174.[378] 1

Salzb: d 28t febr: 1t und 2t Merz 1778.


Liebstes Weib und liebster Sohn!


Euern Brief vom 22t febr: habe richtig erhalten, gott lob, daß der Wolfg: wieder besser ist, auf Reisen muß man hauptsächlich für die [378] gesundheit besorgt seyn. wenn die mamma nicht genug schwarzes Pulver bey sich hat, würde sie vielleicht eher in Manheim noch eins finden – als in Paris. Ich suche immer den Nahmen des deutschen Docktors, der bey der schweizergarde (glaube ich) medicus ist, und der zu uns kam als der Wolfg: den gefährlichen Catharr in der Nacht bekam; mir ist immer er hieß so etwas wie: Herrschwand. ich hätte diesen Nahmen so gerne gefunden, damit ihr ihm hättet nachfragen können: man weis oft nicht, wenn man solche Leute nötig hat. Die Dilligence hält so viel ich Nachricht habe in der Rue St: Denis. Da müst ihr einen Fiacre nehmen, und in die Bourg l'abbé fahren, nun ist nur die frage, ob es besser ist gleich euer Bagage alle mit euch zu nehmen, oder noch auf dem Burreau des Postwagens zu lassen: ich glaubte es würde besser seyn, gleich all euer Sachen mit euch fortzun ehmen, sonderheitl: wenn der grosse Coffré nicht dabey ist, und durch fuhrleute nachkommt. NB absonderlich müst ihr, ehe ihr von Manheim abreiset, auf alle Coffre und Drüchl einen zeitl vest aufleimen lassen, oder ein Earthenblath, darauf die Buchstaben W.A.M. oder ausgeschrieben stehet à Mr. Wolfgang Amadé Mozart. Damit für allen Zufall alles gezeichnet ist, und bey einem fatalen zufahl, den gott verhüten wird, alles kann erfragt werden. Ihr müsst nun in derRue Bourg l' abbé zum Wirthshaus au Lion d' argent fahren. Die Rue Bourg l'abbé ist nicht weit weg, sie ist zwischen der Rue St. Denis (wo die Dilligence absteigt) und zwischen der Rue St: Martin. in dieser Rue Bourg l'abbé wohnen auch Mr: Mayer Marchand Fripier, dessen Hauß nur einige Häuser vom Wirtshause Lion d'argent (silbern Löwen) entfernt ist. Dieser Mr: Mayer ist ein Tandler nach unserer Sprache, und vermiethet zimmer. ihr wisst aber, daß es in Paris Tandler giebt, die Viele der Kostbarsten Kleider und andere Sachen haben. Der graf Wolfegg2 hat bey ihm gewohnt, und ein schönes zimmer gehabt, dafür er monatl: 1 Louis d'or bezahlte. Das gieng an: und an einem zimmer habt ihr auch genug, und seyd doch bey deutschen Leuten. Nur erinnerte mir h: gr. Wolfegg (der nur unter dem [379] Nahmen h: von Waldburg da war) daß die Madame in einem Punckt etwas intereßiert wäre und immer möchte, daß man ihr etwas abkaufte. Das sagte er mir zur Nachricht, damit ich euch solches melden sollte. h: Mayer Correspondiert immer mit h: gr: Wolfegg, dann Du weist, daß er selbst immer mit Einrichtung umgehet, und manche Sachen hiehergebracht, und verhandelt hat. h: Arbauer von Augspurg wird bey h: Mayer zu erfragen seyn, vielleicht wohnt er bey ihm, den dieser Mayer ist, wie gr. Wolfegg sagt, des h: Arbauer Commißionair. an beyde hat gr. Wolfegg geschrieben, und euch auf das beste reccomandiert, den h: Mayer ersucht euch, wenn er Platz hat, ein zimmer zu geben, oder wenn er nicht kann, für euch um eins zu sorgen. Er schrieb, daß die Mutter und ihr Sohn nur ein zimmer und zwey Bether brauchen, daß er für alles gut stehe, in