161.[309] 1

Salzburg den 29ten Deceb: 1777


Mein Liebes Weib und lieber Wolfg:


Nun wünschen wir euch das glücklichste neue Jahr! gott gebe daß das 1778 Jahr uns vergnügter macht als das verflossene, wir hoffen solches von der Barmherzigkeit und gnade gottes und von dem Talent, fleiß und geschicklichkeit, sonderbar aber von dem guten Herzen unsers lieben Wolfgang; der gewiß alles thun wird sich Rhum, Ehre, und Geld zu machen, um uns zu retten und seinen vatter nicht dem höhnischen gespöth und gelächter gewisser Personen, die ich euch nicht nennen darf, auszusetzen: welches mich gewiß unter die Erde bringen würde. Sein glück, sein Rhum wird die süsseste Rache für uns seyn, davon wir doch schon itzt etwas schmecken. graf Starnberg war bey gr: Arco ihn in der adlgse zu besuchen. die Rede fiel auf adlgassers Todt. gr: Arco. Nun seyd ihr angesetzt, nicht wahr? – Der junge Mozart würde euch nun gute dienste gethañ haben. gr: Starnberg. ja, es ist die wahrheit, er hätte sich wohl noch gedulten können. gr: Arco, wie gedulten? Das ist zum lachen! wer hätte diesen gähen fall vorsehen können – – und wenn auch – was würdet ihr ihm wohl zu seinen geschissenen – fl dazu gegeben haben. Es ist sein glück das er weg ist! man ist lange genug abscheulich mit ihm umgegangen. gr: Starnbg. ja, das muß ich bekennen, er ist zu sehr mißhandelt worden: es muß doch iedermann bekennen, daß er der stärkste Clavierist in Europa ist. Er hätte sich aber ia doch noch gedulten können. gr: Arco in voller Hitze! ia scheissen! Es geht ihm ganz gut in Manheim, da hat er eine gute gesellschaft gefunden mit welcher er nach Paris geht, diesen bekommt ihr nimmer, es geschieht euch recht! mit dem Hagenauer wird es euch auch so ergehen. gr: Starnbg: dieser wird itzt auf das neue Jahr ein gehalt bekommen. [309] gr: Arko. Das wird was rechtes werd: und wenn auch; so habt ihr ihn lange genug herumgefoppt, und bey der Nase herumgezogen. Dann fiel die Rede von mir – wo graf Starnberg behauptete, daß er glaubte es wäre niemand zu finden, der mehr geschicklichkeit hätte im Lection-geben als ich. Du wirst bemerken, daß gr: Arco immer sagte: ihr = den gr: Starnberg undCompagnie mit dazu nahm, um den Fürsten nicht nennen zu därffen, und dadurch par politique die schuld auf die Herzens Conferenzen über der Prücken zu legen. was den Hagenauer2 anbelangt, wird er mit dem Bischof von Gurk Fürst Auersperg nach Gurk reisen, um ihm alda ein gebäude anzuordnen. fällt nun die Resolution vom Erzb: schlecht aus, so wird er nichts einwenden; sondern nicht mehr zurück kommen.

Daß ihr ins Künftige nur alle 8 Täge schreiben werdet, ist eben das, was ich euch selbst hab sagen wollen; da itzt ohnehin für ieden Post-tag nicht viel zu schreiben seyn würde, und die Briefe so theuer sind. hab ich etwas zu schreiben, so werde ich fort fahren euch alle Post-täge zu schreiben, wo nicht, so wird manchmal auch ein Post-tag ausbleiben, das ich euch aber allzeit im nachkommenden Brief anzeigen werde. Ich bekomme ohnehin itzt vieles zu schreiben, da ich eine Menge Personen in Wien in Bewegung zu setzen ausgedacht habe, um, wenns immer möglich ist, ein Empfehlungsschreiben vom Wienerhof an die Königin von Frankreich zu erhalten.

