[1470] Acht und neunzigstes Schreiben.

Von Darmstadt, Frankfurt, Mainz, und Landau etc.

Der Zustand des fürstlichen darmstädtischen Hofes ist meinem Herrn bewußt, und habe ich also nicht nöthig, mich mit Nachrichten, welche man nicht gern bekannt gemacht sieht, aufzuhalten. Rand links: Darmstadt. Die Gräfinn von Seibelsdorf, des Generallieutenants von Spiegel Tochter, ist noch hier. Ihr Mann, der Graf von Seibelsdorf, der sonst in hessencasselischen Kriegsdiensten gewesen, starb im Jahre 1725 zu Straßburg am Podagra.

Die in Unordnung gekommene Finanzkammer ist Ursache, daß der kostbar angefangene Schloßbau nicht fortgeführt wird. Rand links: Schloß. Das Modell, wie das ganze Gebäude hat ausgeführt werden sollen, ist in dem Schlosse zu sehen, und dabey wird es vermuthlich bleiben. Man hat allhier einen starken Hirsch, der in der Carriole zieht, und fünf andere, die nebst einem Pferde vor Kutschen gespannet und mit Trensen regieret werden. Rand links: Zug von Hirschen.

Von dem guten Grunde und Boden dieser Gegend kann man daraus urtheilen, daß im verwichenen Jahre zu Darmstadt Spargel gewachsen, davon ein Stück ein halbes Pfund gewogen, und hat man dergleichen an den Churfürsten von der Pfalz zur Probe ge schickt. Rand links: Große Spargel. In Oesterreich pflegt man über die aus der Erde hervorkommende Spargel ausgehöhlete Hollunder oder andere Röhren zu stellen, unter deren Bedeckung der Spargel hoch anwächst und indessen doch ganz weich bleibt, weil die grobe Luft nicht zu ihm kommen und ihn hart machen kann.

Von Darmstadt nach Frankfurt sind drey Meilen in einem meist sandigen Wege. Rand links: Frankfurt. Der letztgedachten Stadt Lob giebt Peter Lindenberg mit folgenden Worten:


Dives opum, mundi microcosmus, Martia muris,

Germana Aonidum, Filia Mercurii.

Et clara emporio, & rerum penuaria cella est,

Vrbs a Francorum sie vocitata vado:

Cui nil Dî superi, cui nil natura negavit,

Nam si quæ desunt, nec sibi mundus habet
[1470]

Ihre Messen sind durch ganz Europa berühmt, und haben mich etliche erfahrne Handelsleute versichert, daß man die Waaren einer einzigen solchen Messe, (nämlich sowohl diejenigen, welche in den Magazinen verwahret liegen, als die in Buden ausgestellet sind, zusammen gerechnet) nicht mit zehn Millionen Thalern würde auskaufen können. Rand rechts: Reichthum der hiesigen Messen. Solchemnach kommen ihnen die Leipziger Messen nicht bey, obgleich diese wegen des kleinern Ortes mehr in die Augen fallen.

Die jährlichen Einkünfte der Stadt Frankfurt werden auf sechsmal hundert tausend Gulden geschätzet. Rand rechts: Einkünfte. Unter denen Merkwürdigkeiten, welche ein Fremder an diesem Orte in Augenschein zu nehmen hat, kann die Aurea Bulla obenan gesetzet werden. Rand rechts: Aurea Bulla. Sie wird auf dem Rathhause oder auf dem Römer verwahret, und liegt in einer Kapsel von Schildkröten und Perlenmutter, deren Futter von gelbem Sammet ist. Das Buch selbst ist sehr beschmuzt, und übrigens vom THVLEMARIO weitläuftig beschrieben.

Die Brücke von Frankfurt nach Sachsenhausen über den Mayn ist vier hundert und funfzig gemeiner Schritte lang, und liest man über dem Thore derselben in goldenen Buchstaben: Rand rechts: Maynbrücke. Inscriptionen.


Leopoldo I.

Romano Imperatore Augustissimo

Germaniæ Hungariæ Bohemiæ Rege

Felici Patriæ vere Patre

Feliciter Imperii habenas temperante

Turritum hoc propugnaculum

Restauravit

S. P. R. F.


Zur Seite stehen die Verse:


Vive diu Cæsar, vivar domus inclyta, vivat

Imperii columen, vive salutis apex.

Tot Tibi Olympiades devolvant stamine Pareæ,

Quot sunt fœcundis grana papaveribus.

Et postquam longos regnando expleveris annos,

Orbe triumphato Victor ad astra redi.


Unter beyden Inscriptionen ist die Jahrzahl 1677 angedeutet.

In der Domkirche ist vor dem großen Altare das Grabmaal des Kaisers Günther aus dem Hause Schwarzburg zu besehen, und nahe dabey die Kapelle, worinnen die kaiserliche Wahl zu geschehen pflegt. Rand rechts: Domkirche. Günthers Grab. Wahlkapelle. Sie ist gar schmal, finster, und außer dem rothen Tuche, womit sie beym Altare, woselbst die Churfürsten oder ihre Gesandten sitzen, beschlagen ist, ohne allen Zierrath. An der Wand hängen verschiedene gedruckte philosophische Theses, z. E. Caligo Logica etc. Arbor scientiæ in suas distincta propagines etc. Propago Physicæ Physica est scientia speculativa etc. und dergleichen Schulfüchsereyen, die sich besser in eine jesuitische und metaphysikalische Schule als hieher schicken.

In itztgedachter Kirche ist auch eine künstliche Uhr zu bemerken, und besteht solche aus dreyen Hauptabtheilungen. Rand rechts: Künstliche Uhr. Die unterste davon, so als ein Kalender anzusehen ist, hat verschiedene Kreise. Der erste zeiget die Monate; der andere die güldene Zahl nebst des Mondes Ab- und Zunehmen; der dritte den Sonntagsbuchstaben, welcher in den Schaltjahren doppelt ist, dergestalt, daß der erste vom Anfange des Jahres bis auf den 24 Februar, und der andere bis aus Ende des Jahres zum Vorscheine kömmt: Der vierte und fünfte Kreis[1471] präsentiren den alten römischen Kalender. Im sechsten werden die Namen der Apostel und Märtyrer angemerket, desgleichen die Tags- und Nachtlänge, nebst dem Eintritte der Sonne in die zwölf himmlischen Zeichen. Im siebenten und achten Kreise sind die Stunden und Minuten des Niedergangs der Sonne ausgedrückt. Im eilften Kreise beobachtet man die Eintheilung der zwölf himmlischen Zeichen, die vier Jahreszeiten nebst den zwölf Monaten und ihre Eigenschaften oder Wirkung durchs ganze Jahr. In der mittelsten Scheibe sind die beweglichen Feste zu ersehen. An der Schlaguhr verrichten die Statuen zweer Schmiede den Glockenschlag. Dieses sämmtliche Werk ist im Jahre 1605 verfertiget und 1704 zum erstenmal renoviret worden.

In der Predigerkirche sind zween einander gegenüber stehende Altäre mit Gemälden vom Albrecht Dürer gezieret, und stellet das eine die Himmelfahrt Christi und das andere die Assumtion der heil. Maria vor. Rand links: Gemälde. Das letztere ist nur in einer Copey noch vorhanden und das Original an den Churfürsten von Bayern gekommen.

An der Pforte des Thurms der St. Katharinenkirche, (welche den Evangelischlutherischen gehöret) liest man: Rand links: Inscription eines Thurms.


D. O. M. S.


Aspice præciso splendentem culmine turrim,

Structuræ templi quam junxit cura Senatus,

Hinc campanarum pulsus circumsonat urbem;

Designat certas auratus circulus horas;

Sed nomen Domini turris fortissima justis,

Præsidium, murus sit, & arx, & petra salutis.

Anno Domini MDCLXXX.


Die Reformirten, sowohl französischer als deutscher Nation, haben noch nicht erhalten können, daß sie ihren öffentlichen Gottesdienst in der Stadt Frankfurt halten dürften, sondern sie müssen nach Bockenheim, welcher Ort eine Stunde von der Stadt entfernet und in der Grafschaft Hanau liegt, hinaus gehen. Rand links: Zustand der Reformirten. Man braucht zwar nur eine halbe Stunde um dahin zu fahren, allein es bleibt dieses doch allezeit eine große Beschwerlichkeit, sollte es auch nur in Ansehung der Unkosten für diejenigen, die keine eigene Pferde und Wagen haben, seyn. Eine hiezu benöthigte Miethkutsche für vier Personen kostet jährlich wenigstens sechszig Thaler, wenn man auch nur die sonntäglichen Vormittagspredigten (ohne die Nachmittags- und Donnerstags Morgenandachten) besuchen will. Die Anzahl derer dahin gehenden Kutschen erstrecket sich auf zwey hundert und funfzig, wenn sie alle beysammen seyn sollten, weil viele vornehme und vermögende Leute in Frankfurt der reformirten Religion zugethan sind, und man daher auch im Sprüchworte saget: die Römischkatholischen hätten die Kirchen, die Evangelischlutherischen das Regiment und die Reformirten das Geld.

Liebhaber von Naturalien finden bey Herrn D. Joh. Georg Kisner1 eine schöne Sammlung von Erzen, salibus, terris, gemmis, lignis fossilibus, lapidibus, marmoribus und petrefactis. Rand links: Naturalien, Raritätenkabinet des D. Kisner. Unter diesen letzten ist mir insbesondere eine menschliche Hirnschale, so am Galgen versteinert worden, merkwürdig vorgekommen. Von dem Elephantenkopfe, der in diesem Kabinette befindlich und bey Mannheim aus dem Neckar gegraben ist, habe ich in meinem vorigen Schreiben Erwähnung gethan. Nächst vor der Stadt Frankfurt werden in einem Steinbruche viele und mancherley versteinerte Seemuscheln ausgegraben. Eine an,[1472] dere Seltenheit der Naturgeschichte eräuget sich in des Herrn Hassels Garten in der Stadt an einem Haselnußbaume, dessen schon vor zweyhundert Jahren in den frankfurtischen Chroniken gedacht wird. Rand rechts: Großer Haselnußbaum. Sein Stamm hat unten sieben frankfurter Ellen im Umfange, seine Höhe kömmt den umliegenden Häusern gleich, und er trägt noch jährlich Früchte, die zwar von sehr dicken Schalen, dabey aber, ungeachtet des Alters vom Baume, noch von gutem Geschmacke sind. Der Kaiser Leopold hat zweymal darunter gespeiset. Dieser Garten muß ein besonders den Haselnüssen günstiges Erdreich haben, welches denen nächst anstoßenden Plätzen mangelt, als worinnen nur schlechte und gewöhnliche Stauden wachsen, anstatt daß in dem Hasselischen Garten seit funfzehn Jahren vier junge Haselnußbäume mit solchem Wachsthume gedeihen, daß sie schon eine Hohe von zwanzig und mehr Fußen erreichet haben. Diese Recruten sind desto nöthiger, je mehr der oberwähnte alte Stamm anfängt auf die Seite zu sinken und sich zu seinem Untergange zu neigen.

Eine Zierde und Beweis der in Frankfurt blühenden Wissenschaften sind die drey Brüder von Uffenbach, deren Bekanntschaft und Umgang einem jeden Liebhaber der Gelehrsamkeit nicht anders als angenehm seyn kann. Rand rechts: Von denen Herren von Uffendach. Der älteste, Namens Zacharias Conrad, ist Bürgermeister der Stadt, und seine Bibliothek ist sowohl in Ansehung der Manuscripte, als gedruckten Werke, so zahlreich und auserlesen, daß ihm wenige Bücherschätze von Privatpersonen an die Seite gesetzet werden können2. Der mittlere Bruder, welcher durch treffliche Reisen seine Wissenschaften vermehret hat, besitzt eine Sammlung von Zeichnungen, Kupferstichen, Gemälden, Antiquitäten, mathematischen und mechanischen Kunststücken, worunter viele von seiner eigenen Arbeit sind, wie er denn insbesondere sehr wohl zeichnet.

Bey dem königlichen preußischen Hofrath von Lön findet man eine gute Bibliothek und Kabinet von Gemälden. Rand rechts: Andere Kabinette. Gleiche Merkwürdigkeiten nebst verschiedenen Antiquitäten und etlichen Holzschnitten vom Albrecht Dürer werden bey dem Kaufmanne, Herrn Karl von der Burg angetroffen, welcher viele kostbare Gemälde von seinen Vorfahren dieses Namens, die in Holland berühmte Maler gewesen, geerbet hat3. Das Uchellische Kabinet besteht aus Alterthümern, Urnen, Münzen und Gemälden. D. Joh. Friedrich Ochs besitzt ein zahlreiches Münzkabinet. Bey dem Kaufmanne, Herrn Albert Adolph Diesterweg, habe ich eine schöne Sammlung von Landkarten und verschiedene mechanische Erfindungen, so im Drechslen, Holzsägen, Bohren, Schleifen etc. gute Dienste thun können, angetroffen. Die verlangte und den Herrn von Edelsheim betreffende Nachrichten sollen nächstens übersandt werden. Dieser Mann hat dem Hause Hanau gute Dienste geleistet, und jedermann rühmet ihn wegen seiner Wissenschaften, Klugheit und andern Verdiensten, denen er seine Erhebung in den adelichen Stand zu danken hat. Rand rechts: Von des Herrn von Edelsheim Modestie. Als er Ritterrath unter der reichsfreyen Ritterschaft vom Ober. Rheine wurde, und nach altem Herkommen in dem Rittersaale sein Wapen mit vier Ahnen auf den Seiten malen lassen sollte, füllete er diese vier Schilde anstatt der adelichen Vorfahren mit folgenden Worten: I. Deo Autore. II. Cæsare Directore. III. Nobilitatis Favore. IV. Studio & Labore. Jener der sich durch seine Studia, Kriegesdienste und eine reiche Heirath empor gebracht hatte, schrieb über den Eingang seines neuerbaueten Pallastes: Rand rechts: Ueberschrift eines Pallastes;


Bonis literis, justis armis, aptis nuptiis;
[1473]

und erinnere ich mich dabey, wie der vorige Abt des evangelischlutherischen Klosters zu Loccum, Molanus, welcher kein Patron des Ehestandes war, und vieles Geld in seine Bibliothek zu Hannover steckte, über den Eingang derselben schreiben ließ:Fructus Sancti Cœlibatus; wogegen der Generalsuperintendent Leyser zu Zelle, welcher des Abtes Molanus Maximen vom ledigen Staude allzuweit und auf einen der papistischen Lehre nahe kommenden Grad getrieben erachtete, zur Rettung des Ehestandes, dem er (der Herr Leyser) vieles von seinem Vermögen zu danken hatte, über seine ansehnliche Bibliothek setzte: Fructus Sancti Matrimonii. Rand links: imgl. zewer Bibliotheken.

Ich habe für diesesmal nicht nach Mainz reisen können; weil ich aber schon zu anderer Zeit diesen Ort besuchet, so übergehe ich denselben nicht gänzlich mit Stillschweigen, sonderlich da ein Reisender verschiedene Dinge daselbst zu beobachten findet. Rand links: Mainz. Die Domkirche hat gute Grabmaale von Erzbischöfen und Domherren. Rand links: Domkirche. Der Hauptaltar ist also angeleget; daß der Priester sein Gesicht gegen das Volk richtet, und nicht nöthig hat sich umzukehren, wenn er in der Messe die Worte spricht: Dominus Vobiscum. Die Kirche ist hochgewölbet, dabey aber sehr dunkel, welchen Fehler sie mit den meisten Gebäuden der Alten gemein hat. Das vornehmste, so in derselben zu beobachten, ist der Schatz, welcher durch zween Vicarios des Dechants für einen oder zween Ducaten gezeiget wird, und aus vielen kostbaren Edelgesteinen, Meßgewanden und anderm Kirchengeräthe besteht. Rand links: Schatz. Unter den besten Stücken ist ein Ostensorium oder eine Monstranz, so auf vier und zwanzig tausend Thaler geschätzet wird, desgleichen ein aus lauter Perlen zusammengesetzter Baldachin oder Himmel über das Venerabile. Der Thurm des Doms ist mit einem kleinen Glockenspiel versehen.

In der Pfarrkirche St. Quintin hat ein junger Mensch, Claudius de Rosieres genannt, folgendes Epitaphium: Rand links: Epitaphium.


Corporis atque animi Rosa eram, stirps una parentum,

Clausus in hoc tumulo sum cinis, ossa, nihil.


Die Augustinernonnen vom Kloster St. Agnes haben eine artige Kirche. Es verdienet auch die Karthause, so außer der Stadt nicht fern von der Favorita liegt, wegen ihrer schönen Kirche gesehen zu werden, worinnen insbesondere zwey und dreyßig Stühle oder Sitze mit einer trefflichen Arbeit von eingelegtem Holz und Elfenbein prangen. Rand links: Karthause. Der Meister davon ist ein Hamburger, und schätzen die Mönche jeden dieser Sitze auf tausend Thaler; worinnen man ihnen ihre Freyheit lassen kann, weil doch niemand sich als Käufer einfinden wird.[1474]

Die sogenannte schöne Gasse hat gute Häuser, ist breit, eben und mit einem ansehnlichen Springbrunnen gezieret. Rand rechts: Palläste. Nicht weit davon steht ein prächtiger Pallast, welchen zween Brüder von Dalberg, deren der eine hiesiger Vicedom und der andere Abt zu Fulda ist, haben erbauen lassen. Ueber dem mittlern Eingange liest man die Worte:


ConCorDIa fratrVM ereXIt.


Gegenüber ist das Ingelheimische Haus, welches zwar sehr weitläuftig, in Ansehung der Baukunst aber dem Dalbergischen nicht zu vergleichen ist. Man findet in hiesiger Gegend einen rothen Sandstein mit weißen Adern, (dergleichen man in Marmor wahrnimmt) welcher den Gebäuden ein gutes Ansehen giebt. Rand rechts: Schöne Steine zu Gebäuden. Das deutsche Haus wird anitzt ganz neu und kostbar gebauet. Rand rechts: Deutsches Haus.

An dem Residenzschlosse ist nichts sonderbares zu sehen; die Favorita aber ist ein neues Werk, welches sowohl wegen seiner Lage und Aussicht über den Rhein und den Mayn, als auch wegen der Eintheilung der Gebäude und in Ansehung der Orangerie, Hecken, Pyramiden, Statuen, Cascaden und andern Wasserkünsten des Gartens, die Neugierigkeit eines Reisenden vergnügen kann. Rand rechts: Favorita. Das Gebäude für die Orangerie ist eigentlich das Corps de Logis, und die drey Häuser, so sich auf jeder Seite präsentiren, dienen den Cavaliers und Bedienten zur Wohnung, wenn der Churfürst sich daselbst aufhält. Das Gebäude, so zu seinem Logiment gewidmet ist, steht nicht in der Symmetrie, und hat außer einem Saale nichts schönes um sich.

Der Favorita gegenüber und ehe der Rhein die Stadt Mainz erreichet, fällt der Mayn in denselben; das Gewässer von beyden Strömen aber fließt lange Zeit ohne sich mit einander zu vereinigen. Das Auge kann solchen Unterschied leicht erkennen, weil das Wasser des Mayns röthlich und trüber als das andere ist. Rand rechts: Vereinigung des Mayns mit dem Rheine. Die völlige Vereinigung geschieht erst vier Meilen unterhalb Mainz bey Bingen, da die von beyden Seiten sich nähernde Gebirge beyden Strömen gleichsam Gewalt anthun, und sie zu näherer Freundschaft nöthigen. Zu Mainz kömmt man vermittelst einer Schiffbrücke, die siebenhundert sechs und sechszig gemeine Schritte lang ist, über den Rhein. Rand rechts: Schiffbrücke. Die römischen Geschichtschreiber gedenken schon dieser Stadt, und hat man an vielen Orten nicht nur alte römische Münzen, sondern auch römische Statuen, Altäre und Inscriptionen ausgegraben4 Rand rechts: Römische Alterthümer.. Etliche geben den von seiner Gestalt genannten Eichelstein für ein Grabmaal Claudii Drusi Germanici aus, allein mit schlechtem Grunde, und scheint er vielmehr die Dienste eines Wartthurms gethan zu haben5. Rand rechts: Eichelstein. Heut zu Tage ist er mit in den Befestigungswerken der Citadelle auf dem St.[1475] Jakobsberge begriffen. Auf der andern Seite der Stadt, nämlich an dem Rheine, hat man im Jahre 1712 neue Werke angelegt, bey welcher Arbeit nicht nur viele römische Todtentöpfe sondern auch mancherley Medaillen von Kupfer, Silber und Gold entdecket worden sind. Anbey ist man auf einen weißen Stein gekommen, der fast aus nichts anders, als aus kleinen Muscheln, die durch Microscopia sehr artig anzusehen sind, besteht. Rand links: Petrefacta. Was dergleichen Petrefacta betrifft, so füge ich hier nur noch hinzu, daß man von Ober-Lochstein im Mainzischen, sehr artige Eindrücke von Ostreo/pectinis in einer gelblichen Erde hat.

Von Mannheim reisete ich nach Landau, welcher Ort fünf Meilen von dem ersten entfernet ist. Rand links: Landau. Er liegt in einer niedrigen Ebene, daher ihm auch der Morast vor dem deutschen oder Mannheimer. Thore zum guten Schutze dienet. Auf der andern Seite, nämlich vor dem französischen Thore, und sehr weitläuftige Außenwerke angelegt, die einander wohl defendiren. Rand links: Fortificationen. Von dieser Seite ist Landau zu Anfange dieses Jahrhunderts dreymal eingenommen worden. In der letzten oder vierten Belagerung haben sich die Franzosen mehr gegen das Mannheimer-Thor herunter gezogen. Diese Fortification ist vom Vauban angegeben, und zählet man in ihrem Umfange sieben Tours bastionées, welche doppelte Gewölber und oben noch einen platten Platz haben, dergestalt daß drey Batterien von Gestücken über einander stehen, um alle breches streitig zumachen. Jede Tour bastionée hat ihre Contregarde. Das unterste Theil der Befestigungswerke ist mit Bruchstein und das obere mit Backsteinen ausgemauert. Mitten durch die Stadt fließt die Queich, welcher man mit einem kostbaren Canale geholfen, daß anitzo die Victualien, Steine, Holz und andere Baumaterialien mit großer Bequemlichkeit auf dem Wasser zugeführet werden können. Rand links: Canal. Das Rathhaus steht auf einem großen Markte, übrigens aber ist der Ort klein und schlecht gebauet.

In der Pfarrkirche beobachten die Katholiken und Evangelischen das Simultaneum mit guter Ordnung. Die Augustiner haben ein eigenes Kloster; den Reformirten aber wird das öffentliche Exercitium ihrer Religion nicht gestattet, obgleich anitzt zwey Bataillons Schweizer, deren meiste Officiere der reformirten Kirche zugethan sind, in der Stadt mit zur Besatzung liegen. Die umliegende Gegend ist mit vielen Weinbergen und Dörfern angebauet; zu Landau aber gehören nur drey kleine Dörfer, und reichet das churpfälzische Gebieth bis auf eine kleine halbe Stunde von der Stadt. Rand links: Evangelischer Gottesdienst. Diese hat nur zwey Thore. Ueber dem nach Mannheim zeiget sich die in Stein gehauene Sonne mit der Überschrift: Nec pluribus impar. Im Jahre 1702 hatte der französische Commendant Melac über die Thore in Stein hauen lassen Rand links: Inscriptionen und Medaillen auf die Belagerungen.


HæC neMlnI CeDet.


Als aber in eben diesem Jahre die Festung an den römischen König Joseph übergieng, ließ man die vorgedachte Schrift wegnehmen, und dafür setzen:


TanDeM CessIt CæsarI


Ein zum Andenken dieser Eroberung geprägte Medaille stellet auf der einen Seite das Brustbild des römischen Königes vor mit der Umschrift: Josephus D. G. Rom. & Hung. Rex. Auf der andern Seite zeiget sich die Belagerung der Stadt mit den herumstehenden Worten: Armorum Primitiæ, und mit der Exergue: Landavia recepta d. 10. Sept. 1702. Die Nothmünze, welche der Commendant Melac in der Stadt eingeführt hatte,[1476] ist ein kleines längliches Stück von einem silbernen Teller oder Schüssel mit des Commendanten Wapen und den Worten:


4. Livre † 5.

Landav. 1702.


Aus dergleichen Münzzeichen kann man nicht sicher von der Noth, welche eine belagerte Stadt soll ausgestanden haben, urtheilen, und geschieht es wohl, daß Commendanten nur aus Affection auf diese Art ein Denkmaal ihres Heldenmuths stiften wollen. Im Jahre 1703 machten sich die Franzosen wieder Meister von dieser Festung, da der Graf von Friese, den der Kaiser Leopold in einem eigenhändigen Schreiben wegen seiner Gegenwehr sehr lobte, darinnen commandiret hatte. Im folgenden Jahre kam abermals der römische König Joseph an den Rheinstrom, und obgleich der französische Commendant Laubanie an tapferer Gegenwehr nichts ermangeln ließ, so mußte doch Landau nochmals sich den siegenden deutschen Waffen unterwerfen. Die Jahrzahl wurde von jemanden in folgenden Worten bemerket:


HæC sCanDIt bIs MœnIa Ioseph.


Eine zum Denkmaal geprägte Medaille zeiget auf der einen Seite Josephs Brustbild mit den Worten: Josephus D. G. Rom. Imperator. Auf der andern ruhet ein Frauenzimmer (hinter welcher ein Engel steht) auf einem Schilde unter einem römischen Adler, dessen Standartenstange mit Palmzweigen und einer Corona murali gezieret ist. In dem Schilde liest man die Worte: De Landavia iterum d. XXV. Nov. und in derExergue: Securitas Provinciarum. Die Umschrift ist:


CeDIt bIs CæsarIs arMIs.


und die Randschrift:


reX IosephVs LanDaVIVM Iterata VICe strenVe eXpVgnat.


Noch eine andere Schaumünze hat des römischen Königes Brustbild mit der Umschrift: Josephus D. G. Rom. & Hung. Rex. Auf der andern Seite präsentiret sich die belagerte Festung Landau mit denen darüberstehenden und auf die obgedachte hochmüthige Inscription der Franzosen zielenden Worten:


Cessit secundum Cæsari.


In der Exergue liest man: Landavia bis capta d. 25. Nov. 1704. Es ist aber nicht nöthig, hier weitläuftig anzuführen, daß in diesen Worten ein grammatischer Fehler stecke, und daß bis nicht heißen könne zum andernmal. Die Randschrift hält die Worte in sich: Victoriarum An. MDCCIV. felix complementum.

Als im Jahre 1713 Landau von den Franzosen belagert wurde, distinguirte sich in der Festung der Prinz Alexander von Würtemberg durch eine tapfere Gegenwehr, welche jedoch die Uebergabe nicht verhindern konnte. Die in dieser letzten Belagerung geschlagene silberne Nothmünzen bestehen aus einem achteckigten Stücke, dessen Winkel an vier Orten mit den Buchstaben A. C. bezeichnet sind. Ferner liest man an der obern Seite: Pro Cæs. & Imp. In der Mitte zeiget sich das mit dem Jagdorden umgebene würtembergische Wapen nebst den herumstehenden Buchstaben: C. A. H. Z. W. 1713. d.i. Carl Alexander, Herzog zu Würtemberg. Ganz unten liest man:


Bel. Landau

2 Fl. 8. K.


D.i. Belagerung Landau. Zween Gulden acht Kreuzer. Es finden sich auch Stücke, die nur halb so viel gegolten haben.[1477]

Man hat angemerket, daß Landau von einer Belagerung zur andern immer besser vertheidiget worden, und verdienet Melac in diesem Stücke den wenigsten Ruhm, indem er vor der Zeit und allzuhitzig seine Kriegsmunition verbraucht hatte.

Währender letztern Belagerung im Jahre 1713 war ich zu Cölln am Rhein, und konnte man außen vor der Stadt bey stiller Nacht, wenn man das Ohr gegen den Erdboden hielt, alle Canonenschüsse, die vor Landau geschahen, zählen, obgleich diese beyde Oerter über dreyssig deutsche Meilen von einander entfernet sind. Rand links: Wie weit man das Geschütz höre. Als die Franzosen im vorigen Jahrhunderte Genua bombardirten, hörte man das Schießen neunzig italienische Meilen davon (in gerader Linie gerechnet) zu Livorno. Die Lage der Berge und Thäler kann solchergestalt beschaffen seyn, daß sie den empfangenen Schall vielmehr weiter befördern als aufsaugen, und mag dieser Ursache zuzuschreiben seyn, daß man im Jahre 1706 zu Lausanne das Canoniren vor der Citadelle zu Turin, welcher Ort siebenzig Stunden entlegen ist, vernommen. Als zu anderer Zeit ein Pulvermagazin in besagter Citadelle in die Luft flog, hat man drey Stunden davon zu Verua eine größere Erschütterung davon verspüret, als in der Stadt Turin; und da vor ohngefähr zehn Jahren der Pulverthurm zu Ober. Aurach sprang, erzitterte davon das sechs Stunden entfernete Schloß zu Tübingen.

Auf meiner Reise von Landau nach Luneville habe ich wenige Merkwürdigkeiten angetroffen. Rand links: Weißenburg. Die Wege sind schlecht bis Weißenburg, woselbst man auf die Chaussées kömmt. Itztgedachte Stadt liegt in einem geräumigen Thale, und hat nur alte Befestigungswerke. Hagenau ist größer und fester, aber unordentlich gebauet. Rand links: Hagenau. Die Gegend um Saverne ist angenehm, mit Alleen gezieret, und weil der Kardinal von Rohan sich öfters in seinem neugebaueten Pallaste allhier aufhält, so hat er sowohl zu seiner als der Fremden Ergötzung, die an der Parforce-Jagd Belieben haben, die Waldungen mit verschiedenen geraden Straßen durchhauen lassen. Rand links: Saverne. Gleich über Saverne hinaus hat man einen steilen Berg zu übersteigen, auf dessen Höhe eine Inscription im Felsen andeutet, daß dieser Weg im Jahre 1616 zu Staude gekommen und nach dem weiten Gleise eingerichtet worden. Zu seiner Vollkommenheit wird er nun erst gelangen.

Das lothringische Geld ist gar leicht, und rechnet man ein und dreyßig lothringische Livres gegen vier und zwanzig französische.

Luneville,

den 1 May, 1731.

Fußnoten

1 Dieser gelehrte Medicus ist im Jahre 1734 gestorben.


2 Er starb den 6 Jan. 1734 und seine kostbaren Bücher kamen durch verschiedene Auctionen in fremde Hände.


3 Conf. KANOLDMusæogr. p. 150.


4 Mainz hat mit andern alten Städten einerley Schicksal, daß man ihr Alterthum durch kühne Muthmaßungen zu bestimmen sucht. Cluver thut ohne Zweifel der Sache zu wenig, wenn er ihren Ursprung in die Zeiten des Drusus Nero setzet Germ. antiqu. l. II, c. 13: Moguntiacum oppidum primum sui conditorem habuit Cl. Drusum Neronem, Cæsaris Augusti privignum, Tiberii imperatoris fratrem, qui castra hic legionum posuit locumque mœnibus haud dubie firmavit. Mehr andre thun der Sache zu viel, wenn sie bald dem Trebeta, des assyrischen Königs Ninus Sohne, bald dem Trevir, einem Sohne des deutschen Königes Mannus die Ehre der Stiftung zuschrieben. Nichts ist unwahrscheinlicher als die ausgepeitschte Legende von einem Anführer der Zauberer, dem Nequam, ob man sich gleich auf einen alten Stein beruft: Moguntia ab antiquo Nequam. Diejenigen Schriftsteller, welche alle Herrlichkeiten der Welt aus Troja hohlen, nennen den Trajanus, den Sohn des griechischen Helden Hektor, den Stifter von Mainz. Theod GRESEM. ap. SCHAMBERG.Merc. Gall. p. 12:


Est locus inter agros bibulis tantum uber arenis

Qui videt occiduum Trojana Moguntia Solem.


Von der verschiedenen Lage des alten und neuern Mainz redet MÜNSTERCosmogr. p. 480: Moguntiacum paullo remotius a Rheno abfuit, id quod ruinæ quædam adhuc in agro Moguntino ostendunt. Et ubi hodie est Moguntiacum, olim munimenta fuere Romanorum adversus Alemannos ad ipsam Rheni ripam.


5 Das ganze Vorgeben von dem Grabmaale des Drusus beruhet auf dem Zeugnisse des PVTROPIVSbreviar. hist. rom. l. VII, c. 8: Post hunc Claudius fuit, patruus Caligulæ, Drusi, qui apud Mogontiacum monumentum habet, silius, cujus & Caligula nepos erat. DIO CAS. SIVShist. l. 55 redet schon ungewisser, wenn er dieses Grabmaal προς τω Ρηνω lagert.OTTO FRISING. aber schreibt mit vieler Zuversichtchron. l. III. c. 4: Monstratur adhuc monumentum Drusi Mogentiæ per modum pyræ. Und Conrad Celtes ist seiner Sache eben so gewiß ap.PEVTINGERferm. convit. p. 450.


– Moguntiacæ quæ stant in mœnibus urbis

Sollicitas oculos unica cura meos.

Inter quæ Drusi stant ardua busta Neronis

Clara a Germanis nomina primus habens.


Alle diese Gründe haben Tenzeln billig zu schwach geschienen in den Monathl. Unterred. J. 1698, S. 670 u. f. Was soll man aber von denen sagen, die entweder das Grab eines heydnischen Fürsten Eigel, oder das Denkmaal des Alexander Severus auf dem Eichelsteine suchen wollen? Man lese SERARrer. mogunt. l. I, c. 15. HVTTICH. collect. antiqu. Mogunt. Mainz, 1520. SCHEDEL. chron. Norimb. und vornehmlich Christ. Gottl. BIVMBERG. monum. Drus. Mogunt. Chemniz, 1697, 12. c. 4.


Quelle:
Johann Georg Keyßler. Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen. Theil 2. Hannover 1751, S. 1478.
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