151.[264] 1

Salzb: den 24ten November 1777


Mon très cher Fils!


Ich weis in der That nicht was ich schreiben soll, so sehr war ich über euer letztes vom 16ten betroffen. mir wurde mit der grösten Leichtigkeit erzehlt, daß hl: schmalz, vermuthlich der vatter, bruder oder befreunde des hl: schmalz bey der Lederfabrik in München, oder etwa gar er selbst, sich entschuldigte daß er keine anweisung hätte Dir geld zu geben. Das glaube ich gerne; er hatte auch recht: dann Du hättest den hl: Herzog, oder die Noker und schiedliche Handlung darum ersuchen sollen, Dir einen kleinen Credit weiter zu verschaffen, wie ich es zu thun pflegte: dann sie hatten vom Hagenauerschen Hauß keine ordre diesen Credit auf andre Orte zu erweitern, und aus der buchstablichen ordre geht kein Kaufmann: auf Dein Ersuchen würde er es Dir aber gethan haben. Dieser Zufahl wurde mir aber so natürlich und gleichgültig erzehlt, als wenn ich alle kästen voll geld hätte, und mich nur ganz erschröcklich darüber aufhalten würde, daß nicht augenblicklich die Bezahlung erfolgte. Ich will mich mit weitläuftiger Beschreibung unser Umstände nicht aufhalten, Du weist sie selbst, und die Mamma weis solche eben so gut, und in meinem schreiben vom 20ten habe alles das gröste angeführt und noch eine ziemliche ohaam eines wmurln Csnts beym Hagenauer vergessen, wo wir doch itzt keinen krlhzlr mhiocurlfbln emooln2. Das, was mich am meisten bey Erhaltung des letzten schreibens in verwunderung setzte, war, daß Du auf einmahl mit dieser geschichte zum vorschein kahmst, ohne mir etwas [264] im vorhergehenden Brief zu melden, wo es nur heisst, daß zum Reisen das geld nötiger und besser gewesen wäre als eine gallanterie; da ihr doch schon damals gewust, daß ihr schlecht bey geld seyd. Ich würde also, wenn hl: schmalz willfährig gewesen wäre, ohne von euch die mindeste vorläufige Nachricht gehabt zu haben, in einem Augenblick, wo ich es nicht vermuthet hätte, eine Bezahlungs Anweisung auf dem Hals gehabt haben. Das ist in der That schön! – – Ich lasse es deiner überlegung in Betracht aller meiner Umstände über. von augsp: schriebst Du mir, daß ihr nun nicht mehr, als um 27 fl in verlurst stehet. – Nun machte ich die Rechnung, daß, wenn ihr auch um 30 fl zurückstehet, so habt ihr 170 fl. hat euch nun die dumme Reise über Wallerstein nach Manheim 70 fl gekost. so sollten euch 100fl in Händen geblieben seyn. hat sie euch mehr gekostet, so sollte euch denn nicht so viel übrig geblieben seyn um die Reise nach Maynz machen zu können? wo ihr dann nahe an Frankfort würdet gewesen seyn, um in allem höchstnothwendigen falle etwas vermög des zweyten Credit Briefes vom hl: Bollongari aus Frankfort zu beziehen. Dann hättet ihr nur därffen bey einem Kaufman in Maynz nachfragen, der mit hl: Bollongari in Correspondenz stehet; der hätte es übernommen den Credit Brief an hl: Bollong: zu schicken, und das verlangte zu beziehen. wäre das nicht vernünftiger gewesen, als in Manheim herzusitzen und das geld ohne Nutzen zu verzehren: da ihr um dieses geld vielleicht die Reise, die euch etwa 15 oder 16 fl würde gekostet haben, hättet machen können. Da bis worms nur 1 und 1/4tl bis oppenheim 2. bis Maynz 1. folglich in allem nur 3 und 3/4 Posten sind. und hättet ihr bey der Ankunft auch wenig oder kein geld, so sind bekannte da, die euch beystehen, und kein Cavalier hat sich zu schämen, wenn er keinen Kreuzer geld im Sack hat, im gegentheil aber einen Credit-Brief aufweisen kann: dann dieß kann dem reichesten und vornehmsten geschehen, ja es ist eine Maxime beym Reisen, wenns möglich, nur das nothwendige geld bey sich zuführen. Ich rede blindlings immer von Maynz, aus natürlicher vermuthung, weil ich in keinem einzigen Brief von euch iemals mit der Nachricht bin [265] beehret worden, wo ihr hinzureisen gedenket, nur den letzten augenblick schriebst Du mir von augsp: morgen werden wir nach Wallerstein gehen; und hl: Stein schrieb mir sie sind nach Wallerstein und Manheimm Sontags um halbe 8 uhr abgereiset. Da doch solche sachen einige Zeit voraus sollten geschrieben werden, da ich manchmahl nützliche Anstalten und Erinnerungen machen könnte; wie ich wegen Frankfort, durch meine schreiben an hl: Otto und Pfeil zu thun bemühet war. – – freylich gehet euere Reise mich nichts an! nicht wahr? – – Von Mannheim könntet ihr freylich noch einen ganz andern Weeg genommen haben: nämlich nach Würzburg, und von da zum Margrafen nach Darmstatt herunter, dann Frankfort – Maynz. allein wie kann ich euere gedanken errathen, oder euch einen Vorschlag machen, da ich niemals zu Rath gezogen werde, und nicht wuste wie die Sachen in Manheim stunden, ja nach Deinem schreiben (ws dh ast dla Cuhrifrotln os vlrtrmht zh oprlculn glelglnulft uattlot)3 ganz andre Absichten und einen langen Aufenthalt alda vermuthen muste; welches alles, was deine Meinung, Neigung, Absicht x: seyn möchte also gleich bey Zeiten aufrichtig hätte sollen berichtet werden, da die Briefe mit Empfang und Antwort, wenn sie auch richtig gehen, 12 Täge zu lauffen haben. aber auch dieses hast Du zu überdenken Dir keine Mühe genommen, indem Du mir im letzten Brief unterm 16ten schreibst, ich könnte Dir also noch nach Manheim schreiben, da du doch diesen Brief erst nach 12 Tägen aufs geschwindeste, und also erst den 28ten erhalten könntest: wo unterdessen hl: Herzog längst geantwortet, und Du abgereist seyn wirst. Deinen Brief hab aber erst den 21 am freytag zu unserm Hochzeittage als ein present erhalten, konnte demnach vor dem 24ten nicht antworten; Du wirst ihn also den 1ten oder 2ten December, gott weis wo, lesen. Ihr müst nicht glauben, als wüste ich nicht, wie viele nebenausgaben auf Reisen vorkommen, und wie das geld weg fliegt, sonderheitlich wenn man zu freygebig, oder zu gut ist. Mein liebes Weib, hat sich gerühmt, daß sie frühe aufstehe, sich nicht aufhalte, [266] und alles geschwind und Hauswirthschaftlich machen werde. 16 täge in München. 14 täge in Augspurg und nun von Deinem letzten Briefe den 16ten Novb: 17 täge in Mannheim welches mit abwartung der Antwort von Augsp auf 3 Wochen kommen wird. Das ist in der That Hexerey; ihr seyd erst 8 wochen, folglich 2 Monate weg, und schon in Mannheim? – – Das ist ohnbegreiflich geschwind! Da wir nach Engelland reisten, waren wir 9 tägein München, waren beym Churf: und Herzog Clement, und musten auf das present warten. – wir waren 15 täge in Augsp:, gaben aber 3 Concert alda, nämlich den 28 und 30 Junij und den 4ten Julij. – wir sind den 9ten Junij von Salzb: abgereist, sind erst den 12ten in München eingetroffen, weil in Wasserburg neue Räder gemacht wurden, und sind doch den 13ten Julij in schwetzingen gewesen. obwohl wir uns auch in Ulm, Ludwigsburg, und Bruchsal aufgehalten. Ihr sehet also, daß der Lange und unnötige aufenthalt alles verderbt, der schönste Herbst, der bey Mannsgedenken gewesen, ist so dahin gegangen, und bis itzt habt ihr eine Spazierreise gemacht, und ist die zeit mit Unterhaltung und spaß dahingegangen: Nun ist die üble Witterung, der kurze Tag, die kälte schon da, und wird noch mehr kommen, und die aussieht, das ziel, kostbar und entfernt. Den ganzen Winter kann man nicht reisen; und wenn man bleiben will, so muß es in einer großen Statt seyn, wo welt ist, wo zum verdienste Hofnung und gelegenheit ist: und wo ist ein solcher Platz in der ganzen gegend? – ausgenommen Paris: – – In Paris zu leben gehört aber ganz eine andere Lebens art, eine andere gedenkungsart, aufmerksamkeit, tägliches Nachdenken etwas zu gewinnen, und die äusserste Politesse sich bey Personen von Stande zu insinuiren dazur: davon ich das mehrere in meinem nächsten Briefe schreiben werde, wo ich euch auch meine gedancken wegen einer etwa zu nehmenden ganz andern Strasse eröffnen werde, um, wie glaube, geschwind nach Paris zu kommen. nämlich von Coblenz nach Trier, Luxenburg, Sedan wo hl: Ziegenhagen der mit hl: Wahlen bey uns war, seine Tüchersabriek hat, und vielleicht ist er da. Dann nach Rethel Reims, Soissons nach Paris. NB. von Paris nach Rethel [267] sind 22 französische Posten. VonRethel ist ein kazensprung nach Sedan – – Luxenburg auch nicht weit und Trier gleich an Luxenburg.Luxenburg, eine ansehnliche Vestung, wo viel officier seyn werden. Rheims und Soissons sind grosse Hauptstätte. Hier läst sich aller Ort eher etwas verdienen um die Reisekösten zu gewinnen, weil die virtuosen sehr selten an solche Plätze kommen. Da hingegen von Brüssl bis Paris 34 Posten zu machen sind, die uns 20 Louis d'or gekostet mit 6 Pferd, ohne einen Kreuzer einzunehmen. und von Coblenz bis Brüssl ist nichts zu machen als vielleicht beym Churf:von Cölln. vielleicht? – und was in Brüssi? – – – – – unterdessen mag ein Weeg genommen werden, was für einer will, so sorge für Recommendations briefe nach Paris, von wem sie immer seyn mögen, – Kaufleuten, Cavagliers xx: und ist nicht etwa ein französ: gesandter, oder Resident in Maynz oder Coblenz? ich glaub nein. Du hast gar keine Empfehlungsschreiben, und ich hatte deren eine Menge; sie sind höchst nothwendig, um sich gleichprotection und bekanntschaften zu verschaffen. So eine Reise ist kein Spaß, das hast Du noch nicht er fahren, man muß andre wichtigere gedanken im Kopf haben, als Narrenspossen, man muß hundert sachen voraus zusehen bemühet seyn, sonst sitzt man auf einmahl im Dreck, ohne geld, – – und wo kein geld ist, – ist auch kein freund mehr, und wenn Du hundert Lecktionen umsonst giebts, Sonaten Componierst, und alle Nächte, statt wichtigern Dingen, von 10 uhr bis 12 uhr Saureien machst. Begehre dann einen geldCredit! – Da hört aller spaß einmahl auf – und im augenblicke wird das lächerlichste gesichtganz gewiß ernsthaft. Ich tadle Dich keineswegs, daß Du Dich durch freundschafts Stücke das Canabichische Hauß verbündlich gemacht, es war sehr wohl gethañ: allein einige sonst müssige abendstunden hättest Du Deinem für Dich so sorgfältigen vatter schenken, und ihm keinen in der geschwindigkeit hingeschriebenen Mischmasch, sondern einen ordentlichen vertraulichen Bericht, von euren gemachten Reisekösten, von eurem noch übrigen geld, von der in zukunft vorzunehmenden Reise, von Deiner Absicht in Manheimm xx: umständlich niederschreiben und Dich Raths erhohlen sollen; das hoffe wirst Du [268] selbst vernünftig einsehen. dann auf weñ fällt dann endlich alles zurück, als auf Deinen armen alten vatter. Da ich den 21ten, wie oben gesagt, Deinen Brief erhielt; konnte vor dem Heutigen tage nichts antworten. gestern den 23ten habe bey der hl: Dreyfalltigkeit meine Beicht verrichtet und euch beyde mit weinenden augen dem schutz des allmächtigen gottes empfohlen. Nachmittag war Bölzl schüssen, das der Cajetan Andretter gab: ich gewann das beste. hl: Bullinger, der sich empfiehlt, war über Deinen Brief auch etwas betroffen, und bey diesen ernsthaften umständen, schien mir, daß ihm Dein spaß mit der offnen schuld nicht sehr gefiel. um halbe 6 uhr bin ich noch zu hl: Hagenauer gegangen, um ihn zu bitten: daß wenn hl: Nocker und schiedl mit der Post ihm keine Nachricht giebt dir etwas angewiesen zu haben, daß er mit dieser Post desswegen nach Augsp: möchte schreiben lassen. Heute frühe gieng ich abermahl in Laden und sprach mit dem hl: Joseph. Ich fand, daß sie von Nocker und schidl zwar Briefe hatten; aber von Dir ward nichts gemeldet. Er versprach mir heute zu schreiben. Nun hab für alles gesorgt; und hoffe Du wirst entzwischen geld erhalten haben, die Nocker und schiedlische Handlung wird es dann erst berichten, wenn sie wissen, wie viel Dir gegeben worden. NB Es ist alzeit besser, wenn man wo geld nimmt, daß man nicht gulden weis, sondern Stück weis nimmt z: E: 6, 7, x: Louis d'or, Carolin, oder was es ist. Nun habe ich Dir alles gesagt wie es mir ums Herz ist, und wie es die gottliebende Wahrheit ist. Du wirst es erst einsehen lernen, daß es kein spaß ist so eine Reise zu unternehmen und vom zufälligen geldeinnahm leben zu müssen: wo man vor allem gott inständigst um die gesundheit bitten vor schlechten Leuten sich wachsam hütten, und mit allem, was man weis und kann geld zu verdienen, und solches dann mit gröster Hauswirtschaft ausgeben muß. Mir ist lieber auf der Reise daß mir ein Mensch, dem ich etwa zu wenig gebe, und ihn in meinem Leben nicht mehr sehe, mir nachsagt, ich wär ein Psennigsuxer, als wenn er, da ich ihm zuviel gebe, mich noch hinten darein auslacht. Das Papier ist voll, und ich, sondheitl: meine augen müde.

[269] Ich und die Nannerl wünschen euch die beste gesundheit, Küssen euch von Herzen millionmahl und ich bin der alte Mann und Vatter NB nicht Sohn

Mozart


Hoffe ihr werdet meinen Brief vom 20ten erhalten haben, wo ich dir gemeldet habe daß Du an M: Grimm nach Paris schreiben könntest, auch was Du an Fürsten in Chiemsee nach München schreiben sollst. mit nächster Post, werde alle Posten nach Paris und meine Meinung x: auch die Lista aller unserer ehemaligen bekannten in Paris übermachen. addio

Fußnoten

1 Antwort auf Wolfgangs Brief vom 16. November (92).


2 Auflösung der Chiffren: summa eines wahrenConto beym Hagenauer vergessen, wo wir doch itzt keinen kreuzer aufschreiben lassen.


3 Auflösung der Chiffren: (wo du mit dem Churfirsten so vertraut zu sprechen gelegenheit hattest)


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 3. München/ Leipzig 1914, S. 270.
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