162.[314] 1

Salzb: den 5t Januarii 1778.


Mon tres cher Fils!


Den 30t ist also Churfürst aus Bayern in die Ewigkeit gegangen. mein Schreiben, so aus München unterm 31t erhielt heist so: Der 30te December ist der traurigste unter allen Tägen, die Bayern zählt. um halbe 2 uhr nachmittag starb unser Churf:, der gütigste fürst, den die Welt aufzeigen konnte, durch den Eigensinn eines alten, fast abgelebten irrigen Mediciner in der nun ganz Bayern verhaften Figur des Dr. Sanftel. Er führte die ganze Cur, wie schon in meinem vorigen gemeldet, ganz alleine: alle andern Medicis begegnete er mit der äusersten grobheit, und da die Blattern schon fast abgedorrt, sprach er am Samstage den 27, nun ist vor aller Welt augen keine gefahr mehr. am nämlichen tage abends sagte der Churfürst: Sanftl ich muß sterben, ich erkenne es an der äusersten schwachheit und unbeschreiblichsten mattigkeit; Sanftl erklärte es als eine Melancholy. NB ein anders schreiben vom Frst Zlfe2 berichtet [314] daß ihm dann der Dr: ein gläsl Mosler zu drincken erlaubt habe. – Am Sonntage wurde es ärger, der Sanftl ließ aber noch keinen andern Medicum zu; und gab auch dem Churf: keine Medicin; am Montage wurde er immer schwächer und zeigte sich am Armb eine grosse Röthe, die Sanftl für ein Roth lauf hielt, und die weise Kugl der englischen Freulen brauchte. Abends verzog sich die Röthe in etwas. In der Nacht vom 29 bis 30ten wurde der Churfürst wie vom schlage gerührt – dann sahe erst der elende alte Dr daß es der Brand war. Der Churfürst selbst verlangte, daß man ihn öffentlich versehen sollte. Das geschahe morgens um halbe 9 uhr. Dann wurden die Stattthore gesperrt, eine Procession angestellt, wo viel 1000 Menschen schryen und betheten. Er verlangte um 9 uhr die Mutter gottes im Herzogsspital nochmals zu sehen: die auch processionaliter nach Hofe getragen wurde. So ein Specktacl hat noch kein Land gesehen, alles lief aus den Häusern, gieng mit, es wurde aber mehr geheult, geschrieen und so geweint, daß man es das viertl der Statt durch hörte. Der Churf: machte seine imbriñstigste andacht dabey bis 1 uhr, dann verschied er um halhe 2 uhr ganz sanft, nach einer 23 tägigen schmerzensvollen Kranckheit. alle Medici, die in der Statt waren, hielten um 9 uhr einConsilium, aber zu späth! und der alte eigensinnige elende Dr gieng davon und sagte: ich bin verlohren! hält sich auch bis itzt verschlossen in seinem Hause auf. abends 4 uhr wurde schon Sr Durchl. der Churfürst von Manheim als unser Herzog durch Trompetenschall ausgerufen, und heute müssen alle dicasterien und dasmilitaire den Eyd der Treue ablegen. am Samstag abends, nach der Beerdigung, wird der Churfürst selbst hier ein treffen. gott stehe uns bey und gebe, daß es dabey bleibe: aber man fürchtet immer einen Besuch von Ö – – 3, und dann sind wir verlohren! wir hoffen [315] das bessere, gott gebe es! etc: Dieser Brief ist vom 31tenDecemb. unterdessen haben wir Nachricht, daß der Churfürst v Manheim schon den freytag 2t Jenner abends in München ganz alleine, nur mit einem Cavalier grasen oder Baron Vieregg begleitet in der Stille eingetroffen. Ihr könnt euch leicht vorstellen, daß man auch hier wünschet, daß die Sache so bleiben möchte. unterdessen muste ich heute doch von Herzen lachen, da schon die Rede in der Statt gieng, daß Dich der Churfürst zum Capellmeister in München machen werde, da der alte Bernasconi4 ohnehin nicht mehr dienen kann. Von Vockelbruck will man hier Nachricht haben, daß die dort und die um Wels herumliegenden kmyolrefcul osedmtln5 ordre erhalten hätten, ofcu amrocuilrtfg6 zu halten: und eben dergleichen soll des trompeter schwarz Sohn aus Böhmen geschrieben haben. gott bewahre uns, daß würde einen schönen auftritt geben. – Es wird sich bald zeigen. heute antworte nach München, und hoffe immer zu etwas neues zu hören, das ich Dir dann auch gleich berichten werde: doch werdet ihr auch schon natürlicher weise vieles erfahren, – – doch, wer weis es, vielleicht weniger als ich. Wegen der zurückreise der Mamma habe schon lange gedacht, daß es nicht bequemer geschehen könnte, als mit den leeren Wägen, die nach Salzb: reisen um die Kaufleute abzuhohlen. es kommt nur darauf an, wie sie von Manheim nach Augspurg kommt? hätte sie dazu eine bequeme gelegenheit, so konnte unser chaise in Manheim verkauft werden: wo nicht, so müste sie mit der chaise nach augsp: gehen, solche im kloster beym hl: Kreuz stehen lassen. bis mein Bruder solche zu verkaufen gelegenheit findet. Dann, da ihr 4 Personen seyd, so könnt ihr sie nach Paris nicht brauchen; und in Manheim würde man sie auch etwa besser anbringen, weil alles theuer ist. von augsp:, kann die Mamma in 3 tägen in Salzb: seyn, die Rosslehner gehen theils den 9ten, theils den 10t Merz von augsp: weg um die Kaufleute wieder abzuhohlen; da kann man ganz bequem in einem geschlossenen viersitzigen gläser wagen um wenig [316] fuhrlohn fortkommen. ich bin einmahl um ein Max d'or heimgereiset. – Wollte sie aber mit den Kaufleuten beym hereinreifen mitkommen, so würde es vielleicht einigen Anstand haben, weil sie meistens schon in vier Personen ihre Compagnie haben. eins oder das andere kann zum voraus durch meinen Bruder machen. Die Hauptsache kommt nur an, wie sie von Manheim gut nach Augsp: kommt? für das andere werde schon sorgen. Mann muß aber bey zeiten darauf denken; da nn die zeit geht bald herum, und mir wäre es lieber wenn sie mit 3 hereinreifenden die 4te Person seyn könnte: dann würde ich auch schon berichten, wann sie in augsp: seyn muß. was die chaise anbelangt, hab selbe um etlich und 80 fl gekauft; ihr werdet wohl freunde finden, die solche schätzen, und, wenn NB die Mamma solche nicht brauchen könnte, so gut es möglich verkaufen könntet. Man wird in Mannheim nicht viel um 8 Louisd'or von wägen kaufen. Sollte die Mamma aber keine bequeme gelegenheit nach augsp: haben; so würde vielleicht ein ehrlicher reisender frohe seyn in einer bequemen chaise für sein Postgeld mit zu kommen; man muß aber der Person versichert seyn, das verstehet sich. Sollte nun übrigens, wie wünsche und hoffe, der Churfürst im ruhigen Besitz seines neuen Herzogthums bleiben; so wird von zeit zu zeit immer iemand nach München reisen, wo sie mitkommen könnte. ist sie in München, so mag sie dann einen Lehnrössler alda nehmen, und nach Hauß fahren. überhaupts kommt es auf den Bericht an, wie ihr glaubt, daß sie nach Augspurg kommen kann, das übrige muß nach diesem eingerichtet werden; auch muß ich mich erinnern, daß ihr nichts auf die letzte spahrt, daß die Mamma bey zeiten ein verzeichniß macht von Deiner Wäsche, strimpfe etc: und allen Deinen Kleidungsstücken, damit Du weist, was Du bey Dir hast x x: und wie wird es mit demCoffre gehen? Man muß bey zeiten eine Probe machen, ob eins aus euch beyden solche gebrauchen kann. Sie wird für beyde zu groß seyn. auf alles dieses muß bey zeiten gedacht werden. Wenn die Mama solche zurückführen will, kann sie freylich solche mit strohe oben ausfüllen: allein ihre Kleider gehen enge zusammen; der Wolfg: wird sie [317] noch eher brauchen können. Basta. Nur bey zeiten vorgesorgt! Gestern war Pölzlschüssen, der Wolfgang war bestgeber, die scheibe war ein Brandlspiel von 4 Personen, darunter die sich die Näglbeissende Catherlin ihrer wahren Kleidung die Hauptperson war. auf dem Tisch lag ein stich vom Herzbrand, das Herz oben auf, auf dem Herz das Centrum. oben die, trotz wieland! geschwind hingeschriebne vortreffliche Poesie.


Am Herzbrand leid ich stark! Herz bleibt mein liebste farbe:

Und, wann ich viele Jahr noch als ein Jungfer darbe;

So gehts auf d'finger los: weil ich stets Nägl beisse.

Bekomm ich keinen Mann! – – dann auf die Welt ich

sch – – e


Die Catherl hat aber auch selbst das bestegewonnen.

So bald h: Adlgasser gestorben, sagte ich der Nannerl, Ich will wetten, der Erzbisch: lästdem Bischof von Königsgratz, Josef Arco durch die gräfin schreiben, um den Organisten, den schm utzigen Hasse oder Haff, wie er heist, kommen zu lassen: Du wirst Dich erinnern, daß Dir die gräfin einmahl davon gesprochen? es ist der schmutzige alte kerl, der Dir beym Fürst Pugiatowsky in Wieñ das thema von der Fuge vom Scarlati hat aufgegeben. Nun heist es wirkl: der Erzb: habe schon um ihn geschrieben. unterdessen bin ich schon 2 mahl bey den Lodronischen freulein gewesen: die gräfin ließ mich am Neujahrsabend durch den Cammerdr ersuchen zu ihr zu kommen. Sie sagte mir, mit ihrer gewöhnlichen falschen freundlichkeit, sie hätte mich etwas zu bitten: ich sollte aber, wenns mir ungelegen wäre, ihr ansuchen nur frey abschlagen, sie wollte mich gar nicht genieren. NB. Das war so viel gesagt: als ich erkenne selbst, daß sie mir gar keine obligation haben. Sie bath mich dann ihre freulein zu übernehmensie wüste wohl, daß ich wenig zeit hätte, und mich nicht gerne plagte. Ich machte einigedifficultäten, und sagte endlich, daß ich einen tag um 11 uhr den andern tage um 4 uhr kommen werde. Da war sie in ihrem vergnügen, sprach vielles von euch beyden x: und war dann am freytag schon im zimmer, als ich zu den freulein kamm. – Nun [318] was anders. Die Cammerjungfer bey der frl: Rosa Firmian, Cath: Gilowsky, kommt weg. Der Hof Rath läßt sie nicht mehr da. Vorgestern ist der Hof Rath Caietan Berti begraben worden. Euern Brief vom 27 Decemb: habe erhalten, am neuen Jahrstage habe euch nicht geschrieben; denn ich bin den abend vorher und den Tag selbst mit glückwünschen beschäftigt gewesen. Mich freut es ohnendlich, daß es euch nun gut gehet, daß ihr gesund seyd, und Du mein liebes weib eine Warme Stube hast. Das Portrait so Du mir vom Wslemnd7 machst, hätte ich Dir bey nahe auch machen können, ohne ihn gesehen zu haben. Mr. Grimm und die zween Romanzow haben mir ihn völlig beschrieben, als wir mit einander über den Münnichberg gegangen. alle solche Philosophischen Köpfe haben auch gemeiniglich etwas fantastisches. – Daß ich mich wegen dem Blfcutln8 angefragt, darf Dich gar nicht verdrüssen, ich werde Dir ein andersmahl darauf antworten: ja Du kannst Dir selbst antworten, wenn Du Dich gänzlich in meine Person, und in die Stelle eines vatters setzest. könnte die Mamma keinen Mannheimmer Hof Calender mitbringen? – – ich möchte auch gern wissen wie der titul von Voglers Buch heist, und was es kostet? wenn sich der Wolfgang meiner Methoden erinnert, wird er beydes um einen wohlfeilen Preiß bekommen. aber er muß nicht lachen; sondern ein ernsthaftes gesicht machen. Nun muß ich gewiß schlüssen, das Papier wird immer schwärzer. wir sind gesund, gott lob, ihr werdet es auch seyn, sorget nur für euer gesundheit, Ich und die Nannerl küssen Euch millionmahl und ich bin sammt ihr der alte

Mzt


Es ist bereits ein anderer Kays: abgesandter in München angelangt, welcher den graf Hardik ablöset. Dieser wird nun Instructiones haben, die man den andern erst hätte zuschicken müssen. Gott gebe ruhe und frieden!

Fußnoten

1 Antwort auf Wolfgangs Brief vom 27. Dezember.


2 Auflösung der Chiffren: Zeil


3 = Österreich.


4 Andrea Bernasconi (1706–1784) Kapellmeister am Münchener Hofe.


5 Auflösung der Chiffren: kayserliche soldaten


6 sich marschfertig


7 Auflösung der Chiffren: Wieland


8 Beichten


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 3. München/ Leipzig 1914, S. 319.
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