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Salzb: den 18t Decemb: 1777


Mon trés cher Fils!


Die Nachricht die Du mir in Deinem schreiben vom 10t in der bewusten Sache giebst, hat mich gar nicht zu diesem ungünstigen Ausgange ohnvorbereitet gefunden; indem ich es dem h: Bullinger und Deiner schwester schon voraussagte und mir niemals anders vorstellte. Du wirst es auch aus meinem Schreiben allzeit abgenommen haben. Daß es mir lieber gewesen wäre; das hat seine Richtigkeit: denn alle andere Reisen hättest Du alsdann dennoch von zeit zu zeit machen können. ferner hast Du in allen meinen schreiben gefunden, daß ich mein augenmerk nach Paris hatte. Nun muß ich Dir gründlich schreiben. Du weist wie viele jahre man unsere gedult in Salzb: auf die Prob gesetzt: Du weist wie oft Du und ich davon zu gehen Luft hatten. Es wird Dir noch erinnerlich seyn was ich für Einwendungen machte, die uns verhinderten Salzb: alle zu verlassen; Du hast nun die Probe davon – grosse Unkösten auf den Reisen und nicht viel oder wenigst nicht hinlänglicher Einnahme solche mit einer ganzen Familie zu bestreitten. Dich alleine reisen zu lassen, war damals nicht möglich, Du weist, daß Du auf alles allein acht zu haben – Dir selbst ein und anders, ohne fremde Hilfe, zu thun nicht gewohnt – mit den Geld Sorten wenig, mit auswärtigen aber gar nicht bekannt warest, vom Einpacken und derley vielen auf Reisen vorkommenden Nothwendigkeiten nicht den mindesten Begriff hattest. Ich stellte Dir oft vor, daß Du (wenn Du auch, bis Du ein paar jahre über das zweynzigste hinaus bist, in Salzb: bleibst) nichts verlierest, da Du unterdessen gelegenheit hast Dich in andern nützlichen Wissenschaften in etwas umzusehen, und durch Lesung guter Bücher in verschiedenen Sprachen die vernunft mehr auszubilden und Dich in Sprachen zu üben. Ich stellte Dir ferner vor, daß ein junger Mensch, wenn er auch vom Himmel gefallen über alle Meister hinwegsehete, [298] dennoch die verdiente Achtung niemals erwerben wird, die er verdient: dazu will es gewisse Jahre haben; und so lang man unter 20 Jahren ist, wissen die Neider, feinde, und verfolger den Stoff ihres Tadels und ihrer zu machenden Ausstellungen aus der jugend, den wenigen Jahren, zu wenigem Ansehen und Erfahrenheit herauszuziehen. Und zweifelst Du etwa, daß dergleichen etwa dla Cuhrifrotln wegen hntlrwlfohng dlr Kfndlr2 beygebracht worden? – ferner bin ich so wenig vom Kriechen ein Liebhaber als Du, nnd Du wirst Dich erinnern, daß ich Dir wegen München geschrieben, Du solltest Dich nicht hinwerfen: und alle diese Bemühungen, durch eine versammlung von 10 Personen es dahin zu bringen um alda bleiben zu können, waren mir zu kriechend. allein Du warest durch das zureden gutherziger und wohlmeinender freunde dazu bewogen; das sind Stroh-feuer, die geschwind aufbrennen – und sich mit einem Rauch enden: Das war gut gemeint! Daß ich Dir itzt einen Platz gewunschen hätte, hat seine Richtigkeit: aber nur einen solchen Platz, wie München oder Mannheim, oder auch einen andern NB wo Du zu zeiten eine Reise zu machen nicht gehindert wärest. auch meinethalben keinen Platz per Decretum auf lebenslang. hättest Du einen solchen Platz auch nur auf ein paar Jahre, so würden Dir die Reisen nach Frankreich und Italien nicht ausbleiben. man kommt durch die Jahre und Titl, den man als ein Compositeur eines Churfürsten x: hat, in mehr Ansehen und Respect x: das weist Du selbst. Das ist nun auch mein gedanken wegen München: so bald man nur auf eine zeit einen Platz sucht, so ist es gewies nicht kriechend, weil man nur dadurch gelegenheit sucht, das, was man kan und verstehet, zeigen zu können, da bey allen Höfen Leute sind, die es zuverhindern suchen, da um sich recht zu zeigen zeit und gelegenheit erfordert wird. – Nun kommen wir auf Deine Pariser-Reise. – Ich wollte Du wärest itzt schon in Paris: Das war eben mein anliegen wegen des so fatalen langen Aufenthalt in Mannheim. Daß die Herrn, mit denen Du nach Paris reisen sollst, Dich nicht auslassen wollen, ist ganz natürlich: sie brauchen einen vierten; [299] und wo bekommen sie einen solchen vierten, wie Du bist. Daß h: Wendling Dein freund ist, daß er es gut meint, daß er Paris kennt, daß er alle Sorge für Dich haben wird – das setze ich alles nicht in zweifl – Er wird auch suchen, daß Du bis im Merzmonate in Manheim unterhalt findest, daran zweifle auch nicht – Es liegt ihm auch daran Dich in seiner gesellschaft zu haben: alle freundschaft hat seine Ursache. Wenn Dir dieser Holländische Herr 200 fl. giebt so kannst Du in Manheim aushalten, sonderheitl: wenn Du zum h: Wendling zum speisen gehest. Ich setze den fahl die Mamma giebt alle Wochen 3 fl kostgeld, so sind es monatl: 12 fl oder sollte sie nicht h: Cannabich oder h: Wendling meinetwegen auch für 4 fl die Woche in die Kost nehmen. Das wären nun 16 fl monatl: – und was kann dann ein zimmer monatl: kosten? – wenn Du die 200 fl von dem Holländer bekommst und ihr verzehrt 50 fl das Monat, so sind es 100 fl in 2 Monath: solltest Du nun auch ein paar Scolarn bekommen, so bleiben immer über 100 fl übrig, und wie könnt ihr 50 fl monatl: ausgeben, wenn Du kost-frey bist? – Kurz! alles dieses ist mir recht: Nur daß Du bey einem h: Hofrath – ohne Namen, wohnen, und die Mamma allein wohnen soll: das ist es allein, was ich nicht will. so lange die Mamma da bleibt, so lang sollst Du bey ihr bleiben. Du sollst und must die Mamma nicht allein triebsaal blasen und andern Leuten überlassen, so lang sie bey Dir, und Du bey ihr bist: Das zimmer mag so klein seyn als es will, so wird ein Bette für Dich Platz finden. – und warum nicht geschwind ein grössers? Es wird halt ein paar gulden mehr kosten. wegen einem paar Monat ist nicht darauf zu sehen, es mag auch kosten was es will, es kommt doch gewiß kaum auf den halben theil, was ihr im Wirthshause bezahlen mustet. Hättet ihr nur das gethan, was ich euch schon nach Augsp: und dann wiederholter geschrieben habe, nämmlich, daß ihr in Manheimm gleich um ein privatwohnung umsehen sollt, ihr würdet viel geld ersparet haben, da ihr dann auch nach belieben zu tische gehen oder disfalls schicklichere Anstalten hättet machen können – sonderht: da ihr oder eins aus beyden öfters ausgespeist. ja – [300] wer hätte geglaubt, da ihr so lange da bleiben sollt? – wer? – – ich habs nicht nur geglaubt, sondern gewust. Hättet ihr nur euern Maasstab nach München genommen, und in den Calender gesehen, so hättet, mit einem paar Worte nachfrag, erfahren daß du dich vor 8 tagen nicht kannst hören lassen, und daß als dann bis man das present bekommt, – bis man sein proposition (die man im Sinne hat) machen kann – bis man darauf antwort erhält – dann wieder einpackt – und sich von guten freunden und gemachten Bekanntschaften beuhrlaubt und endlich loskommt 3 bis 4 Wochen dahin sind, ohne das man weis, wie sie dahin gegangen. Ihr hättet demnach wochenweis oder auch auf ein Monat ein Wohnung nehmen können und hättet ihr auch um 8 tage mehr bezahlt x: so hättet ihr doch dabey sehr vieles gewonnen. Die Mamma soll auf unsere Reisen zurückdenken. Ich war niemals in den Wirthshäusern, wo ich nur immer einen längeren aufenthalt vermuthen konnte: Paris, London, Wienn, x: so gar Brünn x: sind Orte, wo wir die wirtshäuser gar nicht, oder nur als absteig-quartier kennen. Daß die Mamma itzt nicht von Mannheim wegreisen kann, wirst Du wohl einsehen: itzt fällt erst die gröste Kälte ein; und dann muß erst darauf Speculieren, wie ich sie am leichtesten und bequemmsten zurückbringe. Unterdessen seye bedacht, daß Du bey ihr bleibst und sie versorgest, daß ihr nichts abgehet, so wie sie für Dich besorgt ist. Sollten nun aber die 200 fl vom Indianer auch nur wieder ein in dem ersten freundschafts Eyfer in flammen gerathenes Strohfeuer, und schon verraucht seyn, so packt zusamm und geht: hat es aber seine Richtigkeit; so wende die zeit an ihn bald zu bedienen: und Du wirst gar gut thun für den Churf: eine neue grosse Meße zu machen; folglich hast Du diese 2 Monate die zeit wohl zusamm zu nehmen: Dh kmnot nfcuto bloolro tuhn meo dla FürstZlfe zu schreiben. Daß nämlich Dh klfnlowlgo vlremngot dmo dfcu dlr Cuhrifrot per Decretum für allzeit nlual, sondern, daß lr Dfcu nhr mhi lfn paar Jahre nlualn ascutl, um nur gelegenheit und die gnade zu haben ihm dflnln hnd fua Blwlfol dlfnlo tmelnto geben zu3 [301] können. Ich werde auch nächsten Post-tage schreiben. Dann must Du auch anh: v grimm schreiben, wie auch ich thun werde. h: Bullinger x x: und alle gute freunde empf: sich. ich und die Nannerl küssen euch millionmahl, und bin Dein Sorgfältiger

Vatter Mzt


wir empfehlen uns dem ganzen Cannabichischen und Wendlingischen Hause.


Mein liebes Weib!


Auf die Hauptsache wegen der Pariser reife mit h: Wendling habe oben geantwortet: ich will, daß Du und der Wolfg: beysamm bleibt, wenn es mit den 200 fl. seine Richtigkeit hat; sollte aber hier ein anstand und keine genugsame Sicherheit seyn, so werdet ihr zusammpacken und alsogleich nach Maynz gehen. Du hättest bey Deiner Ankunft in Manheim also gleich mit beyhilfe des jungen h: Dannern oder iemand an dern um ein privatwohnung sehen sollen. das hättest Du, ohne dir von iemand Einwendungen machen zu lassen thun sollen: ich schrieb es doch so oft; und doch geschahe es, zu unserm schaden, nicht. Du schreibst ihr hättet mir den Conto vom Albert geschrieben. kein Wort! Ich sah aus euren Briefen, daß ihr sie nur allzeit auf die Nacht halb im schlaf in Eyle hingeschmiert, folglich nur so etwas hingeschrieben, was euch geschwind eingefallen: Du weist also selbst nicht was geschrieben worden; und ich wette darauf, Du hast selten einen Brief gelesen, den mir der Wolfg: geschrieben. Mein gott! ihr seyds rahre Leute! – – daß die Zehrungen seit der theueren zeit nun auch theuerer geblieben, glaube ganz gerne: allein die Post-gelder bleiben doch immer die nämmlichen; und ich hatte schon selbst die Rechnung gemacht, daß ihr viel geld ausgegeben. kurz! wenn Du meine Briefe recht gelesen, so weist Du auch was ihr hättet thun müssen, wenn ihr auch ohne Kreuzer geld nach Maynz gekommen wäret. Nun ist es einmahl so! Dem Wolfg: hat niemand [302] mehrer entgegen glmrblftlt mo dlr vsgetr.4 Das sagte ich immer voraus zum h: Bullinger und der Nannerl. Hat es nun seine richtigkeit, daß ihr von dem H: Holländer die 200 fl bekommt, so muß nachdenken, wie Du nach Hauß kommst, dann itzt kann es nicht seyn, itzt würde es Dir zu kalt seyn, da die kälte um Weinnachten, und hl: 3 König meistens am stärksten einfällt: und dann wie? in unserer chaise? – – ganz allein? – – Da muß nachgedacht werden. Wenn Du nur einmahl in Augsp: bist. glaubst Du das nun der Wolfg: seine Sachen in acht nehmen wird? – ich hoffe er wird sich daran gewöhnt und nicht immer den Kopf voll der Noten haben. Lebet beyde gesund ich bin Dein alter Mann

Mzt


vorgestern sind die elenden Comoedianten von Wieñ angelangt. Der Uhrmacher Beringer ist gähe dahingestorben.

Fußnoten

1 Antwort auf Wolfgangs Brief vom 10. Dezember.


2 Auflösung der Chiffren: dem Churfirsten wegen unterweisung der Kinder


3 Auflösung der Chiffren: Du kanst nichts bessers thun als dem Fürst Zeil zu schreiben. Daß nämlich Du keineswegs verlangst das dich der Churfirst per Decretum für allzeit nehme, sondern, daß er Dich nur auf ein paar Jahre nehmen mochte, um nur gelegenheit und die gnade zu haben ihm dienen und ihm Beweise deines talents geben zu.


4 Auflösung der Chiffren: gearbeitet als der vogler.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 3. München/ Leipzig 1914, S. 303.
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