148.[248] 1

Salzburg den 13 Novb: 1777


Mon très cher Fils!


Ich gaube Dir schon geschrieben zu haben, daß mir (wie ich verlangte) Missliw: einen Brief in forma ostensiva geschrieben, um solchen aufweisen zu können, wo er mich ersuchte Nachfrag zu halten, ob die vor Jahren, und itzt überschickte Musik zu Hochf: Handen gekommen. Er bekamm darauf eine Anweisung pr 2 5 Duccaten. itzt berichtet er mir den Empfang den 8ten dieses und schreibt daß er auf Anrathen des Doctors noch in München verbleiben würde, um seiner sich bessernden gesundheit besser abzuwarten, und dann sicherer reisen [248] zu können: er setzt bey, daß er eine Cantata (Enea negl' Elisi) dem Churf: überreichen lasse, und sich Hofnung mache, daß solche neben des Monza opera werde aufgeführt werden, weil der Churf: befohlen, daß man die Partes alsogleich ausschreiben soll. ferner giebt er mir Nachricht, daß er auf mein Verlangen an Sgr: Raaff geschrieben habe; daß er seine Scrittura für die opera 30 Maggio und für die 4 Novembre erhalten habe, und nun auch die Scrittura für Dich erwarte, die aber aufs geschwindeste erst in einem Monate anlangen könnte; und daß er solche, so bald er sie erhalten, mir nach Salzb: schicken werde. Die Wahrheit zu bekennen, mache ich wenig Rechnung darauf; dann Du kennst die Ausflüchte der Welschen und die Menge der Impegni in Neapel. Heute vernahm daß der Erzb: gestern dem Brunetti Comission gegeben dem Missl: zu schreiben und Concertoni anzusrimmen, das wird wohl in die 25 Duggaten darein oder oben darauf gehen – wie der farz oder furz beym schusterbueben. – das graduale in Contrapunto so mir so wohl gefahlen, war vom berühmten längst verstorbenenMaestro Lotti. hl: Dr: Barisani ist beym Fürsten in Ungenaden. Die Erste Ursache war, daß er, da er wegen einer kleinen Unbässlichkeit der gräfin guntacker Colloredin nach Lauffen beruffen worden, wieder, wegen seiner Patienten, sich nicht lange alda aufhalten wollte, und immer nach Salzburg zurückgetrachtet x: die zweyte – weil er sich um den jungen Doctor Steinhauser bey dem Fürsten mit grossem Eyfer angenohmen –; das ist es, was bekannt ist: vielleicht mag noch was anders seyn –, sonderheitlich beharret der Erzbisch: auf seinem Unwillen, weil hl: Hof RathMölk um den Heyrats Consens angelangt, der ihm gleich abgeschlagen worden; und weil wegen dem Todt der Oberbereiter noch ein solches memmorial zu erwarten ist; dem aber vorzubeugen, der Erzb: dem Oberbereuter hat sagen lassen: wenn er zu heyrathen gedenke, so soll er, wegen der nachkommenden Kinder auf eine Frau mit geld oder auf keine Junge, sondern auf eine, die die Kinderzucht und Hauswirthschaft gut verstehet, seinen antrag machen. Das ist verständlich genug! unterdessen muß man dem alten Barisani fünftere [249] gesichter machen; damit er das Herz nicht hat etwas vorzubringen oder eine gnade zu suchen. Wegen Deiner Dienstniederlegung war hl: Duscheck im grösten verdacht, dich und uns alle aufgeredt zu haben, und die Vermuthung gieng auch zu gleich auf grasen Hardik und Lizow: er sagte es mir selbst. ja, wenn Du von hier nach Prag gegangen wärest, so hätte es dem Erzb: niemand mehr ausreden können: so aber fand er sich betrogen. Am Martini Tag habe im Priesterhaus gespeiset; es wurde euer beyder gesundheit getrunken. Die Nannerl Lued sich beym alten Hagenauer ein, der ihr sagte: daß sie, so oft ich ausspeiste, bey ihnen speisen sollte. Mein lieber Wolfgang, in deinem letzten brief vom 4 Novb: an Caroli Tag unterschrieben, ist so viel Verwirrung, daß ich nie wissen kann, wenn dieses oder jenes geschehen. Es heisst immer Heut hab ich meine 6 Sonaten beym Canabich gespielt: – hl: Holzbauer hat mich heute zum gr: Savioli ge führt. Heute aber als Sontag habe die Messe vom Holzbauer gehört. – Die Mamma kan nicht schreiben x: wir sind gar späth von der operaprob nach Hause gekommen. – – Morgen muß nach dem Hochammt zur Churfürstin x x: – – und alles dieses ist am Ende, durch die Unterschrift den 4ten Novb:, an Caroli-tag geschehen? – – an diesem Tage wird ja doch dieopera und nicht die Probe gewesen seyn? – – Du hast also, dem gefunden vermuthen nach, so wie ich öfters thue, den Brief nicht am nämlichen tage geschrieben, sondern nur geschlossen. mache es demnach wie ich. wenn ich aussetze; so setze, so oft ich an einem andern tage etwas hinschreibe, Sontag, Montag x: so weis man doch in der ordnung, wie es geschehen; es kann manchmal daran liegen es zu wissen. – Unterdessen hatte ich den 27 octob: an hl: Otto und hl: Pfeil nach Frankfurt geschrieben, um zu erfahren, wie es mit dem Winter Concert alda stehet, und ob Du nicht dabey, wie ehemals Meissner und Reiner, einen wohl bezahlten Platz haben könntest: ich erhielt auch gleich eine auch am 4ten Novber geschriebene antwort, die auch zugleich mit Deinem Brief eintraf. wo mir hl: Pfeil auch im Nahmen des alten Otto mit den aufrichtigsten freundschaftlichsten Worten zu seinem Missvergnügen[250] Nachricht gab, daß nichts zu thun seye. Er erzehlte mir umständlich, daß nach dem Todt des hl: Sarasin, und nach dem verfahl des hl: Bernat, der Wirth, wo sonst die Concerte waren, solches unternohmen habe fortzu führen: da er aber sein Interesse nicht dabey gefunden, habe alles ein Ende. Mann könnte zwar ein Privat Concert für sich geben: allein, die Liebhaberey wäre so schlecht und denn so wenig, daß man gefahr lauffe die Unkösten heraus zu bringen; es wäre also in absicht auf einigen Nutzen dir nicht zu rathen, so gerne er dich hätte, aigends nach Frankfort zu reisen. brächte Dich aber Deine Tour ohnedem dahin, so wäre es für ihn eines der grösten Vergnügen und Du würdest bey ihm eine Sammlung von Instrumenten finden, wo Dir die Wahl wehe thun würde. Er hätte nebst seinem grossen FridericischenFlügl (wie unserer) mit 2 Manual, ein ganz neues grosses Fortepiano von Mahoni-Holz, NB dieses beschreibt er mir nach der Länge mit den grösten Lobsprüchen. Dann ein Clavicord auch von Mahoni-holz, das er nicht für 200 fl weggeben möchte. Es habe solches als Clavicord schlechterdings seines gleichen nicht: der Discant wäre, als hörte man eine violin sanft dazu spielen; und die Basse wie Posaunen. ferner hätte er eine Menge Fortbien im Vorrath, weil er damit handle. alles von Friderici. Er bedauert, daß er unter so einer grossen Sammlung seiner Claviermusik nichts von Dir hat; und, so viel bemerke, hat er das meiste vom Lang aus Coblenz, dahin er Dir auch Briefe zu geben sich erbiethet. Er schlüsst. Was macht dann die Fr: Liebste und Mdsse Tochter? – – x: – schreiben sie ihrem hl: Sohn, daß wenn er über Frankfort reiset, er mich nicht vergessen soll: Ich werde ihm zeigen wie sehr ich ihn als ein Kind geliebt habe, und wie sehr ich ihn nochliebe x x: Also ist von dieser Seite wieder wenig – ja aigentl: nichts zu machen. Hier lege doch für allen fall ein Zettlchen bey, das ein Frankf: Kaufmann in unserm zimmer selbst aufgeschrieben, um ihn in Fr: finden zu können. Es wird heissen. – J: Martin d'orville in Frankfort am Mayn in der Buchgasse. Ich bin wirklich sehr verlegen euch zu rathen, da itzt, wenn in Manheim keine Aussicht zum verbleiben ist, ihr nun auf Maynz gehen werdet; nach Frankfort, wäre nur ein [251] Nebensprung, wenn was zu thun wäre, um dann wieder zurück und nach Coblenz zum Churf: von Trier zu gehen der der PrinzClemens von Sachsen ist, zwischen welchem und dem Churf: Du in München bey der Tafl mit dem Bleystiftcomponiert hast, als wir von Engelland nach Hause gereiset. aber wohin alsdann? – – Wolltest Du nachBonn zum Churfürsten von Cölln; wo noch Luchesi2 Capellmster seyn wird, so wird es die Reisekösten nicht einmahl betragen, und überdas kommt ihr weit rechter Hand auf den geraden weg durch die Niederlande nach Holland. – – und nach Paris? welcher erstaunliche Weeg! woher nimmt ihr die Reisekösten. kurz der Entschluß gleich nach Manheim zu gehen habe ich nicht vermuthet, weil Du mir niemals einige Meldung davon gemacht, welches Du um so eher von Augsp: aus hättest thun sollen, da ich Dir ausdrücklich schrieb, daß ich wegen dem Betragen in Manheim dir besonders meine Meinung sagen werde: ich weiß wohl, daß ich Dir etwas umständliches geschrieben; allein ich war willens Dir gar einen schriftlichen Aufsatz zu überschicken, eine schrift die Du dem Churf: hättest überreichen sollen.

Du schreibst, daß Du zur Churfürstin nach dem Amt beruffen wärest: da wäre nun gelegenheit gewesen seyn sich einzuschmeicheln, und nach den Umständen den Eingang zum vorhabenden Plan zu machen. Doch was will ich vielschreiben! wer weis ob euch dieser Brief noch in Manheimm antrift. – – Seyd ihr noch da; so weis ich nicht wie die Sachen stehen. – Manheimm hat schlechte organisten – Ist keine Hofnung hier völlig anzukommen; so würde Dich der Churfürst auf ein Jahr, oder wenigst auf diesen Winter durch behalten, um so mehr, als Du bey der Churfürstin das alter Deiner Mutter und die für eine bejahrte frau so beschwerliche Reise im Winter vorwenden könntest. Hast Du nun dazubleiben, so fehlt es nicht an gelegenheit sich in allem zu zeigen – und beliebt zu machen. – – solltest Du dann nun auch im frühejahre oder im Sommer von Manheimm entlassen werden, so darfst Du nur nach Spaa gehen; da wimmelt es von Engelländer. Kurz! wenn Du nicht für [252] beständig verlangst aufgenohmen zu werden, so wird ein Churfürst, wie dieser, der die Talente liebt und Hochschätzet, Dir wenigst auf einige Zeit gelegenheit verschaffen an seinem Hofe Dein genie zeigen zu können, von dessen berühmtem Hofe die Strahlen, wie von der Sonne, durch ganz Teutschland, ja durch ganz Europa sich verbreitten. Hl: Cannabich würde nichts dabey verlieren indem Du seiner Mdsse Tochter mit verschiedenem an die Hande gehen würdest, ohne ihrem Lehrmeister dadurch einigen Eintrag zu thun. Es würde alles auf eine audienz beym Churfürsten und der Churfürstin und auf einen geschickten vortrag ankommen: Die Frauenzimmer haben doch Mittleiden mit einander – Sr Durchl: wissen – was das Alter ist: hl: gr: Savioli müste nicht auf die Seite gesetzt und durch ehrenbiethiges Betragen zum freunde gemacht werden; das ist schuldigkeit und Politick. alles dieses ist nicht weder Intrigue noch Betrug, sondern nur der Weeg so viel zeit zu gewinnen um sich in allem zeigen zu können; dann Deine Jahre und Deine Person lassen niemand die grösse der göttlichen gnade, die Du durch Deine Talente erhalten, vermuthen: von manchem Orte bis Du abgereiset, wo sie nicht die Helfte Deines Talents eingesehen. – – Ich weis Dir nun nichts anderes zu sagen, weil heute keinen Brief erhalten; folglich euere Umstände nicht weis: vielleicht bekomme ihn morgen mit der Seitenpost, wie es öfter geschehen; dann aber kann nichts antworten bis auf den Montag. – – ich wiederhohle es: ich zweifle nicht, daß der Churfürst Dich den Winter durch und vielleicht länger, wenn die Mamma selbst allenfals der Churfürstin wegen Beschwerlichkeit der Reise vorstellungen machen wollte. bfot dh lfnln wfntlr dm, os wfrot dh aft lfnla g htln glumet iür blotlndfg auiglnsaaln,3 ich stehe dafür. Ihr werdet hoffentl: gesund seyn, wir sind es gott Lob, die Nannerl und ich küssen euch von Herzen million mahl. ich werde, so wie itzt allzeit gethan alle Post-tage schreiben, und bin der alte Mann und vatter

Mozart


[253] Ich wiederholle es, daß ihr bey der Abreise an ieden Ort auf dem Postammt einen zeitl hinterlässt, wo die Briefe hinzuschicken sind. hl: Bullinger und ganz Salzb: empfehlt sich. Mir ist völlig bange, ob euch dieser Brief noch in Mannheimm antrifft. Wir sind nun schon weit von einander, der Brief muß 6 täge lauffen, und wenn ihr nicht alle Posttäge schreibt, so wissen wir lange nicht wo ihr seyd, und was ihr macht. Ihr Darst ja nur schreiben, wir sind gesund, sonst nichts – und daß kann ja doch mein liebes Weib, die manchmal allein zu hause seyn wird.

Fußnoten

1 Weitere Antwort auf Wolfgangs Brief vom 4. November.


2 Andrea Lucchesi.


3 Auflösung der Chiffren: bist du einen winter da, so wirst du mit einem guten gehalt für bestendig aufgenommen.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 3. München/ Leipzig 1914, S. 254.
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