Obwohl man in Manheim die vollkommensten Nachrichten von den gefährlichen umständen in denen sich der Churfürst aus Bayern befand, haben wird, so schreibe Dir doch die Nachricht die ich unterm 24 Xbre aus München erhielt. Es heist: – Bisher hatten mir die meisten intriguen und Confusionen an unserm Hofe der italienischen Nation zu verdanken, nun fehlte nichts mehr, als daß wir unsern durchl: Churfürsten auch durch sie verliern sollten. Fürst Gonzaga hat eine Nieçe, welche lange Jahre im Nymphenburger kloster in der Erziehung war: [310] aber wenig gefunde Stunden hatte; der Fürst nahm sie demnach nach Italien, wo sie sich, wieder ihres altenoncles Wille und absicht, verliebte. Er zwang sie demnach wieder mit ihm nach München zu reisen, und der Churfürst muste sie zur Hofdame annehmen. Sie war kurze Zeit mit dem grösten Widerwillen da, so bekam sie die blattern, und zwar die allerbösartigsten. anfangs mögen es die hl: Medici nicht recht verstanden haben, in der Hauptsache aber wusten es die welschen so lange stille zu halten und zu verdecken, daß man sie am Ende in der Residenz behalten muste. wo sonst bey dem geringste scheine der Blattern alles heraus muste, und so gar alle Cavallier und officianten, wo iemand bey ihnen blattern im Hause hatte 6 bis 8 wochen vom Hof sich entfernt halten musten. überdas wurde immer in dem schmerzlich mitleidigsten Tone vor dem Churfürsten von dieser marquese Riva gesprochen, bis der Churfürst endlich einige apprehension äuserte, und auch selbst davon sprach: ja man war so unbedachtsam den Churfürsten, bey Gelegenheit, bey der Stiege, wo ihr zimmer war, und ihre Leute für sie kochten, vorbeyzuführen. – Es war also der 9te decemb: als der Churf: die erste alteration mit Kopfwehe hatte. Den 10ten führte ihn der Oberstjägermeister auf die Jagd, und zwar bey sehr grosser Kälte, wo sie 6 Stunden ausblieben. abends war die Vigill für die Kayserin Amalia; da führten sie ihn abermal bey dem Zimmer der Patientin vorbey nach der Theatinerkirche, wo er eine Stunde wieder in der Kälte war. auf der Jagd hatte er einen grossen schrecken, da sein Postilion der die Rellée für ihn hatte, in seinem angesicht mit allen 4 Pferden fast im Mooß versank. – Den 11ten wurde er auf dem Leibstuhl ohnmöchtig, der Kopfschmerzen wurde sehr hefftig, und das Angesicht völlig roth, wie friesel. Er muste im Zimmer bleiben – man gab ihm leichte arzneyen und erklärte es für Kinderflecken. [311] Den 12, 13 und 14 gieng es noch gut, aber am 15ten wurde es so arg, daß der Leibmedicus Sanftl befahl er sollte im Bette bleiben. Nun wurde es von Tage zu Tage ärger. Man wollte die Comödien nicht abschaffen, um das Publikum, das ohne hin niedergeschlagen war, nicht in noch grössere angst zu setzen. Es wurden auch desswegen noch keine öffentl: gebether angestellt; bis endlich dieP: P: Augustiner selbst den 17ten ein Votiv ammt hielten, denen dann andere gleich folgten, und dann in allen Kirchen 3, 4 auch 5 Votivämter von iedem Stab – iedem Stand, – ia von allen zünften und Handwerkern gehalten wurden, so daß die traurigkeit, die völle in den Kirchen, das Weinen und bethen der Leute nicht zu beschreiben ist. vom 19 auf den 20ten und 21ten wars am gefährlichsten. vom 20ten bis 21 in der Nacht war er schon halb Todt, und wäre nicht der Leib Cammerdiener und derVicestallmeister Baron Segeßer die immer bey ihm waren, gewesen; so hätten wir kein en Churf: mehr. an dre hielten dafür, als schlief er, beyde aber erwarteten nicht bis der die wache habende Medicus um den Leibmmedicum lief und herbrachte; sondern sie entschlossen sich den Churf: zu ergreifen, ihn stark zu bewegen, welches ihn zu sich brachte und machte, daß er sich erbrach, und aus Mund, Hals und Nasen nichts als Materie von sich gab. Nun geht es seit dem ziemlich gut; aber aus der gefahr sind wir noch nicht: gott wird uns beystehen! Er ist am ganzen leib, innerlich und äusserlich voll der blattern, doch sind es, gott lob, die gutartigen; aber schmerzen hat er die unbeschreiblichsten, und ist von der geschwulst ohnkennbar, auch sein ganzer Rücken vom liegen wund. Die Churfürstin kommt ausser den wenigen Stunden des schlafes nicht von seiner Seite. Der Woschitka, der tage und Nacht beym Churf: seyn musste liegt nun auch kranck darnieder und man glaubt daß er auch die Blattern bekommen wird. Es ist ein grosses glück daß der Minister graf Perchem nicht vor des Churf: augen gestorben ist. den 18ten [312] war er um 3 viertl auf 3 uhr noch beym Churf: – gieng nach hause, der Fürst Zeil, graf Noccorola, und P: Wigand waren bey seiner Tafel nebst seiner gemahlin – Tochter – und Laureta Minuzzi. Er aß die Suppe mit bestem Appetit, und bey dem [Rind]fleisch ergrief er den Fürst Zeil bey der Hand, sagte: gott, mir wird übl, sanck in seinen Armb, und war Todt. P: Wigand von Waldsassen gab ihm in möglichster geschwindigkeit die general-absolution: bis zu dieser Stund weis der Churf: nichts von diesem todfahl, nur sagte man, daß er Krank istetc: – von anfang dieses Briefes sagt mir der gute freund, den ihr schon kennt, Ich hätte ihnen längst geschrieben, ich wollte ab er die Probe unserer opera abwarten: bisher haben wir nur den ersten Akt probiert, und der ist zimmlich leicht und recht seicht geschrieben; darauf wurde dieprima Donna Madama Marggetti (das wird wohl etwa Marchetti heissen sollen) so krank, daß sie noch dem Todt nahe ist und man der Sigra Flavis ge schrieben hat. übrigens ist hl:Monza der nämliche wie sie mir ihn in seiner Kunst und Person geschildert haben. Hier habt ihr also Neuigkeiten von München. Er schrieb mir auch einen neuen Jahrswunsch und 1000 Compt: an euch, und bath mich ihn zu berichten wo ihr seyd, und wie es euch geht. – Den Michaelmessner, und den Statt Caplan hat beyde der schlag getroffen. Durch geschwinde Hilfe, aderlassen x: sind beyde wieder ein bischen zurecht gebracht worden: allein auf wie lang? – es ist nur galgenfrist. sie sind beyde alt, und hl: Statt Caplan liebt ein gläsl Wein. Wer meinst Du wohl ist organist bey der hl: Dreyfaltigkeit geworden? – – hl: Haydn!3 alles lacht, der ist ein theuerer Organist. nach ieder Lytaney sauft er ein Viertl wein: zu den übrigen Diensten schickt er den Lipp4, und der will auch sauffen. – hl: Spitzeder soll unterdessen die Capellknaben im schlagen unterweisen bis auf weitere resolution. am Stephans Tag habn die Comoedianten mit der schönen Piçe Sophie oder der gerechte Fürst das Theater eröffnet. Das Theater war [313] so voll, daß über 60 Personen weggehen musten, wurde aber so schlecht aufgeführt, daß gestern Sontags NB in den gallerien keine Seele, und das parterre gar schlecht besetzt, war. heut wird es noch trauriger aussehen. gestern speiste zu nachts die Nannerl beym Hagenauer, weil ich im Kapellhauß war, und sie dann um 3 viertl auf 11 uhr abhohlte. Der Pimmperl befindet sich immer im besten Wohlseyn, obwohl er läuffig ist, aber nicht stark. Er kommt auch nicht aus dem Hause, und kein Hund zu ihm. hl: Deibl etwa alle 8 täge ein wenig, um sich um euch zu erkundigen, und sein Empf: an euch aufzugeben. Nun küssen wir euch millionmahl, das Papier ist voll, und bin der alte

Mzt5

Fußnoten

1 Antwort auf Wolfgangs Briefe vom 18. und 20. Dezember.


2 Der Verwandte L. Hagenauers, den Wolfgang im Briefe vom 30. Dezember 1774 erwähnt.


3 Michael Haydn.


4 Franz Ignaz Lipp, Organist am Salzburger Hofe, der Schwiegervater Mich. Haydns.


5 Folgt eine Nachschrift der Tochter.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 3. München/ Leipzig 1914, S. 314.
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