XI.

Liszt's Kompositionen deutsch-nationaler Richtung im Anschluß an die Weimaraner Dichterfürsten. (III.)

Instrumental-Kompositionen.

Die »Faust«-Symphonie nach Göthe. Zwei »Faust«-Episoden nach Lenau. Mephisto-Walzer u.s.w. der Rom-Periode. – Die symphonische Dichtung »Die Ideale« nach Schiller.


Es bleibt noch die dritte der Kompositionsgruppen Liszt's, die symphonischen Werke, die sich mit poetischen Ideen unserer Dichter identificirt haben, zu betrachten. Sie gipfelt in der »Faust«-Symphonie nach Göthe und in der symphonischen Dichtung »Die Ideale« nach Schiller. »Faust« aber hat Liszt zu noch mehreren anderen Dichtungen inspirirt. Allerdings nicht ausschließlich Göthe's, sondern auch Lenau's »Faust«. Und dann kommen – Spätlingsfrüchte der Phantasie – noch mehrere Stücke, die in die letzte Lebensperiode des Meisters hineinspielen und unter der Kollektivbezeichnung »Mephisto-Tänze« sich seiner musikalischen »Faust«-Literatur ebenfalls zugesellen. – Um das durch die Dichtung Verbundene nicht zu trennen, sei hier zugleich der Stücke gedacht, die der nach-weimaraner Schaffensperiode angehören.

Liszt's »Faust«-Dichtungen stellen sich nach der Zeit ihres Entstehens folgendermaßen zusammen:


1853/57: Eine Faust-Symphonie1 etc. Gr. Orch. u.M.-Chor.

1854: Die Sätze Faust, Gretchen,2 Mephisto.

1857: Schlußchor »Alles Vergängliche«.[169]

1858/59: Zwei Episoden aus Lenau's »Faust«3 f. gr. Orch.

1) Der nächtliche Zug.4

2) Der Tanz in der Dorfschenke5 (Mephisto- Walzer).

1880: II. Mephisto-Walzer6 für Klavier.

1881: Mephisto-Walzer für Orchester.

1881: III. Mephisto-Walzer7 für Klavier.

1883: Mephisto-Polka8 für Klavier.

1885: IV. Mephisto-Walzer9 für Klavier MS.


Betrachten wir das Hauptwerk der »Faust«-Gruppe!


Eine Faust-Symphonie

in drei Charakterbildern (nach Göthe)

für großes Orchester und Männerchor.


Hector Berlioz gewidmet.


Mit Liszt's »Faust«-Symphonie sprechen wir – ein Werk: die Dante-Symphonie, ausgenommen – das größte aus, was die Instrumentalmusik als Sprache einer Idee, nenne man sie eine poetische, eine philosophische, eine psychologische oder auch alle drei Richtungen in eins gefaßt, in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts ausgesprochen hat. Wie die »Neunte« im musikalischen Bewußtsein der Zeit eine Idee geworden ist, so ist hier eine Idee Musik geworden. Liszt's Genius hat mit ihr die Faust-Idee der Musik erschlossen. Nicht als habe vor ihm kein Komponist gute, schöne, vielleicht auch erhabene Musik zu Göthe's »Faust« geschaffen. Seit seinem Bestehen war letzterer dem Musiker eine Art Magnet, der ihn anzog, doch den zu fassen der Kompaß noch fehlte, obwohl sie alle – Spohr und Gounod ausgenommen – unter Göthe's Geleit standen. Musiker, die gar keinen Begriff von der Schwierigkeit der Aufgabe hatten und[170] in der »Faust«-Dichtung nur einen distinguirten Gegenstand zum Musiciren sahen, als auch Solche, die höher gestellt und tieferen Blickes auch Höheres erstrebten, versuchten sich an ihr. Lindpeintner, Eberwein, Mlle. Bertin, Blum, Reissiger, Pierson wandten sich der melodramatischen, gemischt mit chorischer, Behandlung zu; Fürst Radziwill, Schumann, Litolff, Berlioz dem Oratorium-Styl; Spohr und Gounod der Oper. Daß aber die »Faust«-Musiken mehr und weniger als Versuchsstationen auf dem Wege zu »Faust« zu erachten sind, hat vor einer langen Reihe von Jahren schon Fr. Brendel, umfassender noch R. Pohl in mehreren Aufsätzen dargethan,10 auf welche bezüglich des Eingehenden auf diesen Punkt verwiesen sei.

Abgesehen von der Größe und Gewalt der Schaffenskraft, welche der Faust-Stoff von seinem Komponisten heischt, haben jene »Faust«-Musiken auf das entschiedenste dargelegt, daß eine melodramatische Musikbegleitung sowohl, als auch die Vokalmusik im scenischen Anschluß an Göthe's Dichtung – die nur in Einzelmomenten musikalischer Stoff ist –, diese nur bruchstückweise begleiten, und nur einige lyrische Momente zur Durchführung bringen konnte oder auch kann, ohne vom Ganzen, d.i. von der Faust-Idee selbst, berührt zu sein.

Liszt betrat einen vollständig neuen Weg. Er verließ das Geleit Göthe's, verließ seine Dichtung als scenisches Nacheinander, ja verließ – aber nur dem Anscheine nach – die Dichtung selbst. Er zog sie in seiner Individualität, um sie aufgelöst in ihr geistiges Substrat, aus dem Ton als Symphonie von neuem zu erzeugen. Bei diesem Proceß knüpfte er an die Grundstimmungen der Charaktere an, verdichtete sie zu Typen und sonderte diese Typen zu Sätzen. So gestaltete sich der erste Satz zu Faust, der zweite zu Gretchen, der dritte zu Mephisto –: die drei Principe, welche Göthe als Fundamentalkräfte seiner Dichtung in diesen drei Gestalten verkörpert hat. Faust: das erhabene Princip des unbegrenzten Ringens des Menschengeistes nach Erkenntnis und Wahrheit; – ihm zur Seite Mephisto: das Princip des Bösen, das dieses Ringen auf Irrwege führt und, als absolute[171] Negation des Guten, zu zerstören sucht; – Gretchen: der Gegensatz zu Mephisto, die Reinheit der Seele, deren Unzerstörbarkeit zum erlösenden Princip wird. Seinen Abschluß findet das Werk in der Herbeiziehung des Göthe'schen Schlußwortes: »Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis«. Die Grundstimmungen innerhalb jedes Satzes aber entwickelte der Meister zu jenen Zuständen der Seele und geistigen Vorgängen, welche der verschwiegene Lebensboden von Wort und That sind, gemäß dem Inhalt und Verlauf der unsterblichen »Faust«-Tragödie.

Da nun diese Tragödie ihrem Charakter nach Drama ist, so ergiebt ein Rückschluß auf ihren lyrischen Lebensboden, daß dieser, wie der Mutterschoß den Menschen, das Drama ebenfalls in sich birgt. Und so ist es. Liszt's »Faust«-Symphonie trägt das »Faust-Drama in sich, faßbar durch das Gefühl und durch die innere Gestaltung des Werkes.

Die äußere formelle Anordnung derselben mit ihren vier Sätzen entspricht der traditionellen Symphonieform der Mozart-Beethoven-Zeit, wobei sie mit ihrem Schlußchor an Beethoven's »Neunte« zu appelliren scheint. Allein bei näherer Beschauung ergiebt sich durch ihre Idee und ihren inneren Ausbau, daß die Satzeintheilung trotz der Gleichheit keine principielle zu Gunsten der Form oder aus Gründen historischer Rücksicht, sondern aus dem poetischen Stoff, aus innerster Nothwendigkeit hervorgegangen ist. Keiner der Sätze steht in seiner inneren Struktur auf historisch-formellem Boden. Die Bearbeitung und Durchführung der Themen, desgleichen die Reprisen der Satztheile, vollziehen sich streng logisch, doch als poetische Evolutionen nach den Gesetzen psychologischer Wahrheit. Nach dieser Seite hin war Liszt realistisch. Ebenso trägt der dritte Satz (Mephisto), welchen die Kritik häufig als Scherzo demonstrirt, nichts von den historischen und formellen Voraussetzungen der Scherzoform der Symphonie in sich, wie sich aus einem Vergleich mit den gesammten Scherzi der Symphonien, Quartette und Sonaten Beethoven's einerseits und anderseits aus R. Wagner's Definition der geschichtlichen Aufgabe dieser aus dem Tanz hervorgeblühten Form ergiebt. Und endlich: was die Gleichheit mit der Chorsymphonie Beethoven's betrifft, so ist auch sie eine nur ganz allgemeine, äußerliche und besteht darin, daß Liszt nach Beethoven's Vorgang sein Werk ebenfalls mit einem Chore abschließt.11[172] Die innere Bestimmung der beiden Chöre in Bezug auf das ganze Werk, weicht durch vollständig verschiedene Ausgangs- und Zielpunkte von einander ab. Beethoven's Chor ist kein Abschluß der vorhergegangenen symphonischen Sätze, mit denen er in keinem Zusammenhang, sondern nur im Anschluß steht. Er war ein Nothschrei des Musikgenius, der über die Grenzen der Lyrik hinaus, dem Drama entgegenruft, wie die kunstphilosophische Deutung, ebenfalls R. Wagner's, es dargelegt hat. Liszt's Schlußchor der »Faust«-Symphonie hingegen hat musikalisch – thematisch in den ihm vorausgegangenen symphonischen Sätzen, speciell im Gretchen-Satz, seine organischen Voraussetzuugen, und schließt nach Seite der poetischen Idee als Schlußgedanke die Symphonie ab. Ohne diesen Chor wäre Liszt's Symphonie eine Zusammenstellung von musikalischen Faust-Bildern gewesen, ähnlich wie wir solche auf nicht-musikalischem Gebiet von Kaulbach, Kreling u.A. besitzen, aber keine Wiedergabe des lyrischen Gehaltes der Idee der Göthe'schen »Faust«-Dichtung. Gerade diesen Punkt empfand der Meister sehr scharf. Als er das Werk im Dezember 1854 beendet hatte, umfaßte es nur die drei Instrumentalsätze. Nach einer Revision im Frühjahr 1857 komponirte er erst den Schlußchor.12

Die »Faust«-Symphonie ist, wie jedes Meistergebilde eines Meisters, eine Urschöpfung, die nur mit sich vergleichbar ist. Das gilt bezüglich ihrer als einer Idee, welche eine neue Gattung in der Symphonieordnung zum Leben ruft: die Gattung, welche das Drama in die Tonlyrik hineinsetzt, oder auch, diese zum Drama befähigt, – das gilt bezüglich ihrer als einer Form, deren stoffliche Durchdringung mittels der inneren thematischen Ausgestaltung – die Eingebung des Genius – jene Idee verwirklicht.

Der erste Satz stellt Faust dar. Fünf Hauptthemen, von denen jedes Träger einer Charaktereigenschaft, eines bestimmten Gefühlszustandes, oder einer sich in den Willen ergießenden Gefühlsstrebung ist (wie bei »Prometheus«), bringen, als Grundzüge des Gesammtwesens Faust's, dieses zum Ausdruck. Die Einleitung,[173] eine Dissonanzkette, ist von unbeschreiblicher Kühnheit der Erfindung13 und von schärfster Prägnanz:


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Die übermäßige Dreiklangsfolge (Ia) – das erste derartige. Beispiel in allen Tonwerken der Zeiten14 – stellt uns gleich mit ihren ersten drei Tönen wie mit einem Schlag hinein in das zweispaltige[174] Wesen Faust's. Sie ist der tragische Wurf seines Geschickes – so tief, so wahrhaftig aus dem Innersten der Faustnatur herausgetragen, wie nur die glücklichsten Eingebungen des Genius es vermögen. Das Gewicht fällt hier auf die Dissonanz. Sie ist die Urquelle der Tragik. So wie Byron in seinem »Kain« diesen als Vater des Gedankens zeichnet, so beweist sich die Dissonanz als Mutter der Tragödie. Die Dissonanz, auf welcher Faust sich bewegt, hätte nicht durch jede und nicht durch jeden dissonirenden Akkord zum Ausdruck kommen können. Wie Göthe's »Faust«-Tragödie ihre Voraussetzung in dem »Prolog im Himmel«, so hat auch diese Dissonanz ihre Voraussetzung in dem edeln, den höchsten Zielen zustrebenden, noch bruchlosen Wesen Faust's, das bei allen Wandlungen nicht allein sichtbar bleibt, sondern auch der Ausgangspunkt zur Zweispaltigkeit seines Wesens wird. Musikalisch – das hat Liszt's Faust-Thema wie die Lösung eines vordem kaum geahnten Problems zur Evidenz erschlossen – kann eine solche Voraussetzung nur in dem konsonirenden Dreiklang liegen, dessen reines Intervall, die Quinte, zum übermäßigen getrieben, den Urgrund sichtbar läßt und doch als übermäßiger Dreiklang das tragische Element einschließt.

Der tiefsinnige, elftaktige Introitus birgt den motivischen Kern des I. Satzes. Er drückt den Zustand Faust's aus, wie ihn Göthe's Monolog in Worten Ausdruck verleiht: des Zweifels Öde in des Gedanken Drang, die selbst das übermäßige Verlangen, die Sehnsucht (das Hb-Solo), flügellos, in trostlose Leere bannt. Letzteres ist aus den sieben Takten zu lesen, die in kleinen Abrissen (c), seien sie Seufzer, seien sie Zeichen jener Frage, der noch keine Zeit zu antworten vermocht, in die Tiefe sich verlieren und das Thema zum Verklingen bringen, um nach langer Pause, nun auf e einsetzend, die elf Takte zu wiederholen, worauf – Allegro impetuoso – mehrere kleine Sätze die Stimmung in jähem Wechsel fortführen und unter dem Eintritt der verschiedenen Instrumentchöre zu innerem Kampfe treiben und jagen, durch welchen in übermenschlicher Gewalt das Faustmotiv (1a), Trompeten und Posaunen übergeben, hindurchbricht (S. 9). und man das dem Erdgeist entgegen geschleuderte Wort zu vernehmen glaubt:


»Ich bin's, bin Faust, bin Deinesgleichen.«


Mächtige Gänge der Bässe (S. 10) im Wesen dem Faustmotiv verwandt,


11. Liszt's Kompositionen (III.)

[175] schließen sich ihm an und führen zu einer Spannung, als solle eine Katastrophe zum Ausbruch kommen.

Auf seiner Höhe jedoch bricht der Satz jäh ab –, ein kurzes Fagott-Solo – Lento assai – mit dem herben Sehnsuchtsmotiv (1b), das als »zweite Seele« an das Menschliche gemahnt, führt hinüber zu dem erregten zweiten Thema (IIa), welches – nebenbei bemerkt – dem zweiten Prometheusmotiv geist-und


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stammverwandt ist. Ein aufwärts drängender, fast leidenschaftlich flehender Gedanke zeigt sich ihm coordinirt. Die vibrirende Bewegung dieses Themas, die ihm eingehauchte Triebkraft, weisen auf erneuten Kampf in des »Geistes Fluthstrom« hin. Beide hier zusammengefaßte Motive treten auseinander und in Wechselbeziehung. Ein Bild übermächtigen Kraftgefühls und leidenschaftlichen Aufstrebens beginnt, umlodert von inneren Strebungen, deren übermenschliches Begehren gegen die menschliche Grenze kämpft. Aber dieses Ringen ist anders wie jener Moment, wo Faust sich auf sich selbst stellt. Menschlicher, nicht ohne romantischen Hauch, schleicht etwas wie ein Ahnen und Hoffen hindurch, das leise an


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das Frühlingsnahen des Auferstehungsmorgens gemahnen könnte, blickte nicht, doch gleich wieder verschwindend, ein an Mephisto erinnerndes Grinsen hinein in das edle Emporwallen der Violinen (S. 16). Und doch liegt eine Auferstehung in dem ihnen folgenden dritten


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[176] Thema (S. 27 H), das wir mit Göthe's Worten kommentiren möchten:


»Es reget sich die Menschliebe,

Die Liebe Gottes regt sich nun –«


und:


»Man sehnt sich nach des Lebens Bächen,

Ach! nach des Lebens Quelle hin.«


Bis zur Höhe leidenschaftlicher Inbrunst erhebt sich auf seiner Grundlage das tief erschütterte Gefühl; es ergreift die höheren, tieferen, mittleren Tonregister – den ganzen Menschen. Da entsteigt ihm ein Traumbild von magischem Zauber (S. 30). Zwischen pianissimo gehaltenen Tönen der Streichbässe, der Holzbläser, dann auch der Hörner, schweben schattenhaft Violinfiguren zur Höhe, zur Tiefe – selige Träume auf tönendem Äther. Dabei, von ihnen umwoben, erklingt in ungetrübter, reiner Harmonie das Faust-Thema, welches durch diese ganze Episode als Mittelpunkt sich


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hindurchzieht und erst gegen ihr Ende hin – aber immer pp – wieder die tragische Quinte berührt.

Der Traum zerflattert und löst sich, eingeleitet von dem für die ganze Symphonie bedeutungsvollen vierten Thema, in eine Stimmungswonne, welche einheitlich Himmel und Erde umschließt


11. Liszt's Kompositionen (III.)

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11. Liszt's Kompositionen (III.)

[177] und deren offene Poren Liebe und Sehnsucht athmen. Auf dem physischen Untergrund – wie wir es nennen möchten – von 7/4 Rhythmen (3/4 + 4/4) ziehen circa zwanzig Takte an uns vorüber von wunderbarer Zartheit, Anmuth und psychologischer Feinheit der Erfindung. Dem Motiv Ib ist seine Herbe genommen: die große Septime ist in die kleine verwandelt (IVa); ihm verbindet sich in Motiv b ein Nachhall des Gottverlangens (III), das zugleich eine Vorahnung der Gretchen-Erscheinung in sich birgt. Der sanfte Hauch eines Hornes, leise von Schauern der Pauke begleitet, erneut sich von 7/4 zu 7/4.


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So schweben Physis und Psyche, von dem Gewinde der Violinen umschlungen, in noch ungelöstem geheimnisvollen Bunde der Einheit dahin. Nur ein Moment. Die Sehnsucht reißt das Band und schwillt zu heftiger Erregung (S. 45 M.), der das Motiv II zur Folie dient, es schwillt zu leidenschaftlichem Strom, um plötzlich gedämpft, nur noch ein nachzitternder Schatten zu sein, in den eine


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Willenszuckung gewaltsam hineintritt, sich wiederholt und dann in kurzem, aber zwingendem Anlauf, sich zum fünften Thema zusammenballt. Auf Dreiklänge


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11. Liszt's Kompositionen (III.)

[178] gestellt, mit diesen in sich gefestigt bis zur Großheit, scheint nun


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der sich zum Übermenschlichen emporreckende Faust, den weicheren Regungen trotzend, sich von ihnen abzuwenden, jener Vermessenheit zu, die ihm zum Verderben wird: der weltliche 3/4-Takt des Themas giebt dieser Großheit eine andere Richtung.

Das fünfte Thema ist der letzte Grundstein zum musikalischen Aufriß des Faust-Satzes. Seine musikalische und ästhetische Durchführung führt letzteren in eine neue Wendung: die Exposition der Symphonie ist beendet und das Geschick, dem Helden immanent, beginnt seine Kreise zu ziehen. Mephisto, symbolisch als Princip des Bösen, zieht ein, jedoch erst als Faust's »zweite Seele« selbst in ihrem ersten schroffen Ausdruck (Ib) nicht mehr erklingt und das Grandioso-Thema, um eine Stufe kleiner geworden, das Wort


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behält: der Stolz des Ichs, abgelöst diesem Augenblick – von seiner früheren harmonischen Grundlage, von dem ringenden Ausdehnen zum Allkreis. Dieser kurze Moment genügt dem Dämon des Bösen, trotz Faust's pompösem Aufrichten (S. 61 Q), lauernd, unheimlich sich zu zeigen[179] (S. 63–68 R.). Er hängt sich an den weltlichen 3/4-Takt des Grandioso und glättet in Spott die Skala, die jetzt von unten nach oben sich wendet, während dämonisch-glitzernde Triller im Quartenschritt des verkleinerten Grandiosomotivs von Takt zu Takt sie begleiten, um auf dem letzten Viertel des vierten Taktes mit kurzem Pff! (fz) der Becken zu enden und das Spiel von neuem zu beginnen. Nur sechzehn Takte währt es, doch bleiben seine Spuren.

Die Entfaltung dieses Wendepunktes führt zu einer Verarbeitung der bisherigen thematischen Elemente. Wenn sich psychologisch ein Bild entwerfen läßt, das uns mit der Unmittelbarkeit eigenen Erlebens veranschaulicht, wie hart oder wie eng die beiden Reiche: hohes Streben und tiefes Irren, Gott- und Menschennatur nebeneinander liegen und sich berühren, so ist es in dem folgenden Theil. Die Themen schieben sich ineinander, sie bäumen sich auf, siegen, unterliegen in wildem Kampf, dessen chaotisches Wirren von den gelben Flammen der Dämonik durchblitzt ist.

Da die angeführten Themen Leitmotive sind, steht ihre Durchführung unter dem poetischen Princip. Das Faustmotiv (Ia) tritt zweistimmig in der Engführung auf (Allegro agitato assai, E dur), aber seiner unentwegten Übergröße beraubt, schwankend zwischen dem Dur- und dem übermäßigen Dreiklang –, unter und über ihm das Gährungsmotiv (IIa), das wie eine Naturgewalt alle inneren Kräfte treibt und erregt. Nach dem ersten Thema erfaßt es sein eigenes flehendes Ergänzungsmotiv (IIb) und treibt und begleitet dessen kontrapunktische Durchführung. Wie von dämonischer Macht gejagt, rast es endlich nur noch in wilden Zuckungen (S. 77 V) dahin, um in sich selbst zusammenzusinken. Wie in einem Schrei treffen alle Instrumente auf einem Ton, auf As zusammen – hier zittert er noch fort, ein dumpfer Wehruf der gestopften Hörner, ebenfalls as, tönt hinein – der Ton steht still und – – setzt sich unerwartet fort in dem Anfangsthema:


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[180] Nach nutzlosem Ringen, fernab vom erstrebten Ziel, sinkt Faust's Geist zurück in den Schoß der Trostlosigkeit. – Das Zusammenbrechen aller Kräfte aber auf dem Ton As, das Ruhen in ihm, wirft einen tief beziehungsvollen Schein auf die Grundfäden der tragischen Entwickelung: As (As dur) ist die Tonika des Gretchen-Satzes und der Gretchen-Themen, ebenso wie C der Grundton des Faust-Satzes und der Symphonie ist.

Mit dem Hinwenden zur Einleitung, die sich unverändert Ton um Ton abspielt, beginnt eine Wiederholung des ersten Haupttheils, formell nach den bereits dargelegten Principien. Die Grundlage bleibt sichtbar, trotz der umwandelnden Gedanken des nach irdischem Genuß verlangenden neu erwachten Lebensdranges. Das Ringen, jetzt den Dämon des Bösen hinter sich, hat andere Ziele wie vordem, aber bleibt faustisch groß. Ein warmer Pulsstrom füllt die Glieder, die vordem ausschließlich Geistesmuskeln waren, zu harmonischem Wohllaut, Stockungen kommen in Fluß, die mystische Episode fällt weg, die Vorahnung Gretchens dagegen wird zur neuen Lebenssonne, die Faust's Sinne durchglüht. Das Faustmotiv (Ia) erklingt zum Schlusse hin (S. 132 u. f) in strahlender Kraft des Durdreiklangs, nur das Sehnsuchtsmotiv (Ib) bleibt stehen in dem übermäßigen Ausdruck der großen Septime. Dieses auch beschließt den Faust-Satz.


11. Liszt's Kompositionen (III.)

11. Liszt's Kompositionen (III.)

Der zweite Satz. – In ihm tritt uns Gretchen zum zweiten Male gedichtet entgegen. Bei Göthe knüpft sich die Lyrik an den Zauber ihrer Erscheinung, bei Liszt knüpft sie an sich[181] selbst an: an den lyrischen Zauber ihres Wesens; Göthe entwickelt es durch Anschauungsbilder (»Meine Ruh' ist hin«; »Ach neige, Du Schmerzensreiche«), Liszt entwickelt es unmittelbar aus dem Gefühl. In diesem Sinne sind beide Gretchen so eng verwandt, daß sie füglich in der Ergänzung der Mittelbarkeit und Unmittelbarkeit ihres Ausdrucks als identisch gelten können. Liszt's »Gretchen« athmet einen Duft und seelischen Zauber einer naiven Mädchenknospe, wie die symphonische Kunst zur Zeit kein zweites Beispiel besitzt, vielleicht auch nie besitzen kann, ebenso wie Göthe's Gretchengestalt, die trotz ihrer nordischen Schwester Solveig,15 wohl für immer einzig bleiben wird, – einfach darum einzig bleiben wird, weil es Erscheinungen in der Kunst wie im Leben giebt, die nur ein Mal original, zu Typen werden, und als Abzüge mit Modifikationen sich fortsetzen.

Der Gretchen-Satz fängt, wie der des Faust, mit einer Einleitung an. Im feinen psychologischen Gegensatz zu diesem jedoch ohne thematisch zu sein. Wie hätte auch ein unbeschriebenes Blatt, eine Unschuld, die »um nichts zur Beichte ging«, naturwahrer eingeführt werden können! Intonirt von Flöten und Klarinetten


11. Liszt's Kompositionen (III.)

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in dem reinen, zarten, poetischen Klang ihrer Mittellagen, formell gleich einer ersten Liedstrophe, die dreimal je eine Stufe tiefer wiederholt das letzte Mal mit einem kadenzirenden Anhang, schlendert[182] die Einleitung harmlos, graziös und, im Hinblick auf den Mordent, »etwas schnippisch auch zugleich« in das erste Gretchenthema, das der Oboe und Bratsche – beide Solo – übergeben ist. Im Liedstyl sich fortsetzend, übernimmt bei seiner Wiederholung die Klarinette


11. Liszt's Kompositionen (III.)

11. Liszt's Kompositionen (III.)

nette, von der Flöte verstärkt, die Melodie; anstatt der Bratsche begleitet die zweite Violine; die Fagotte treten mit anmuthigen Melismen zur Begleitung und erhöhen den Zauber des Kolorits, deuten aber auch auf Faust hin in dem ihnen folgenden, von leisen Baßschritten –


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bedeutsam der erste Baß im Gretchen-Satz – begleiteten Gedanken, der wie ein Sehnsuchtshauch sich der abermaligen Bratschenbegleitung unterfügt, während das unschuldsvolle Thema gleichmäßig sich fortsetzt. Dabei verräth es durch kleine chromatische und Vortragsveränderungen, daß die Knospe im geheimen Weben innerer Entwickelung sich regt. Nochmals erklingt der Fagottgedanke mit dem Baßschritt. Obwohl im Zwielichtklang der Instrumente, wird Melodie, Begleitung, Harmonie und Rhythmik ausdrucksvoller, ja erregt (S. 141–142). Plötzlich bricht alles ab – nur fünf Takte: es spielen die Klarinette und die erste Violine die poetische Sternblumenepisode: »Er liebt mich – liebt mich nicht«, mit


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[183] einander ab, erstere im Hintergrund süßen Flötenklangs, letztere verbunden mit der zweiten Violine – eine reizende kleine Tonmalerei, die einzige im Gretchensatz. Mit dem glücklichen: »Er liebt mich!« beschließt eine abermalige Fermate die liebliche Scene, worauf das Gretchenthema in seinem süßen innocente, im Wohllaut durch eine breitere Instrumentation noch erhöht, von neuem eintritt – jetzt als Übergang zum zweiten Hauptthema Gretchens:


11. Liszt's Kompositionen (III.)

11. Liszt's Kompositionen (III.)

Es zeigt sich, obwohl kontrastirend mit dem ersten, diesem an Einfachheit und Unschuld verwandt, trägt aber ein wärmer pulsirendes, zum Entzücken inniges Seelenleben in sich.

Mit Harfenglanz, pathetisch, tritt Faust zu Gretchen (S. 148)


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in dem bereits bekannten Faustmotiv Ib. Mit ihm beginnt der Mittelsatz. Im Silberschleier des Mondenglanzes entspinnt sich ein Minnen und Werben, ein seelisches sich Ein- und Untertauchen, ein Liebesdialog von ebenso großer dichterischer Schönheit wie innerer Wahrheit. Musikalisch besitzt diese Scene nur ein Seitenstück: die Lenznacht in Wagner's »Walküre«. Von psychologischer Tiefe ist besonders die innere Wandlung Faust's unter dem Hauch einer reinen Frauenseele. Scheinen hinter den zuckenden[184] den, bebenden Bässen seines Eintretens in das Gretchenbild die auf Mephisto bezüglichen Worte zu klingen:


»Er facht in meiner Brust ein wildes Feuer

Nach jenem schönen Bild geschäftig an –«


so veredelt sich nun unter Gretchens Wesen das wilde Verlangen zu edler männlicher Schönheit, durchtränkt von dem göttlich-harmonischen Gefühl des Weltganzen, wie Göthe's Dialog es unvergänglich schön ausdrückt, indem Faust's auf Gretchens Frage: »Glaubst Du an Gott?« in dem Satze gipfelt:


»Schau ich nicht Aug' in Auge Dir,

Und drängt nicht alles

Nach Haupt und Herzen Dir,

Und weht in ewigen Geheimnis

Unsichtbar, sichtbar neben Dir?

Erfüll davon Dein Herz, so groß es ist,

Und wenn Du ganz in dem Gefühle selig bist,

Nenn es dann wie Du willst,

Nenn's Glück! Herz! Liebe! Gott!

Ich habe keinen Namen

Dafür! Gefühl ist alles.«


»Gefühl ist alles« –, dieser musikalische Hinweis Göthe's, der noch gleichsam gebannt ist in das Tonleben, entfaltet unter dem Hauch des Tongenies seine inneren Wunder der Liebe zu einer Stimmungseinheit und Seligkeit, die das Wort nur andeuten konnte. Das dritte Faust-Thema ist der Träger dieser Stimmung. Es hat seine übermäßige Spannung abgestreift; das jetzige harmonische und instrumentale Kolorit im zartesten Hauch tritt ein in die Scene. Wie aus tiefstem Born »ewigen Geheimnisses« steigt die Cellomelodie empor; über sie wölben sich, klingende Kuppeln, dreifache Flötenarpeggien in Triolenbewegung, während die Harfe ihre Silberfäden nach oben zieht. – Auch die andern dem Gretchen-Satz verwobenen Faust-Themen und Motive – sämmtliche mit Ausnahme des I. und V. Themas – verwandeln sich dem inneren Zustand Faust's entsprechend. Der eben berührten wunderbaren Stelle folgt wieder das erstgenannte Thema (Ib), aber jetzt im Charakter des vierten Faust-Themas im 7/4-Takt, das, hineingezogen in das »ewige Geheimnis«, hier seine Erfüllung findet, nicht mehr spricht, nur Seligkeit athmet.

Aus dem durchlaufenen seelischen Proceß geht Gretchen[185] unschuldsvoll und rein im Herzen im gleichen holden Liebreiz hervor. Unverändert im Tempo – Andante soave –, auch in der Tonart, in As dur, erklingt wieder das erste, das zweite Gretchenthema wie vor Faust's Erscheinen, nur das Sternblumenorakel fällt weg. Dieser getreuen Wiederholung liegt der Gedanke zu Grunde, daß Gretchen ohne diese bewahrte Seelenreinheit unmöglich der Sühne und seelischen Errettung zum Symbol hätte dienen können. Und doch zeigt sich eine Veränderung! Die Themen tragen nicht mehr den hellen Schimmer eines ersten Maitages; im Wesentlichen sind sie dem Streichchor übergeben und ihr Kolorit reicher und seelischer, aber auch stimmungsbelegter. Nachklänge aus dem Mittelsatz mischen sich sehnsuchtsvoll und zärtlich dazwischen, doch mehr in Herzensdemuth und erschauernd in Andacht. So schließt der Gretchen-Satz.

Der dritte Satz. – Mephisto ist hier nicht der Schalk, wie Göthe ihn zeichnet. Bei Liszt ist er das Princip des Bösen ohne Kappe – das personificirte offene Princip der Zerstörung in der spitzigsten und zerreibendsten Form des Witzes: in der Frechheit der dämonischen Ironie. In der Instrumentalmusik nimmt diese Geistesform zum ersten Mal eine Gestalt an, die nicht als sporadisches Streiflicht einzelne Punkte oder Strecken eines Charakterbildes beleuchtet – nein, die in sich gefestigt, Form gewordene Idee, dieses Charakterbild selbst ist. Sie berührt darum wie die Entdeckung einer bis dahin ungekannten Geistesmine, welche nicht allein Entdeckung ist, sondern auch zugleich alle Mittel und Werkzeuge der Logik in sich trägt, die Schätze dieser Mine an das Licht zu fördern und zu gestalten.

Während Liszt das Seelenbild Faust's wie Gretchens durch charakteristische feststehende Themen entwirft, theilt er Mephisto gar kein Charakterthema zu. Das Böse ist ja der Proteus, der jede Form annimmt und in Folge dessen selbst keine eigene besitzt. Sein Charakter ist, ohne Charakter zu sein. In Konsequenz dessen läßt Liszt ihn in Spott und Hohn die Faust-Themen eines nach dem andern ergreifen und tändelnd bis zur Fratze verzerren, mit ihnen Fangball spielen, sie zerreißen und zerpflücken. Die beiden Gretchen-Themen aber berührt er nicht – über sie hat er keine Gewalt. Die Art und Weise, wie der Meister diese Form der Ironie erfaßt und in schärfster Dialektik durchführt, steht außerhalb jeden Beispiels. Indem sie sich solchermaßen mit dem dar zustellenden[186] Princip gleichsam indentificirt, ist sie selbst Princip geworden und hat – eine Offenbarung innerhalb der Musik – das Princip des Bösen in seiner Logik, sei nem System und innersten Triebwerk bis zur Greifbarkeit veranschaulicht. Liszt's Mephisto ist das personificirte Gesetz des zum schärfsten Bewußtsein vorgedrungenen, absolut verneinenden Naturwillens.

Der Mephisto-Satz steht in seiner äußeren Dimension, auch in seiner Konstruktion im Großen und Ganzen, in Parallele zum Faust-Satz. Desgleichen steht er in derselben Tonart (C). – Gleich die Einführung des Mephisto zeichnet mit wenig Linien, kolorirt von sprechendster Instrumentation,. seine Art: er parodirt mit


11. Liszt's Kompositionen (III.)

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diabolischer Grazie das erste Impetuoso-Sätzchen Faust's (11 Takte). Hierauf seufzt er mit tändelnder Geste (176), doch nicht ohne ihr sein Haha! nachzusenden –, geht, jene fortsetzend, zum


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[187] Liebesthema, setzt schmachtend mit dem Horn ein, um lachend die folgenden Töne dem Fagott zu übergeben, ein Schnippchen hinterdrein


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–, citirt Faust's Hauptthema (Ia), doch nur, um es gleichsam


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als Überschrift zur nun folgenden Verhöhnung des übermächtigen Emporstrebens Faust's zu benutzen, dem er, wie den andern Themen, in kurzen Paukenschlägen seine Grimasse anhängt. Bei diesem Thema verweilt er mit seinem


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Zersetzungswerk, eigentlich beginnt erst dasselbe (S. 183). In scharfer Erkenntnis der menschlichen Natur richtet er es zuerst gegen den Trieb des Geistes; denn mit ihm sind alle höheren Lebensadern unterbunden. Wohl scheint es für einen Moment (S. 187 H), als strebe Faust's bessere Seele sich auszubäumen, aber der Genosse an seiner Seite äfft ihn nur und erstickt hiermit[188]


11. Liszt's Kompositionen (III.)

jede weitere Regung. In der Zerstörung des Strebens als solche erscheint Mephisto wie eine Ironie auf die sittliche Weltordnung. Sein Wesen steigert sich zum höllischen Jubel (S 194), der glitzernd und wirbelnd von Pauken, Becken und Triangel begleitet ist. Ein dämonischer Zug von unbeschreiblicher Gewalt liegt in der Steigerung und der ganzen Stelle (S. 194–203). Fast wie ein Schrei übertönt (S. 203) das Motiv das nun im unisono ausrasende


11. Liszt's Kompositionen (III.)

Gelächter, welches gleichsam als Antwort auf den Schrei das erste Faustmotiv in seiner Travestirung wiederholt, woraus der Satz wieder in sein Halbdunkel zurückfällt.

Diese Stelle ist der Übergang zu einer mit allen kontrapunktischen Finessen vierstimmig durchgeführten Fuge. Sie bildet die formelle Pointe und die höchste Spitze der mephitischen Ironie. Ihr Thema ist aus dem Liebesmotiv konstruirt.


11. Liszt's Kompositionen (III.)

Hat vordem Mephisto's Hohn Faust's Willen vernichtet, so trifft er jetzt das innerste Gefühl desselben: seine Liebe zu Gretchen. Mit Eiseskälte der Reflexion spannt er sie auf das fugische Rad einer schneidenden Dialektik und treibt und treibt es, bis jedes ihrer Atome ihm erlegen. In dieser Methode liegt Fürchterliches.

Aus der Fuge heraus streckt Mephisto seinen Arm noch nach[189] dem fünften Faustthema aus, (S. 218), das er mit höllischem


11. Liszt's Kompositionen (III.)

11. Liszt's Kompositionen (III.)

Gelächter bedeckt, in das ein Chor böser Geister bald lauter, bald gedämpfter einstimmt. In wildem Anlauf entwickelt sich ein Crescendo, als sollten alle Bande springen. Hier tritt Unerwartetes ein. Der Lärm ist urplötzlich wie durchschnitten – vollkommne Stille, Grabesstille – Mephisto horcht auf mit höhnender Geberde –: wie aus weiter Ferne (S. 226) zittert ein Klang durch


11. Liszt's Kompositionen (III.)

die Luft – ernst, schaurig. Ist es ein Glockenruf vom Dome her, wohin das Volk, Gretchen unter ihm, zum Sange des Dies irae, dies illa ziehen? Ist es eine höhere Mahnung? Frech trällert Mephisto das all seiner Charakteristik beraubte Faustmotiv dazu – jetzt nur noch ein Schatten seiner selbst. Er will fortfahren in seiner Unbändigkeit – da wiederholt sich nochmals der Schauerklang. Nach dieser kurzen, auch bezüglich der Tonart buchstäblich eingeschobenen Episode (H dur – C moll – H dur) setzt sich der unterbrochene Höllenjubel, erst leise, dann immer wilder vibrirend fort. Es beginnt der Wiederholungssatz.

Derselbe scheint sich an die Göthe'sche Dichtung zu wenden und die Walpurgisnacht in ihr Gewebe zu ziehen. Die rekapitulirten Themen ziehen wie unter ihrer Beleuchtung stehende Bilder an uns vorüber; diese Vermuthung wird durch mehrere Momente fast bis zur Greifbarkeit bestätigt. Da ist ein Tosen, das wie die Windsbraut durch die Luft rast – mitten hinein,[190] unvermittelt, stoßen die


11. Liszt's Kompositionen (III.)

Holzbläser schmerzlich aufzuckend hervor (S. 241): als deuteten sie mit Faust's Worten auf eine Erscheinung:


»Mephisto, siehst du dort

Ein blasses, schönes Kind allein und ferne stehen?«

– –

»Ich muß bekennen, daß mir däucht,

Daß sie dem guten Gretchen gleicht.«


Zugleich jagen die Violinen fortissimo bis zum 11. Liszt's Kompositionen (III.) hinauf, das sie pianissimo erfassen und acht Takte (Andante) ohne Schwankung bebend halten, während die Oboe darunter sanft das Gretchen-Thema intonirt – ein klarer Lichtstreif über eine Luftgestalt (S. 243). Das Bild zerrinnt, innerlich ergriffen schaut Faust ihm nach, und das Allegro (Cis moll) setzt seine thematische Rekapitulation fort. Die Fuge fällt weg, dagegen erfährt die Behandlung des fünften Themas größere Breite unter diabolischem Glanz und prickelndem Spiel mit allen Atomen des Liebesthemas. Eine merkwürdige Stelle bietet die halb kichernde halb tanzende Metamorphose desselben aus dem Fugenthema (S. 269–273), die


11. Liszt's Kompositionen (III.)

sich mit ihren instrumentalen Verwebungen über ein orgelpunktisches (über G) pp-Paukenvibrato, wie über einen Dunststreifen, bewegt. Nach mehreren wild aufsteigenden Crescendi erklingt


11. Liszt's Kompositionen (III.)

dasselbe Thema als Triupmphgesang Mephisto's (S. 277). Die Hölle scheint, das Getöse wächst zur Wuth, Raserei, zur wilden Jagd. Da gebietet eine höhere Macht Einheit (S. 282, Uu) und mitten in ihrem Lauf ist sie, wie[191] das Wort im Mund zerschnitten – es wiederholt sich derselbe geisterhafte Hörnerklang mit dem Faustmotiv (jetzt Cis moll), der schon einmal wie eine jenseitige Mahnung dem Bösen Einhalt geboten. Wieder höhnt Mephisto, aber der Hohn klingt gebrochen, eine reinere Atmosphäre dringt gegen denselben an, die wuchtigen Bässe ziehen in Triolengängen (alla breve) chromatisch abwärts, die Violinen und das Holzbläserchor eben so aufwärts – zwei Strebungen in entgegengesetzter Richtung, doch von gleicher Tendenz. Es ist, als sollte gleichzeitig nach unten und oben der Raum frei gemacht, die Luft von allem Höllenbrodel gereinigt werden. Der Moment ist tiefergreifend. Die aufgeregte Natur, Verirrung, Leidenschaft und Widerspruch lösen sich in dem Urquell des Seins: Licht und Erlösung. Die Dissonanzen weichen und, einem Überirdischen, Weltenfernen gleich, bewegen sich erhaben und doch milden Glanzes jene beiden Strebungen wieder zu einander hin, jetzt nicht mehr chromatisch, sondern in konsonirenden Dreiklängen – eine Folge ohne Beispiel – die von der Höhe herab den ihnen zustrebenden Bässen entgegenschwellen. Letztere drängen, eine emporwachsende Leiter, gleichgemessenen Schrittes (in der kleinen Terzenskala) aufwärts, jeder Weiterschritt ein Fundamentalton des über ihm schwebenden Dur-Dreiklangs, wie folgender harmonischer Kontur es darstellt:


11. Liszt's Kompositionen (III.)

11. Liszt's Kompositionen (III.)

In dem Moment, da beide ihre Schritte beschleunigend einander treffen, löst sich die Oberstimme (Flöten) von den in den mittleren Tonlagen verharrenden[192] Harmonien ab und verklingt mit der hinzutretenden Harfe in einem leiser werdenden Arpeggio. Die inzwischen ruhig fortklingenden Akkorde gehen nun in kirchliche Harmoniefolgen über, zu denen das 1. Gretchen-Thema (4. Takte) ertönt: nicht mehr als Gretchen, aber als erlösendes Princip. Mit seiner letzten Note erhebt sich


11. Liszt's Kompositionen (III.)

11. Liszt's Kompositionen (III.)

auf einem bis in den Schlußsatz hinüberreichenden Orgelpunkt der Bässe ein leise anhaltendes Beben (wie angedeutet), aus dessen Innerstem feierlichen Klanges, wie ein Unergründliches und Unerschütterliches das Motiv des Chorus mysticus (hier auf dem Gretchenton) aus dem wortlosen Munde zweier Posaunen ertönt, worauf nach einigen kurzen Einschnitten und einer langen Pause,


11. Liszt's Kompositionen (III.)

der Orgelpunkt (jetzt mit dem C dur-Dreiklang) in geheimnisvoller Triolenbewegung des Saitenchors fortfährt und zugleich die Orgel einsetzt:


11. Liszt's Kompositionen (III.)

[193] 16


11. Liszt's Kompositionen (III.)

Mit dem nächsten Takt beginnt in erhabener Einfachheit das mystische Schlußwort der Göthe-Dichtung:


Chorus mysticus.


Alles Vergängliche

Ist nur ein Gleichnis;

Das Unzulängliche

Hier wird's Ereignis;

Das Unbeschreibliche

Hir ist's gethan;

Das Ewig-Weibliche

Zieht uns hinan.[194]


Der ganze Satz, frei von jeder Erdenschwere, trägt den Charakter des Schwebenden, das mehr und mehr von der Tiefe zur Höhe emporsteigt. Er bewegt sich auf kirchlichen Harmonien. Der Chor geht nicht über die Grenze obiger Form hinaus, auch bleibt seine Grundfarbe das Helldunkel. Bei der Stelle: »das Ewig-Weibliche zieht uns hinan« modulirt die Harmonie von C dur nach As dur und der Solo-Tenor tritt, indem er sie in der oben angegebenen kirchlichen Fassung der Gretchen-Melodie – jetzt das Erlösungsmotiv – anstimmt, alternirend zum Chor. Die Orgel verstummt, wogegen einige Takte später die Harfe ertönt und die Holzbläser, die Hörner, auch das Violoncello das Erlösungsthema singen, und singend Solo und Chor umgeben. Mit der letzten Wortsilbe setzt jetzt brausend die Orgel (C dur) wieder ein, breit wogt der bebende Streichchor und unter dem Lichtstrahl des forte, in majestätischer Großheit, wiederholen Chor und Solotenor den ganzen Vers, wobei mit dem Eintritt des Solo das forte in das geheimnisvolle Kolorit wieder übergeht und die Melodie des Ewig-Weiblichen, wie auf unsichtbaren Fittichen getragen, immer höheren Tonregionen zuschwebt. Lang gezogene harmonische Töne erklingen, die Harfen lobsingen – Sphärenmusik füllt die Luft: der Gesang ist nur noch ein andachtsvoller Hauch. Da noch ein Mal erbeben die Violinen, in fernster Höhe scheinen Lichtwellen zu erzittern, aus der Tiefe wallen feierlich die Bässe empor und Gesang, Orgel, Harfe, das volle Orchester, verbinden sich zu einem überwältigendenCrescendo: ein Lichtmeer von Glanz und Herrlichkeit beschließt das Werk. – –

Bei dem Andante mistico sind musikalisch nur zwei Themen aktiv: die Chormelodie und das Erlösung-, vormals Gretchen-Thema. Und Faust? Keines der Faust-Themen tritt hinzu. Hier will es fast scheinen, als habe der Meister eine Apotheose des Ewig-Weiblichen (Gretchen's) beabsichtigt, was – es läßt sich nicht übersehen – der Darstellung der Faustidee gewissermaßen einen Abbruch bringen müßte; denn diese Idee bezweckt nicht Gretchen's Verklärung, sondern Faust's Erlösung durch Gretchen. Man vermißt augenscheinlich zwischen dem Mephisto-Satz und dem Andante[195] mistico ein Faust betreffendes Mittelglied. Der Sprung der zersetzenden Ironie ist trotz des vermittelnden Übergangs vom Andante, welcher Faust's nicht mehr gedenkt, zu letzterem, das nur das Gretchenthema von allen Themen festhält, zu groß, um nicht der Idee gegenüber die Frage nach Faust hervorzurufen. Es läßt sich kaum annehmen, daß Liszt, dieser logisch denkende und scharf fühlende Tondichter, den Schlußchor seiner Tragödie in Bildern, ohne Beziehung zu dem Faust-Satze konceptirt habe. Und in der That – wie könnte auch der Genius anders als in Einheit mit der Idee, mit dem Geiste seiner Dichtung schaffen und diese Einheit durch alle ihre Stadien als ein unumstäßliches Gesetz durchtragen! –: so ist auch in den Schlußchor Faust's Hauptthema hineingeschrieben, aber verwandelt, hineingeheimnist und doch so offenbar. Man vergleiche die Rhythmik des ersten Faustthemas mit dem Chormotiv, woraus sich ergiebt, daß beide nach dieser Richtung hin identisch sind: 11. Liszt's Kompositionen (III.) und je mehr man sich in die Themen und den Gang des Werkes versenkt, tritt die Gewißheit hervor: daß das Chormotiv Resultat jenes Themas ist und zugleich musikalisch – wie dichterisch das Göthe'sche Schlußwort – das Resumé der Faustidee in sich trägt.

Die Form des Chores als solche, ist die der altkirchlichen Monodien der gregorianischen Zeit, des – wenn sich so sagen läßt – antiken Chors des Christenthums. Wie der griechisch-antike Chor, knüpft er an das Göttliche an und birgt in einfacher Großheit das Beschauliche, die Ruhe und Allgemeinheit der Betrachtung, und dabei das poetisch-subjektiv Andachtsvolle des altchristlichen Kults. Träger des sittlichen Bewußtseins über die tragischen Vorgänge, ist er zugleich deren Empfindungsecho, das aber seinen Widerhall aus dem Unendlichen zu holen scheint. Das Aufgehen Faust's in diesen Chor spricht in wunderbar erhabener Einfachheit die erlösende Macht aus von dem Fluch der Entzweiung: von der Zwiespaltigkeit. – –

Die Beendigung dieses tiefdurchdachten, ebenso gewaltigen wie kühnen Werkes fällt in den Sommer 1857, seine Konception dagegen – nach des Meisters mir gemachter Angabe – in die 1840er Jahre, in die Zeit, da H. Berlioz seine opéra-concert »La Damnation de Faust« in Text und Tönen entwarf.17 Man[196] sagt, Ary Scheffer's Faust-Bilder haben Liszt zu den Charakterbildern seiner Symphonie angeregt,18 was sehr leicht denkbar ist, da Scheffer damals eine seiner Gretchen-Illustrationen schuf. Liszt's Virtuosenthätigkeit aber erlaubte ihm nicht einmal eine Skizze seines Werkes niederzuschreiben. So trug er sich mit dem Stoff bis in seine Weimarepoche, wo er, in allen Phasen durchlebt, im Geiste gereift, die Gestalt ureigenen Gepräges fand. Die erste öffentliche Aufführung des Werkes (ihr waren 1855 zwei private als Proben der beendeten drei Charakterbilder vorausgegangen) ist den Weimaraner Septemberfesten vom 3.–5. September 1857 einverleibt, welche viele Fürstlichkeiten und geistige Notabilitäten versammelten, und der Enthüllung dreier Standbilde: dem zum hundertjährigen Geburtsfeste Karl August's, Wieland's und der Göthe-Schiller-Gruppe, galten. Sie fand in dem Fest-Konzert am 5. Sept., welches auch »Die Ideale« erstmalig zu Gehör brachte und den Mahnruf »An die Künstler« wiederholte, unter des Meisters eigener Leitung statt. Ein bedeutender Eindruck hinterblieb, aber auch Befremdung und die übliche gegnerische Verneinung. Nach Liszt's brieflicher Mittheilung an Brendel war namentlich »das Tenor-Solo am Schluß ein Stein des Anstoßes, so daß ihm gewichtige und wohlwollend gesinnte Freunde triftigst angerathen, Solo und Chor zu streichen und die Symphonie mit dem Orchester C dur-Akkord abzuschließen.«

Kritischerseits fand das Werk zu jener Zeit würdigste Vertretung in Fr. Brendel,19 L.A. Zellner20 und nach des letzteren höchst verdienstlichem Vorgang in R. Pohl.21 Ihre hierher[197] bezüglichen Artikel haben künftiger Forschung fundirende Vorarbeit, welcher sich unsere gegenwärtige Beleuchtung anschließt, übergeben. Denn wir stehen erst am Anfang seines Ergründens, wenn sich »ergründen« läßt, was dem unergründlichen Lebensquell des Genies entströmt. Solchen Kunstwerken stehen wir wie der Schöpfung der Natur gegenüber. Die Fäden des Lebens lassen sich erfassen, Anfang und Ende lassen sich erkennen, das Leben selbst aber bleibt ein Räthsel. – Wie in jenen Kritikern fand das Werk Bahnbrecher in den Dirigenten, oben an in H.v. Bülow (1861, 1863 und 1879 bei den Tonkünstler-Versammlungen zu Weimar und Wiesbaden), H.v. Bronsart (1862 in Leipzig, Euterpe-Koncert), Max Seifriz (1862 Löwenberg, fürstl. Hof-Kapelle), L. Damrosch (1863 New-York); während des letzten Decenniums in K. Klindworth (Berlin), Nikisch (Leipzig), F. Mottl (Karlsruhe), B. Kellermann (München) u.A., ohne noch unbestritten den ihm gebührenden Platz im Bewußtsein der deutschen Nation sich errungen zu haben.

Besser erging es der zweiten der Faust-Episoden nach Lenau. Sie hat sich, obwohl weniger als Orchester-, denn als Klavierstück, durch Virtuosen ersten Ranges im Koncertsaal eingebürgert. Die beiden Momente, welche Liszt in die symphonische Kunst herüberzog – »Der nächtliche Zug« und der »Tanz in der Dorfschenke« –, zählen zu den Vollblüthen der Lenau'schen Faust-Lyrik. Sie sind zwei Nachtbilder von ganz entgegengesetzter Stimmungsrichtung, aber beide verbunden durch das dunkle Gefühl des Verhängnisses, das Faust durch Mephisto umsponnen hält. Bezüglich der Zusammengehörigkeit und der Reihenfolge dieser beiden Episoden schrieb damals Liszt an Brendel, daß sie allerdings nicht thematisch, aber dennoch bestehe durch den Kontrast der Empfindung. »Ein solcher Mephisto kann nur aus einem derartigen Pudel hervorspringen«, sagte er.


Zwei Episoden aus Lenau's Faust

für großes Orchester.


1. Der nächtliche Zug. 2. Der Tanz in der Dorfschenke.22


Lenau leitet den »nächtlichen Zug« mit einer ergreifenden Naturschilderung ein. Es ist tiefe Nacht – Johannisnacht.[198] Schwere dunkle Wolken hängen am Himmel und lauschen harrend zum Walde nieder. Doch in süßem Frühlingsbangen lebt die Natur, deren Lebensquellen alle hörbar rieseln. Faust aber reitet voll düstren Unmuths am Waldessaum dahin, der Frühlingsstimmen nicht gewahr. Je tiefer sein Roß waldeinwärts schlendert, je stiller wird der Bäche Lauf, das Lied der Nachtigall, der Lüfte Säuseln in der Bäume Laub. Da leuchtet es zum Wald herein – im Schein von Fackellichtern kommt feierlich ein Wallfahrtszug; fromme Weisen ertönen, Erd und Ewigkeit versöhnend, durch den Wald: Faust weicht zurück in das Dunkel hoher Eichen.


»Sie schreiten singend fort die Waldesbahnen.

Horch! wie in hellen Kinderstimmen singt

Die Lebensahnung und zusammenklingt

Mit greiser Stimmen tiefem Todesahnen!

Horch, Faust, wie ernster Tod und heitres Leben,

In Gott verloren, hier so schön verschweben!«


Aus dunklem Gebüsch, voll bitteren Neides, starrt Faust dem Zuge nach. Und als er wieder allein im finstern Wald sich sah:


»Da faßt er fest und wild sein treues Roß,

Und drückt das Antlitz tief in seine Mänen

Und weint an seinem Halse heiße Thränen,

Wie er noch nie so bitter sie vergoß.«


Liszt folgt eng dem Laufe der Dichtung. Über diese jedoch geht er hinaus. Das Bruchstück Lenau's ist so mit Musik getränkt, daß man glaubt sie schwingen zu hören. Hier setzt der Musiker ein. Was an Stimmung wortlos das Wort aushaucht, fängt sein Genius auf und facht den Hauch zur selbständigen Blüthe an. Kaum daß ein zweites Beispiel sich vorfindet, wo der Symphoniker, den Dichter überholend, ihn so bruchlos ergänzt, wo er so bruchlos den dichterischen Keim zu eigenartigster Frucht entwickelt, wie dieses. Langsam und düster, ja dräuend steigen zerrissenen Schrittes die Streichinstrumente (Br., Vc. und K.-B.) zur Tiefe, nur von einzelnen resonirenden Klängen der Holzbläser untermischt –: das Bild Faust's in der »Tiefnacht« der Seele. Das Tempo ein wenig bewegter, doch äußerst ruhig, entwickelt sich nun der Johanniszauber der Natur in der geheimen Stille des Waldes. Ruhende Harmonien des Holzbläserchors durchziehen[199] leise wie Frühlingsblätterhauch die Bahn, mit dem sich eben so still und leise das sanfte Schaukeln der Violinen und Bratschen mischt. Dazwischen nur erinnern einzelne Schritte des schlendern


11. Liszt's Kompositionen (III.)

den Rosses, die sich wieder in dem Schwellen und Weben des »rieselnden Lebens« ringsum verlieren, an den in sich versunkenen Reiter, den nicht Vogellust, nicht üppiger Nachtigallenschlag aus


11. Liszt's Kompositionen (III.)

11. Liszt's Kompositionen (III.)

seinem Unmuth weckt. Drängender wird das Tempo (Part. S. 13–19). Alle Stimmen der Natur schwellen und wogen ineinander – keines Rößleins Huf ist mehr zu hören, aber ein Aufstöhnen aus tiefer Brust glaubt man deutlich durch die Waldesstimmen zu vernehmen. Da tritt auch des Reiters Gestalt wieder hervor (S. 20–24). Aus weiter Ferne aber ertönt ein Glockengeläute (Blasinstrumente und Harfe, von Takt zu Takt ppp ein Glockenschlag) unter dem Zeichen des Kreuzes:


11. Liszt's Kompositionen (III.)

Es kündet den Wallfahrtszug. Liszt symbolisirt diesen selbst durch die altchristliche Choralmelodie der Hymne: Pange lingua gloriosi Corporis mysterium,23 den Anfang wie folgt notirt:[200]


11. Liszt's Kompositionen (III.)

Die Schlußwendung nannte er vorzugsweise »das tonische Symbol des Kreuzes.« Sie stimmt überein mit dem Motiv des altgregorianischen »Magnificat«, welches der Meister mehreren seiner Werke einbildete.24 Tiefen Sinnes ist die Wahl gerade dieses mit dem Charfreitag und der Abendmahlfeier eng verbundenen Chorals, der wie kaum ein anderer des Dichters Wort in sich trägt:


»– – – – wie ernster Tod und heitres Leben

In Gott verloren hier so schön verschweben!«


Zur Harmonisirung des Chorals wählte Liszt Dreiklangsfolgen nach altkirchlicher Weise. Zuerst intoniren Engl. Horn, Klarinette und Fagott unisono die ersten beiden Strophen, dann singen dreistimmig die Flöten, denen die erste Instrumentgruppe mit den nächsten Strophen folgt, dann ertönt unter der allmähligen Theilnahme der übrigen Instrumente der Satz vierstimmig. Immer deutlicher entwickelt sich der Choral zum Wallfahrtsbild mit seinen Vorsängern und der nachsingenden frommen Schaar. Fackellichter lassen die Baumkuppeln erkennen, die über den Wallern sich wölben. Sie kommen näher, heller und lichter tönt der Gesang. Nach kurzem crescendo fassen sich die Gebet murmelnden und singenden Stimmen, alles, zur Einheit zusammen, und mächtigen Klanges singt das gesammte Orchester: Pange lingua gloriosi (S. 37). Mit katholischem Pomp zieht der Zug an uns vorbei. Die Stimmen werden schwächer – des Messners Glöcklein verhallt – und allein, im Dunkel der Nacht, steht der Reiter (S. 42). Das düstre Bild der Einleitung scheint sich erneuen zu wollen, doch stehen die Themen unter anderer Beleuchtung. Der fromme Gesang hat in des Reiters Herz gegriffen – die Zerrissenheit seiner Seele trotzt sich nicht noch tiefer in das Innere hinein, aber einen Verzweiflungsschmerz schreien die Fagotte und Kontrabässe hinaus in die Einsamkeit. Trost begehrend (S. 43) säuseln die Winde (II. Vl. und Br.), bitten die Oboen, stöhnen die Bässe – Trost[201] begehrend steigen die I. Violinen und Flöten, Violoncelle und Klarinetten zur Höhe. Hier finden sie die Thräne. Heftig weinend


11. Liszt's Kompositionen (III.)

strömen sie nieder – es verstummt die mitklagende Natur – schwer fallen noch einzelne Tropfen, die Kontrabässe fangen sie auf und hauchen, leise trauernd, sie aus. – –

Wie anders die zweite der Faust-Episoden: »Der Tanz in der Dorfschenke« (Mephisto-Walzer)! Auch hier folgt Liszt in Stimmung, Scene und Bildern dem Dichter. Dort, bei der ersten, bringt er mit ihm die düstere Melancholie innerer Zerrissenheit zum Ausdruck, den Johanniszauber als Folie und Kontrast – hier die Entfesselung dämonischer Sinnesleidenschaft im berückendsten Zauber: ein Tanz, bei dem Mephisto seinem Zögling den Vorfidler macht, als Folie und Kontrast aber die Dorfschenke, der Schauplatz einer Bauernhochzeit mit ihrer derben Luftigkeit. Diese letztere charakterisirt den Anfang des Mephisto-Walzers: die Dorfmusikanten bearbeiten tapfer ihre Bässe und unter Jauchzen und Jodeln und flatternden Gewändern wirbeln die Paare – kecke Bursche, üppige Mädchen. Unter ihnen wird Faust bald sichtbar: verlockende Sirenenklänge mischen sich mit der Derbheit. Nun greift Mephisto zur Geige(vivace fantastice), und wilde Realität paart sich mit prickelndem Feuer. Es tobt, girrt, lockt von Satz zu Satz in immer tollerem Wirbel, der – wie es scheint – in der schweigenden Nacht unter Flöten der Nachtigall und süßen die Luft durchziehenden Düften (pp. Harfenglissandi) eine poetische Rettung findet. Doch nein – ein Schweigen (11. Liszt's Kompositionen (III.)), und ein Höllentaumel, übertönt von Mephisto's höllischem Lachen, durchdringt die Nacht.

Der Meister komponirte noch einen zweiten Schluß mit der letzten Strophe des Programms als Motto:[202]


»Und brausend »schlingt sie das Wonnemeer.«


Er weicht von dem andern ab, indem er nicht im ff endet, sondern vibrato im pp erstirbt.

Liszt's zwei »Faust«-Episoden, als auch die »Faust«-Symphonie, fallen in die Zeit seiner höchsten symphonischen Schaffenskraft und Blüthe. Fast während eines Vierteljahrhunderts ruhte seine »Faust«-Lyrik, bis sie – er zählte gegen siebzig Jahre – als Mephisto-Stimmung erneut sich äußerte. Ein unendlicher Zwischenraum im Leben der Phantasie, der zwischen dort und jetzt sich geltend macht! An diesen Zwischenraum muß man denken und wieder denken, wenn man nach den »Episoden« die Mephisto-Stücke, welche der Zeit von 1880–1883 angehören, zur Hand nimmt. Dort der schwingende Lebensnerv in voller Kraft, ein Schaffen aus der Fülle der Phantasie – jetzt die Lebensperiode, in welcher das Körperliche und die Phantasie zurücktreten, der Abstraktion ihren Platz einräumen, und das menschliche Leben Elegie wird. Da reducirt sich das tausendwindige Gefäde zur einfachsten Linie, die harmonische Fülle zu Einzelklängen, es sprechen andere Farbentöne als da die Mittagssonne glüht. Und dennoch birgt dieses Lebensalter, das man das »Weitsichtige« nennt und ein Ende und einen Anfang als Grenzpunkte zweier Zeiten ineinander webt, Momente in sich, die zu geistig und seherisch sind, als daß sie der Lebensfülle der Phantasie entspringen könnten. Das alles läßt sich auch angesichts der Mephisto-Walzer Nr. II–IV und der Polka nicht verkennen. Zu Faust als Dichtung stehen sie nur in entfernter Ideenassociation durch Mephisto, den Vertreter der Ironie. Letztere aber, in Beziehung zu Faust als Inbegriff einer geistig gigantischen Individualität, ist eine Stimmungs- und Gedankenphase, die sich mit dem Namen Mephisto deckt. Jene Stücke sind Kinder der Ironie – persönlicher Ironie25 von welcher sich der Meister zu befreien suchte. Sie hallen in den Worten Göthe's (Hexenküche) wieder:26


[203] Die Hexe:

Sinn und Verstand verlier ich schier,

Seh' ich den Junker Satan wieder hier!

Mephisto:

Den Namen, Weib, verbitt' ich mir!

Die Hexe:

Warum? Was hat er Euch gethan?

Mephisto:

Er ist schon lang ins Fabelbuch geschrieben;

Allein die Menschen sind nichts besser dran,

Den Bösen sind sie los, die Bösen sind geblieben.

Du nennst mich Herr Baron, so ist die Sache gut.

Ich bin ein Kavalier, wie andre Kavaliere.

Du zweifelst nicht an meinem edlen Blut;

Sieh her, das ist das Wappen, das ich führe!


(Er macht eine Gebärde.)


Der II. Mephisto-Walzer wurde 1880 in Rom komponirt, im Winter 1881 in Pest instrumentirt und frisch von der Feder weg noch im selbigen Jahr am 9. März in einem philharmonischen Koncert daselbst ausgeführt.27 Die Budapester Kritik –andere fand er bis jetzt noch nicht – einte sich in dem Spruch, daß er »erfindungsarm«, geradezu häßlich und harmonisch unmöglich sei. Einer der Herren, der Budapester »Hanslick«, nur ohne dessen Berühmtheit, H. Schütz,28 schlug vor, ihn wegen seiner Dissonanzen »Übermäßigen Sekunden-Walzer« umzutaufen. – Er hörte aus ihm einen »Mephisto-Geist, der alles verneint, was uns Musik heißt, der einen Walzer in Sechsachtel tanzt, in allen Tonarten und keiner tanzt, auf Aechzern und auf Seufzern tanzt, über die Leichensteine aller großen Meister und die Gräber aller Traditionen tanzt« und – hatte nicht absolut falsch gehört, nur seine Voraussetzungen und darum auch die Konsequenzen wollen nicht stimmen. Der Walzer ist eine merkwürdige Komposition, deren Akten nicht geschlossen sind, was auch von den noch übrigen Stücken gilt, die ein Nachhall desselben genannt werden müssen. Der erstere ist der inhaltgesättigste und harmonisch verschärfteste – überhaupt eine ideenreiche Schöpfung. Vor allem erscheint er[204] wie ein harmonisches Räthsel. Den mit Lisz'ts Harmonieprincip Vertrauten jedoch wird sich kaum verbergen, daß hier die von ihm entwickelte Ordre omnitonique29 in neuen Konsequenzen vor uns liegt und die Enharmonik ein Kompaß scheint, der auf Welten deutet, die wir noch nicht kennen, wenigsten wissenschaftlich noch nicht besitzen. Eine bis zur formellen Durchsichtigkeit vorgeführte Methode harmonischer und tonischer Behandlung tritt uns bei dieser ganzen Kompositionsgruppe entgegen.

Sie dürfte sich zusammenfassen lassen bezüglich ihres harmonischen Ausgangpunktes: in einer Assimilation der verschiedenen Leitern (Dur-, Moll- und Moll mit übermäßiger Quart), bezüglich der Modulation: in einem andern Cirkelsystem der Tonarten und endlich: in einer von der gewohnten abweichenden Stellung der Dissonanzen zur Haupttonart.

Inwieweit diese Momente nur individuelle Berechtigung besitzen, inwieweit sie Vorausnahmen oder auch Vorahnung eines künftigen Tonsystems sind – darüber haben kommende Zeiten zu entscheiden. Eines aber läßt sich schon jetzt mit Bestimmtheit aufrecht erhalten: daß sie der Ironie als einer Geistesform, die eben so tief im Organe des Gefühls wie im Organe des Gedankens sich begründet, neue Ausdrucksmittel geschaffen, und ihre Inhaltsskala musikalisch erweitert haben. Man betrachte nur die Schlüsse dieser Mephistoiaden! Bei latent gehaltener Grundtonart, brechen sie mit einer Dissonanz ab – ein unicum in unserer Kunstpraxis. Was der Meister auch in diese Schlüsse hineingeheimnist haben mag – sie lassen sich musikalisch erklären und ästhetisch bejahen. Denn das ist sicher: die Musik ist nicht die letzte der Künste, die als Stimmung die geheimste Skala der Ironie in sich trägt und zum Ausdruck bringen kann. Sie besitzt musikalisch einen weiteren Spielraum, als den bisher geübten – sie hat ihre epischen, wie lyrischen und dramatischen, ihre pathetischen wie pathologischen Schwebungen, ihre Mischung der Anschauung und des Gefühls, und setzt sich mit dem Unbegrenzten ins Unbegrenzte fort. Vor allem ist sie hochgeboren – denn die Wunden verletzter Ideale sind ihre vornehme Heimstätte. Und von diesem letzteren Standpunkt aus ist sie in allen Instanzen Liszt gegenüber aufzufassen.[205]

Wenden wir uns von diesen »Faust«-Ausläufen Liszt's wieder zu seinem Weimaraner Dichterschaffen zurück und der neben der »Faust-Symphonie« (nach Göthe) stehenden symphonischen Dichtung »Die Ideale« (nach Schiller) zu. Schon die Nennung beider Stoffe zeigt ihre inhaltliche Verschiedenheit, aber auch ihre gegenseitige Ergänzung an. Arbeiten im »Faust« weltbezwingende Kräfte des germanischen Geistes, so bergen die »Ideale« seine menschlichen Hochziele; symbolisirt sich dort sein unerschrockener Drang ohne Grenzen in seiner endlichen Begrenzung, so zeigen diese dem Kühnen die schützenden Mächte des fühlenden und denkenden Gemüthes. Keine Dämonik und keine Ironie liegt hier, aber Idealität und Harmonie – dort eine Lebensrealität, hier eine Abstraktion.

Schon in diesem Umstand liegt es, daß


Die Ideale (nach Schiller)

symphonische Dichtung für großes Orchester30


neben den andern einsätzigen Dichtungen Liszt's einen Platz für sich einnehmen. Die elegische Lyrik des Schiller'schen Gedichtes übergab der Dichtung Liszt's den Grundton. Seine tiefe geistige Resonanz, die jeder Weltlichkeit, betreffe sie äußeren Glanz oder innere Leidenschaften, ferne steht, hat die Musik Liszt's in eine Geistesregion gestellt, welche die Entfaltung kämpfender Gewalten bereits zurückgelegt hat. Der kontemplative Charakter des Gedichts bestimmt auch hier die lyrische Linie. Ohne die Sättigung und den Schwung des Gefühls oder die Kraft seines Glanzes aufzugeben, bleibt sie im Reflex einer der Gegenwart entschwundenen Zeit. Ein lyrischer Rückblick wird immer eine epische Färbung tragen, selbst wenn er bis zur Kraft der Unmittelbarkeit sich steigert. Und diese ist der Innerlichkeit der »Ideale« Liszt's wie tiefes Sonnengold eingeprägt. Das melodische Element herrscht vor – leidenschaftslos und doch voll Leidenschaft der Kraft, dabei von intensivem Glanz; die Harmonien sind edel, schön, in der Mitte jenes Wohlklangs, der die Dissonanz wohl in sich trägt, aber mehr in ihrem gefühlsteigernden als in ihrem knotenschürzenden, tragischen Element. Das Orchester bleibt bezüglich der Zusammenstellung der Instrumente – mit Betonung der Holzblasinstrumente[206] – in seiner Normalgrenze, bezüglich seiner Instrumentation wird es zum Poeten. Schon die Einleitung bekundet das:


11. Liszt's Kompositionen (III.)

11. Liszt's Kompositionen (III.)

Schmerzvoll und herb stoßen die Holzbläser einen Klagelaut hervor, dessen innere Bedrückung die in die Tiefe sich verlierenden dumpfen pizzicati der Kontrabässe verrathen. Diesen Laut der Klage fängt das Horn auf und leiht ihm die Sprache edler Trauer. Einen noch intensiveren Laut der Holzbläser setzt die Klarinette fort, indem sie die Trauerstrophe des Hornes, aber in innigerem Melodieschritt, höher trägt und wie dort, leise verhallt. Gedrängter im Gefühl, erklingen nochmals jetzt mehrere Harmoniestöße, deren letzter weit hinaushallt und die pizzicati hinter sich läßt. Eine


11. Liszt's Kompositionen (III.)

Mollskala der tiefen Streichinstrumente steigt leise zur Höhe, während auf ihre melodische Spitze das Fagott (bei ihrer, um eine Quart erhöhten Wiederholung[207] das Horn) einen fahlen Schein wirft. Die ganze Einleitung hat etwas Einsames. Über die Einsamkeit, den Schmerz und die Klage breitet der individuelle Klang der Instrumente einen epischen Schleier.

Doch nicht allein in dem der Vergangenheit zugewandten Blick der »Ideale« ist ihre Ausnahmsstellung zu suchen. Noch ein anderes Moment tritt hinzu. Dieses beruht auf der dichterischen Behandlung der Motive, deren Princip der Meister nirgends so bis zur greifbaren Zuspitzung durchgeführt hat, wie hier, und das darzulegen die wesentliche Aufgabe unserer Analyse sein soll.

Liszt hat drei Hauptstimmungen des Schiller'schen Gedichts seinem Symphoniegedicht zu Grunde gelegt: Aufschwung, die Stimmung des »allmächt'gen Strebens, die enge Brust ein kreisend All« – die Jünglingsstimmung des Genius, die von Idealen umrauscht, ihnen nachzieht:


»Bis an des Äthers bleichste Sterne

Erhob ihn der Entwürfe Flug;

Nichts war so hoch und nichts so ferne

Wohin ihr Flügel ihn nicht trug« –


Enttäuschung, von Schiller eingeleitet mit den Worten:


»Doch ach! schon auf des Weges Mitte

Verloren die Begleiter sich;

Sie wandten treulos ihre Schritte,

Und einer nach dem andern wich.

Und immer stiller ward's und immer

Verlassner auf dem rauhen Weg« –


und endlich Beschäftigung, die Stimmung der Vernunft und des Willens, die »der Seele Sturm beschwört«,


– – »die nie ermattet,

Die langsam schafft und nie zerstört,

Die zu dem Bau der Ewigkeiten

Zwar Sandkorn nur für Sandkorn reicht,

Doch von der großen Schuld der Zeiten

Minuten, Tage, Ihre streicht.«


Mit diesen Stimmungen folgte Liszt der Führung Schiller's. Ihrer Ausführung fügte er noch einen glänzenden Schlußsatz, Apotheose, hinzu, mit welcher er gleichsam dem rückwärts[208] schauenden Blick die Gegenwart rettet. Er motivirt ihn mit den Worten:31 »Das Festhalten und dabei die unaufhaltsame Bethätigung des Ideals ist unsers Lebens höchster Zweck. In diesem Sinne erlaubte ich mir das Schiller'sche Gedicht zu ergänzen durch die jubelnd bekräftigende Wiederaufnahme der im ersten Satz vorausgegangenen Motive als Schluß-Apotheose.«

Die genannten drei Hauptstimmungen entwickelt Liszt auf Grundlage zweier Themen, die den Einzelstimmungen sowohl, als auch dem psychologischen Verlauf derselben (nach dem Text) die dichterischen Keime und Motive geben, die wieder zu Themen werden. Andere Themen, die das Werk enthält, stehen, vom dichterischen Standpunkt aus, zu jenen in zweiter und dritter Linie, wie die Ausführung eines Gedankens zu dem Gedanken selbst. Vom musikalischen Standpunkt aus sind sie die Seiten- und Gegenthemen formeller und technischer Gestaltung. Auf das erste der beiden Themen fällt der Hauptaccent. Seine ersten vier Takte32 bilden den leitenden Gedanken und geben dem Werke die ideelle Basis. Es hält nicht schwer aus der Behandlung dieses Motivs den Gedanken zu erkennen, welchen der Meister mit ihm verband: es ist der Träger der Ideale, deren Banner wir entfalten, unter denen wir streben, leiden und überwinden. Wenn ich es daher zur Unterscheidung von den andern »Idealmotiv« nenne, glaube ich keinem Mißverständnis entgegen zu gehen. Dasselbe an der Spitze, stellt sich das erste Hauptthema mit seinen motivischen Nebenranken, als auch mit dem zweiten Hauptthema, das sich dem ersten Themenkomplex unmittelbar anschließt, wie folgt dar:


11. Liszt's Kompositionen (III.)

11. Liszt's Kompositionen (III.)

11. Liszt's Kompositionen (III.)

[209] Der musikalische Satzbau der »Ideale« folgt ebenfalls dem dichterischen Princip, wie annähernd in dem Maße nur noch symphonische Dichtung »Hamlet«. Die Sätze fließen ineinander wie dichterischer Redestrom, dessen Rhythmik den Wendungen der Phantasie folgt und sie im lebendigen Pulsschlag ihrer selbst begleitet. In freiester Bewegung Gestalt geworden, lassen sie dennoch die historische Formgliederung der Symphonie als Untergrund hindurchschimmern. Der AufschwungAllegro spirituoso – übernimmt die musikalische Verarbeitung der Motive, ähnlich einem ersten Sonatensatz; die EnttäuschungAndante maestoso – vertritt den liedartigen Satz; die BeschäftigungAllegretto mosso – stellt ihm den Kontrast entgegen; und die Apotheose – einMaestoso – beschließt als Finale das Werk. Dimensionell beansprucht der Aufschwung die Hälfte des Ganzen.

Treten wir der Tondichtung näher.

Die fünfundzwanzigtaktige Einleitung, welche die rückblickende Stellung des Dichters ausspricht – sie ist der »Enttäuschung« entnommen – führt nach kurzer Fermate zum ersten Satz. Eine breit angelegte Violinpassage – ihr Moll-Dreiklang mit kleiner Septime ist dem Werke tief einverleibt –, noch von der Herbe der Einleitung getränkt, fast dürftig begleitet, kreist stürmisch zur Höhe und durchmißt im kühnen Aufflug die ganze Tonregion.


11. Liszt's Kompositionen (III.)

11. Liszt's Kompositionen (III.)

[210] Im achttaktig hellen Zickzacklauf stürzt sie sich wieder zurück zu ihrem Anfangsmotiv, um dieses in der mittleren Tonlage piano festzuhalten. Die Violinen theilen sich, die Instrumente legen sich zu Stimmen auseinander, die bebend und strebend das Aufflugmotiv, bald in ihrer Mitte, bald an ihrer Spitze, aus dem Innern der Seele heraus tragen und singen. Die Herbe des Beschauers ist zurückgetreten und die Kraft der Phantasie gestaltet den rückschauenden zum gegenwärtigen Moment. Zwei Gedanken treten aus dem inneren Wogen treibend und beseelend hervor


11. Liszt's Kompositionen (III.)

11. Liszt's Kompositionen (III.)

und verbinden sich allmählig zu gleichzeitigem Gesang, dessen Violinen, vorbereitet von den Bässen, sich abermals zu einer breitgegliederten unisono-Passage verbinden, im edelsten Wohlklang harmonischer Töne, in dreimaligem Aufstieg, emportreiben und auf ereichter Höhe in gleicher Bewegung und Harmonie hier bebend[211] verharren, während die Bläser die letztere rhythmisch verdichten, und die Bässe, drängenden Tubaruf an ihrer Spitze, das Bild strebender Bewegung festhalten (S. 9–11).


11. Liszt's Kompositionen (III.)

11. Liszt's Kompositionen (III.)

Diese Stelle kühn geschwellter Kraft bildet den ersten Höhepunkt des Aufschwungs. In ihrem Verlaufe steigert sich die Bewegung. Es wogen auf markigem Baß (S. 11) die Instrumente


11. Liszt's Kompositionen (III.)

in kurzen melodischen Wendungen in einander, dasVibrato der Saiteninstrumente zieht sich zu stark markirtem Lauf (S. 13) der Violinen zusammen, die zu Heerführerinnen eines unbeschreiblich erregendenCrescendos werden, das im Wesentlichen dem Streichchor übergeben, sich in Gegenbewegung entwickelt. Die Violinen steigen vibrirend ununterbrochen drei Oktaven hindurch Schritt um Schritt diatonisch empor, die Bässe Schritt um Schritt abwärts, jeder Baßton der[212] Träger eines Akkordes. Die Bewegung koncentrirt sich noch durch die Wiederholung der letzten Oktavsteigung. So, die Violinen nach oben, die Bässe nach unten, inmitten der Harmonien treibende Hörner und Trompeten, stürmt es bebend ausgebreiteten Flügels dem Sonnenlichte zu, das jetzt im strahlenden Vollton aller Instrumente in dem Idealmotiv ertönt. Aber so jubelgroß auch


11. Liszt's Kompositionen (III.)

die Macht der Begeisterung ist, sie tritt zurück vor der feierlichen Gewalt, die dasselbe ausströmt. Diese hohe gehaltene Stimmung theilt sich von hier dem ganzen Thema, und von da der ganzen Dichtung mit. Sie giebt dem Schwung der Begeisterung, der »bis zu des Äthers bleichsten Sternen« sich erhebt, das Maß und verklärt ihn zur Schönheit. Das wenigstens lesen wir aus den Motiven des Themas, insbesondere aus den Stellen (S. 16 u.f.):


11. Liszt's Kompositionen (III.)

11. Liszt's Kompositionen (III.)

die mit einer Innigkeit der Seele athmen, welche in mehr als einer Beziehung an Beethoven's Adagio der IX. Symphonie gemahnt.

Der Eintritt des Idealmotivs schließt den vorbereitenden Theil der Komposition, und die Bearbeitung der Themen trägt die Stimmung weiter und entwickelt sie. Jetzt ist es das zweite Hauptthema, das nebst dem graziösen Motiv des ersten sie in stille Höhen bannt. Träumerisch innig verketten sich beide im Klange der Saiten- und Holzblasinstrumente auf dem Untergrund[213]


11. Liszt's Kompositionen (III.)

11. Liszt's Kompositionen (III.)

durchsichtiger Harmonien. Abwechselnd übernehmen die Flöte und Oboe, dann die Violine und Bratsche u.s.f. die Hauptstimme, während die Klarinette, dann die Violine, die Flöte anmuthig verbindende Ranken von einer Gruppe zur andern ziehen. Sie verhallen in der Höhe, ein gleichzeitiges Hornsolo aber läßt


11. Liszt's Kompositionen (III.)

den Traum der Seele ahnen. Das Violoncello nimmt den Anlauf auf und führt ihn fort zur Strophe, unter ihr ein sanftes Schaukeln der Violinen, ein leiser pizzicato-Ton des Basses, der die Bewegung mißt. Es entwickelt sich ein Satz im motivischen Wechselgesang der Instrumente, innig bis zur Inbrunst. In seinem


11. Liszt's Kompositionen (III.)

11. Liszt's Kompositionen (III.)

[214] Hintergrund fühlt man das hohe Begeisterungslied (man vergleiche obige Stelle mit Beispiel VII), dessen Atome, jetzt beseelende Geister, die Brust durchziehen:


»Da lebte mir der Baum, die Rose,

Mir sang der Quellen Silberfall,

Es fühlte selbst das Seelenlose

Von meines Lebens Widerhall.«


Diese poetische Schilderung, in welcher Natur und Mensch als Seele zusammenfließen, tönt uns jetzt aus der Musik als eine Naturstimmung von absolutem Wohllaut wieder. Tonart, Takt und Zeitmaß wechseln. Der motivische Gesang tritt zurück und der Akkord bildet die Basis des Seitensatzes, dessen Reiz auf seinem Klangzauber beruht. Lange pianissimo-Orgelpunkte (A, Fis, Es) der Streichbässe, abwechselnd mit gleich lang und gleich leise gehaltenen Harmonien der Flöten und Oboen der Oberstimme, umweben mit träumendem Klingen den leisen »Silberfall der singenden Quellen«, die im süßen Klang von Terzen abwärts ziehen:


11. Liszt's Kompositionen (III.)

Das Quellen-Thema, wie es sich füglich nennen ließe, zeigt sich als eine dichterische Version des Idealmotivs desgleichen die flimmernden Violinfiguren, die auf das engste seinen Gang begleiten, ja eigentlich[215] aus ihm herausfließen –: die Beseelung der Natur aus einem Gefühl, aus einer Idee heraus, wie man es eben nennen will. Die Violinbewegung durchzieht als Charakteristikon den ganzen Satz, ebenso die schon erwähnten gehaltenen Töne. Kein zweites Thema tritt in das Naturbild, aber zwei Mal tönt das Horn-Solo der Einleitung hinein –: bedeutet es die fühlende Menschenseele als Gedanke der Natur?

Die zitternde Triolenbewegung der Violinen tritt mit hinüber in einen neuen, musikalisch festgefügten Satz (4/4-Takt, Cdur), welcher das Naturbild zu einem Seelenbild erweitert. Sein Thema ist das zweite Hauptthema, welches jetzt nicht im schwebenden Zustand der Synkope wie früher (S. 17), sondern im warmen Pulsschlag gleichtheiliger Bewegung ertönt:


11. Liszt's Kompositionen (III.)

Es bildet den Grundton zu der hochfliegenden Stimmung, von dem Dichter mit den Worten gezeichnet:


»Wie einst mit flehendem Verlangen

Pygmalion den Stein umschloß,

Bis in des Marmors kalte Wangen

Empfindung glühend sich ergoß:

So schlang ich mich mit Liebesarmen

Um die Natur, mit Jugendlust,

Bis sie zu athmen, zu erwarmen

Begann an meiner Dichterbrust.«


Die jetzige Physiognomie des Themas zeigt eine gewisse Stammverwandtschaft mit dem III. Thema der »Faust-Symphonie. Auch in der Bearbeitung. Erst ruhig im leisen Sehnen der Mittelstimmen, allmählich inbrünstig flehend, theilt es sich nach und nach allen Instrumenten mit, ohne die Hüllen zu sprengen und das helle Licht des forte festzuhalten. Dazwischen tauchen, als wollten sie der inneren treibenden Gewalt ein Wort leihen, Anklänge an das Idealmotiv in kurzen Abrissen aus dem Drängen der Töne auf. Endlich bricht dasselbe aus dem Wogen der Dichterbrust wie ein Jubelstrahl hervor. – In der »Faust«- Symphonie[216] (um nochmals auf die berührte Verwandtschaft zurückzukommen) dichtet sich das Wogen zum schattenhaften Traumbild, hier befreit es sich im Jubelklang der Begeisterung. –

Wie bei seinem ersten Eintritt, ertönt auch jetzt das Idealmotiv im vollen Harmonienglanze, der durch drei blinkende Beckenschläge – die einzigen, die im »Aufschwung« notirt sind – erhöht scheint; dabei aber ist er ein anderer geworden, wie der Baß es erklärt. Die ser, ein rhythmisiter bebender Orgelpunkt auf G als Dominante von C:


11. Liszt's Kompositionen (III.)

hebt die feierlich-abgeschlossene Haltung auf, welche die dortige Inauguration des Motivs charakterisirt. Über ihm rauscht es Allegro molto mosso verschärften Accentes, im Charakter eines psychologischen, auf noch weitere Höhenzüge hinweisenden Durchgangspunktes an uns vorüber und mündet in den dritten, den Wiederholungstheil des »Aufschwungs« mit dem Thema (vergl. Beispiel III., jetzt h statt b):


11. Liszt's Kompositionen (III.)

Unter dem Zechen des eben erwähnten Durchgangspunktes, trägt die Wiederholung des ersten Theils diesen gleichsam höher und bildet ihm wesentlich neue Züge ein. Das jetzt strahlendere und klanggesättigtere Anstürmen der Violinen nimmt, gegen früher, eine andere Wendung. Im leichten, graziösen Tändelschritt verwebt sich ihm spielend folgender Gedanke:


11. Liszt's Kompositionen (III.)

der in seinem Hintergrund die den Satz weiterführende Textesworte birgt:[217]


»Wie tanzte vor des Lebens Wogen

Die lustige Begleitung her:

Die Liebe mit dem süßen Lohne,

Das Glück mit seinem goldnen Kranz,

Der Ruhm mit seiner Sternenkrone,

Die Wahrheit in der Sonne Glanz!«


Nur sporadisch klingt der Rosenzauber. Das stolze Aufstürmen der Geigen ergreift abermals (jetzt aufFis) das Idealmotiv als: »Glück mit seinem goldenen Kranz«, dann nochmals (auf Es) als: »Ruhm mit seiner Sternenkrone« und endlich (E dur) als: »Wahrheit in der Sonne Glanz«. Majestätisch getragen vom Chor der Posaunen, erschallt es dieses letzte Mal wie Siegesklang. Es setzt sich zum Hauptthema fort, das jetzt vollständig an uns vorüberzieht. Unwillkürlich ruft es uns des Meisters oft gebrauchtes Wort vor die Seele: »Die Schönheit ist der Glanz der Wahrheit.« – Die dreimalige Wiederholung des bedeutungsvollen Motivs bildet unter sich, sowohl dynamisch und modulatorisch, als auch durch Accente und Instrumentirung einen Höhenzug der Steigerung, zugleich den Hochpunkt der ganzen Komposition. Dem ersten Hauptthema folgt, wie anfangs, das zweite Thema mit seiner Verarbeitung und bringt eben so anmuthig wie ausdrucksvoll die hohe Stimmung der soeben besprochenen Pointe zum Ausklang. Die Instrumente treten mehr und mehr zurück; nur eine Violine bleibt und steigt leise und langsameren Ganges aufwärts. Auf dem hohen cis verharrt sie, ein Hauch.

Aus diesem Cis bricht der erste Wehlaut der »Enttäuschung« hervor. Die Einleitung der »Ideale« mit ihrem herben Klang steht an ihrer Spitze und führt die Stimmung wieder zurück zur beschauenden Lyrik. Das innere Auge noch auf die Begleiter gerichtet, die »schon auf des Weges Mitte sich verloren«, spricht ein Andante mesto in Cis moll – zu dem sich die Einleitung wie eine Überschrift verhält – die Trauer der Vereinsamung in tief elegischem Klange aus: die Trauer eines Großen, der sie gebeugten Hauptes und thränenden Blicks auf dem Wege zu den hohen Zielen des Geistes wie ein Naturnothwendiges auf sich nimmt ohne Murren, ohne das Steuer zu verändern. Der kurze Satz selbst basirt auf liedartige, aber durchaus freie periodische Gliederung. Dem Charakter der Form und der Stimmung gemäß, herrscht das Gesangliche vor, wobei die Instrumentation als solche[218] dichterisch mitwirkt. Zu Gruppen verschmolzen, klingen die Instrumente begleitend, sinnend, klagend, tröstend wie unter herbstlichen Schleiern. Den motivischen Hauptstoff giebt das Idealmotiv und das zweite Hauptthema, beide abermals umgebildet. Das erstere mit seinen Varianten beherrscht den ganzen Satz, das zweite aber tritt erst im Repetitionstheil ein. Auch das Bild beseelter Natur spielt in die Elegie herüber, ja dient ihr vom Standpunkt des formellen Aufbaues des Ganzen aus gewissermaßen zur Folie. Denn beide, so kontrastirend sie sind, bilden psychologische Entwickelungspunkte, deren zweiter vom ersten bedingt ist. Es muß daher ein feinsinniger Zug des Meisters genannt werden, Motive von dort ihm einzubilden, wie gleich anfangs, wo der erste Gang des Quellmotivs, obwohl denselben Instrumenten wie dort übergeben, jedoch harmonisch und in seinem Beiwerk verändert, wie ein klagender Schatten sich zur Erde senkt (S. 59).

Von großer innerlicher Feinheit sind die Übergänge von einer Satzgruppe zur andern; die eine bringen sie zum Aus- und zugleich die andere zum Vorausklingen. Der eben erwähnte Gang z.B. kommt durch das Violoncello und den Kontrabaß zum Verklingen, indem sie sein Motiv wie im Refrain, aber rythmisch verschoben, wiederholen und zugleich das nach einer dreitaktigen melodischen Phrase des Violoncells eintretende Thema ahnen lassen:


11. Liszt's Kompositionen (III.)

In wie anderem Klang erscheint das Thema gegen ehemals! Keine Pracht, kein helles Dur: ein dolente von Trauerrhythmen begleitet, der Stropheneinschnitt (der vierte Takt) ein tiefes[219] Klagewort, das beredt und bewegter werdend das Übergewicht erlangt und in einen achttaktigen ergreifenden Seitensatz (3/4-Takt) mündet. Als poche eine Geisterhand, erklingt dumpf ein Pauken-Solo, das


11. Liszt's Kompositionen (III.)

drei Mal unverändert mit dem höher steigenden Trauermotiv der Holzbläser alternirt und die Stelle des Gedichtes zum Ausdruck bringt:


»Von all dem rauschenden Geleite

Wer harrte liebend bei mir aus?

Wer steht mir tröstend noch zur Seite

Und folgt mir bis zum finstern Haus?«


Dieser Seiten- und der nun folgende Mittelsatz sind wieder mit einem, diesmal an die Bratsche und das Violoncello vertheilten Übergang (sechs Takte) verbunden. Sein Motiv, das ursprünglich


11. Liszt's Kompositionen (III.)

dem 1. Hauptthema angehört, ist hier der Nachklang einer Mittelstimme (XVII), dessen inniger Ton den Tröstungskeim des Mittelsatzes, die Antwort auf die eben verklungenen Fragen, in sich birgt;


nach Schiller:


»Du, die Du alle Wunden heilest,

Der Freundschaft leise, zarte Hand,

Des Lebens Bürden liebend theilest,

Du, die ich frühe sucht' und fand! –,«


nach Liszt:


11. Liszt's Kompositionen (III.)

[220] Wie innig mild und besänftigend klingt es aus dem Saitenchor heraus! Und die Flöten – vier Takte weiter – wie zart übernehmen sie das Amt der Beruhigung, indem sie das Quellmotiv einsetzen in einer Form, als sollte es die müde Seele in Schlummer wiegen! Lindernd löst es ihr die Thräne. So wenigstens fühlen wir das im vierten Takt des Andante mesto wurzelnde Violinmotiv:


11. Liszt's Kompositionen (III.)

das nun im Wiederholungstheil (6/8-Takt) in die Trauermelodie Takt nun Takt hineinträufelt, bis diese schweigt und das erwähnte zweite Thema, von ihm zustrebenden Arabesken der Klarinetten sanft umschlungen,


11. Liszt's Kompositionen (III.)

wehmüthig und doch lichter sich in höherer Tonregion über die begleitenden Trauerrhythmen breitet, bis auch diese schweigen und nur noch Trosteslaute der Klarinette zu hören sind, die über eine milde Modulation der Flöten und Fagotte aufwärts drängend in der bekannten, jetzt zur Kraft der Innigkeit gesteigerten Wendung:


11. Liszt's Kompositionen (III.)

gipfeln und hier – auf dem cis – mit den andern Instrumenten zu einem verminderten Septimenakkord sich verschmelzen. Die Klarinette hält diesen fest und führt ihn in einem viertaktigen Gang verklingend abwärts zu dem Satze der »Beschäftigung.«

Über dem eben besprochenen Wiederholungstheil liegt, im Vergleich mit dem ersten Theil der »Enttäuschung«, ein Hauch seelischer Verklärung. Wohl tönt uns aus ihm – fast könnte man sagen – Ton um Ton von da entgegen, aber der Schmerz, der sich dumpf in sich selbst zusammenzog, ist gewichen, die Trauermelodie ihrer Öde, die Begleitungsrhythmen ihrer Starrheit entrückt: der Mittelsatz steht dazwischen, er hat der Vereinsamung den Stachel genommen. Diese psychologische Wandlung des ersten Theils macht sich nicht nur durch seine Versetzung in die höhere Oktavlage und die hinzugetretenen Violinmotive, durch die hiermit in andere[221] Ton- und Stimmungsregion gehobene und sich ausdehnende Stimmung fühlbar: viel mehr, oder wenigstens eben so sehr, durch eine andere Instrumentation. Dort ist die Melodie der tiefen Tonlage der Klarinette, die einen Abgrund von Schmerz in sich schließt, der aber durch den unisono-Mitgang der klagenden Bratsche edel gebunden ist, übergeben, – hier ertönt sie im verschleierten Klang eines Vionloncell-Solos, verschmolzen mit dem schwermüthigen Klange des Horn. Dort sind die schweren, kurzathmigen Trauerrhythmen der Vionloncelle durch die resonanzlosen pizzicati der drei Kontrabässe wie von tiefer Nacht umhüllt, – hier ist ihnen die Schwere und Düsterheit genommen: die Fagotte und Klarinetten, denen sie nun übertragen sind, hauchen ihnen einen versöhnenden Klang ein, und diepizzicati der Bratschen und Bässe:


11. Liszt's Kompositionen (III.)

haben sie dem Dunkel der Nacht entzogen.

Der erwähnte Gang der Klarinetten führt ohne dazwischen liegende Fermate und ohne Tempowechsel in den »Beschäftigung« überschriebenen Theil der »Ideale«. Die Bratschen nehmen seinen letzten Ton – e – auf und scheinen ihn fortsetzen zu wollen, wenden ihn aber zu einem neuen Thema, dessen modulatorischer Weg sich noch gleichsam sucht, während es sich formell ausgeprägt zeigt. Erst seine Wiederholung, welcher ein drängender Baß mit gleichen Akkorden sich beigesellt, stellt seine inneren Verhältnisse fest:


11. Liszt's Kompositionen (III.)

11. Liszt's Kompositionen (III.)

[222] und der Thätigkeitstrieb, der in diesem Thema wie eine psychologische Folge aus der Beruhigung (die Klarinette) heraustrat, ergreift mit Sicherheit seine Aufgabe. Zugleich treibt er die Bewegung in dempoco a poco accelerando, das die zweimalige Wiederholung des Themas nicht losgiebt, vom Andante mesto in das Allegretto mosso (S. 67) – das Tempo des neuen Satzes.

Liszt symbolisirt die Beschäftigung, die »zu dem Bau der Ewigkeiten zwar Sandkorn nur für Sandkorn reicht«, durch eine Fuge –: als dem Einfügen der Idealität in die höhere Gesetzmäßigkeit und Ordnung. Es ist nicht schwer aus diesem charakteristisch prickelnden und rieselnden Thema mit seiner geräuschlosen und in sich koncentrirten Rastlosigkeit sein Urbild zu erkennen: das Idealmotiv, das nun gleichsam in Fleisch und Blut übergegangen, sich seiner ethischen Bestimmung im Weltenlauf bemächtigt.

Obiges Thema, dessen erste Hälfte mit seiner Baßkonstellation auf das engste verwachsen bleibt, findet in der zweiten Hälfte sein Gegenthema in folgender Taktgruppe, deren springende Intervalle


11. Liszt's Kompositionen (III.)

jene charakteristisch ergänzt. Das Orchester ist aus dem Holzblas- und Streichchor kombinirt, doch so, daß beide als zwei Gruppen sich darstellen, von denen die eine die erste Hälfte des Themas[223] vertritt, während die andere im reizenden Wechselklang die zweite Hälfte in einer höheren oder tieferen Oktave übernimmt. Die ganze Fuge vollzieht sich im sempre piano. – Der Meister hat das Sandkornbild33 festgehalten und in feinstem Tonfiligran auf das kunstvollste durchgeführt. Jede Begleitungsstimme ist von dem fugischen Kreisgang ergriffen und in das durchsichtige Gewebe hineingezogen. Von besonderer Charakteristik ist die Engführung (S. 69 Z), deren wesentlicher Theil der 1. und 2. Violine übergeben ist. Wie die Sandkörner leise rieseln! –, immer höher häufen sie sich, immer weiter wird der Raum, den sie bedecken. Nun scheint das Maß erreicht, beide Chöre treten zusammen. Ein Theil der Fugenstimmen eint sich zum Akkord (S. 71 Tz), in welchen das Hauptmotiv als vibrirender Rhythmus 11. Liszt's Kompositionen (III.) sich leise fort- und festsetzt – zwanzig Takte hindurch währt diese Bewegung, das hohe f als Tonspitze: ein Orgelpunkt, anstatt im. Baß, in der Höhe. Der andere Theil der Stimmen dagegen, die Bässe, geben das Thema nicht frei, das unterhalb der Rhythmen wie ein definirender Text dahinrieselt, dazwischen unterbrochen von den Tenorposaunen, die das erste Glied desselben Motivs in der Vergrößerung singen. – Die Lösung


11. Liszt's Kompositionen (III.)

der Fuge tritt Seite 73 ein. Das hohe f Akkord-tremoli findet seine tonale Bestimmung in dem C der Bässe:


11. Liszt's Kompositionen (III.)

mit deren Eintritt sich in einem Allegro spiritoso molto (11. Liszt's Kompositionen (III.)-Takt) der schon früher erwähnte Überleitungssatz im »Aufschwung« (S. 11–14) Note um Note wiederholt und das breitgeflügelte Crescendo, jetzt wie dort, in das feierlich strahlende Hauptthema sich ergießt.

Hier beginnt die »Apotheose« der »Ideale«. Zugleich tritt die dichterische Behandlung der Motive zurück, und überläßt einer überwiegend instrumental-illustrativen Behandlung derselben, welche[224] unter dem leitenden Gedanken ihrer Verherrlichung steht, das Werk abzuschließen. Es ziehen nochmals die Hauptmomente des »Aufschwungs« an uns vorüber: das Idealmotiv, in seinem Gefolge die Innigkeit, die Motive seelischen Erwachens und geistigen Aufflugs – alle, wie in Kraft und Sonnenglanz getaucht. Den Schlußpunkt bildet ein crescendo (S. 93), welches das Hauptmotiv vibrirend:


11. Liszt's Kompositionen (III.)

vom pp bis zur höchsten Kraft des ff durch alle Tonlagen unter der gesteigerten Begleitung der Instrumente hindurchführt, auf der Höhe in 3/4-Takt übergeht, und unter dem Beitritt der Posaunen, Pauken und Becken, breiten kirchlichen Pompes den Verherrlichungszug abschließt. –

Die umbildende Durchführung des Idealmotivs – eines Themas von nur fünf Tönen einfachster Kombination – läßt den unerschöpflichen Reichthnm an Mitteln ahnen, welche dem Ton-Dichter zur symphonischen Verkörperung einer Stoffwelt, die das Gefühlsleben mit dem Gedankenleben vereint zum Ausdruck zu bringen die Aufgabe stellt, zu Gebote stehen. Die öftere Benützung dieses Themas aber giebt bezüglich Liszt's Schaffen die Vermuthung, ja bis zu einem gewissen Grad die Gewißheit, daß derartige Tongruppen als musikalisch-begriffliche Stimmungstypen in seiner Phantasie lebten, die in verschiedenen Werken immer wieder von neuem in neuer Wendung und Verbindung auftreten, aber dabei einen Stimmungskeim festhalten. Das ist auch bei jenem Motiv der Fall. Sein erster Keim liegt im Andante religioso der Berg-Symphonie (Part. S. 85). Die hier waltende Stimmung hat Liszt bei allen späteren Entwickelungen desselben als Grundstimmung festgehalten und von da aus auf den Stoff, mit dem er verbunden auftrat, jeweilig eine gehobene, feierliche, weihevolle und religiöse Stimmung gebreitet, wie in seinen Schiller-Dichtungen. Im Oratorium »Christus« findet sich diese Tontype ebenfalls vor. – Gegenüber Liszt's Phantasieleben wird sich voraussichtlich noch manches erschließen, zu dem möglicherweise die soeben nachgewiesene Stimmungstype als Wegweiser dient.

Liszt projektirte die »Ideale« im Sommer 1856, komponirte sie aber erst im folgenden Jahre, 1857, in Aachen, wo er, – so um Pfingsten herum – zu einer gesundheitlichen Kur sich[225] befand. Ihr Geschick ist im Konzertsaal, wie in der Kritik, zur Zeit34 noch nicht besiegelt. Ihre erste Aufführung, 1857 zu Weimar, entfesselte keine gegnerischen Stimmen, aber auch keine Stimmen entschiedener Sympathie. Auch später fanden sie keine Bahnbrecher unter den Kritikern. Fr. Brendel,35 L.A. Zellner,36 L. Köhler37 berührten sie, ohne näher auf sie einzugehen. Nur im Koncertsaal fanden sie zu jener Zeit einen ebenso entschiedenen wie heißblütigen Kämpfer in H.v. Bülow, der sie im Schiller-Jahr 1859 in Berlin zur Aufführung brachte – eine Aufführung, die gewissermaßen denkwürdig, aber überwiegend nach anderer als reinmusikalischer Seite, eine heftige Polemik38 entzündete –: es handelte sich dabei um den Anstand im Koncertsaal. Gegner des Fortschritts hatten ihr Mißfallen an den »Idealen« durch Zischen kund gegeben, v. Bülow legte Protest dagegen ein, indem er zornglühend auf das Podium sprang und jenen das Wort zuschleuderte: »Ich bitte die Herren Zischer den Saal zu verlassen; es ist in diesen Räumen nicht üblich zu zischen« – ein Zuruf, welchen eine spätere Zeit bezüglich Bülow's, dessen »maidenspeech im Koncertsaal« benannte.39 Zwei Wochen später brachte Bülow an derselben Stätte abermals das geschmähte Werk, den Taktflock aber führte der Komponist selbst, diesmal ohne Einspruch seitens der Zuhörerschaft. –

Von damals bis jetzt wurden die »Ideale« in verschiedenen Städten vorgeführt, fanden jedoch noch keinen durchschlagenden Erfolg. Am Werke liegt es nicht, oder auch –: es liegt am Werke; denn es bedarf mehr als alle anderen der symphonischen Dichtungen Liszt's des Dirigenten, der Poet mit dem Poeten ist.

»Die Ideale« nach Schiller bilden den Schluß der Schöpfungen, die sich mit poetischen Werken der großen Dichter[226] Weimars musikalisch identificirt haben. Als Ganzes betrachtet, reflektiren sie des Meisters Gesammtschaffen in den Hauptzügen seiner inhaltlichen, stylistischen und individuellen Eigenart. Ihr deutsch-nationaler Geist bekundet sich in der Richtung und Höhe des Inhalts und der Ideen, in der Kühnheit, Kraft und Tiefe ihres Erfassens, in der Innigkeit und poetischen Schwärmerei des Gefühls, sowie in der geistigen Besonnenheit der stofflichen Beherrschung.

Fußnoten

1 Edirt 1859: Die vom Komponisten revidirte Ausg. f. 2 Klav. Jul. Schuberth & Co. Edirt 1861: Partitur. Jul. Schuberth & Co.


2 Edirt 1875: Klavierübertragung vom Komp. zu 2 Händen. Jul. Schuberth & Co.


3 Edirt: J. Schuberth & Co. 1862. Partitur.


4 Edirt: J. Schuberth & Co. 1862. Klavierbearb. v. Komp. zu 2 Händen.


5 Edirt: J. Schuberth & Co. 1862. Klavierbearb. v. Komp. zu 2 Händen.


6 Edirt: Ad. Fürstner, Berlin 1881. Camille Saint-Saëns gewid.


7 Edirt: Ad. Fürstner, Berlin 1883. Marie Jaëll-Trautmann gewid.


8 Edirt: Ad. Fürstner, Berlin 1883. Lina Schmalhausen gewid.


9 Ungedruckt. Das Manuskript, Eigenthum des A.D.M.V., befindet sich im Liszt-Museum zu Weimar. Komponirt circa sechzig Takte – Andantino – in Rom, dann in Pest im März.


10 »Anregungen für Kunst, Leben und Wissenschaft«; herausgegeben von Fr. Brendel und R. Pohl, IV. Bd. 1859; – »N.Z.f.M.« 1862 S. 11. u.f.


11 S.I. Bd. d.W.S. 195.


12 Vergl. »Briefwechsel zwischen Wagner und Liszt« II. Bd. S. 48 und S. 179.


13 Dem ersten Motiv mit der 5# dürfte nur ein Beispiel zur Seite zu stellen sein: der stöhnende Septimenschritt (große Sept.) im Buß-Psalm des »Stanislaus« (S. »Fr. Liszt als Psalmensänger« etc. etc. von d. Vers. Breitkopf. & Härtel 1886) – Diesem verwandt das I. »Prometheus«-Motiv.


14 Daß Liszt dem übermäßigen Dreiklang die Sprache geschaffen, erwähnten wir früher (vergl. I. Bd. d.W.S. 292). Noch aber – so unglaublich es scheint, so wahr ist es! – hat keine Theorie sich der Specialuntersuchung dieser großen harmonischen Errungenschaft unterzogen. So bleibt es noch, sie in ihren modulatorischen und ästhetischen Konsequenzen den Lehrbüchern einzuverleiben.


15 Ibsen's »Peer Gynt«.


16 Nach einer Mittheilung an Brendel, hatte Liszt bei der Ausführung der Symphonie beabsichtigt den ganzen Chorus mysticus unsichtbar singen zu lassen, unterließ es aber, weil derartige Aufführungen nur in Theatersälen durch den herabgelassenen Vorhang möglich sind und er befürchtete, der Klang könne zu undeutlich werden.


17 Die erste Aufführung des Berlioz'schen »Faust« fand zu Paris im November 1846 statt; der Entwurf desselben entstand – nach Gathy »N.Z.f.M.« 1846 XXV. Bd. Nr. 40 – während seiner Koncertreise durch Deutschland und Österreich 1843. Liszt's längerer Aufenthalt zu Paris war 1844/45. Es läßt sich somit kombiniren, daß zu dieser Zeit seine Faustidee in ihm lebendig ward.


18 Peter Cornelius deutet hierauf hin (s. Almanach d.A.D.M.-V. 1. Jahrg. 1866 S. 142), indem er sagt, daß sie »durch die Anschauung der Typen hervorgerufen seien, in welche A. Scheffer die drei hervortretendsten Charaktere in Göthe's Gedicht zu verkörpern gewußt« – eine Bemerkung, für die Liszt's Sympathie für Ary Scheffer spricht, die aber dahin sich beschränkt, daß der französische Künstler kein Mephistobild, aber verschiedene Faust, als auch Gretchen betreffende Scenen, in Farbe illustrirt hat.


19 »N.Z.f. M« 1857 Nr. 12 u.f. –: »Fr. Liszt's neueste Werke etc. etc.«


20 Zellner's »Blätter f. Musik etc. (Wien) 1857 Nr. 78–89 (die erste musikalische Analyse des Werkes).


21 »N.Z.f.M.« 1862 Nr. 1 u.f. – »Liszt's Faust-Symphonie« (die erste mit Göthe'schem Text kommentirte Erklärung).


22 Edirt: s. Anm. S. 170.


23 Text von Thomas von Aquin. Die Melodie dürfte aus demselben Jahrhundert stammen. Bei den Niederländern findet sie sich also vor:


11. Liszt's Kompositionen (III.)

24 Der Hunnenschlacht (»Crux fidelis«), der Dante-Symphonie (»Magnificate«), der H. Elisabeth.


25 S.I. Bd. d.W.S. 263.


26 Diese Worte citirte der Meister, als er mich mit dem MS. des II. Mephisto-Walzers am Klavier – bei mir in Nürnberg 1881 – bekannt machte, desgl. 1883 in Weimar, wo ich die Komposition des III. Mephisto-Walzers miterlebt habe. Und noch mehrmals später bei Erwähnung dieser Stücke namentlich recitirte er die Stelle: »Du nennst mich Herr Baron« etc.


27 Nach dieser Aufführung fügte der Meister noch circa hundert Takte hinzu. Mir schrieb damals seine und (vordem meine) Schülerin, Auguste Rennebaum, jetzt Professorin des Klavierspiels am National-Konservatorium zu Pest, bezüglich des Walzers: »Liszt hat ihn sehr gern, war ganz glücklich nach der Aufführung – zum Glück liest er keine Recensionen. – Ich traf ihn einige Tage später, als er an den fehlenden 100 Takten arbeitete. ›Hier sitze ich, mache Noten in Nöthen‹ rief er mir zu.«


28 Derzeit musikalischer Referent am »Pester Lloyd« und »N.P. Journal«, der eifrigste und gehässigste Verfolger der Musik Liszt's in Ungarn. Er schrieb unter dem Pseudonym Sagittarius.


29 S.I. Bd. d.W. 206 u.f.


30 Edirt 1859 –: Breitkopf & Härtel.


31 Partitur der »Ideale«, S. 76, Anm.


32 Das mehrfach besprochene Thema aus dem »Künstler-Chor.«


33 Wie sehr Liszt der Sandkornidee huldigte, erzählte Seite 40.


34 Wir schreiben gegenwärtig 1891.


35 »N.Z.f.M.« 1857. Nr. 12 u.f.


36 »Blätter f. Musik« 1857 Nr. 78 u.f.


37 »N.Z.f.M.« 1863, Nr. 12.


38 »Hans v. Bülow und die Berliner Kritik«. Berlin, 1859, C. Nöhring.


39 Nebenbei bemerkt, würde es ein nicht unbedeutendes Material zur zeitgenössischen Musikkultur geben, wenn alle im Laufe der Jahre von diesem Streiter für die Ideale der Kunst »gehaltenen Reden«, beleuchtet mit den jemaligen lokalen und allgemeinen Musikzuständen, als »Sammlung« zusammengetragen würden.

Quelle:
Ramann, Lina: Franz Liszt. Als Künstler und Mensch, Band 2.2, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1892.
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