gipsarbeit überkleidet ist, wegen der guten Polirung und geschickten Mischung aber von Marmor zu seyn scheint. Rand rechts: Grotte. Die darinnen von gleicher Kunst befindliche acht Statuen stellen die vier Elemente nebst den vier Jahreszeiten vor, und sind zwischen solchen vielerley artige aus Seemuscheln zusammengesetzte Figuren, Vorstellungen von mancherley Seethieren und Vexierwasser vertheilet. Die Kronenleuchter bestehen aus Glas von vielerley Farben. Auf jeder Seite der Grotte ist eine kleine Galerie, worinnen zur Sommerszeit ein Theil der Orangerie gesetzet wird, um diesen kühlen Ort desto angenehmer zu machen. In dem Stockwerke, wohin die Haupttreppe führet und eigentlich über der Grotte, ist der Saal sehenswürdig, worinnen viele große Gemälde und Familienportraite angetroffen werden. Rand rechts: Saal. Die Aussicht über den Garten, (dessen Fontainen und Cascaden noch nicht alle fertig sind) und die umliegende Gegend ist vortrefflich aus diesem Saale, dessen Decke gut gemalet und mit verguldetem Gesimswerk versehen ist. Rand rechts: Gemälde. Die übrigen Zimmer des Schlosses sind zwar fast alle klein, aber mit schönen Tapeten und andern Meublen versehen. In einem Gemache findet man die Abschilderungen von zehn Bataillen, die dem Prinzen Eugen viele Ehre gebracht haben, und in dem Paradezimmer des itzigen Bischofs von Bamberg eine Copey von dem Nachtstücke des Corregio, das die Geburt Christi vorstellet und insgemein la notte di Corregio genennet wird, nebst einem schönen Schranke von Ebenholze mit eingelegten elfenbeinernen Zierrathen. Ueber dem Kamine der Schlafkammer stellet ein großes sehr schönes Gemälde einen alten Mann vor, der vor einem Crucifixe liegt und bethet. Eben in dieser Kammer ist die Geburt Christi von mosaischer Arbeit, die schon vor vielen Jahren verfertiget zu seyn scheint, zu sehen, nebst dreyen großen porzellanenen Gefäßen. Rand rechts: Spiegelkabinet. Nächst daran stößt das herrliche Spiegelkabinet, so mit kostbarem Porzellan, (darunter vieles von dem feinsten Dresdner befindlich) gezieret ist. Die Tische sind mit krystallenen Gefäßen, Schalen aus kostbaren Steinen und andern Merkwürdigkeiten[1381] besetzt, worunter die Vorstellung, wie der Heiland im Garten am Oelberge in seiner Beängstigung von einem Engel gestärket wird, aus Börnstein ist, und betrachtet zu werden verdienet. Das Spiegelkabinet, welches der Prinz Eugen in seinem Gartenpallaste bey Wien hat, ist sehr schön, kömmt aber dem pommersfeldischen nicht bey. In dem Tafelzimmer bildet eine Tapete von Goldleder den triumphirenden Einzug des Davids ab, nachdem er den Goliath überwunden; aber dieses Stück ist schon vor langen Jahren verfertiget, die Personen sind in Lebensgröße und wohl gemalet. Rand links: Kapelle. Die Kapelle ist in Ansehung des übrigen Prachtes, der allenthalben hervorleuchtet, und welchen die Römischkatholischen insbesondere ihren Kirchen zu geben pflegen, nicht schön genug. Vor dem Altare ruhen die Eingeweide des vorigen Churfürsten von Mainz, dessen Herz zu Bamberg und der Leib zu Mainz begraben liegt. Wegen der Gemälde ist noch zu erinnern, daß etliche kleine Stücke bey der Treppe vom Gebhard aus Nürnberg sind. Der Plafond des großen Saales ist von dem wienerischen Maler Rothmeyer von Rosenbrunn, der ein ganzes Jahr hier gewesen, mit seiner Familie in allen freygehalten worden, und zur Belohnung tausend Thaler bekommen hat. Rand links: Galerien. Das kostbarste von Gemälden ist in einer Galerie, (worinnen hundert und neun und vierzig große Stücke) und in einem daran stoßenden Zimmer, in welchem vier und achtzig kleinere stehen, zu betrachten. Der obgedachte Kammerdiener Biese (an dessen Malerey über der Treppe ein und anderes ausgesetzet wird) hat die Aufsicht über die Ordnung dieser Gemälde gehabt, und weil auf die eine Seite der Galerie gar kein Licht fällt, so beschuldigt man ihn, er habe seine Arbeit am besten ins Gesichte gestellet, und dafür manchem guten Stücke von alten und berühmten Meistern, wie z. E. Holweyn ist, seinen Platz oben in der Höhe oder auf der dunkeln Seite angewiesen. An der Seite gegen den Garten steht oben auf dem Schlosse der Atlas, welcher eine Sphæram Armillarem auf der Schulter trägt. Der Garten ist abhängig und findet sich in der Anlegung desselben sowohl als in vielen Stücken des Gebäudes eine große Aehnlichkeit mit des Prinzen Eugen vor Wien gelegenem Pallaste und Garten. Rand links: Garten. Auf jeder Seite des Gartens ist ein kleiner Wald von Lindenbäumen in Gängen und Figuren gepflanzet, und auf jede Seite kömmt ein Fasanengarten. Es gehören eilf Dorfschaften zu diesem Gute, deren Einkünfte aber zu Bestreitung der Unkosten und Unterhaltung sowohl des Schlosses als des Gartens nicht hinlänglich sind.

Die Herrschaft Pommersfeld gehörete ehemals den Truchsessen von Pommersfeld, welche des Churfürsten von Bayern Unterbediente in dem Erb-Truchseßamte beym Stifte Bamberg waren. Als ihre Familie vor nicht langer Zeit erlosch, kam Pommersfeld durch Erbschaft und vorher errichtete Verträge an das Haus Schönborn.

Linker Hand zwischen Bamberg und Erlang, nicht weit von Bayersdorf, liegt ein Dorf oder Flecken, Kerspach genannt, so dem Markgrafen von Bareuth gehöret, und wegen einer daselbst regierenden wunderlichen Gewohnheit nichtgänzlich unbekannt bleiben darf. Rand links: Wunderlicher Gebrauch zu Kerspach mit jungen Ehemännern. Solche besteht darinnen, daß ein neuangehender Ehemann, welcher ein Jahr oder höchstens fünf vierthel Jahr im Stande der Ehe gelebet hat, ohne seine Familie mit einem Erben vermehrt zu haben, auf Stangen vor das Dorf hinaus getragen, und daselbst in einen Teich oder Weyher geworfen wird. Sobald derjenige, dem diese Strafe gegolten hat, sich aus dem Wasser heraus geholfen, steht ihm frey, wann er kann, einen von den Umstehenden einzuholen, der dann auf gleiche Art eingewässert wird, wobey es aber sein Verbleiben hat. Einsmals geschah es, daß der vorige Herr Markgraf von Bareuth durch diesen Ort, als eben dergleichen herrlicher Aufzug und Vollziehung der Gerechtigkeit vorgieng, reisete, und sich gefallen ließ, solche Ceremonien mit anzusehen, ohne zu wissen oder sich zu befürchten, daß[1382] der ins Wasser geworfene Missethäter vel quasi seinen Regress oder Rache an dem Landesherrn nehmen könnte, wie in der That geschah. Der Markgraf lachte anfänglich nur über des Kerls Einfall; als aber die ganze Dorfschaft seinen Wagen umringete und ihr in einer uralten Gewohnheit gegründetes Recht vorstelleten, mußte er sich endlich entschließen, ihnen nicht nur etliche Gulden zur Zeche zu schenken, sondern ihnen auch seinen Läufer zu übergeben, welchen sie zu mehrerer Bekräftigung ihrer Rechte tüchtig badeten. Da diese Leute so viele Schärfe ausüben gegen diejenigen, so das menschliche Geschlecht auf erlaubte Art nicht vermehren, ob sie gleich vermuthlich ihr Bestes dabey gethan haben; was für Strafe würden nicht erst die alten Junggesellen, so sich dem Ehestande gänzlich entziehen, zu befürchten haben, wenn die Kerspachischen Gesetze die Oberhand in der Welt bekommen und die guten Hagenstolzen unter solcher Richter Klauen gerathen sollten.

Von Pommersfeld sind fünf Stunden bis Christian-Erlang, so ein wohl- und regulargebaueter Ort ist, in welchem die französischen Refugiés vielerley Manufacturen angeleget haben1. Rand rechts: Christian-Erlang. Der Garten hat schöne Springbrunnen, Statuen und Hecken. Den Grundriß und die Prospecte desselben sowohl, als des Schlosses, hat Joh. Baptista Homann in Kupferstichen herausgegeben. Den Weg von Erlang nach Nürnberg bezahlet man auf der Post für drey Meilen, man leget sie aber bequemlich in drey Stunden zurück: Ich werde meinem Herrn nächstens berichten, was ich in dieser letztgemeldten Stadt Sonderbares bemerket habe, und bin indessen – – –

Nürnberg,

den 23 November, 1730.

Fußnoten

1 Erlangen hat durch die vor wenig Jahren neu angelegte hohe Schule einen neuen Glanz erhalten. Die natürlichen Merkwürdigkeiten dieser Gegend hat Herr Prof. Delius in den Erlangischen gelehrten Anzeigen I. 1749 beschrieben.


Quelle:
Johann Georg Keyßler. Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen. Theil 2. Hannover 1751, S. 1383.
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