152.[270] 1

Salzb: den 27 Novemb. 1777


Mon très cher fils!


Dein schreiben vom 20t dies auf einem blätl Papier, weil keins mehr zu Hause war, hab ich Dienstags den 25t, also schon den 5t Tag erhalten. allein ich fand, wie gewöhnlich, nicht ein Wort dariñe ob ihr seit dem einen Brief von mir erhalten, indem ihr doch den vom 13t solltet empfangen haben, da es vom 13t bis 20t Sieben Täge sind. überhaupts habe schon einmahl euch gesagt, daß bishero alle Post-täge geschrieben habe: und da ihr wist, daß hier die Post nur Montags und Doñerstags gehen. so könnt ihr sicher wissen ob ihr alle Briefe erhalten habt, und es ist ja doch keine Mühe mit zwey oder 3 Worten gleich anfangs zu sagen: dein schreiben von – – – habe erhalten. Eben so wenig finde ich nur ein Wort, wohin euere Reise gehen wird, oder was ihr sonst zu unternehmen gedenket: ich mag von einem Brief zum andern mir Hofnung machen, wie ich will; immer – Nichts – nicht ein Wort! – Die Absicht der Reise, und zwar die nothwendige Absicht, war und ist, und muß seyn, lfnln dflnot2 zu bekommen, oder gled zh lrwlrbln.3 Bis itzt [270] hat es weder zu dem einen, noch zu dem andern einiges ansehen; es wäre denn, daß es nur für mich ein geheimniß seyn müsste. Von München hast Du mir recht umständlich von allem Nachricht gegeben: da wuste ich nun wie die Sachen standen; und weis bis itzt noch mich darnach zu richten, und auch auszudenken, was man, wenn man wollte, für Maasregeln nehmen könnte, um etwas durchzusetzen. Von Augsp: hast Du auch alles berichtet – nur Dich aller orten zu lange aufgehalten – wenigst laß man doch etwas zh dlfnla Rhua fn dln zlfthngln.4 Dort erwartete ich schon, auf meine gemachte vorschläge, die Reise betreffend, eine Antwort, wohin ihr reisen werdet, und warum dieses, – und nicht jenes – – allein, – kein Wort! – – und itzt kommt in Mannheim eine gseedlnl hur, hnd klfn gled;5 – da sitzen wir schon im Dreck: und dennoch nicht eine Sylbe. wie ihr eure künftige Reise anstellen wollt. – Ich denke mir schier das Hirn aus dem Kopf – und schreibe mir die Augen blind; Ich möchte für alles voraussorgen: und ihr seht alles als eine Kleinigkeit an, seyd gleichgültig, bindet mir die Hände euch zu rathen und zu helfen, da ihr mir nicht ein Wort sagt, wohin ihr nun reisen werdet. Ich will euch den klaren Beweis einer unvergeblichen unbesonnenheit machen. Da Du mir nicht ein Wort sagst, daß dh fn amnulfa zh belfbln euot6 hättest, oder das desswegen Du blya Cuhriflrotln lfnfgl aledhng.7 oder sonst einen schritt gethan: so ist auf nichts, als auf eine fernere Reise zu gedenken. Du wirst also, wie ich schon in meinen vorigen Briefen Meldung gethan habe, gedenken nach Paris zu gehen. – Du magst nun einen Weeg einschlagen, was Du für einen willst, so kannst Du weder wissen noch gewis hoffen, so viel geld unterweegs zu verdienen, als zu dieser kostbaren Reise nötig ist. Ist euch beyden denn also der gedanke niemals eingekommen, daß man auf einem Platz dieses weiten Weeges für einen Credit auf allen fall sorgen muß? fur olfd fzt lrot fn amnulfa8, und ihr seyd schon in dem fahl. Wenn ihr über Maynz hinaus seyd, [271] so könnt ihr aus Frankfort nichts mehr beziehen: nehmet ihr nun itzt geld in Manheim, so werdet ihr ja, mit gottes Hilfe, in Frankfort, wo ohnehin nichts zu thun ist, nichts nehmen därfen. folglich kann man hoffen, daß ihr in Maynz, Coblenz und Bon bey diesen 3 Churfürsten so viel machen werdet um nachBrüßl zu kommen. Wir sind damals von Bon nach Cöln, von Cölln über Jüllich nach Achen, von Achen nach Lüttich gegangen: dann von Lüttich über Tirlemont nach Brüßl. Achen und Lüttich sind theuer Platze, wo im Winter in Achen gar niemand ist. Den geradesten Weeg finde in der Land Carthe, wo die weege alle angemerkt sind von Cölln gerade zu nach Mastrich so höchstens 14 deutsche Meile betragen wird. von Mastrich gehet der weeg über Tongers (oder Tongern auf deutsch) – St. Trou – Tirlemont – und Löwen schnurgerad nach Brüßl. – Es sind von Mastrich nach Brüßl nicht mehr als 14 deutsche Meile. folglich von Cölln bis Brüßl 28 deutsche Meile. Es ist also um 3 Meile weiter von Cölln nach Brüßl, als von Salzburg nach Augspurg, wo 25 Meile sind. Das will also nicht viel sagen. – Nun, da ihr mit der Post gehet, und euch also nach belieben aufhalten könnt; so wären Mastrich und Löwen 2 ort, sonderlich das letzte, wo viel volk und eine grosse universitet ist, wo etwa ein Concert aufzuführen wäre. das ist so zu thun: man fragt den Wirth um den Capellmeister, Musikdirecktor des Orts; oder da kein solcher da ist, um den berühmtesten Tonkünstler. Man läst sich zu ihm führen, oder nach den Umständen seines Ranges, ihn zu sich bitten, und spricht mit ihm; so weis man gleich ob die kösten des Concerts gross sind, ob man einen guten flügl bekommen kann – ob man ein Orchester bekommen kann, ob Liebhaber da sind – – man wird vielleicht also gleich zu iemand geführt, der aus Liebhaberey die Sache betreibt und sich annimmt x: kurz, man findet geschwind die Wahrheit, ob was zu thun ist oder nicht – und dieß in Reisekleidern, ohne etwas abzupacken: nur ein paar schöne Ringe angesteckt x: Das ist alles, wenn man etwa beym Besuche einen flügl antreffen sollte und spielen wollte. und da an solchen orten selten grosse Violinspieler [272] sind, könntest Du ein für das accompagnement leichtes Concert spielen: – allein die violin hängt am Nagl: das bilde mir schon ein. – – – auf Löwen hätte ich einiges vertrauen: wo wir NB beym Wilden mann abstiegen und sehr gut gehalten wurden: indem wir 5 Personen über Mittag nur 2 fl 30 xr bezahlten. auf Mastrich habe kein vertrauen.

