5.

[6] Verona den 7ten Jenner 1770.


Mir ist sehr leid, daß ich Dein erstes schreiben nicht erhalten habe. Es muß vermuthlich auf dem Postamt in Bozzen liegen. Ich werde mich erkundigen: dann von Insprugg wird es dahin gegangen seyn. Wir sind, gott Lob, gesund! Damit ich es Dir gleich anfangs sage. Du hättest sehr wohl gethan, wenn Du mir geschrieben hättest, wieviel von mir Brief empfangen, denn einen habe Dir von Wirgl, einen durch den Lehngutscher, dann einen von Insprugg durch die Post, und einen aus Botzen geschrieben. Nun muß Dir zu erst sagen, daß Du nebst meiner Empf: dem h: Ranftl melden sollest, daß wir bey h: Stockhammer grosse Ehren empfangen, und sehr kostbar [6] bewirthet worden, wo ich auch h: Stickler meinen alten bekannten angetroffen. bey h: kerschbaumer1 kannst Du nebst meiner Empf: melden, daß uns h: Semelrock mit aller Höflichkeit empf: und uns weiters ein Empfehlungsschreiben nach bologna gegeben. wir waren nur anderthalb Täge in Botzen. In Roveredo sind wir kaum angekommen, so war gleich ein gewisser Cristani, der im Collegio Rupertino das Frauenzimmer bey der Comedie (dasCato Kind) gemacht, bey uns, und machte im Namen seines Bruders auf den Kommenden tag seine Einladung zum Mittagessen. und wer war dieser sein Bruder? – – derjenige Nicolaus Cristani, welcher beym Edlknaben Hofmeister h: Consistorial Cristani in Salzb: war und mein Scolar aufder Violin war, und dieser ist in Roveredo und der ganzen gegend die Hauptperson nämlich Creishauptman, der in Nahmen seiner Maj: der Kayserin alda ist. du wirst dich seiner noch wohl erinnern, er wohnet bey den h: Edlknaben. Sobald wir zu ihm kamen, sagte er, der Wolfg: sehe Dir gleich, er erinnere sich völlig Deiner Bildung. Und wen fanden wir da? – – den H: Comte Septimo Lodron, den Consist: Cristiani, einen gewissen Pilati, Vesti x: die ersten 2 sind von Villa einem graf Lodronischen gut hereingekommen: dann von Insprugg kam die Nachricht schon voraus nach Roveredo, daß wir dahin kommen werden. Du kannst dir leicht vorstellen wie vergnügt wir beysamm waren einander nach einer Zeit von 19, 20, und mehr Jahren wieder zu sehen, und daß dieß ein fröhliches Mittagmahl war. Unter der Tafel kam der Cammerdiener des h: vCosmi und Lued uns auf den folgenden Tag zum speisen ein. Das war wieder eine freudige Tafel! um so mehr, als h: v Cosmi als ein Wittwer mit einer ansehnlichen freut: im Brautstand war und sich ein paar täge nach unserer Abreise hat Copuliren lassen. Ich fand alda seine alte fr. Mutter, und 3 schwestern. wären wir länger in Roveredo geblieben, so hätten wir bey ihm wohnen müssen; sollten wir abermal dahin kommen, so müssen wir bey ihm absteigen. h:Baron Pizzini und h: h: graf Lodron, an die wir von Se Ex: Hofmarschall recomendiert worden, hat uns mit allen nur [7] erdenklichen Höflichkeiten beehrt. DieNobleße hielt ein Concert in dem hauß des h: Baron Todesci. und wer war dieser B: Todesci? – – jener h:, den h: Giovanni in Wienn einsmal zu uns geführt hat den Wolfg: spielen zu hören. vielleicht wirst du dich noch erinnern. Was sich der Wolfg: für eine Ehre gemacht, ist unnötig zu schreiben. Den Tag darauf giengen wir Nachmittags auf die Orgel der Hauptkirche; und obwohl es nur 6 bis 8 Hauptpersonen gewust haben, daß wir dahin kommen werden; so fanden wir doch ganz Roveredo in der Kirche versammelt, und musten eigens Starke kerl vorausgehen, um uns den Weg auf das Chor zu bahnen: wo wir dann eine halbe viertlstunde zu thun hatten, um an die Orgel zu kommen, weil ieder der nächste seyn wollte. wir waren 4 Tag in Roveredo. Dieser Ort ist nicht gross, und war einsmals ein gar schlechter Platz, ist aber durch fleiß der Innwohner seit mannsgedenken immer in bessere Aufnahme gekommen, indem die meisten vom Weinwachs und Seiden Handlung leben. dermahl sind viele vermögliche Häuser da, und man ist sehr höflich mit fremden. In Verona hat die Noblesse nach 7 Tägen erst ein Concert oder academie veranstaltten können, dazu wir eingeladen waren, weil täglich opera ist. Die Cavaliers an die wir recommendiert waren, sind il Marchese Carlotti. il Conte Carlo Emily. Il Marquese Spolverini. Il Marquese Dionisio St. Fermo. Il Sgr. Conte Justi del Giardino. Il Sgr. Conte Allegri. Bey h: Marquese Carlotti waren wir für allzeit eingeladen, wie auch bey h:Loccatelli. zweymal speisten wir bey h: Marquese Carlotti. Dann bey h: Comte Carlo Emily. 2 mahl bey h: Comte Justi, der einen schönen garten und gallerie hat. Du wirst in Kaysters Reisebeschreibung solches vielleicht finden. Dann speisten wir gestern bey h: Locatelli, und heute war eine völlige verwirrung, die ich dir umständlicher erzehlen muß. wir waren auf heute bey einem gewissen ehrlichen Mann h: Ragazzoni eingeladen. Der general Einnehmer von Venedig il Sgr: Lugglati bath die Cavagliers mich zu ersuchen, daß ich erlauben möchte den Wolfg: abmahlen zu lassen2, [8] gestern vormittag geschahe es und heute nach der Kirche sollte er das zweyte mahl sitzen, und wir sollten alda auch speisen. Sgr. Lugglati verfügte sich in Person zu h: Raggazoni und bath ihn uns ihm zu überlassen; dieser musste solches geschehen lassen, obwohl mit grösten widerwillen, weil Lugglati eine grosse Hand in Venedig hat. wir sollten demnach heut vormittag nach der Kirche zu h: Lugglati kommen, um vor dem Tische noch einmahl dem Mahler zu sitzen. Es kam aber wieder ein stärkerer, oder grösserer nämlich der Bischof von Verona, aus dem Hauß Justiniani, welcher durch h: Locatelli uns nach der Kirche nicht nur bey sich, sondern zum speisen haben wollte. da er aber vernahm, daß man im Begriffe wäre, des Wolfg: Portrait zu machen, und wir abreisen wollen, so liesse er es zwar geschehen, daß wir zu h: Lugglati zum speisen giengen, hielt uns aber doch bis nach 1 Uhr nachmittag bey sich auf. Man fuhr demnach fort des Wolfg: Portrait auszumahlen, und wir giengen erst um 3 Uhr zum Essen. Nach dem Tische fuhren wir nach der Kirche St. Tomaso um auf zwei Orgeln dieser Kirche zu spielen; und obwohl dieser Entschluß erst unter dem Essen genommen und durch ein paar billets dem Marquese Carlotti undComte Pedemonte bekannt gemacht worden war; so war dennoch bey unserer Ankunft in besagter Kirche eine solche menge versammelt, dass wir kaum Raum hatten aus der Kutsche zu steigen. Es war ein solches gedränge, daß wir gezwungen waren, durch das Kloster zu gehen, wo uns dann in einem augenblicke so viele Menschen zuliefen, daß wir nicht würden Platz gefunden haben, wenn uns die Patres, die schon an der Klosterporten uns erwarteten, nicht in die Mitte genommen hätten. Da es vorbey war, war der Lermen noch grösser, denn ieder wollte den kleinen Organisten sehen. So bald wir im wagen waren, ließ ich uns nach Hause führen; schloss das zimmer zu, und fieng diesen Brief zu schreiben hat: ich muste mich mit gewalt von allem los machen, sonst würde man uns nicht so lange in Ruhe lassen einen Brief zu schreiben. Morgen fahren wir mit h: Locatelli nach demAmphitheatro und anderen Seltenheiten der Statt, dann speisen wir bey ihm, hiernach werden wir abschieds Visiten zu machen fahren, übermorgen einpacken [9] und Mittwoch abends mit gotteshilfe nachMantua reisen, welches, obwohl es nahe ist, wegen dem Kotigen Wege, eine kleine Winter-tagereise ist. Sind keine Briefe vom h: Lotter wegen richtigem empfang des gelds gekommen? – hat h: Breitkopf in Leipzig nicht geschrieben, ober die 100 Bücher empfangen hat? – – Sind die Bücher nach Wienn geschicket worden, und hat h: gräffer dern Empfang berichtet? – – Dergleichen Sachen must Du mir nur mit einem paar Worte berichten. – war es in Salzb: in den Weinachts-Feyrtagen auch schön Wetter und nicht kalt? – Nun haben wir aber 8 Täge fast starke kälte. und stelle Dir vor; aller Orten wo wir speisen, im Speiszimmer weder Caminn noch Ofen. Man bekommt abscheulich schwarz-blaurothe hände. Ich wollte lieber in einem Keller Essen. von dieser Materie, die unser gröstes Kreutz ist, ein andersmahl mehrers. Du darfst mir kecklich schreiben, wie man den Handteig macht, vielleicht ist er uns nötig. Entzwischen mache 12 St: Violinschule zusammen, und schicke solche in die Joseph Wolfische Handlung nach Insprugg. Derjenige, welcher diese Handlung in Insprugg besorget schreibt sich, wenn nicht irre, Felicius oder Felicianus Fischer. In der Mayrischen Buchdruckerey kannst du es erfahren. Du darfst nur ein kleines Briefl beylegen. ungefehr also: Sie erhalten hier 12 St: Ex: der Violin schule, die mein Mann ihnen zuschicken von Verona mir ordiniert hat. Sie mögen es. abgeredler massen, in Comißion behalten, und das St: à 2 f 15 xr Tyroll. Münz verkauffen, und die verkauften in nämlicher Müntz à 1 f 45 xr meinem Mann vergütt: solches in die zeitung setzen, und die Kosten diesfals meinem Mann aufrechnen. Nun ist das Papier zu Ende Lebe wohl ich bin Dein alter Mzt

Fußnoten

1 Salzburger Kaufmann.


2 S. das Veroneser Bild Wolfgangs im Bilderband.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 3. München/ Leipzig 1914, S. 10.
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