154.[280] 1

Salzburg, den 4t Decemb: 1777.


Mein Liebes Weib, und lieber Sohn!


Daß ihr dasjenige, wo von ihr mir schreibt nun habt abwarten müssen, da habe nichts dagegen einzuwenden, auch ist von allem dem was wieder meine Meinung und wieder unsern Nutzen, ia was zum offenbaren schaden auf euerer Reise vorgegangen, nicht mehr zu melden, indem es vorbey, und nicht mehr zu ändern ist. – Daß Du mein Sohn mir aber schreibst, daß alle Speculationen überflüssig sind, und nichts nützen, daß wir doch nicht wissen werden was geschehen wird; das ist in der That [280] ohne alle überlegung in den Tag hinein gedacht – und gewiß unbesonnen hingeschrieben. Daß alles nach Willen Gottes gehen wird und muß, wird kein vernünftiger Mensch, will nicht sagen Christ, läugnen. folgt aber daraus, daß wir blind dahin handeln und für alles ohnbesorgt leben, keine Anstalten treffen und nur abwarten sollen, bis etwas oben von sich selbst beym Dache hereinfliegt? – – Verlangt nicht Gott selbst und die vernünftige Welt von uns, daß wir bey allen unsern Handlungen die folgen und daß Ende nach unsern menschlichen vernunftskräften zu überlegen und so viel uns möglich vorauszusehen uns bemühen sollen? – – wenn dieses nun bey allen unsern Handlungen nötig ist: um wie viel mehr ist bey gegenwärtigen Umständen, auf einer Reise nothwendig? oder hast Du, etwa nicht schon die folgen davon? – – Ist es etwa schon genug, daß Du den Schritt blya Cuhrifrotln, ha dln Wfntlr dm zh belfbln2 gethan hast? – – mußt Du nicht – oder hättest Du nicht schon längst auf den Plan denken sollen, der zu ergreifen ist, wenn die Sache nicht gehen sollte: und hättest Du nicht längst mir davon Nachricht geben und meine Meinung darüber hören sollen? – – Nun ja – itzt schreibst Du – was? wenn wir allenfalls von hier wegreisen sollten so gehen wir schnurgerade nach Weilburg zur Prinzessin von Nassau Weilburg (für die Du die Sonaten in Holland gemacht) x: – dort bleiben wir, so lang uns dfl siifcflr-Tmile3 schmeckt – was für einannectode ist diese! Dieß ist die Sprache, wie alles das vorhergehende, eines dloplrmtln,4 wodurch er sich selbst undmich tröstenwill. – ja, es kommt noch eine usinhng5 von 6 Louisd'or dazu, und das wird alles gut machen. – Nun frage ich, ob Du gewis weist, daß die Prinzessin da ist: dann ohne ursache kann sie nicht da seyn, indem der Sitz ihres Herrn, vermög seines Soldatenammts, im Haag ist. hättest Du mir nicht längst eine Meldung davon machen sollen? – eine andre frage ist – ob Du nicht besser thun würdest nach Maynz – und dann von da über Frankfort nach Weilburg zu gehen: denn von Manheimm wird dich[281] doch nach Weilburg der Weg über Frankfort treffen: und da Du dann doch nicht immer in Weilburg bleiben wirst, so führt Dich der Weeg nach Maynz wieder über Frankfort. Wenn Du aber vorher nach Maynz gehest und dann nach Weilburg, so wirst Du von Weilburg nach Coblenz einen nahen Weeg vermuthlich über Nassau haben. oder willst Du Maynz, wo wir so viel gute freunde haben gar vorbeygehen? wo wir doch, ohne beym Churf:, der Krank war, zu spielen in 3 Concerten 200 fl eingenohmen. Sage mir, mein lieber Sohn, sind das nun ohnnötige Speculationen? – – Die liebe gute Mamma sagte mir, ich werde Dir schon fleisig Rechnung machen von unsern Ausgaben. gut! genaue Rechnung verlang ich nicht, und dachte niemals daran solche zu fordern; allein Bey eurer Ankunft in Augsp: hättet ihr mir schreiben sollen, wir haben so viel bey Albert in München bezahlt, durch die Reisekösten ist uns so vieles weggegangen, daß wir noch so oder so stehen. von Augsp: schriebst du das; nämlich daß ihr nach der Einnahme des Concerts um etlich und 20 fl in Verlurst stehet. Von Manheimm hättet ihr in dem at Brief wenigst schreiben sollen, die Reise hat uns so viel gekostet, wir stehen nun so – – folglich hätte ich bey zeiten Anstalten gemacht – – war etwa meine Anstalt Dir einen Creditbrief nach Augsp: zu verschaffen auch eine unnötige Speculation? – – glaubst Du wohl h: Herzog – der mein alter guter freund ist – würde dir auf all Dein schreiben von Mannheim ein Geld angeschaft haben, wenn Du nicht an ihn schon Credit mitgebracht hättest? – – kein Gedanke! alles was er, wenns hoch kömmt, würde gethan haben, wäre, daß er sich vorher bey mir darüber angefragt hätte. – – muste ich dann erst dort, da ihr am spitze waret erfahren, daß ihr geld braucht? Dh wseetlot mbwmrtln wmo dfr dlr Cuhrifrot gmb6; nicht wahr? um mir etwa keinen verdruß zu machen – – allein das würde mir weniger verdruß gemacht haben, wenn man mir aufrichtig alles zur rechten zeit berichtet hätte, dann ich weis besser als ihr, wie man auf solchen Reisen auf alle Fälle bereitet seyn muß, um nicht in einem Augenblicke, wo man am wenigsten daran denkt, in eine abscheuliche [282] verlegenheit zu kommen. – Da sind in einem Augenblicke alle Freunde verschwunden! Man muß lustig seyn; man muß unterhaltung haben! aber man muß auch sich zeit nehmen, ernsthaft zu denken, und dieß muß auf Reisen das Hauptaugenmerk seyn, und keinen einzigen tag zu seinem schaden dahin gehen lassen – – es geht immer ein tag nach dem andern weg (die itzt ohnehin sehr kurz sind) die alle im Wirtshause kostbar sind. gerechter Gott! Ich soll nicht speculieren, nachdem ich nhr wlgln lhcu fzt 450 fl ocuhedfg bfn7. – und Du glaubst vielleicht mich dadurch in gute Laune zu bringen, wenn Du mir hundert narrsposten schreibst. Ich bin zufrieden, wenn Du gutes Muths bist: allein anstatt der nach dem alphabet hingesetzten Complimente, würde ich mehr aufgemuntert geworden seyn, wenn Du mir wegen der Reise nach Weilburg die ursachen, und Umstände, dann was Du weiter denkest mit Vernunft geschrieben und meine Meinung in allem falle gehört hättest; und dieß hätte schon vor einem Post-tage geschehen können, denn Du wirst nicht erst itzt auf den gedanken verfallen seyn, und aus Dir selbst hast Du auch nicht wissen können, daß die Prinzessin da ist, ohne daß Dir iemand den Einschlag gegeben hätte. Mit einem Wort! es sind keine überflüssigen Speculationen, wenn man etwas vor hat, und sich 2 bis 3 Plan darüber formiert und die dazu nötigen Veranstaltung vorausmacht, um, wenn eines nicht geht, ohne verhinderung das andere ergreiffen zu können. Wer anders handelt, ist ein unverständiger oder leichtsinniger Mensch, der, sonderheitl: bey der heutigen Welt, bey aller der grösten Geschicklichkeit immer zurück bleiben, ja unglücklich seyn wird; da er über das von schmeichlern, Maulfreunden, und Neidern beständig wird hintergangen werden; merke es Dir wohl, mein Sohn, ein einziger Mensch unter 1000, der nicht aus Eigennutz Dein wahrer freund ist, ist eines der grösten Wunder dieser Welt. Untersuche alle, die Deine freunde sich nennen oder zeigen, Du wirst die Ursach finden, warum sie es sind: haben sie gar kein interesse für sich dabei, so haben sies für einen andern ihrer freunde, der ihnen nothwendig ist; oder sie sind [283] Deine freunde, um einem dritten durch Deine Erhebung einen verdruß zu machen. Wird aus der sache in amnulfa8 nichts; so habt ihr euren Plan, nach Maynz, Frankfort, Weilburg, Coblenz x man muß die ort immer so nahe zusamm aussuchen als möglich ist, um kurze Reisen, wanns seyn kann zu machen, und bald wieder an ein Ort zu einer Einnahme zu kommen. Trift euch dieser Brief nicht mehr in Mannheim an, und seyd ihr etwa gar schon in Weilburg: so kann ich auch nicht helfen. seyd ihr aber noch in Manheim und müsst fortreisen, so wird die Mamma in der Post Carthe finden, daß nichts nähers seyn kann, als nach Maynz vorher zu gehen: sonst bleibt Maynz weg, oder ihr müsst wieder einigermassen zurückgehen. In Weilburg habt ihr zu bedenken, daß ihr keine Kmtusesocul kfrcul9 finden werdet, da alles ehtulrfocu oder Cmevfnfocu fot10. Ich will also daß ihr euch nicht zu lange auf hält.

Und wer hat euch dann gesagt, daß man von Würzburg nach Manheimm durch den Spessarthwald muß11, da doch der Spesshard bey Aschaffenburg zwischen Fulda und Frankfort liegt? – – Dieses wird wohl wieder h: Becke12 euch aufgebunden haben. Aschaffenburg und Würzburg sind 10 Meile von einander. – Es mag seyn daß man dem Wald etwa rechter Hand gegen Manheimm zu auf einige Stund nahe vorbeyfährt. da ist aber an Würzburg nichts gelegen, ob ihr da waret oder nicht.

NB ich habe auch noch eine andere beobachtung wegen einer Reise von Weilburg nach Coblenz gemacht, nämlich, daß der Weg zu Lande geht, und sicherer seyn wird als jener von Maynz nach Coblenz zu lande, der zu nahe am Rhein gehet. Ich will nun das weitere hören, und ich hätte gar nicht vermuthet, daß mir mein liebes Weib nicht von zeit zu zeit von euern Reiseunkosten eine richtige Nachricht geben sollte, da ich doch 2 mahl wegen dem Conto vom Albert gefragt, und solchen auch vom Lambwirth hätten wissen sollen x: x: allein von allen euern [284] Ausgaben darf ich nichts wissen. Ich bitte mir demnach aus, die Mamma möchte mir doch einmahl einen vertraulichen Brief über diesen Punckt schreiben – Ich will keine viellen Worte, sondern nur so beyläufig durch die WirtsConto sehen, wie man mit euch um gegangen, und wo all das geld hingekommen. Dann itzt muß man mit Ernst auf Mittl denken sich herauszureisen, mit möglichster Wirtschaft zu reisen, und gute Anstalten zu treffen, mir aber das allzeit geschwind zu berichten, was zu unserm schaden oder Nutzen seyn mag. die Chaise müsst ihr bey Leibe nicht verkaufen. gott erhalte euch und mich die Nannerl und ich küssen euch viel 100000000 mahl, und ich bin der alte M: und V.

Mzt


h: graf Czernin hat mir ein Compt. an dich aufgegeben. Es gieng nicht nur die Rede daß der Erzb: den Haydn13 nach Italien schicken wird, sondern er hat ihn schon mit dem Triendl nach Bozen fortschicken wollen. h: Triendl hat sich aber entschuldiget. Ich bitte Dich mein Wolfg: überlege doch alles, und schreib nicht immer die Sachen, wenn sie schon vorbey sind, sonst sind wir alle unglücklich.

Fußnoten

1 Antwort auf Wolfgangs Brief vom 26. November.


2 Auflösung der Chiffren: beym Churfirsten, um den Winter da zu bleiben


3 die officier-Tafel


4 desperaten,


5 hofnung


6 Auflösung der Chiffren: Du wolltest abwarten was dir der Churfirst gab;


7 Auflösung der Chiffren: nur wegen euch izt 450 fl schuldig bin.


8 Auflösung der Chiffren: manheim


9 Katholische kirche


10 lutherisch oder Calvinisch ist.


11 S. den Brief der Mutter vom 26. November.


12 sc. in Wallerstein.


13 Michael Haydn.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 3. München/ Leipzig 1914, S. 285.
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