155.[285] 1

Salzb: den 8 Decemb: 1777


Mon très cher Fils!


So viel ich sehe haben wir ein ander nicht verstanden. den schritt den Du gethañ hast, war nach meiner Meinung recht gethañ, das weist Du aus meinen Briefen: allein hast Du mir auch nur ein einziges Wort geschrieben, ob Du Etwas vorgenommen, oder nicht? ob Dein gethañer schritt vergebens war? – – Nicht ein Wort! in einem augenblicke kommt Dein schreiben, wo es heist, dmo Prlolnt wmr lfnl gsedlnl hur; gled wmrl afr zhr Rlfol eflblr glwloln.2 [285] dann kommt, ich war bey hl: schmaltz, hnd dlr lntocuhedfgtl ofcu lr umttl klfnl ordre, dfr gled zh glbln.3 Sage mir nur, ob ich daraus etwas anders schlüssen konnte, als daß fur mbrlfoln wseet, hnd mho amngle dlo gled nfcut isrt4 könnt. muste mir dieses nicht fremd kommen, da es mich so überfiel, da ich am wenigsten daran dachte, und Du mir nicht einmahl Nachricht gabst wie? – was – warum – wohin? – hättest Du geschrieben, daß Du Dich länger aufhalten wirst, aus der Ursache um etwa gmr dln Wfnter fn amnulfa zh belfbln,5 Du hättest itzt eineprspsoftfsn6 gemacht, oder wärest gesinnt solche zu machen; so wäre ich, die Nannerl und hl: Bullinger im klaren gewesen und hätte nicht die mündeste Sorge gehabt; da ich wohl weis, daß, wenn man an einem Orte aushalten muß, man auch geld braucht, und etwas wagen muß. Ich muste also ganz natürlich auf 1000 gedancken verfallen, auch bedacht seyn euch vieles zu schreiben, das ich sonst nicht geschrieben hätte.

Du glaubst gesehen zu haben, daß ich mich nicht in glück und unglück schicken könnte. weist Du wann ich mich darein schicken kann? – dann, wann ich ohneracht aller gemachten guten Anstalten darin verfalle; und mir nichts vorwerffen kann: dann kann ich mich vortrefflich drein schicken, weil ich mir nichts vorzuwerffen habe. Ich hatte, da ich in Engelland so gefährlich krank war, schon meine Anstalten ausgedacht, die ich machen könnte euch in sichere Hände zu übergeben, wenn ich den Todt nicht zu entgehen Hofnung haben sollte. Ich und die Mamma trösteten einander bey eurer beyder Kinder gefährlichen Krankheit im Haag und in Ollmütz. aber die Hauptsache war immer, daß man wuste in allem unglücksfalle, wo man geld hernimmt. hl: Selcken würde mir, da der Wirth sein geld haben wollte, nicht 600 fl paar geliehen haben, um den Wirth also gleich bezahlen zu können, wenn er nicht den Credit an Neelet Fils in amsterdam in meinen Händen gesehen hätte: [286] und ich bin nicht nach Ollmütz gereist, obwohl es von Wienn nicht so gar erschröckl: Weit ist, ohne an hl: von Kettenberg Credit mit mir zu haben; den ich dann auch nötig hatte, obwohl ich mirs nicht einmal träumen ließ, daß ich ihn brauchen sollte. Daß dieser der einzige grund meiner in den vorhergehenden Briefen enthaltenen Klagen ist und war, wirst Du bey genauer überlesung und reifem Nachdenken klar einsehen: da nicht ein einziges Wort in Deinen Briefen finden konnte, welches mich nur muthmassen ließ, daß Du einen schritt thun wolltest, noch weniger gethan hättest, hab fn amnulfa zh vlrbelfbln7. – noch, wohin Du reisen willst. Nun bin ich zufrieden, es mag ausfallen wie es will: und Deine Sorge solches niemand zu sagen ist gewis überflüssig. Ich werde etwa dla lrzbfocusi, dlr meelo lrimurt8, gelegenheit geben, hno mhozhemculn9 wenn nichts daraus würde?, Daß kann Du von mir denken? Ich hab Dir noch nicht geschrieben, daß nach Deiner abreise alle Welt mich fragte, wo Du hin gehst? und meine antwort war immer, wie itzt noch, daß ich es selbst nicht wisse: und ich konnte es nun auch in der Warheit sagen, daß ich es nicht weis. Von augsp: laß man es in den Zeitungen, und von Manheim schriebs hl:Baron schafman. und da man mich mit einer gewißen Mine fragt warum Du noch in Manheim bist, so antworte ich immer, ich wüste nicht ob Du noch da wärest; Du bliebst wegen der Churfürstin Nahmenstage noch da und es könnte etwa seyn das Du auch erst nach des Churf: geburtstag, der den 12ten dieses seyn wird, abreisen wirst. Der Churfürst wird, so viel ich weis, den 10 oder 12 Decemb: 1724 gebohrn seyn.10 genug! mir kann nichts mehr am Herzen liegen und mich mehr in tödliche Unruhe setzen, als die Unwissenheit und der zweifl, und die daraus nothwendig entstehende Angst, wie es denen geht die mir mehr als mein Leben am Herzen liegen. bleibt ihr den Winter in Mannheim, so ist es mir lieb: die Winterreise machte mir wegen der Mamma einige Sorgen; und darum studierte ich auch wie solche bequemmer einzurichten wäre. [287] belfbot dh hab dfl fhngl ulrrocumit zhfnotrhflrln,11 so hast Du alle alle gelegenheit dfcu blya Cuhrifrotln lfnzhocualfculen:12 und es wird nicht nötig seyn, Dir zu sagen, dmo dh dfr dfl ghvlrnmntl recht zhr irlhndfn13 machen must. – Nun muß ich Dir noch auf Deine annectode, daß die glückseeligkeit nur in der Einbildung bestehe, antworten. Ich bin ganz wohl damit einverstanden. Ich frage Dich nun aber ob sich dieser Satz so allgemein verstehen lässt, daß ein Reisender, wenn er im Wfrtoumhol, dlr14 in einem Posthause x: sitzt und klsn gled umt wiftlr zh ksaaln,15 folglich der grobheit eines Psotalfotlro, Wfrtlo16 oder anderer Personen ausgesetzt ist, sich dann auch selbst bereden kann, daß die glückseeligkeit in der Einbildung bestehe? – – Mein lieber Wolfg: dieser Satz ist nur ein Moral-Satz für Menschen, die mit nichts zu frieden sind. und da die meisten, ia fast alle Menschen immer unzufrieden sind, und ieden seiner Nebenmenschen für glücklicher als sich halten; so will man sie dadurch belehren – zu recht weisen – und ihnen zeigen, daß ieder Mensch mit seinem Stande, und Umständen, in die er sich nach seiner fähigkeit gesetzt, zufrieden seyn, und seinen Nebenmenschen nicht beneiden solle, den er vermuthlich oft, ia meistens nicht beneiden würde, wenn er dessen geheime weit schlechtern Umstände recht wüste: denn wir urtheilen nur immer nach dem äussern schein, da ieder die schlimme Seyte sorgfältig zu verbergen sucht.

gestern den 7ten gab die Nannerl das beste. Ich gewann es, und für die Mamma hab 10xr herausgeschossen. bis den abend war unser gewöhnliches spiel. Nun hab 3 mahl nach einander das beste gewonnen.

Man sagt nun es wäre auf der guardarobba bereits ein gutes Winterkleid für hl: Haydn auf die Reise nach Ital: angeschafft. – Den möchte ich in Italien mit den Wälschen reden hören! da werden [288] sie gewiß sagen: questo è un vero Tedesco! Der Erzbisch: ist einige Zeit her sehr um den alten Andrino bekümmert, er fragt um sein alter, um seine gesundheit x: Der alte ist aber sehr aufgebracht darüber, denn er merkt es, daß der Erzb: den Castratten gern in seinem zimmer, kost, x: im Capellhaus haben möchte, und daß diese fragen dahin zielen ihm die ewige glückseeligkeit unter den himmlischen Castraten zu gönnen. Nun muß ich enden, das Papier ist im Ernste, nicht wie bey Dir im spaß, wirklich angefüllt. Hoffe daß ihr beyde diesen Brief bey guter Gesundheit lieset, so wie wir beyde ihn ganz gesund (gott Lob) geschrieben. Solltest Du nun in Manheim bleiben, so werde Dir die 2Sonaten à 4 Mani klein Copierter schicken für die 2 Scolaren. Wir küssen euch beyde von Herzen, wünschen gute gesundheit etc: etc: und bin sammt der Nannerl der junge Mann und Vatter

Mzt


Der Edlknabe Hofmeister hl: von Dippolt ist Kriegs Rath geworden. Der Erzb: wird keinem Pfleger auf dem Land in das künftige einen Carracter geben, dem hl: von Pichl Pfleger zu Deissendorf ist nicht nur der Raths Titl, sondern so gar der Trouchses Titl abgeschlagen worden. Da der herrn Pfleger ihre Söhne sonst schon gebohrne gnädige Herrn seyn wollen, und sich zu gut gedünken unter-mitter- und Oberschreiber zu werden, sondern gleich Pfleger und Räthe seyn wollen, ohne den nötigen Praxin zu haben; die Töchter aber als hochadl: freulein lieber gnadengelderinnen bleiben als aus dem hochadl: Stand zu heyrathen. Das gab einen grossen Lerm unter dem wilden adl! das scheint mir aber nun einmahl etwas gescheides zu seyn.

Empfehle über Empfehlungen – müst ihr euch selbst einbilden, denn dern sind so viele, daß ich sie nicht alle merken, mich dernselben erinnern, und herschreiben könnte. Der Pimperl bellt und überschreit sie alle.17

Fußnoten

1 Antwort auf Wolfgangs Brief vom 29. November.


2 Auflösung der Chiffern: das Present war eine goldene uhr; geld wäre mir zur Reise lieber gewesen.


3 Auflösung der Chiffren: und der entschuldigte sich er hatte keine ordre, dir geld zu geben.


4 ihr abreisen wollt. und aus mangel des geld nicht fort


5 gar den Winter in manheim zu bleiben,


6 proposition


7 Auflösung der Chiffren: umb in manheim zu verbleiben.


8 dem erzbischof, der alles erfahrt,


9 uns auszulachen


10 1. Dezember.


11 Auflösung der Chiffren: bleibst du umb die iunge herrschaft zu instruieren,


12 dich beym Churfirsten einzuschmeicheln:


13 das du dir die guvernante recht zur freundin


14 Wirtshause, oder


15 kein geld hat weiter zu kommen,


16 Postmeisters, Wirtes


17 Folgt eine Nachschrift der Tochter.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 3. München/ Leipzig 1914, S. 289.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Gryphius, Andreas

Leo Armenius

Leo Armenius

Am Heiligen Abend des Jahres 820 führt eine Verschwörung am Hofe zu Konstantinopel zur Ermordung Kaiser Leos des Armeniers. Gryphius schildert in seinem dramatischen Erstling wie Michael Balbus, einst Vertrauter Leos, sich auf den Kaiserthron erhebt.

98 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon