VI.

Paganini.

(Paris 1831.)

[161] Sein Auftreten in Paris. Künstlerischer Einfluß auf Liszt, auf seine Technik und Übertragungen für Klavier. Einflüsse auf Liszt's humane Ideale. Liszt's Paganini-Aufsatz; seine Paganini-Literatur.


Paganini stand bereits im Zenith seines europäischen Ruhmes, als sein Fuß zum erstenmal die französische Hauptstadt betrat. Es war zu einer Zeit, wo eine Wolke drohend, gespenstisch über Paris hing, zu einer Stunde, wo ganz Paris schreckerfüllt Asche auf sein Haupt streute und selbst die Leidenschaften einen Moment gelähmt erschienen, die unter dem Nachklang der letzten Julitage sich entwickelt hatten. Die asiatische Geißel, die Cholera, war eingezogen und dieser unheimliche Gast, dessen tödtenden Blick die Wissenschaft noch in keiner Weise zu bannen wußte, schwebte drohend über jedem einzelnen Haupt. Die Gemüther waren erschüttert, erfüllt von Schreck und Grauen.

Das war die Stunde, in welcher der hochberühmte Italiener mit seiner Geige unter dem Arm vor die Pariser trat. Es war am 9. März 1831, als der unheimliche hagere Mann mit dem dämonischen Blick im Saale der Grand opéra vor einem Publikum stand, das sich aus dem Kern der Aristokratie und der Blüthe der Künstler und Kunstfreunde zusammengesetzt hatte. Ergriffen von dem Schrecken des Tages, aufgeregt durch das seltsame Dunkel, das über der Vergangenheit des Künstlers lag und wunderbare Dinge, selbst Verbrechen, bergen sollte, harrte es voll Spannung seines ersten Geigenstrichs, als sollte dieser Enthüllung bringen über das Geheimnis, welches den Geiger umgab. Lautlose Stille herrschte im Saal und mit dämonischer Gewalt bannte Paganini's Spiel[162] Phantasie und Herz seiner Hörer. Sie vergaßen des Todes, der unsichtbar ihre Häupter umkreiste, sie vergaßen des Geheimnisses, das den Künstler umgab, nur den Tönen lauschend, die der Wundermann seinem Instrument entlockte.

Das war kein Spiel, wie man es bis jetzt gehört. Um mit den Worten Léon Escudier's zu reden, klang es »ironisch und spottvoll wie Byron's Don Juan, launenhaft und phantastisch wie ein Nachtstück von Hofmann, melancholisch und träumerisch gleich einem Lamartine'schen Gedicht, wild und glühend wie ein Fluch von Dante, und doch süß und zärtlich wie Schubert'sche Melodien«. Das war kein Spiel, das waren keine klingenden Formen, wie Virtuosen sie bisher der musikalischen Welt entgegen gebracht: das war eine Unmittelbarkeit der Empfindung, die sich im Spiele löst und hier sich selbst schafft, das eigenste Ich des Spielers und sein innerstes Erleben; das war die lebendigste Entfaltung eines dramatischen Bildes, welches sich wie aus dem Moment geboren mit ergreifendster Wahrheit vor den Anwesenden entwickelt, ein dramatisches Bild, wie es wohl die Bühne damals durch die Malibran kannte, wie es aber der reproducirenden instrumentalen Kunst noch fremd war. In diesem Spiel war der Damm gebrochen, welcher eine alte Welt von einer neuen getrennt hielt. Der Dämon der Inspiration stand siegreich auf dem Nacken formglatten, inhaltsleeren Virtuosenthums.

Die Sensation, welche sich an Paganini's Geige knüpfte, würde trotz den Annalen der Kunstgeschichte einer jüngeren Generation geradezu unglaublich erscheinen, hätte sich nicht einige Zeit später – ein ganzes Jahrzehnt hindurch! – diese Sensation durch die glanzvolle Erscheinung eines anderen Virtuosen in so erhöhtem Grad wiederholt, daß jene nur als Vorspiel zu dieser erscheinen muß. Bis dahin hatte in Paris kein Virtuos solche Aufregung und solchen Enthusiasmus erweckt wie Paganini. Wirkten hiebei auch die erwähnten Umstände mit, so waren die Wunder seines Talents, welche aller bisherigen Virtuosität spottend das Unglaubliche überboten, auch ohne jenen Hintergrund groß genug, um die allgemeine Phantasie zu erregen. Sie rissen die Menge mit sich fort; die Künstler und selbst die Großen der Kunst empfanden ihre Macht. Man erzählt sich, daß er dem spottsüchtigen Rossini ein Gefühl von Furcht und Leidenschaft eingeflößt habe und Meyerbeer ihm Schritt um Schritt auf seinen[163] Wanderungen im nördlichen Europa gefolgt sei, um in die Mysterien seines phänomenalen Talentes einzudringen.

Unter den pariser Zuhörern des seltsamen Italieners befand sich der Virtuose, dessen späterer alles überstrahlender Ruhm und Glanz durch sein Anderssein jenen in den Schatten drängen sollte. Es war der Jüngling Franz Liszt. Diesem Spiel gegenüber befand er sich berührt wie von einem Zauberstab. Betäubt, gebannt und hellsehend zugleich hätte er aufschreien mögen vor Schmerz und Jubel. Dieses Spiel – das war das Traumbild seiner Seele, nach dem er gesucht und gehascht und das er doch nicht hatte finden und fassen können. Jetzt, hier empfand er es verwirklicht vor sich. – Mit zündender Gewalt ergriff es sein künstlerisches Wollen.

Liszt hatte bis dahin ohne bewußtes Ziel herum getastet und herum gesucht. Nur dem dunkeln Drang seines Geistes nachgehend hatte er Zufälligkeiten aller Art Raum gegeben. Der Faden seiner künstlerischen Entwickelung war durch seines Vaters frühen Tod abgerissen und ohne eine andere Leitung für sein Künstler-Werden als das in seinem Innern pochende: »un instinct secret me tourmente« hatte er den verschiedensten Eindrücken sich hingegeben – dahin, dorthin, ohne bestimmtes künstlerisches Ziel. Nun urplötzlich wurde es durch Paganini in bestimmte Bahnen gelenkt und für seine Entwickelung fand sich der verloren gegangene Faden wieder. Mit Paganini's Spiel war ein Schleier zerrissen, welcher zwischen ihm und seinem künstlerischen Wollen lag. Die Ideen, welche die Saint-Simonisten in ihm erregt, gewannen Gestalt. »So gesprochen«, sagte er sich, »kann das Kunstwerk zu einer Kultursprache werden und die reproducirende Kunst eine Kulturaufgabe lösen. Das Kunstwerk muß untertauchen in dem Geist des reproducirenden Künstlers, um von ihm aus den Gluthen unmittelbarster Empfindung von Neuem geboren zu werden. Nicht die Form soll klingen: der Geist soll sprechen! Dann ist der Virtuos der Hohepriester der Kunst, in dessen Mund der todte Buchstabe Leben gewinnt, dessen Lippen der Kunst Geheimnisse offenbaren.«

Paganini's Spiel hatte den Prometheusfunken seines Genies zu lichten Flammen angefacht. Was die Poeten der Zeit für das literarische Kunstwerk erstrebten – Freiheit der Form und des Inhalts –, sah er hier auf musikalisch-reproducirendem[164] Gebiet. Dabei entgingen ihm nicht die tiefen Mängel und Einseitigkeiten der Fähigkeiten und der Bildung des großen Geigers. Er maß ihn mit den Idealen der künstlerischen Bildung, welche ihm selbst vorleuchteten. Léon Escudier's glänzende Beschreibung des Spieles Paganini's verschweigt diese Mängel und spricht sie doch ebenso gerade durch ihr Verschweigen aus. Sie hat ein seltenes Bild von der Rhetorik eines musikalischen Virtuosen entworfen, sie hat den Kontrast des Dämonischen gezeichnet, aber die Stimmungshöhen, unter welche das Dämonische sich beugt oder auch in die es sich auflöst, die innere Erhebung, die Verklärung, den göttlichen Sieg – hatte sie nicht berühren können. Das waren Saiten der Kunst, welche unter Paganini's Bogen schwiegen, die aber später die Hand seines Erben in wunderbarer Macht zum reinsten Klang gebracht hat.

Liszt fühlte und erkannte den Bruch, welcher zwischen dem Genie Paganini's und seiner menschlichen Bildung lag. Überwältigt von der geistigen wie technischen Perspektive, welche sein Genie der reproducirenden Kunst erschloß und mit der er sie auf einmal zur Höhe der schaffenden Kunst erhob, fühlte sich Liszt zugleich wieder abgestoßen von dem Mangel allgemeiner und menschlicher Bildung, von dem Mangel der Idealität, welcher der Kunst Paganini's die Krone raubte. Er sah, wie Ausgangspunkt und Ziel derselben »beschränkter Egoismus« sei, wie er später in seinem berühmten Aufsatz über Paganini dessen Engherzigkeit, Geiz und Geldsucht schonend bezeichnete. An ihm erkannte er deutlich die Grenze des Einflusses, welchen Paganini auf ihn ausübte, an ihm sah er, wo die menschliche Mission des Künstlers liegt, an ihm brachte er sich zum Bewußtsein, daß die künstlerische Bildung von der menschlichen untrennbar, daß der große Mensch der Durchgangspunkt zum großen Künstler sei; er entlockte seinen Lippen das stolze edle Wort: »Génie oblige«. Wie tief neben der künstlerischen Einwirkung Paganini's auf Liszt auch die menschliche, aber in einer jener entgegengesetzten Weise ihm Eindrücke gab, ist an dem genannten Aufsatz, dessen dieses Kapitel noch später gedenken wird, zu erkennen.

Mit unbeschreiblicher Hast und zugleich mit siegendem Frohlocken wandte Liszt sich, nachdem er Paganini gehört, wieder seinem Instrumente zu. Man sah ihn wenig; als öffentlichen[165] Klavierspieler gar nicht. Nur seine Mutter war der stille Zeuge seiner Ausdauer und rastlosen Arbeit. Ein Wieland der Schmied schmiedete er sich seine Flügel. Er, der als Knabe bereits den Parnaß der Virtuosen erstiegen hatte, er saß am Klavier oft sechs Stunden des Tages und – übte. Ja, er übte die Sprache seines Geistes und schuf ihr die Technik; Paganini's technische Wunder entbanden die seinen. Freilich, auf einer Taste zu spielen wie Paganini auf einer Saite geigte, war nicht beim Pianoforte möglich. Das war es auch nicht wonach er trachtete obwohl er, anstatt auf einer Saite mit einem Finger hätte spielen können; denn in der That! in jener Zeit bildete er jeden seiner Finger zu einem Pianisten aus. Jeder einzelne erreichte eine Schnelligkeit, Selbständigkeit und Sicherheit wie nie ein Pianist sie besessen. Es ist nicht unmöglich, das Paganini's Kunststücke auf der G-Saite ihn zur Erlangung dieser Fertigkeit gereizt hatten; denn er fing leicht am Können Anderer Funken.1

Der Einfluß, welchen Paganini auf Liszt's Technik ausgeübt, läßt sich durch mehrere jener Zeit angehörende Arbeiten des letzteren nachweisen. Es läßt sich sogar bezüglich dieses Einflusses die Brücke zeigen, welche von dem Violinbogen Paganini's hinüber führt zu dem unglaublichen Umschwung, welchen Liszt mit der Technik des Klavierspiels vollzogen hat.[166]

Es war ohngefähr zur nämlichen Zeit, als der berühmte Geiger zum ersten Mal in Paris auftrat, daß seine »24 Capricci per Violino solo composti e dedicati ogli artisti« im Druck erschienen. Die Virtuosen griffen gierig nach diesem Werk, das ihnen vielleicht Aufschluß über die Geheimnisse ihres Schöpfers bringen konnte. Spähenden Auges durchflog es Liszt und seine Finger glitten den Klang suchend über die Tasten. Die dem Fingersatz für die Klaviatur so fremden und widerhaarigen Läufe, Sprünge, Arpeggien, Doppelgriffe u.s.w., welche Paganini's Virtuosenkühnheit in reichster Fülle und nie dagewesenen Formen hervorgezaubert, widerstrebten der keineswegs großen, sondern feinen und wohlproportionirten, durch klassische Klaviermusik gebildeten Hand des jungen Virtuosen, die kaum eine None spannen konnte. In dem Bestreben am Klavier ein fertiges Bild der Geigenstücke zu gewinnen machte er die Entdeckung, daß auch die selbst nicht große Hand des Klavierspielers diese Dinge, insbesondere weite Spannungen überwinden könne. Mit dieser Wahrnehmung war die Brücke zu einer neuen Technik des Klavierspiels geschlagen.

Der Ausgangspunkt derselben beruht auf Ausbildung weiter Spannungen und der Sprungfähigkeit der Hand, welche neben den engen Lagen der Akkorde, Läufe und Figuren der klassischen Klaviermusik die Weitgriffigkeit der neuen stellte und hiemit die Schönheit und Weite des Klanges dieses Instrumentes einerseits bis zum Wunderbaren steigerte, anderer seits zugleich dem Stil der modernen Klaviermusik den Hauptanstoß gab. Das war die neue Entdeckung, welche Liszt durch Paganini gemacht und auf deren Grundlage er dem Klavierspiel eine Ausdehnung seiner Darstellungsgrenze geschaffen hat, welche mit dem durch Musik Aussprechbaren Hand in Hand gehen sollte.

Aber auch zu einer specifischen Bereicherung der Klaviermusik wurde er durch Paganini's Capricci geführt. Die Spannkraft seiner Finger an ihnen erweiternd übertrug er sie dem Klavier. Seinem feinen Gefühl aber für Individualität der Instrumente widerstrebte es Note um Note dem Klavier zu übertragen, worunter der Charakter des Originals leiden mußte, ohne daß dem Klavier Vorschub geleistet worden wäre. Die Art notengetreu zu übertragen, ohne den Charakter des Instrumentes dabei zu berücksichtigen, war die einzige, die man bis dahin kannte.[167] Liszt schuf eine neue. Während in seiner Vorstellung das Violinbild lebte, so, wie er es von Paganini gehört, schuf seine Phantasie es noch einmal, schob aber an Stelle der Violine das Klavier, wobei sich der merkwürdige Proceß vollzog, daß das Violinbild sich in ein Klavierbild verwandelte, ohne daß dem ersteren seine Originalität in ihren Einzelzügen genommen und das andere zum todten Abdruck gezwungen worden wäre. An den Capricci machte Liszt seine Anfangsversuche von einem Instrument zum andern zu übersetzen, womit er den Weg zu einem neuen und von ihm entwickelten Gebiet der Thätigkeit der musikalischen Phantasie aufgefunden hat. Diese Versuche waren der erste Schritt zu seinen großartigen Übertragungen orchestraler Werke, sowie zu seinen unsterblichen Liedübertragungen für Klavier.

Diese beiden durch die Violincapricen gemachten Entdeckungen, und so mitten im Zug sich eine neue Technik zu schaffen, fanden ihren Abschluß durch eine Arbeit Liszt's, welcher er sich mit großer Energie zuwandte. Die von Hektor Berlioz, auf den das nächste Kapitel zurückkommen wird, komponirte Symphonie: »Episode de la vie d'un artiste« nämlich hatte in einem Koncert des Konservatoriums (1832) ihre zweite Aufführung gefunden.2 Enthusiasmirt von dieser neue symphonische Wege betretenden Schöpfung, die in allen ihren Einzeltheilen den Stempel des höchst Merkwürdigen trug, faßte er den Gedanken sie dem Klavier zu übertragen. Er machte sich aus Werk. Unter ihrem Eindruck erwachten gleichsam seine seltenen technischen Fähigkeiten. In seinen Fingern ein volles Orchester fühlend, dabei in seiner Vorstellung ein treues Bild der Orchestermassen, sowie der individuellen Klänge der Solopartien tragend, wuchs während seiner Arbeit seine Technik zu jener schwindelnden Höhe, welche bis zur Stunde unerreicht geblieben ist. Als das Werk vollendet war, hatte der junge Wieland seine Flügel geschmiedet. Aber auch den Klavierübertragungen von Orchesterwerken war eine neue Perspektive eröffnet.

So haben die Violincapricen Paganini's Liszt den Anstoß zur modernen Technik des Klavierspiels und zugleich die Anregung gegeben ein bis dahin ungekanntes Gebiet – das moderner Übertragung – zu betreten.[168]

Obwohl Liszt der Kunstfertigkeit Paganini's nachjagte und er sie auf seinem Instrument bis zum Wunderbaren steigerte, so ist sie ihm nie, selbst nicht in den Jahren, wo der Mensch so sehr geneigt ist leeren Prunk für Echtheit zu nehmen, Zweck seiner Kunst geworden. Niemals geschah es, daß er sein Koncertpublikum mit derartigen Kunststücken traktirt hätte. Kalkbrenner's Sonate für die linke Hand(pour la main gauche principale) z.B. war ihm schon als einem siebzehnjährigen Jüngling so verhaßt, daß, als W. von Lenz ihn besuchte (1828) und durch Vorspielen derselben glaubte ihm imponiren zu können, er ihm geradezu das Anhören verweigerte. »Die will ich nicht hören, kenne sie nicht und will sie nicht kennen lernen!« – hatte er ihm gereizt zugerufen. Die Technik als solche war es nicht, welcher Liszt nachjagte, sondern die Technik als Sprache des Geistes. Er wollte sie bis zu jener Höhe der Ausdrucksfähigkeit entwickeln, die sie sklavisch jeder, auch der kleinsten Bewegung seines inneren Lebens nachgehen und gehorchen ließe, sie sollte Mittel zum Zweck, der Zweck aber sollte der Kunstinhalt sein.

Mit diesem Princip wurde Franz Liszt der erste Heros des modernen Klavierspiels und auf diesem Gebiet der Begründer einer neuen Epoche.

War Paganini's Genialität als Geiger gleichsam der Funken geworden, welcher Liszt's pianistisches Genie entzündete, so haben die menschlichen Eigenschaften Paganini's ihm einen kaum minder starken Eindruck gegeben – letzteres allerdings im negativen Sinn. Paganini's Mangel menschlicher Noblesse stieß ihn ab und erweckte in ihm eine Antipathie, die seine eigene, jenem so entgegengesetzte noble Natur nur noch mehr zur Höhe trieb. Sein großes Liebesgefühl für die Menschheit fühlte sich auf das unangenehmste berührt von einem Wesen, das an Talent so reich und an Menschenliebe so arm war wie das Paganini's, bei dem wie bei keinem andern Tonkünstler ein Widerspruch zwischen der Natur des Talentes und den menschlichen Eigenschaften so schroff hervortrat – fließendes Gefühl als Natur der Musik und zugleich das menschliche eingetrocknet bis zur Sterilität! Ein solcher Kontrast konnte einen hochstrebenden Jünglingsgeist, dessen Genie noch dazu sich ergriffen fühlte von der künstlerischen Gewalt dieser widerspruchsvollen Erscheinung, nicht nur oberflächlich berühren. Seine moralische und ästhetische Häßlichkeit schürte Liszt's[169] Glut für das Humane und Schöne, und der Gedanke, daß die geistige Schönheit des Künstlers von der geistigen Schönheit des Menschen unzertrennlich, ja bedingt sei, arbeitete sich unter ihrem Eindruck noch bewußter und energischer hervor und entflammte sein Bestreben auch als Mensch das zu erreichen, wonach er als Künstler verlangte: Schönheit und Adel des Geistes.

Wie tief und nachhaltig nach der so eben bezeichneten Richtung die Eindrücke waren, welche Paganini ihm gab, beweist sein Aufsatz, den er 1841 dem am 27. März desselben Jahres dahingeschiedenen König der Virtuosen widmete. Nur wer das Wesen Paganini's in seiner eminent musikalischen Begabung und in seinem »beschränkten Egoismus«, erstere mit glühender Bewunderung und künstlerischer Kongenialität, letzteren aber mit tiefster Antipathie empfunden, konnte so von einem Künstler sprechen, der so eben seine Augen geschlossen. Als Liszt die Todeskunde ward, koncertirte er gerade in London, aber weder die Aufregungen der Koncert-, noch die der gesellschaftlichen Flut konnten die Erregung dämmen, die sie in ihm hervorrief. Ein Leben war mit Paganini zu Grabe gegangen, das vor Tausenden berufen war der musikalischen Darstellung die Zunge zu lösen und dem trotzdem die idealen Aufgaben der Kunst und des Künstlers verschlossen geblieben; ein Leben, das seine Zeitgenossen zu staunendem Enthusiasmus hingerissen und es doch nicht verstanden hatte bei seinem Scheiden ihnen eine Thräne der Liebe und Dankbarkeit zu entlocken. Alles, was Liszt zu Lebzeiten Paganini's an diesem Künstler erregt: die dämonische Gewalt, mit der sein Spiel ihn als Jüngling ergriffen, die menschliche und geistige Enge, die ihn so abgestoßen und so viel dazu beigetragen hatte Ideale entgegengesetzter Richtung in ihm auszubilden, – alles das trat lebendig in nicht abzuweisender Kraft vor seine Seele, um so überwältigender, als er selbst die Bahn betreten, welche Paganini unvergänglichen Ruhm, einen Ruhm, der seine Strahlen bereits in vollster Glorie auch über seine eigene Erscheinung ausbreitete, gebracht hatte: die Bahn des Virtuosen.

Sein Aufsatz war der lebendige Erguß seiner Ergriffenheit. Aber weder seine in hohen Ausdrücken sich bewegende Anerkennung des Künstlers Paganini, noch das allgemeine Herkommen, welches am Grabe die Schatten versenkt, um dem Licht den freien Raum zu lassen, konnten die Wahrheit über den Menschen[170] Paganini verdecken. Aus dem Deficit des letzteren zog er das Ideal des zu künftigen »Künstler-Königs« so, wie es ihm aufgegangen durch den dahin Geschiedenen, so, wie es ihm selbst zur Wahrheit geworden alle die Jahre hindurch. Eine merkwürdige Wendung, welche dieser Nachruf nahm, merkwürdig der Nachruf selbst, dessen weiter und hoher Sinn Liszt's eigener Idealität ein Denkmal gesetzt hat, aber auch ein bleibender Mahnruf geworden ist an die Künstler der Mit- und der Nachwelt!

Diese die glühendsten Ideale Liszt's bergende Stelle seines Aufsatzes können wir unserm Leser nicht vorenthalten, möchten sie aber auch nicht abgelöst vom Aufsatz selbst, in dem aus jedem Wort Liszt's Innerlichkeit und große Denkungsweise hervorleuchten, wiedergeben. Es folgt darum ungekürzt der ganze Aufsatz in deutscher Übersetzung.


»Erloschen, schreibt Liszt, ist Paganini's Lebensflamme und mit ihr einer jener gewaltigen Odemzüge der Natur, zu welchen letztere sich nur aufzuraffen scheint, um sie eilends wieder zurückzunehmen, mit ihr verschwunden eine Wundererscheinung, wie das Bereich der Kunst sie nur einmal, nur ein einzig großes Mal gesehen.

Die Höhe dieses nie erreichten und nie überflügelten Genies schließt selbst die Nachahmung aus. In seine Fußtapfen wird keiner mehr treten, seinem Ruhm sich kein Ruhm mehr ebenbürtig zur Seite stellen. Sein Name wird genannt werden ohne Vergleich. Wo fände sich ein Künstlerleben, welches den schattenlosesten Sonnenglanz des Ruhmes, den vom öffentlichen Urtheil ungetheilt ihm zuerkannten Herrschernamen, die endlose Kluft, wie sie dieses begeisterte Urtheil zwischen ihm und allen ihm Nachstrebenden aufgethan, in gleich hohem Grade aufzuweisen hätte?

Als der vierzigjährige Paganini mit einem Talent, das bis zur höchsten Höhe aller erreichbaren Vollkommenheiten gediehen war, vor die Öffentlichkeit trat, da staunte die Welt ihn an gleich einer übernatürlichen Erscheinung. So stürmisch war die Sensation, die er erregte, so mächtig sein Zauber auf die Einbildungskraft, daß sich diese nicht nur auf das Bereich der Wirklichkeit zu beschränken wußte. Es tauchten die Hexen- und Spukgeschichten des Mittelalters auf; das Wunderbare seines Spiels wußte man mit seiner Vergangenheit zu verbinden; sein unerklärliches Genie wollte man[171] nur durch noch unerklärlichere Thatsachen begreifen und wenig fehlte zu der Vermuthung, daß er seiner Seele dem Bösen verschrieben und jene vierte Saite, der er so bezaubernde Weisen zu entlocken wußte, der Darm der Gattin sei, die er eigenhändig erwürgt habe.

Er durchreiste ganz Europa. Die von seinem Spiel herbeigelockte und begeisterte Menge streute Gold zu seinen Füßen und glaubte anderen auf ihrem Instrument bedeutenden Künstlern die schönste Belohnung angedeihen zu lassen, wenn sie dieselben nach seinem Namen taufte. Nun gab es Paganini des Klaviers, des Kontrabasses, der Guitarre. Die Violinisten zerbrachen sich den Kopf, um sein Geheimnis ihm abzulauschen; im Schweiß ihres Angesichts bearbeiteten sie die Schwierigkeiten, die er spielend geschaffen und mit denen sie dem Publikum nur ein mitleidig Lächeln entreißend nicht einmal die Genugthuung genossen von ihrem untergeordneten Dasein reden zu hören. So genoß Paganini's Ehrgeiz, wenn er solchen besaß, das so seltene Glück die Lüfte unerreichter Höhen einzuschlürfen, von keiner Ungerechtigkeit gestört, von keiner Gleichgültigkeit beunruhigt zu sein. Sein Sonnenuntergang zur Grabestiefe ward nicht einmal verdunkelt von dem lästigen Schatten eines Erben seines Ruhmes.

Wer, ohne Zeuge davon gewesen zu sein, wird es einst glauben? Dieses Talent, dem die Welt so verschwenderisch hingab, was sie so oft der Größe versagt: Ruhm und Reichthum, – dieser Mensch, dem so viel Begeisterung entgegen jauchzte: er streifte die Menge, ohne sich traulich zu ihr zu gesellen; niemand ahnte die Empfindungen, die sein Herz bewegten; seines Lebens Goldstrahl verklärte kein ander Leben, keine Gemeinschaft des Denkens und Fühlens verband ihn seinen Brüdern; fremd blieb er jeder Neigung, fremd jeder Leidenschaft, fremd selbst seinem eigenen Genius; denn was ist der Genius anders als die der Menschenseele ihren Gott offenbarende Priestermacht? – und Paganini's Gott ist nie ein anderer gewesen als allein sein düster trauriges Ich!

Nur mit innerem Widerstreben spreche ich diese strengen Worte aus. Man tadle die Todten oder preise die Lebenden: in beiden Fällen darf man schlechten Danks gewärtig sein, das weiß ich; ebensowohl weiß ich, daß unter dem Vorwand, die Heiligkeit der Gruft zu ehren bei dem Urtheil über einen Menschen der Lüge der Verketzerung unmittelbar die Lüge der Apotheose folgt und daß man einige Wohlthätigkeitswerke anführen wird, welche solche[172] Anschuldigung zu widerlegen scheinen.3 Doch was sind vereinzelte Fälle gegen das Zeugnis des gesammten Lebens? Dem Thun des Menschen ist das konsequent Böse so schwer, wie das konsequent Gute. So frage ich denn, indem ich das Wort Egoismus hier nicht sowohl in enger als in umfassenderer Bedeutung gebrauche und es mehr auf den Künstler als auf den Menschen anwende: ist es nicht begründet den Ansgangspunkt wie den Endzweck Paganini's als beschränkten Egoismus zu bezeichnen?

Wie dem auch sei – Friede seinem Gedächtnis! Er war groß. Jede Größe trägt ihre eigene Schuldentlastung in sich selbst. Wissen wir, um welchen Preis der Mensch seine Größe erkauft? Wird die Lücke, welche Paganini hinterlassen – wird sie bald wieder auszufüllen sein? Sind die Haupt- und Nebenursachen, denen er seine Suprematie, die ich ihm freudig zugestehe, verdankte – sind sie derartig, um sich durch eine Wiederholung erneuern zu können? Wird[173] die von ihm eroberte künstlerische Königswürde in andere Hände übergehen? Ist der Künstlerkönig noch einmal zu gewärtigen?

Ich sage es ohne Zögern: kein zweiter Paganini wird auferstehen. Das wunderbare Zusammentreffen eines riesigen Talentes mit allen zu seiner Apotheose geeigneten Umständen wird als vereinzelter Fall in der Kunstgeschichte erscheinen. Ein Künstler, der sich heutigentags wie Paganini bestreben wollte mit absichtlich umgeworfener Hülle des Geheimnisses die Geister in Erstaunen zu versetzen, würde keine Über raschung mehr erzielen und – vorausgesetzt auch, er sei im Besitz eines unschätzbaren Talentes – die Erinnerung an Paganini wird ihn des Charlatanismus und des Plagiats beschuldigen. Überdies verlangt das Publikum zur Zeit andere Dinge von dem Künstler, dem es hold sein will, und nur auf ganz entgegengesetztem Wege wird er gleichen Ruhm erringen und gleiche Macht.

Die Kunst nicht als bequemes Mittel für egoistische Vortheile und unfruchtbare Berühmtheit auffassen, sondern als eine sympathische Macht, welche die Menschen vereint und einander verbindet, das eigene Leben ausbilden zu jener hohen Würde, die dem Talent als Ideal vorschwebt, den Künstlern das Verständnis öffnen für das, was sie sollen und was sie können, die öffentliche Meinung beherrschen durch das edle Übergewicht eines hochsinnigen Lebens und in den Gemüthern die dem Guten so nahverwandte Begeisterung für das Schöne entzünden und nähren – das ist die Aufgabe, welche sich der Künstler zu stellen hat, der sich kraftvoll genug fühlt Paganini's Erbe zu erstreben.

Diese Aufgabe ist schwer, doch nicht unlösbar. Breite Bahnen sind jedem Streben offen und jedem ist ein sympathisches Verständnis sicher, der seine Kunst dem Gottesdienst einer Überzeugung, eines Bewußtseins weiht. – Wir alle ahnen eine Umgestaltung unserer socialen Zustände. Ohne ihnen gegenüber die Bedeutung des Künstlers übertreiben, ohne, wie es vielleicht schon öfter geschehen ist, seine Mission in pomphaften Ausdrücken verkünden zu wollen, dürfen wir doch die feste Überzeugung haben, daß auch ihm eine Bestimmung im Plane der Vorsehung eingeräumt und daß auch er berufen ist zum Mitarbeiter an dem neuen edlen Werke.

Möge der Künstler der Zukunft mit freudigem Herzen auf eine eitle egoistische Rolle verzichten, welche, wie wir hoffen, in Paganini ihren letzten glänzenden Vertreter gefunden; möge er[174] sein Ziel in und nicht außer sich setzen und ihm die Virtuosität Mittel, nie Zweck sein; möge er dabei nie aus dem Gedächtnis verlieren, daß, obwohl es heißt: »Noblesse oblige«, eben so sehr und mehr als der Adel


»Génie oblige!«


»Genie verpflichtet« – das war das weihende Wort der vielen Liebesthaten Liszt's, die Devise seines eigenen Lebens! Der Virtuos war in diesem Moment nicht mehr der abgerichtete Hund Munito, wie er in bitterer Ironie ihn einst genannt, seine Kunst stand im »Gottesdienst einer Überzeugung«.

Liszt's Name ist jedoch mit dem Paganini's nicht nur durch den Einfluß verknüpft, welchen dieser nach den genannten Richtungen auf ihn ausgeübt; auch nach anderer Seite hin ist er mit demselben bleibend verbunden. Liszt blieb nicht bei den Übertragungsversuchen der »Capricci« stehen. Im Lauf der nächsten Jahre bearbeitete er sie für Klavier und übergab sie der Öffentlichkeit unter dem Titel:


Bravourstudien nach Paganini's Capricen für Pianoforte,


– ein Meisterwerk der Übertragung, das bis jetzt ohne Rivalen geblieben ist. Desgleichen hat er das Thema des Glöckchen-Rondos zu einer seiner großen, dem Koncertsaal bestimmten Pianoforte-Fantasien, seiner:


Grande Fantaisie sur la Clochette de Paganini


verarbeitet. (Siehe Kapitel XIII.) Der


Paganini-Aufsatz


endlich schließt die kleine, aber werth- und bedeutungsvolle Paganini-Literatur Liszt's ab.

Fußnoten

1 Wie leicht das der Fall war, hatte ich selbst Gelegenheit während eines mehrtägigen Besuches, den der Meister mir im Oktober 1876 machte, zu beobachten. Ich erzählte ihm nämlich, daß mir einst Louis Böhner, trotz zweier gelähmten Finger, Fugen auf der Orgel vorgetragen. Er erwiederte nichts; aber mit einer gewissen Spannung auf dem Gesicht setzte er sich an den Flügel und begann eine große Bach'sche Fuge mit drei Fingern jeder Hand zu spielen. Die Spannung wich bald einer sichtlichen Genugthuung: er hatte probiren müssen ob er auch ähnliches kann! Als er sah, daß er es konnte, hörte er wieder auf zu spielen. Dieser kleine Vorfall zeigt, wie leicht das Können Anderer ihn zum Probiren der eigenen Kraft reizte. So noch im Greisenalter, – wie erst als Jüngling, wo der Feuerbrand der Strebungen ihn durchloderte.

Daß Liszt sogar großen Tonstücken gegenüber, ohne ihre Wiedergabe im geringsten zu beeinträchtigen, sich auch mit vier Fingern behelfen konnte, mußte er kurze Zeit nach diesem kleinen Vorfall erfahren. Er hatte sich am zweiten Finger seiner rechten Hand verletzt, gerade zu der Zeit, wo er als sechsundsechzigjähriger Greis mit einer alles hinter sich lassenden Kraft und Schönheit, Beethoven's Esdur-Koncert und Chorphantasie öffentlich in Wien zum Besten des wiener Beethoven-Fonds (im März 1877) vortrug. Er spielte alle Partien der rechten Hand – niemand ahnte es – ohne den zweiten Finger.


2 Ihre erste Aufführung war 1830.


3 Liszt spielt hier auf das große Geschenk an, welches Paganini während seines Aufenthaltes in Paris Berlioz gemacht hat. Paganini war nämlich in einem Koncert (20. Dec. 1833) anwesend, in welchem die Sinfonie fantastique von Berlioz unter Girard's Leitung aufgeführt wurde. Von dieser Musik auf das lebhafteste erregt gratulirte er dem Komponisten zu derselben und drückte ihm warm und unverholen seine Bewunderung aus. Er war so enthusiasmirt, daß er Berlioz bestimmte ein Instrumentalwerk mit einem Solo für die Alt-Viola, das er selbst spielen wolle, zu komponiren. Berlioz komponirte hierauf seine »Harald-Symphonie« und brachte sie am 16. Dec. 1838 unter Paganini's Gegenwart zur Aufführung. Es spielte allerdings letzterer das Altsolo nicht, aber er nahm die Widmung der Partitur an und sandte hierauf dem in den bittersten Verhältnissen lebenden Komponisten ein Geschenk von 20000 Francs. Dieses Geschenk, die einzige derartige That Paganini's, war aber durchaus kein freiwilliges. Wie es allgemein bekannt, lebte Berlioz in so drückenden Verhältnissen, daß sie sein Genie brach zu legen drohten. Da kam sein Freund und wahrer Bewunderer Jules Janin auf den Gedanken den reichen Harpagon Paganini zu bewegen, dem genialen Komponisten Luft zu schaffen, um mehr der Komposition leben zu können. J. Janin, damals in den »Débats« die Quelle alles künstlerischen Ruhmes, setzte seinen Willen durch. Paganini, besorgt sein Prestige beim Publikum einzubüßen, wenn die »Débats« gegen ihn operiren sollten, gab endlich Janin's Drängen nach und sandte jene Summe an Berlioz. Es ist anzunehmen, daß letzterer diese Thatsache nicht erfahren hat, damals wenigstens nicht. Liszt aber kannte sie durch Janin, andere auch. Selbstverständlich mochte Liszt in den Augen der Welt die That Paganini's nicht degradiren, er konnte ihr aber auch kein Gewicht beilegen.

Quelle:
Ramann, Lina: Franz Liszt. Als Künstler und Mensch, Band 1, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1880.
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