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Salzburg den 20ten Novb: 1777


Mon très cher Fils!


So sehr mich Dein schreiben vom 8ten mit einer gewissen Hofnung erfüllte, und uns alle, sonderheitl: auch hl: Bullinger vergnügte; so sehr mißfiel uns Dein schreiben vom 13ten, welches wir zu unserer grossen Verwunderung den 18ten abends erhielten, folglich schon den 5ten tag, da alle die übrigen aufs geschwindeste in 6 tagen eintraffen. Es wäre freilich gar viel besser Du hättest 15 Louis d'or, als eine uhr, die zwar auf 20 Louis d'or geschätzt wird erhalten, denn zum Reisen ist das Geld nothwendiger, ja ohnentbehrlich. Wo werdet ihr nun diesen Brief lesen? – – vermuthlich in Maynz. um des Himmels willen – fur ahot nmcu gled trmcutln!2 Meinen Brief vom 13ten werdet ihr in Mannheim nicht mehr bekommen haben, sondern vermuthlich schon weg gewesen seyn. Ich hab alles vorgesehen – – und wegen Frankfort habe Dir, was mir hl: Leopold Henrich Pfeil geschrieben, umständlich berichtet. – – was nützt nun alles, was ich immer schreiben wollte, was vorbey ist, ist auch nicht zu ändern; und ich hatte nie das vergnügen zu vernehmen, warum ihr schnurgerade in gröster Eyle nach Manheimm eylen mustet. vermuthlich auf vieles Einrathen verschiedener, die es zu verstehen glaubten. und um die schöne temsche opera nicht zu versaummen. Doch es war freylich die Reise nicht schnurgerade: da hl: Becke durch seine bosshafte Marchroute euch wacker spazieren geschickt, weil, wie hl: Bullinger sagt, iederman dort bekannt ist, daß man über Constat und Bruchsal, und nicht über den andern, besten Weg nach Manheim gehen muß: Und ist hl: Becke etwa niemals nach Manheim gereiset? – Die müheselige Reise nach Elwang war vergebens, und diese unnötige Ausgaabe habt ihr der gütte des hl: Becke zu verdanken. – – und war dann der Fürst Taxis schon nach Regenspurg zurück? – – genug! es ist vorbey! – Nun must [258] Du bedacht nehmen nicht nur beym Churf: von Maynz Dich hören zu lassen, sondern es einzuleithen, daß Du ein present in geld bekommst, und wenn es immer möglich ein Concert noch darüber in der Statt geben kannst, indem eine grosse Nobleße da ist, und die ganze Regierung, welches in Mannheim nicht ist, wo die Regierung und das meiste sich in Düsseldorf befindet. Zu allem diesem könnte Dir hl: Concertmeister Kreiser am besten verhelfen und die Sache einleiten. dann wegen dem ersten, weis er selbst, als einer der gereiset hat, daß man baar geld nötiger hat und Du kannst ihm die ganz natürliche Ursache, wenn Du beym Churf: gespielt hast ohne scheue sagen; weil Du erst eine gallanterie in Mannheim bekommen. wegen dem Concert kann er vieles thun, weil er überall in Maynz beliebt ist. Ist er nicht da; so wird Dir die erste Sängerin Franzisca Ursprunger, der ich mich gehors: empfehle Anleitung geben, an wenn Du Dich zu wenden hast. vielleicht an den violonzellist hl: schwachhofer3 dem Sohn, dem mich empfehle, und der Dich auch beym Fürsten von Biberach, der in der Nähe – – und sein Scolar ist – aufführen könnte. Ich rede nun blindlings von Maynz, weil ich es vermuthe, daß ihr da seyd, indem ihr nicht die mindeste Meldung macht, wohin ihr gehen werdet, und daß der nächste Hof ist: wohin euch Post und Trinckgeld etwa 10 bis 11 fl mag gekostet haben. In Maynz wird es Dir nicht an gelegenheit fehlen für (ich danke gehorsamst) dem hl: Chorherrn Stark Claviersachen zu geben, die er dann mit veränderung der schweren Passagen in leichtere seinen Scolaren verhandlen kann. – warum warst Du nicht bedacht dem Churfürsten von Manheim etwas von Deiner Composition zu überreichen? ich gab Dir doch diesen Einschlag Deines Nutzen halber, und auch Deine Composition bekannt zu machen; da war ja doch ein treffliches Instrument-orchester. – ja, Du hattest nicht zeit, daran zu denken. wo wollt ihr nun weiter hingehen? – – Nach Paris? – was wollt ihr für einen Weg nehmen? – wollt ihr nach Paris ohne einige Empfehlungs-schreiben zu haben? – – was für [259] einen Weg wollt ihr nehmen um etwas unterweegs verdienen zu können? – – ohne dieses vorauszusetzen, wisst ihr wohl wie viel geld zu dieser erstaunlichen Reise nötig seyn würde? – – und wenn ihr dann da seyd, an wenn wollt ihr euch wenden? – muß nicht geld genug schon im Sack seyn, um leben zu können, bis man die nötigen bekanntschaften gemacht hat, um etwas verdienen zu können? – – durch Lection geben kann man in Paris vielles machen! dies ist gewiß: allein bekommt man die Scolaren alsogleich, und wird man seinen Meister geschwind abdanken um den erst angekommenen fremden zu nehmen? – Man kann durch Composition, die man stechen läst, vieles gewinnen. ja! aber gehört nicht zu allem diesem eine Protection, ein oder mehr freunde, eine Subscription, und setzt dieß alles nicht eine schon gemachte Bekanntschaft voraus? – – Ich gehe über dieses alles hinaus: so ist doch ganz gewiß, das die Reise und die erste zeit des Aufenthalts einen guten Beutl erfordern. Ihr wißt: dla ulrrln bheefnglr ofnd wfr drlf uhndlrt ghedln ocuhedfg. dla ulrrln wlfolr hblr uhndlrt ghedln. blya Klrocubmhalr wlfo fcu nfcut wfl vfle: lo wfrd ofcu mblr mhcu mhi vflrzfg ghedln blemhiiln. vsn dla wlfblr ocunlfdlr hnd dla amno-ocunlfdlr ksaaln mhi dmo nlhl fmurl mhcu dfl csnts. von andern Kleinigkeiten zu liefcul ghedln nichts zu melden, und hnolrlr tmgefculn sunlntblurefculn mhogmbl. dmo looln ksotlt olur wlnfg: aber es sind ja, sondheitl: itzt fa wfutlr aft usez hnd efcutlrn hnd vfleln mndlrn Kelfnigklftln os vflel mhogmbln, dmo fcu glnhg4 zu studieren habe, alles untereinander zu treiben. ohneracht diesem allem, so bin bereit im falle ihr nach Paris wirkl: gehen wollt, euch aldort seiner zeit eine v orsorge von 20 oder 30 Louis d'or zu machen, in der Hofnung, [260] daß es gedoppelt und dreyfach alda hereinkommen werde: allein haben wir wieder unsern freund grimm aldort? – warum wolte doch das fatale schicksal, daß ihr in Augsp: so nahe beysamm waret, ohne solches zu wissen? – – vielleicht ist er in Paris? vielleicht war er eben da im Begriffe nach Paris zu reisen?. – – wer kann aber das wissen? – – Wie wäre es, wenn der Wolfgang itzt einen Brief nach Paris schriebe mit der Aufschrift à Mr: Grimm Envoyé de S: A: Serenissme: Le Duc de Saxengotha à Paris. in diesem Brief könnte er seine Reise ankündigen, und bedauern, daß sie in augspurg so nahe beysamm waren, da an eben dem abend dasConcert war, oder accademie, wo hl: v: Grimm bey den 3 Mohren abstieg x x: die addresse zur antwort müste nach Coblenz, oder den ort, wo ihr hingehet ihm angezeigt werden: und da immer ein bey der Abreise auf dem Postamt zurück gelassenes Billet, der sicherste Weg ist, die Briefe richtig zu bekommen; so wird, wann er in Paris ist, gewiß antwort erfolgen. Ist er nicht in Paris; so ist nichts daran gelegen, wenn auch der Brief verlohren würde, weil nichts verfängliches darinn stehet, bey solchen Briefen muß man aber die Unterschrift nicht zu tief herab setzen, damit nicht viel weisser Platz darüber bleibt, sonst möchte ein spizbueb, wenn so ein Brief in fremde böse Hände gerieth, den Nahmen herausschneiden und auf den oberhalb stehenden weissen Platz, eine kleine obligation von einigen Louis d'ors hinschreiben. Ich hab es schon 2 mahl erinnert, daß durch ein zurückgelassenes Billet mit anzeige des Orts, man die Briefe am richtigsten bekommt, da dem Postammt daran gelegen ist, den noch nicht bezahlten Brief an seine bestimmung zu bringen. gute freunde, denen man einen Auftrag macht, können es vergessen. Bey der ankunft an einem Orte muß man dann auf der Post öfters fleisige Nachfrage halten. Was ich nun von einer Vorsehung des gelds in Paris gemeldet, würde ich nfcut blwlrkotleefgln ksnnln, wlñ fur fzt fn irmnkihrt lfnfglo gled nlualn oseellt, desswegen müsst ihr itzt ein Prlolnt fn gled zh lrumetln trmcutln5. oder in allem falle auch sehen, daß eine Dame es [261] übernehmen möchte die hur6 unter der Nobleße mhoopfleln7 zu lassen, wie es La Motte in Prag mit allen alda erhaltenen gallanterien gemacht hat. Das könnte hl: v Dalbergs8 schöne Frau thun. hl: Krauser weis das am besten zu machen. – – das ist nun noch lang nicht alles! Die Mamma wird, auf meine Frage vom weg nach Pariß sagen: wie werden wir reisen? – – wir werden halt den alten Weeg nehmen, wie vormahls. Die Mamma wird sich erinnern das 34 Posten sind: Es ist aber zu bemerken, daß ihr die chaise nicht mehr brauchen kennt, man würde auch 4 Pferd mit 2 Postillions versehen einspannen; da hilft nichts dafür, und in Brabandt haben die Posten von Brüssel nach Valenciennes 4 Pferd 44 fl gekostet. zu Valencienns muste 6 Pferd nehmen. Da müste nun die chaise verkauft, und mit der Dilligence gegangen werden. NB ich glaube auf diesen französ: Strassen gehet die Dilligence nicht bey der Nacht. über diesen Punckt muß schon itzt bey den Postämmtern aller orte Nachfrage gehalten werden: dann die chaise kann man nicht über Hals und Kopf am letzten Orte verkauffen und in der Noth sich abdrucken lassen: man müste schon eher darauf bedacht seyn. Ihr seht daraus, daß man bedacht seyn muß lange voraus mir zu schreiben alles, was man zu thun gedenkt, da die Brief einen allzu weiten weeg zu gehen haben, um Antwort zu erhalten. Euch die Post-stationen vonBruxelles bis Paris zu überschreiben, erspare auf den nächsten Post-tag. Nur bitte mir euere gedanken zu schreiben wie ihr eigentlich euere Reise fortzusetzen gedenket.

Der Fürst von Chiemsee ist zu Zeil in schwaben vom Podagra überfahlen worden, sonst wäre er längst in München, man erwartet ihn alda, und wenn Du ihm itzt nach München schreibst, wird er gewiß schon da seyn. Mir scheint München gefällt Dir besser als Manheim. Mir wär München lieber; wenn gleich das orchester in Manheim gut ist; so gefällt es mir nicht, daß sie keine Sänger haben. [262] und ist doch alle Jahre eine abwechselung von Sängern und Maestri bey der opera. Woltest Du denn nicht dem FürstZeil schreiben, daß er dem Churfürsten und gr: Seeau den vortrag machen möchte, daß er Dich nur auf ein oder 2 Jahre nehmen möchte, wie ers mit den Castraten zu machen pflegt. daß Du kein Decret verlangst – –, daß Du ein junger Mensch bist, der es gar nicht sucht, sondern noch jung genug ist sein glück in der Welt zu machen, daß Du aber eine ohnwiderstehliche Neigung hast dem Churfursten auf eine ihm selbst beliebige Zeit zu dienen. Du könntest dem Fürsten auf einem extra blath schreiben, daß es SrExc: des hl: gr: Seau schaden nicht seyn würde, indem Du Dich verbindest seine teutsche Singspiele recht herzurichten. und wolltest versicherung und einen schriftlichen Revers abgeben, daß Du dem Churf: nicht angehen oder plagen wolltest Dich länger, als die Bestimmte Zeit zu behalten, wenn nicht Höchstderselbe dazu geneigt wäre x: – – Mein gedanke ist dieser: Du wärest hier näher bey Italien, kommt eine Scrittura, und bist Du in München, so lasst er Dich gehen und der gehalt geht fort. kommt itzt keinScrittura, so ist dieser Dienst der Weeg desto gewisser einen zu bekommen, und hundert sachen, die Du selbst weist. Man hat erstaunlich viel Herrschaftl: schlösser und Klöster um München herum, und beständig mit jagen, Reiten und fahren unterhaltung genug wenn man einmal bekannt ist; gelegenheit zurComposition für die Kirche und das Theater: und im Winter mehr unterhaltung als an allen Orten die ich kenne. – Ich muß schlüssen. Wir beyde Küssen die liebe Mamma und Dich und bin der alte Mann und vatter

Mozart


Heute haben wir keinen Brief von euch, vielleicht kommt einer morgen mit der freytag post. von der deutschen opera, wer hat sie Componirt? wer hat, und wie wurde gesungen? – kein Wort! von der Accademie, wer spielte, wer sang, wer Bließ und Pfieff, schöne Musik? kein Wort! es seyds rahre Leute! – ja doch die Mamma schrieb: bey deropera war eine schöne Musik. da haben wirs, das übrige – schmecks! – Was waren dann für violin Concertspieler [263] da? – – hl: Fränzl?9 – – schmecks! und der Philosoph und brosentrockene Raaff? – schmeks!

Fußnoten

1 Antwort auf Wolfgangs Brief vom 13. November.


2 Auflösung der Chiffren: ihr müst nach geld trachten!


3 Joseph Schwachhofen stand nebst seinen Brüdern im Dienst der Mainzer Hofmusik.


4 Auflösung der Chiffren: dem herren bullinger sind wir drei hundert gulden schuldig. dem herren weiser über hundert gulden. beym Kerschbaumer weis ich nicht wie viel: es wird sich aber auch auf vierzig gulden belauffen. von dem weiber schneider und dem mans-schneider kommen auf das neue iahre auch die conto. von andern Kleinigkeiten zu etliche gulden nichts zu melden, und unserer täglichen ohnentbehrlichen ausgabe. das essen kostet sehr wenig: aber es sind ja, sondheitl: itzt im winter mit holz und lichtern und vielen andern Kleinigkeiten so viele ausgaben, das ich genug


5 Auflösung der Chiffren: nicht bewerkstelligen können, wenn ihr izt in frankfurt einiges geld nehmen solltet, desswegen müsst ihr itzt ein Present in geld zu erhalten trachten.


6 uhr


7 ausspielen


8 Heribert von Dalberg.


9 Ignaz Fränzl (1736–1811) gefeierter Violinist, seit 1774 Konzertmeister der Mannheimer Hofkapelle.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 3. München/ Leipzig 1914, S. 264.
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