149.[254] 1

Salzb: den 17 Nov: 1777


Mein Liebes Weib! und mein Lieber Sohn!


Erst heute den 17t erhalte euern Brief vom 8ten, er ist also zu späth auf die Post gekommen, oder liegen geblieben. Ich danke für den glückwunsch beyden und wünsche auch beyden gute gesundheit und glück, und daß wir einander mit vergnügen wieder sehen. – – und sollte es bey einem glas Rheinwein seyn! wer Deinen glückwunsch, und diese meine Antwort lieset, würde glauben, wir hätten beständig ein gutes glas Wein in Händen: weil so herzlich vom Rheinweine gesprochen wird. unterdessen werdet ihr meine Briefe vom 3ten, vom 6t, vom 10t, und 13t erhalten haben. Im letzten war ich ein bischen übles Humors, weil ich keinen Brief von euch erhielt. Ich schrieb meine gedanken wegen Manheimm, vielleicht kommen sie zu späth. – Dein Brief vom 8t, auf den ich Dir jetzt antworte, giebt mir zwar einige Hoffnung, weil dh glelglnulft umot aft dla Cuhrifrotln zhr dln, hnd mhcu, wlnn lo nstuwlndfg fot, mhdfluz blksaaln kmñot. wann du nur ein halbes Jahr da bleiben kannst, dfcu fn meela zh zlfgln, os bfot dh mucu glwfo mhiglnsaaln. – – und wen so ocuelcutl srgmnfotln da sind? – – 2 [254] hast Du dann nicht auch srgle3 gespielt? – – Meine liebe Hausfrau beklagt sich, daß sie niemals, als nur nachts schreiben könnte. Das glaube auch, und weis es gar wohl, wie es auf reisen geht, absonderlich wenn man einen Brief auf einmahl, dort wenns seyn muß, schreiben will. wenn man aber alle Abend, so wie es Wolfg: zu Hause machte, das hinschreibt, was denselben Tage vorgegangen; und das ganz kurz! so darf man am Post-tag nur den schluß machen, und alles ist geschrieben. Nimmt mirs nicht übl, meine liebe Leute: was haben dann ich und die Nannerl itzt für eine Freude in Salzb: als – – die Posttäge? – – sagt es mir! – – Ich bin nun ohnehin niemals sicher ob euch ein Brief am nämlichen Orte antrifft. Wir sind sehr entfernt, und ich glaube wünschen zu können und zu därfen, daß Du in Mmnulfa4 bleiben könntest. Basta! gott wird euch und uns den Weeg seiner heiligsten Vorsehung führen! Am Samstag ist h: Martinelli in der frühe um 5 uhr in die Ewigkeit gegangen, er lag schon einige zeit; das Podagra ist ihm in Magen gekommen. gestern ist er begraben worden. – – Heute montags d 17 ist die Hochzeit des h: Strassers mit der Apot: Tresl: in der Gnigl war die Copulation; die Tafl aber beym Eyzenberger. Meissner ist Menuett-Musique-director. h: Adlgasser und die Viktorl waren eingeladen, weil nur die nächsten Freunde und ohnvermeidlichen Personen geladen werden, deren ohnehin viel sind. Darüber aber die fr: Adlgasserin fast närrisch geworden, weil sie nur zum Tanz eingeladen würde. Sie weinte bey allen Leuten über den affront, den man ihr erwiese, indem sie NB im dritten grad befreund wäre. ò du Esel! und trieb es durch so viele täge, bis der Mann, die Solenne bratwurst! sich entschloß, sie statt seiner zur Mahlzeit zu schicken. da wird sie nun lange weile haben, oder zum besten gehabt werden, dann die ganze Stadt weis den spass, h: Hof Rath Gilowsky ist Brautführer, und das freulein v Dowrawaik zukünftige schiedenhofen ist Kranzlfreulein. Der zweyte Brautführer Franz v Gilowsky und eine Strasser jungfer. Fr. v Barisani [255] und Freulein Louis v Rubini kommen auch auf die Hochzeit, und auf die Nacht der ganze Hof Rath, und alles was sich vom wilden Adl dazu schlagen kann xx: das mag ein ziemliches Gedränge werden! – – Gestern war bestgeber beym schüssen h: Wolfg: Mozart. Die scheibe war allerliebst. Eine Augspurgerin stand rechter Hand undpraesentirte einem jungen Menschen, der Stifl anhatte und Reisefertig war, einen Reise-buschen, in der anderen hand hatte sie ein erstaunlich auf dem Boden nachschleppendes Leinlach, womit sie die weinenden Augen abtrocknete. Der Chappeau hatte auch ein dergleichen Leinlach, that das nemliche, und hielt in der anderen Hand seinen Hut. auf dem das Centrum war, weil es leichter zu sehen war als auf dem Reisebusch. Oben stand geschrieben:


Adieu meine Jungfer Baas! – – – Adieu mein lieber Vetter!

Ich wünsch zur Reise glück, gesundheit, schönes Wetter:

Wir haben 14 Täg recht fröhlich hingebracht;

Das ists, was beyderseits den Abschied traurig macht.

Verhaßtes schicksaal! – – ach! – – ich sah sie kaum erscheinen;

So sind sie wieder weg! – – wer sollte nun nicht weinen? – –5


Das beste gewann herr Zahlmeister. Es war ein abscheuliches Wetter, wir blieben dann zu Hause, und spielten mit der Gilowsky Catherl und Cajetan Andretter (die sich empfehl:) bis nach 5 uhr. – – Den übrigen abend brachten wir zwey wie gewöhnlich mit einander beym Clavier zu. – wir sind täglich alleine; und wenn wir diesen Winter so fortmachen, so wird die Nannerl alles accompagnieren, es mag beziffert oder ohnbeziffert – es mag die leichteste oder allerschwereste Tonart seyn, und es mögen die allerunvermuthesten ausweichungen vorkommen; dann in diesem Stück hat sie in Deinen Compositionen gelegenheit genug sich zu üben: und wir wehlen immer das schwereste und sonderheitl: die Stücke in C, F, etc: mit der 3 minor die wir oft zur übung vornehmen.

Hier ist ein grosser Lermen unter der Kaufmannschaft wegen der neuen Steuer. Die Pfleger haben, wegen den Bauern, bereits ihre Berichte eingeschickt. Man wuste aber nicht wie manns in der Statt [256] angreifen sollte. Und wer sollte diese Commißion übernehmen? Nun gab mañs dem Baron Rheling. – itzt hat der Burgermeister die Kaufleute schon 2 mahl zusammgerufen um eine Unterredung zu halten. – – Sie sagen – sie geben ohnehin – manche – zu viel, und bleiben vest darauf. Vor 2 Tagen sprach h: Triendl bey unserm Hause abends bey einer Stunde mit mir. Er ist erstaunlich aufgebracht! das weitere stehet nun zu erwarten. – – wegen dem h: Hagenauer Architect ist nun die Sache auch in Bewegung, er will fort, und der Fürst sucht ihn immer mit allerhand arbeiten und schmeicheleien aufzuhalten, und kein Entschluß kommt zum Vorschein. Bey solchen gelegenheiten, bin ich allzeit froh, daß Du aus diesen Verdruss hinaus bist. Du hast wohl recht. daß ich den grösten Verdruss wegen der niederträchtigen Begegnung, die Du erdulden müssen, empfunden habe; Das ware es, was mir das Herz abnagte, was mich nicht schlafen ließ, was mir immer in gedanken lag und mich am Ende verzehren muste. – Mein lieber Sohn, wenn Du glücklich bist, so bin ich, so ist Deine Mutter, so ist Deine schwester, so sind wir alle glücklich. Und das hoffe ich von der gnade gottes, und durch das Vertrauen, so ich in Deine vernünftige Aufführung setze. – – Wir sind gott sey gedankt, gesund; ich hoffe seyd es auch, und dann ist alles gut. was seyn will, und seyn soll, wird geschehen; genug wenn man das seinige nach der gesunden vernunft dazu beyträgt. ich meinestheils werde niemals ablassen, für das Wohl meiner Kinder zu sorgen, so viel ich kann, das, was ich kann ihnen zu sagen, zu Lehren, und so lang alle Mühe für sie anzuwenden, so, wie ichs bisher gethañ, bis ich sterbe, als

der alte getreue Mann und Vatter

Mozart


h: Francesco v Barisani sitzt neben mir, und empfehlt sich beyderseits. dfl nmthrefculn Kfndlr dlo Cuhrifrotln, ksnnln lfn gehckefculr haotmud ihr dfcu olfn.6 7

Fußnoten

1 Antwort auf Wolfgangs Brief vom 8. November.


2 Auflösung der Chiffren: du gelegenheit hast mit dem Churfirsten zureden, und auch, wenn es nothwendig ist, audienz bekommen kannst. wann du nur ein halbes Jahr da bleiben kannst, dich in allem zu zeigen, so bist du auch gewis aufgenommen – – und wen so schlechte organisten da sind?


3 orgel


4 Manheim.


5 Satire auf das Augsburger Intermezzo.


6 Auflösung der Chiffren: die naturlichen Kinder des Churfirsten. konnen ein glücklicher umstand für dich sein.


7 Folgen Nachschriften der Tochter und Bullingers.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 3. München/ Leipzig 1914, S. 257.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Hoffmann von Fallersleben, August Heinrich

Deutsche Lieder aus der Schweiz

Deutsche Lieder aus der Schweiz

»In der jetzigen Zeit, nicht der Völkerwanderung nach Außen, sondern der Völkerregungen nach Innen, wo Welttheile einander bewegen und ein Land um das andre zum Vaterlande reift, wird auch der Dichter mit fortgezogen und wenigstens das Herz will mit schlagen helfen. Wahrlich! man kann nicht anders, und ich achte keinen Mann, der sich jetzo blos der Kunst zuwendet, ohne die Kunst selbst gegen die Zeit zu kehren.« schreibt Jean Paul in dem der Ausgabe vorangestellten Motto. Eines der rund einhundert Lieder, die Hoffmann von Fallersleben 1843 anonym herausgibt, wird zur deutschen Nationalhymne werden.

90 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon