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Salzb: den 11ten Decc: 1777


Mon très cher Fils!


Dein schreiben vom 3ten erhielt den 9ten richtig. Es ist sehr traurig daß wir alle Briefe Dienstags und freytags erhalten, folglich vor dem Donnerstag und Montag nicht antworten können. Die Nannerl spielt Deine ganze Son[a]te recht gut und mit aller Expreßion. Solltet ihr, wie nun glaube, von Manheimm weiter gehen; so werde solcheCopieren lassen, und Dir allzeit in iedem Brief ein blättl schicken, damit Du die Sonate wieder zurück bekommst; sie kann Dir an einem andern Orte wieder dienen, sonst hättest Du die abscheuliche Mühe, solche wieder aufzuschreiben. Ich werde aber nur allzeit ein Blatl schicken, damit der Brief nicht zu groß wird; und sollte ein Brief, im falle, verlohren gehen; so ist leichter ein einziges blättl wieder aufzuschreiben, als die ganze Sonate, wenn sie verlohren wäre. Die Sonate ist sonderbar? Sie hat was vom verman ierierten Manheimmer goût darinne, doch nur so wenig, daß Deine gute Art nicht dadurch verdorben wird. warum ich vermuthe daß ihr Manheimm verlassen werdet, ist: weil Du dla grmi Oavfsef2 gesagt, Du förchtest der Churf: dfr hblr dln Wfntlr os wlnfg glbln, dmo dh nfcut belfbln ksnntlot.3 hat nun der Churf: nicht etwa selbst den gedanken, dfcu ihr blotlndfg zh bluaetln,4 ja ist er vielleicht gar besorgt, es möchte Deine absicht nach der Hand seyn, und stehet desswegen an, sich, wegen dem ersteren, zu entschlüssen; so ist die richtige folge, dmo lr dfcu nfcut blumet.5 Basta! nun ist alles vorbey, und gott weis, wo Du diesen Brief liesest. Dein Brief, den ich morgen erwarte, wird mich belehren. Ich selbst dachte mir schon längst dmo lr dfr nfcut vfle etwa glbln whrdl.6 – Es stunde halt zu erwarten. – hnd [290] dmo dh mhi lfn Rliolgled drfngln ahot,7 das, dachte ich, wird Dir wohl selbst einfallen – wer kann doch alles schreiben? Du siehst daß man niemals zu viel Speculieren kann. und hättest Du recht Speculiert, so hättest Du Dein Attestate x: von P: M: Martini mit Dir genommen, und solches dem Churf: gezeigt. weist Du denn nicht daß er alles auf ihn hält, daß er den hl: Ritschl8 zu ihm in die Lehre geschickt, ihn dann zum Vicecapellmeister gemacht, und nun nach dessen Todt – den Vogler: weist Du dann nicht das P. Martini den zweyten Theil seines Buchs dem Churf: dediciert? – – hättest Du nicht wenigst die Diplomata der Accademie und dasAttest x: dem hl: grasen Savioli zeigen sollen, da Du weist, daß diese öffentl: zeugnisse von Landsleuten bey einem Italiäner den grösten Eindruck machen? – – – Wenn Du nun gleich alle die ersten Tonkünstler von Deiner Compositions wissenschaft überzeugt hast – – folgt daraus daß es der Churf: weis? – – haben all diese Herrn gelegenheit es ihm zu sagen? – oder würden sie es thun wollen? – – Der Churf: kennet Dich als einen starken Clavierspieler – – aber die Stärke in der Composition hat er nicht gelegenheit gehabt, einzusehen. den Punck wegen Copierung Deiner Musik will ich nicht mehr berühren, für dieses hätte schon bey dem langen Aufenthalt in München und Augsp: müssen gesorgt werden, da immer weiterhin die Copiatur theurer wird. Du wirst Dich erinnern, daß ich gar nicht der Meinung war, daß Du so viele Synfonien mitnehmen sollst: ich habe nur einige viele zusamm gelegt, um auch nachdem von diesen noch einige dazulassen: allein, Du nahmst, statt einige viele weg zu thun, noch andre dazu, so, daß dernselben ein solche Menge wurde, daß man die Kirchenmusik nicht mehr unterbringen konnte. Wäre ich gesund und nicht so krank gewesen, daß ich kaum reden konnte; so hätte Dich nicht mehr als etwa 4 oder 6 Synfonien mit dopplierten Stimmen für ein Concert mit nehmen lassen, die übrigen aber einfach oder die Sparten. war dann in Manheimm nicht möglich die Hafnermusik, Dein Concertone oder eine [291] Deiner Lodronischen Nachtmusiken aufzuführen? Der Churf: wird halt niemals Musik halten, als wenn gala-accademie ist, nicht wahr? – – und da hat hl: Cannabich schon vorsehung gemacht. Solltest Du nun nicht mehr in Mannheim seyn; so hoffe Du wirst Dir vom hl: Wendling einige Briefe oder addressen nach Paris haben geben lassen. – daß Du ihn gefragt, wo erwohnte – und wo er zum speisen hingegangen. – – hast Du das nicht gethann; so schreibe ihm augenblicklich und bitte ihn um Empfehlungs schreiben: und um addresse, wo er sein zimmer und Kost hatte. Man muß sorg tragen also gleich die Bekanntschaft eines ehrlichen Manns zu haben – – um so dann auch gleich eine gute nicht Kostbare Wohnung zu bekommen: damit man nicht im Wirthshause bleiben – und wenns möglich gar in keinem absteigen darf. das übrige habe meistens schon in den vorigen briefen geschrieben, und nach dem Inhalt deines Briefes, den ich morgen von Dir zu erhalten hoffe, werde das nothwendige nächstens schreiben. übrigens (wenn Du Dein gewissen recht erforschen wilst) wirst Du finden, daß Du viele Sachen auf die lange Banck geschoben, – daß Du das Misericordias, da es nicht viel Copiatur macht, so bald es von augspurg zurückgekommen, hättest sollen Copieren lassen; – daß Du Nachfrage hättest thun können, ob Du nicht eineMesse xx: für den Churfürst durch den Hof Copisten dürfte Copiert werden, wie in München mit dem Misericordias geschehen; – daß Du durch Speculation früher, und gleich nach erhaltenem Present, auf den Gedanken wegen den Kfndlrn, den Vmrfmzfsnln und Rsnds9 hättest verfallen können; nebst einigen anderen Sachen, die Du aus meinen obigen Anmerkungen und fragen, selbst herausziehen kannst. allein man suchte Dich gleich anfangs an verschiedenen orten so gut zu unterhalten, daß Du auf alles vergessen mustest, und nur mit Deinen gedancken an demjenigen in voller Hofnung hängen bliebst, was man Dir vorsagte, ohne weiter zu Speculieren, und Mittl ausfündig zu machen desto gewisser dazu zu gelangen. – – man kann niemals zu viel Weg ausdenken, wenn man ein Ziel erreichen [292] will; weil man auch alle ungünstigen Verhindernissen nicht voraus sehen kann. Was Du wegen einer Reise nach Paris schriebst mit hl: Wendling xx: ist nicht zu verwerffen: Es ist noch zeit darüber zu antworten – Es kommt darauf wo Du in künftiger Faste bist. Ich hab beymRobini Sigerl Duetten auf 2 Violini gesehen del Sgr. Lauchery Danseur de S: A: S S: l'Electeure Palatin x. – Was in Paris zu verdienen ist, weis ich selbst, und hab Dir es im vorigen Briefe geschrieben. Ist Mr: Grimm da, so bist Du allzeit glücklich. wo nicht, so werden wir wohl Bekanntschaften finden und machen. Kurz! Du wirst, wenns dazu kommt von mir alle Anleitung bekommen. überlese nur öfter meine vorigen Briefe, und mache Dir von allem eine anmerkung heraus: sonst ist gleich etwas vergessen. und wer wird immer den ganzen Brief durchlesen? – – Bleibst Du nicht – oder bist Du nicht mehr itzt in Manheimm so ist nichts anders zu thun als nach Paris zu gehen, und ich werde dann gleich einen Brief an Mr: Grim in die Luft fahren lassen, und Dir die Nota aller unserer Bekanntschaft überschicken und alles nur immer mögliche ausspeculieren. Seyd ihr in Maynz, so habe dir schon in einem Brief geschrieben, was da zu thun ist. Nun schlüsse mit der Hofnung, daß gott euch bey guter gesundheit erhalte, um welches ich ihn inständigst bitte, euch aber iñständigst ermahne für dieselbe sorgfältig zu sorgen. – Dann das würde das gröste unglück seyn, und uns alle ins gröste Elend stürzen. Ich darf nicht daran denken daß ich nun über olcuo uhndlrt ghedln ocuhedfg bfn;10 sonst – – –

Ich und die Nannerl Küssen euch millionmahl – empfehlen uns beyde und bin der alte Mann und Vatter

Mzt


Die Neuigkeiten bestehen hier dermal nur in der erschrecklichsten kälte seit 3 Tägen, die eine Nordlichte schon verkündigt hatte, so daß man hier ganz Laufen in vollen flammen glaubte, und in Laufen glaubte man das Kloster Reitenhaslach wäre in Brand – und so fort – wie ihr es auch in Mannheim werdet gesehen haben. Die Mutter des quarde Lieutenant ist zu Loretto begraben worden.

[293] Der Ignati Hagenauer ist in Marsailles. Der Jüngere hl: gschwendner vital ist in Paris. Der Castrat wohnt itzt im fechtmeister Hauß, und geht zum Varesco11 in die Kost. addio!

Mein liebes weib, ich bin vergnügt wenn Du gesund bist, aber sehr besorgt, wenn ihr nun von Manheim fortgereiset seyd: im Winter wird es Dir sehr beschwerlich seyn. schütze Dich so viel Du kannst vor der Kälte und Kauffe lieber noch einen Manns Pelz. Ihr habt keinen fuessack mitgenommen, da wir doch 2 haben. Du glaubst wenn Du mir alles schreiben sollst, so würden die Briefe zu lang. Du siehst ich nehme einen ganzen Bogen, Du siehst wie ich ihn überschreibe und nur Platz zum Sigil lasse, Du siehst wie ich es mache um euch recht viel und zweymal mehr als ihr mir, zu schreiben – – ich zahle doch nur 6xr. – Ich hofe ihr werdet auch nur 6 xr für meine bogen lange Briefe bezahlen. – Ich mache aber keinCopert: und schreibe alle fleck voll. – freilich möchte ich auch mit euch sprechen – ò ich kann manchmal euch den ganzen Tag nicht aus meinem Kopf bringen; sondht: wenn ich ans Reisen bey dieser Kälte denke – und an andere Sachen – die ganz anders hätten gehen sollen. gott wird vorsehen! wir menschen müssen aber auch Nachdenken und bey dieser Welt wird man durch den geraden Weeg allein an einem Hofe nicht weit kommen. Man muß alle nur erdenkliche Weeg suchen. Die ausgaaben auf Reisen sind mir genug bekannt: und daß ich euern langen Aufenthalt in Manheim vorgesehen, kanst Du aus meiner oft wiederhollten Erinnerung schlüssen, daß ihr für ein privat-Wohnung sorgen sollt. Ich wusste was ihr im Sinn hattet, und weis, daß so etwas sich lang hinauszieht, und am Ende doch oft nichts ist: die Wirtshäuser sind kostbar, sondhil: wenn man auch auf die Nacht speist, wo man doch – wenn man oft späth zu Mittag bey einer guten Tafel eingeladen ist – auf die Nacht mit einer Suppe sich begnügen könnte. man rechnet ohnehin fürs zimmer genug xx: Lebe gesund, ich tröste mich so gut ich kann und bin Dein ehrlicher Mann

Mzt.

Fußnoten

1 Antwort auf Wolfgangs Brief vom 3. Dezember.


2 Auflösung der Chiffren: dem graf Savioli


3 dir über den Winter so wenig geben, das du nicht bleiben konntest.


4 dich fur bestendig zu behalten,


5 das er dich nicht behält.


6 das er dir nicht viel etwa geben würde.


7 Auflösung der Chiffren: und das du auf ein Reisegeld dringen must,


8 Johann Ritschel.


9 Auflösung der Chiffren: Kindern, den Variazionen und Rondo


10 Auflösung der Chiffren: sechs hundert gulden schuldig bin;


11 Abbate Giamb. Varesco, Salzburger Hofkaplan, der Librettist von Wolfgangs »Idomeneo«.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 3. München/ Leipzig 1914, S. 294.
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