Nun auf das vorige wegen einem Credit zu kommen; so solltet ihr ja darauf gedacht haben mir von der fortsetzung euerer Reise zu schreiben, da ihr klar sehet, daß ihr in Brüßl einen Credit haben müsst, weil man alle fälle ohnmöglich vorsehen kann, und da der Weeg so erstaunlich weit ist, so könnte man ja die Sache nicht so geschwind machen, und ihr wäret dann in gefahr 2 oder 3 wochen herzusitzen und das geld ohne Nutzen zu verzehren. den anderen Weeg über Trier und Luxenburg, wovon ich euch letzlich geschrieben getraue euch nicht zu rathen, er möchte übl ausschlagen, und ich wüsste nicht ob an einem einzigen dieser orte etwas zu thun wäre. da hinunter am Rhein sind doch 3 Churfürsten und Brüßl: und vielleicht auch Löwen. Die überlegung und der gesunde Vernunft wird Dich überzeugen, daß Nachdenken, und mühesam-standhafte vorsorg nothwendig ist; daß ich nicht aus unnöthiger Besorgniß, aus furchtsam melankolischer Einbildung alles dieses schreibe, sondern aus der Erfahrung rede. Nun erwarte wo ihr seyd, wo ihr hingehet – um fernere veranstaltung machen zu können. Mein Liebes Weib schreibt immer sehr wenig und da sie uns doch Nachricht giebt, wo sie zum speisen eingeladen, so wissen wir doch, daß sie gesund ist – gott gesegne es! und erhalte euch beyde gesund! wir sind, gott sey Dank gesagt, auch wohlauf, und leben so gut wir können unter uns, da die Nannerl alles besorgt, und mein Tag so hingehet, theils mit meinen vielen Kirchendiensten, mit den scolaren, euch dann schreiben, und abends mit der Nannerl von halbe 6 uhr bis halbe 9 uhr längstens beym Clavier zu sitzen. alles empfehlt sich – h: Bullinger, h: Göth, die eben bey mir sind – Igf: Sallerl – Mitzerl; Hagenauerische, Andrettnerische, gilowsky Cath: die fr. Moshammerin das ist Controlormariandl x: x: die nicht einmahl wuste, daß Du [273] weg-gereiset warest. wir küssen euch millionmahl und bin ewig der alte Mann und Vatter

Mzt


h: P: Guethrath vice Rector ward abermahl vom schlag gerührt und starb.

Den 3t oder 4t December wird die Copia Deines Portraits, das unvergleichlich getroffen worden, mit dem Herrn Triendl nach Botzen, und von da nach Bologna abreisen.

Dein Portrait ist schon in einem schwarzen Rahmen mit gut vergolter Leiste aufgemacht.

auf der scheibe des letzten schüssens, war der Ritzen Bogen, die gilowskische Barbierstube und die Catherl9 schaute zum fenster heraus, ein langer Mensch macht ein Compliment hinauf, ein ander kleiner schlieft ihm unter dem Arm durch und macht auch seine verbeugung hinauf, aus dem Munde des einen gehen die Worte: Dero gehorsammster Diener mein Engl! Der andre sagt: unterthänigster Diener mein schatz! alles sehr gut gemacht. Ich schrieb dazu:

das Kätchen schaut zum fenster 'naus, es giebts viel Complimenten von Cammerdienern, Trugseß, Räth, und wärns auch Studenten.

am Dienstag ist das Nahmens Fest; da wird sich mancher streichen, der kleine schlüpft gschwind unten durch, und wird das ziel erreichen.

Man erwartet alle Täge schlechte Commoedianten aus einer Wienerischen Vorstatt, dem Prinzipal ward schon diesen Sommer die Erlaubniß abgeschlagen, indem er zu schlecht wäre, da nun aber Wahr und schopf abgeschrieben, so hat man diese selbst ansuchen müssen, die man ehemals nicht gewollt, und obwohl man sie für zu schlecht hielt, itzt mit harter Mühe bekommen.

gestern Nachts um 8 uhr kam ein Cancellist von der Wienerischen Königskanzley zu uns, um uns vom h: von Prean ein Compt: abzulegen, er ist heut wieder in der frühe mit dem Postwagen nach Insprugg dem ort seiner bestimmung fort. Prean hat nun 1500 fl [274] gehalt und ist wirkl: Registrator. h: grill hat 1000 fl und ist unter registrator.

Fußnoten

1 Antwort auf Wolfgangs Brief vom 20. November.


2 Auflösung der Chiffren: einen dienst


3 geld zu erwerben.


4 Auflösung der Chiffren: zu deinem Ruhm in den zeitungen.


5 golldene uhr, und kein geld;


6 du in manheim zu bleiben lust


7 beym Churfiersten einige meldung


8 ihr seid izt erst in manheim,


9 Katherl Gilowsky.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 3. München/ Leipzig 1914, S. 275.
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