dem der vatter Salzb: Capellmeister, ein ansehnlicher Mann und sein guter freund seye; ich habe den Brief selbst gelesen. Er setzte bey: ihr werdet in der Fasten eintreffen. Ein solches Empfehlungsschreiben gieng auch an h: Arbauer; dieses wurde aber an seine handlung nach Augsp: abgeschickt, da man nicht wissen konnte, ob nicht Umstände sich hätten ergeben können, daß er nicht mehr in Paris wäre: Dieß geschahe, damit er das schreiben gewisser erhalten möge; denn, ist er noch in Paris, so wird es ihm aus seiner Handlung dahin geschickt; ist er aber in Augsp: oder andern Orts, so erhält er das schreiben und reccommandiert euch neuerdings in Paris, das kann man vermuthen, und so müssen die Sachen zu mehrer Sicherheit ausgedacht werden. Wüsste ich die gegend genau, so würde ich euch rathen beym absteigen vom Postwagen gleich zum Mr: Mayer hinzufahren, und euch, da doch er oder seine Frau in der Boutique seyn wird, alda erkundigen, ob er den Brief vom h: v Waldburg erhalten? – – ob er euch Logieren kann? kann er? so seyd ihr schon da; kann er nicht? – so fahrt ihr die etlichen schritte weiter ins Wirthshauß. Sollte er dann wenn er ein zimmer für euch hat, euch zu theuer halten, so kommt es nur auf ein Monat an, indem ohnehin monatlich accordiert wird. – hat er nun keins – basta, so geht ihr zum silbern [380] Löwen, und dann wird euch h: Mayer wohl an die Hand gehen, eins zu bekommen. graf Wolfegg sagt mir er habe beym silbern Löwen um einen Livre, das ist 20 Sols, gegessen und habe allzeit brod und eine gewissePortion wein dabey gehabt. NB dieses dienet wohl zur Nachricht. – Ich habe unsere Pariser Rechnung, da wir im Hôtel de Beauvais rüe St: Antoine waren, nachgeschlagen und gefunden daß wir alle 4 sammt dem bedienten zur Mahlzeit nur für 2Livres und 8 Sols Essen haben bringen lassen; folglich für Mittag und Nacht 4 Livres und 16 Sols bezahlt haben. Wenn ich nun ein Livre auf 24 xr unsers gelds rechne, so kommt ein 6 Livres Thaler just auf 2 fl 24 xr. und das ist die bequemste Rechnung. unser deutscher kreuzer wäre so dann nicht gar 5 Pfennig, oder vielmehr ein Sols, wäre nicht gar 5 Pfennig, und der Louisd'or, zu 4 Laubthaler, à 2 fl 24 xr, wäre 9 fl 36 x. wollt ihr aber den Louisd'or zu 8 fl rechnen, so ist ein Livre 20 xr., der Sols 1 xr. und also der Laubthaler netto 2 fl. h: graf Wolfegg sagt es seyen auch Traiteurs in der Nähe. auch sagt er, daß ihr vielleicht mit der frau Mayer könntet übereins kommen, mit ihnen über Tische zu gehen: alleine ich habe einen Anstand, weil man sich zu sehr bindet auch zu zahlen, wenn man nicht zu hause speiset, und weil diese Leute ihre gewisse Stunde zum speisen haben, das bey euch eben nicht alzeit, oder vielmehr selten wird seyn können. Ich glaube ihr sollt euch anfangs für wenig geld zu essen bringen lassen; man kan allzeit steigen. Ich versuchte es anfangs nur mit einem Livre oder 20 Sols. Man muß mit solchen Leuten nicht zu gut seyn, sie thun alles, wenn man sagt, wenn ihr nicht wollt, so sind Traiteur genug in Paris. wir gehen zu einem andern. graf Wolfegg sagt man muß sich nicht so leicht finden lassen. wer das Maul nicht aufmacht, muß den Beutl aufmachen; man sucht die fremden zu scheren.

