IV.

Die Revolution.

(Paris 1830.)

Ausbruch der Julirevolution. Liszt's Enthusiasmus für sie. Erwachende Thatkraft. Entwurf einer Sinfonie revolutionaire. Der Boden der Zeit.


Die Restaurationsepoche neigte sich ihrem Ende zu und der geschichtliche Moment rückte heran, welcher die eben so energische wie ruhige Entwickelung, welche das Staats- wie das geistige Leben Frankreichs, unterstützt von einer Reihe eben so glänzender wie gediegener Geister, während dieser Zeitperiode zu nehmen angefangen hatte, gewaltsam in ihrem innersten Wesen erschüttern sollte. Trug auch das Leben der Weltstadt seine berühmte nur Lebenslust strahlende Physiognomie, auf deren Oberfläche nichts von innerer Schwüle zu lesen war: Salvandy behielt Recht, als er in einer Ballnacht im Königspalast die inzwischen historisch gewordenen Worte hinwarf: »man tanze auf einem Vulkan«.

Ein Reichthum geistiger Strömungen, alle zugleich, hatte sich in Frankreich entwickelt, wie nie zuvor noch später, und wie ihn kaum ein anderes Land in diesem Maße, zusammengedrängt in eine kurze Spanne Zeit, je besessen. Geschichtsforschung, Staatswissenschaft und Philosophie, in allen ihren Zweigen, zum Theil durch germanische Studien getrieben, vertieft und erweitert, waren im vollen Zug stetiger Entwickelung, freilich auch im vollen Zug des Gegensatzes zu den Bestrebungen der nach Entfesselung der individuellen Kraft ringenden jüngeren Generation, deren geistige Erzeugnisse voll Unruhe, Drängen und Gefühlsaffekte die Humanitäts- und Freiheitsideen des achtzehnten Jahrhunderts, durch die[143] romantische Phantasie in poetische Gährung versetzt, in sich trugen. Lagen wohl auch in diesen Gegensätzen geistiger Bestrebungen alle Vorzeichen der großen Frankreichs harrenden Umwälzungen angedeutet, so war es doch kaum denkbar, daß diese gegensätzlichen Richtungen, die noch dazu mehr der Literatur als dem praktischen Leben angehörten, so urplötzlich in einem für das Geschick Frankreichs schwer wiegenden Kampf gerade das letztere – das praktische Leben – ergreifen und Keime und Knospen beider Richtungen explosionsartig theils zerstören, theils entfalten sollten.

Das heiße französische Blut braucht mit seinen ihm eigenthümlichen Ingredienzien der Sanguinik nur eines Anstoßes, um überzuwallen. Dieser Anstoß kam ihm von der Politik, von der Spannung und den Mißstimmungen, welche Karl X. mit seinen Ministerien in der Bourgeoisie hervorgerufen. Mochten auch Eingeweihte, deren Blick bis hinter die Koulissen der politischen Affairen reichte, Recht haben, wenn sie behaupteten: kräftiger als die Mißstimmung, welche zwischen dem König und der Nation obwaltete, habe zum Ausbruch der Julirevolution das englische Gold getrieben, welches durch Beschäftigung der Franzosen im eigenen Lande einen Vertrag zwischen Rußland und Frankreich, der dem einen Konstantinopel, dem andern das linke Rheinufer versprach, hindern sollte: die Zeit selbst sah nur in den Mißhelligkeiten zwischen Karl X. und der Nation die Ursache zu dem Moment, wo man nicht mehr auf einem Vulkane tanzte, sondern wo er ausgebrochen war, wo Bajonette gegen Bajonette standen und, um mit den Schlagwörtern der Parteien zu sprechen, »Volkssouveränität« gegen »göttliches Recht« kämpfte.

Das war der Moment, welcher dem noch nicht neunzehnjährigen Liszt den Rest des Kindheitsschlummers aus den Augen trieb. Er hatte an Empfindungen und Gedanken sich hingegeben – und nun hörten seine Ohren den Donner der Kanonen, das Sturmläuten der That.

»C'est le canon qui l'a guéri« – pflegte seine Mutter zu sagen, wenn sie in späteren Jahren dieses Ereignisses erzählend gedachte. Bis jetzt war er mehr Träumer als Thatkraft gewesen, und nun erwachte auf ein mal jene Seite seiner Natur, welche Empfindung, Gedanke und Willen im Moment zur That vereint, und im Leben ihn so energisch auf den Kampfplatz der Kunst gestellt hat. Aber auch die Magyarennatur, die den heimatlichen Einflüssen so bald entzogen auf[144] dem geglätteten Weltboden Paris bis jetzt ihre eigenen Spuren verloren zu haben schien, wachte auf. Der Waffenruf weckte das heiße heroische Ungarnblut. Auf die Barrikaden wollte er sich stürzen, kämpfen für die vermeintliche Sache der Humanität, für die unterdrückte leidende Menschheit, für das Volk, für das Recht des Volkes, für die Freiheit, und wenn es sein sollte, sterben für sie! – Mit Mühe gelang es seiner Mutter ihn zurückzuhalten und seine Aufregung zu dämmen. Er war in diesem Moment ganz Magyar, heißblütig, hochsinnig, heroisch.

Der junge Künstler lag im Zauberbann der Heldenthaten der »großen Woche«, er jubelte mit der französischen Jugend dem die Volksfahne gegen die Tyrannis tragenden silberlockigen »Freiheitsgenius zweier Welten«, dem alten General Lafayette zu; er begeisterte sich an den Großthaten der Helden der Barrikaden, an dem Volk, das den Kanonen und Bajonetten des Königthums siegreich getrotzt hatte, aber vor seinen künstlerischen Schätzen ehrfurchtsvoll stehen geblieben war, an seinen Tugenden, welche skrupulöse Achtung vor dem Eigenthum des Feindes, Großmuth gegen die Besiegten, Heldenmuth in der Gefahr geübt; er theilte den hoffnungsseligen Enthusiasmus der Jugend von ganz Frankreich und glaubte gleich ihr am Eingang einer neuen Weltordnung zu stehen, welche alle die Träume eines unzerstörbaren Glückes verwirklichen und dem Menschen seine angeborenen Rechte, seine politische, sociale und individuelle Freiheit geben sollte. Freiheitsvisionen umrauschten ihn und ließen ihn anstatt zum Schwert zur Leier greifen. Unter dem Knattern der Gewehre entwarf er eine »Symphonie révolutionnaire«, deren schwungvoller Gedanke seinen Glanz voll und warm zurück auf die phantasie- und gedankenkühne Jünglingsstirne warf.

Der ideelle Entwurf der Symphonie überrascht durch die Höhe seines Inhaltes und die Breite der Basis, auf welche der junge Künstler sie aufzubauen gedachte. Denn nicht, wie man von dem Charakter der Ereignisse, an welche sein Entwurf sich knüpfte, hätte erwarten sollen –, nicht an das Schlachtbild der Julitage, nicht an den Kampfesmuth, an die von ihm unzertrennliche entzündete Leidenschaft dachte er, sondern: mit dem Instinkt des Genies erfaßte er die Spitze der Revolutionsidee gerade an dem Punkt, wo die Musik ihre künstlerische Verherrlichung am intensivsten unter den Künsten erfassen konnte: die Revolutionssymphonie sollte ein[145] Werk werden, das den Triumphruf der Völker – nicht der Franzosen allein, sondern der vereinigten Nationen, welche die Humanität auf den Schild der Zeit hoben – musikalisch ausdrücke; sie sollte eine universelle Siegeshymne des christlichen Gedankens der Humanität und Freiheit werden.

In diesem Gedanken spiegelt sich nicht nur die geistige Richtung des Jünglings wider; unverkennbar treten auch die Reflexe der Zeit in sie hinein, welche sich einestheils aus dem freudigen Widerhall, den die effektvollen Spiele der »großen Woche« bei den verschiedensten Nationen gefunden, anderentheils aber auch aus den phantastischen damals viele Gemüther bewegenden Träumen von einer zukünftigen Verbrüderung der Völker zu einem Volk in einem Glauben, einem Dogma, einem Kultus, zusammengesetzt hatten.

Zum künstlerischen Vorbild seines Entwurfes nahm sich Liszt die »Schlacht bei Vittoria« von Beethoven, das Werk, das so manchmal schon als böse Ahnfrau der Orchestermalerei angeklagt worden ist. Wie Beethoven, wollte auch er seinen Gedanken durch bestimmte musikalische Themen verdeutlichen. Das Werk des deutschen Meisters führt bekanntlich gemalt durch Töne im Relief eines nebelgrauen Morgens den verhängnisvollen Schlachttag vor, das Heer der Engländer durch das englische Volkslied »Rule Britannia, happy land«, und das der Franzosen durch den französischen Marsch »Marlborough s'en va-t-en guerre« bezeichnend. Die Siegesfeier auf englischer Seite deutete er durch das Nationallied der Engländer »God save the King« an. Liszt legte seiner Symphonie ebenfalls drei Melodien zu Grunde. Da sie aber nicht ein Schlachtgemälde darstellen, sondern eine große universelle christliche Idee zum Ausdruck bringen sollte, so hatten auch die von ihm gewählten Melodien einen andern Charakter als die der »Schlacht bei Vittoria«. Es waren historische Typen von tief bedeutungsvoller Physiognomie, für welche er sich entschied. War es eine Reminiscenz aus seinen Kinderjahren? das erwachende Magyarenthum? war es Zufall oder bewußtes Wollen? Der Anordnung des Ganzen nach zu schließen, ist letzteres der Fall. Eine der Melodien war slavischen Ursprungs, ein Hussitenlied aus dem fünfzehnten Jahrhundert, aus der Zeit, da der Held Ziska die von der neuen Religionsidee entzündeten Böhmen gegen die feindlichen Kaiserlichen führte. Die zweite der Melodien war[146] der germanische Choral: »Ein feste Burg ist unser Gott«, eine Melodie, gleich fließendem Erz, glühend und fest in sich, ein ewiges Denkmal gläubiger Kraft und Treue trotz Glaubensbedrängnis und Glaubensnoth! Und die dritte der Melodien endlich war die französische Marseillaise, der Marsch mit fliegenden Rhythmen und dem Athmen der Freiheit, der im denkwürdigsten Moment moderner Völkergeschichte zum Fahnenträger der Empörung gegen die Knechtschaft geworden ist. Die Marseillaise vertrat im geistigen Völkerbund des Jünglings das romanische Element. Heldenmuth, Überzeugungskraft und Freiheitsdrang – das waren ihm die christlichen Kämpen des die Völker einenden Humanitätssieges.

Mit dem Flammeneifer der Begeisterung warf er sich auf seine Komposition. Aber noch ehe die Arbeit fertig, waren die Tage hoffnungsreicher Aufregung vorüber und aus Schutt und Asche des revolutionären Volksbrandes waren nur Enttäuschungen entstanden. Da verwandelte sich seine Begeisterung in Unwillen und Verstimmung gegen die Regierung und Volksgegner. Die fertig skizzirte Symphonie ließ er unausgearbeitet liegen. Auch später nahm er sie nicht wieder auf. Möglich, daß ihn die künstlerische Anlage derselben nicht mehr befriedigte; möglich auch, daß er die Stimmung dafür nicht wieder finden konnte. Die Skizze der »Symphonie revolutionaire« ist verloren gegangen, ein Motiv aber von entschieden ungarischem Gepräge, trotzig und ritterlich, ging in seinen »heroischen Marsch« (Dmoll)1, sowie in seine symphonische Dichtung »Hungaria« über, in welcher es verarbeitet zu den Hauptmotiven gehört. Desgleichen erhielt sich seine für die Symphonie bearbeitete Marseillaise in seiner Mappe. Die damalige Konception wurde die Grundlage zu der bei Schuberth & Co. erschienenen gleichnamigen Koncert-Paraphrase für Klavier.

Es bleibt aus den verschiedensten Gründen zu bedauern, daß Liszt seine Revolutionssymphonie unausgearbeitet gelassen hat. Denn abgesehen davon, daß sie zweifellos ein merkwürdiger Ausdruck einer sich in Gährung und innerem Brand befindenden Jünglingsseele geworden wäre, so ist dadurch auch ein Urtheil über seine damalige Beherrschung der symphonischen Mittel, überhaupt über[147] die Entwickelungsstufe seiner künstlerischen Schöpferkraft unmöglich geworden. Nichtsdestoweniger bietet die thematische Zusammenstellung ihres Entwurfs der Beurtheilung nach anderer Seite hin, indem sie einen sicheren Einblick in seine allgemeine geistige Richtung giebt, bedeutende Momente. Sie legt dar, wie tief bereits sein Geist das Ziel der Humanitätsideale erfaßt und wie sehr sein Mensch und Künstler umfassendes Gedanken- und Stimmungsleben sich gleichsam in sie eingetaucht hatte: sie haben dem letzteren die Taufe gegeben.

Von dem Moment der Julirevolution an war Liszt's Wesen ein anderes. Es zeigte eine erhöhte Spannkraft. Physische Indispositionen, noch von seiner Krankheit her, übermannten ihn nicht mehr. »C'est le canon qui l'a guéri!« Seine Sympathien und Antipathien wurden nach allen Richtungen hin entschieden und, was bisher mehr unbestimmt und gährend in ihm gelegen, kam deutlicher zum Ausdruck. Er lebte nicht mehr zurückgezogen seinen religiösen Übungen und Betrachtungen: er trat hinein in das Leben und stellte sich mit seinem Wissensdurst und seinem erwachenden Thatendrang auf den Boden der Zeit – ein glühender und gefährlicher Boden!

Das Feuer der Revolution umloderte nicht nur die Staatsmaschine, es hatte nicht nur politische Kämpfe entfacht: seine Funken flogen in alle Gebiete des geistigen und praktischen Lebens. Auf kirchlichem wie auf politischem, auf philosophischem wie auf dichterischem Gebiet, auf der Bühne des Lebens wie der Kunst, in Theorie und Praxis – überall entzündete es Kampf, leidenschaftlichen Kampf. Es regten und reckten sich die Geister. Ultramontane und Freisinnige, getrieben von der durch Frau von Staël und dem Gelehrten Cousin entdeckten deutschen Philosophie, Bourbonen und Orleanisten, deren Häupter der Schatten Napoleon's I. wie ein Aar umkreiste, Romantiker und Klassiker begannen in Parteien sich zu spalten. Schlagwörter des Tages – die vom Feuer des Geistes gegossenen Kugeln – flogen wetterleuchtend hin und her. Es entstanden politische und sociale Klubs, es entstanden religiöse Gesellschaften, es tauchten neue, auf Beglückung der Menschen abzielende Ideen auf und rangen nach Geltung und Form. Eine Zahl, man könnte sagen ein Heer! hervorragender Männer bildete das Centrum der Bewegung, aber nicht im geschlossenen Kreis, sondern in Fraktionen. Da standen die Staatsmänner und Häupter der doktrinären Schule, der ehrwürdige Royer Collard[148] und der protestantische Guizot, dort der Philosoph Cousin, die Forscher Jouffroy und Mignet, der »Astronom der Ideen« genannte Metaphysiker Raynaud, der Dichter und Philosoph Quinet, von denen insbesondere Guizot und Cousin bestrebt waren germanischem Rechtsbegriff, Denken und Fühlen auf gallisch-romanischem Boden eine Stätte zu bereiten; hier die Vertreter der letzten großen Geisteskämpfe des alten Frankreichs: Joseph de Maistre, Lamennais (vor seinem Abfall) und Chateaubriand, und wieder dort die Historiker Villemain, Augustin und Amédée Thierry, Fournel, Barante, Ampère; da standen die Dichter: der die »Nachtigall mit der Adlerklaue«2 genannte Freiheitsdichter Béranger, sodann der religiöse sentimentale Poet und spätere Staatsmann Lamartine, die jüngeren Poeten und Schriftsteller, an ihrer Spitze der romantische Mauerbrecher Victor Hugo, daneben die Vertreter der Palette und des Meißels: Ingres, welcher der Vergangenheit damals das letzte Wort sprach, Delacroix, der »Erfinder des Dramas der Farbe«, der poetische Ary Scheffer, Delaroche, der den Roman auf Leinwand übersetzte, die Bildhauer P.J. David, Pradier, Rude u.A. – wer könnte sie alle aufzählen, die Geister, deren Hand in jener Zeit am Rad der geistigen Bewegung Frankreichs thätig gewesen? Ein vornehmer glänzender Generalstab des Geistes – jeder von ihnen ein Punkt, um den sich kleinere Punkte scharten.

Die Bewegung auf diesem Weltboden fand im Großen und Ganzen gleichsam ihre künstlerische Resonanz in der Musik. Auf der Bühne herrschte das Genie heiteren Spieles, Rossini; aber daneben hatte Auber mit seiner »Stummen von Portici« einen Triumph sich erworben, der auf andere als ruhig genießende Stimmungen hindeutete; auch stand im Hintergrund bereits alle Minen des Erfolges legend Giacomo Meyerbeer, der künftige Bühnenbeherrscher. Während die Malibran und Sontag in der italienischen Oper das Turnier-Duett des »Tancred« sangen, die Taglioni im Grand opéra Tragödien tanzte und der Koncertsaal ausschließlich der Tummelplatz der geigenden, pianisirenden und singenden Virtuosen war, wagte Habenek, ein Deutscher, welcher das Orchester des Konservatoriums dirigirte,[149] den Manen Beethoven's seine Huldigung darzubringen und zum ersten Mal den Parisern die Symphonien dieses Meisters vorzuführen. Und obgleich Cherubini, der Direktor des Konservatoriums, in der Kirche, auf der Bühne, im Koncertsaal den klassischen Taktstock zu schwingen suchte, konnte er doch nicht hindern, daß Berlioz bereits die Thürklinke der Romantik in der Hand hielt und die Musiker nicht mehr präcis Takt und Tempo halten wollten wie bisher.

Wohin auch der Blick sich wenden wollte, nirgends gab es ein ruhiges Entfalten. Neues und Altes wogte durcheinander und die menschlichen Leidenschaften, ihre Banden der Tradition, der Sitte, des vernünftigen Maßes zerreißend, entfesselten sich ebenso am Hohen wie am Niedrigen. Ein hochfliegender Idealismus, der das Banner seines Glaubens an die siegenden Mächte des Geistes und der freien Sittlichkeit hoch schwang, aber auch die Phantasterei der Unfreiheit und die der Frivolität der Materialisten standen nicht nur im schärfsten Kontrast nebeneinander und einander gegenüber: wie unter der Gewalt einer Eruption mischten sich selbst die entgegengesetztesten Elemente zu neuen Erscheinungsformen. Die Leidenschaft der Gedanken und Gefühle, von politischen und socialistischen Ideen bis zur Maßlosigkeit entfesselt, griff mit beiden Händen in die kreuzsaitig gespannte Harfe des französischen Geisteslebens, daß Dissonanzen und Konsonanzen bunt durcheinander schwirrten. Die heißen Julitage mit ihrem klingenden Spiel waren nicht nur das glänzende Finale der Restaurationsepoche, sie waren auch zugleich ein bedeutungsvolles Präambulum neuer Geistesströmungen, die nach künstlerischer Seite den Typus des Romantischen trugen, der auf seiner Oberfläche nicht frei vom Fratzenhaften doch nicht den ernst arbeitenden und nach höherer Wahrheit suchenden Gedanken verdecken konnte.

Das war der Boden, auf dem der jugendliche Franz Liszt in der wichtigsten Zeit seiner individuellen Entwickelung sich bewegte, die geistige Luft, welche er wißbegierig einathmete, die Elemente, an welche er sich hingab, rückhaltslos, mit einem Herzen voll glühenden Verlangens nach Bewußtwerden der Ideen, die bereits ahnungsvoll in seinem Geiste lebten. Während er sich an das ihn umgebende Neue hingab und es die Adern ihm füllte, trat Einzelnes bis in sein Herz hinein, seinen Lebensanschauungen, seinem Charakter als Künstler und Mensch die Richtung gebend.

Fußnoten

1 Verlegt 1843 von Schlesinger in Berlin.


2 Börne.

Quelle:
Ramann, Lina: Franz Liszt. Als Künstler und Mensch, Band 1, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1880.
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