Nun komme auf etwas anders. ich muß dem Wolfg: eine abbildung oder aigens eine schilderung vomBaron Bache oder Bagge (ich weis selbst nicht wie er sich schreibt) machen. Er ist, so viel ich weis ein armer Baron aus Preussen oder den orten, und hat sich in Paris mit einer sehr reichen Huttmacherstochter verheyrathet. nach der [381] hand sind allerley zwistigkeiten zwischen ihnen herausgekommen, und nachdem wir nach Hause zurück sind, so sind die zwey Eheleute in abscheulichkeiten und solche Processe mit einander verfallen, daß, wie ich hörte, die Frau gar in ein kloster soll seyn gesteckt worden. Er ist einpaßionierter Liebhaber der Musik. Er hat immerConcerte in seinem Hause gegeben, und giebt sie vielleicht noch, dazu hatte er immer einige Leute, als 2 Waldhornisten (darunter war Henno) 2 Hautboisten, einen Contrabaß x: die er für allzeit bezahlte, ihnen aber wenig gab, sie konnten es aber thun, weil es etwas beständiges ist. Im übrigen behalf er sich mit allen den fremden Virtuosen, die alle zu ihm Kamen, da sie in einer fremden Statt bey ihm sich Raths erhohlen und in fernere Bekanntschaften kommen konnten. selbst die Pariser virtuosen kommen öfters hin, einige, wenn sie etwas neues haben, solches alda probieren zu können, andere um fremde Musikstücke alda zu hören, weil er sich sehr um neue musikalien bewierbt, und endlich kommen sie auch dahin um gelegenheit zu haben, neue fremde angekommene Virtuosen zu hörn. Alles was er uns gethann, war, daß erBillets zu unserm Concert, dazu ihn h: v grimm angespornet, angebracht, und bey unserm letzten Concert seine Musik, auf seine Rechnung uns geschickt. wir also nur die Sängerin Piccinelli und Mr: Gavinié, der nichts annahm, zu bezahlen hatten. was ich an ihm bemerkt habe, ist, daß er am ehesten für eine guteComposition etwas bezahlt. man muß demnach zurückhaltend seyn, und mein Lieber Wolfgang, du must nichts anfangs, als dein allerböste Musik aldaproducieren, damit Du Dich gleich in den Credit setzest. – Io victoria! itzt brauch ich nichts mehr weiters zu schreiben! h: Baron von grimm ist in Paris! – Diesen augenblick erhalte einen Brief von ihm. aber in demselben auch zugleich etwas von euerer gewöhnlichen unachtsammkeit: der Wolfgang war zwar beschäftiget, und hat ein kurzes gesicht: aber die Mamma sahe unsern freund grimm im Concert zu Augsp: nicht? – – da er doch sich euch ins gesicht stellte. – ich will seinen Brief deutsch hersetzen, oder vielmehr den Auszug davon. Es heist. Ich habe ihren Brief vom 25 Decemb: erst vor ein paar tägen erhalten, und da ich eben antworten [382] wollte, erhielt ihren 2t Brief vom 9t dieses Jenners. Es ist ganz richtig wahr, daß ich in augsp: war als h: amadeo sein Concert gab, ich würde gleich wieder abgereiset seyn – ich war aber so gar im Concert, und stellte mich so ins gesicht daß er und Madme Mozart mich sehen konnten, allein weder er noch die Madme sa mere erkanten mich: und da ich sehr Eyle hatte fortzureisen, und alles mir sagte, sie wären auf dem Weege nach Paris zu reisen, so entschloß ich mich unerkannt zu bleiben, da wir uns in Paris sehen w erden. Es wird mich sehr vergnügen ihn wieder zu sehen: aber es ist mir sehr Leid, daß er ohne seinen vatter Kommt. vermöge ihrem schreiben wird er itzt aus dem Weeg seyn, und ich hoffe ihn also von tag zu tage zu sehen, und dann werde von ihm erfahren und sehen was ich alles für ihn werde thun können. Er ist zwar in guten händen, da er mit Mr: Wendling ist, der ihm nützliche Dienste thun kann, alle in nie mand kan die wahre Stelle eines vatters ersetzen: (mais personne ne peut remplacer un pere). Es sind 3 Monate, daß ich von meinen Reisen zurück bin, und weis doch noch nicht ob diese meine letzte Reise aus Russland auch meine letzte seyn wird. il seroit temps de songer au repos. je vous envoie ci joint mon adreße, pourque vos Lettres ne risquent plus de s'egarer. je suis accablé d'affaires et d'ecritures et par consequent bien mauvais correspondant; mais lorsque M: Votre Fils sera ici, il sera mon secretaire, et nous vous tiendront au Courant. enattendant n'ayez point d'inquiétude. Je crois Votre Fils d'une Conduite assez sage pour ne pas reduter pour lui les dangers de Paris. s'il était enclin au Libertinage, il pourrait sans doute courir quelques risques; mais s'il a de la raison, il se garantira de tout inconvenient sans mener pour cela la vie d'un heremite x: x: je suis bien fachè que vous soyez cloué a Salzbourg, a dieu, Monsieur, vous connaissez les sentiments, que le vous ai voués, je vous prie de les regarder comme invariables.

Paris le 21 febr 1778.


[383] es lag eine druckte adreße dabey.

Monsier le Baron de Grimm Ministre Plénipotentiaire de Saxe – Gotha. Rüe de la Chaußé d'Antin, pres le Boulevard.

Bey diesen Umständen also glaube ich, daß ihr gleich sollt zum silbern Löwen fahren, und dann, wenn ihr späth ankommt, den andern tag vormittag zum h: Baron v grimm. wer weis ob ihr nicht etwa näher bey ihm wohnen könnt. ich finde die Rue de la chauße d'Antin itzt geschwind nicht. übrigens werde dem h: B: v grimm gleich antworten. ich habe anstalten gemacht daß ihr bey h: schmalz durch ordre Noker und schidl 4 oder 5 Louisd'or in Manheim nehmen könnt. wenn ihr nun die chaise auch nur um 5 Louisd'or verkauft, so habt ihr abermahl 100 deutsche gulden. Da ihr, als ihr mir den 19febr: geschrieben nicht mehr als 140 fl hattet, so sehe wohl, daß der Wolfg. sich mit Scolaren nichts verdienet hat, und daß es abermahl Wind war. ich reccommandire euch die baldige abreise; ich hoffe es in euerm nächsten Briefe zu hören. ich werde kaum mehr schreiben, dann ich glaube nun für alles gesorgt zu haben. aus purer vermuthung muß ich wissen, daß der Postwagen am Sontage nach Strasburg geht und erraths aus euern Briefen, und daß ihr am Mitwoche und Sonntage von uns die Brief erhält, muß mir halt auch so einbilden, da ihr doch alle solche Sachen, die sehr nothwendig zu wissen sind mit 2 Worten längst hättet schreiben sollen. Nun kommt in allem die Befolgung auf euch und euere gesunde vernunft und Nachdenken an, und in so wichtigen Sachen muß nicht iedes seine Meinung eigensiñig behaupten, sondern mit kaltem Blut vernünftig überlegen, und ja dasjenige, was heute geschehen kann, wegen anderer Leute gefälligkeiten zum aigenen schaden uud versäumiß auf den morgigen Tag verschieben, sondern den augenblick vornehmen, und nicht ruhen bis alles zu stand gebracht. Zweymal ist meldung geschehen, daß der Wolfg: Duett fürs Clavier will per subscription heraus geben, aber niemals – wo dieß geschehen soll, in Manheimoderin Paris? itzt kann ers in Paris thun, ich werde ihm, wenn er einmahl da ist, aus meiner Rechnung eine anzeige überschreiben, [384] was die Kosten sind. addio wir küssen euch millionmahl die Nannerl und ich wünschen glückl: Reise, gott erhalte euch addio

Mzt


Die Stockammer freul: ist wegen bekanntschaft mit dem Starmberg Laquaj bey Nacht zu den ursulinern im fessl abgeholt worden, da sie sich eben zum Baal ankleidete.

Fußnoten

1 Antwort auf Wolfgangs Brief vom 22. Februar.


2 Anton Willibald Graf Wolfegg, Domherr in Salzburg.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 3. München/ Leipzig 1914, S. 385.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Der Weg ins Freie. Roman

Der Weg ins Freie. Roman

Schnitzlers erster Roman galt seinen Zeitgenossen als skandalöse Indiskretion über das Wiener Gesellschaftsleben. Die Geschichte des Baron Georg von Wergenthin und der aus kleinbürgerlichem Milieu stammenden Anna Rosner zeichnet ein differenziertes, beziehungsreich gespiegeltes Bild der Belle Époque. Der Weg ins Freie ist einerseits Georgs zielloser Wunsch nach Freiheit von Verantwortung gegenüber Anna und andererseits die Frage des gesellschaftlichen Aufbruchs in das 20. Jahrhundert.

286 Seiten, 12.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon