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Salzb: den 18ten Novemb. 1780


Mon cher Fils!


Aber was denkest Du Dir! – wir müssen uns erstaunlich bey hl: schickaneder2 schämen, an meinem Nahmens Tage sagte ich ihm beym schüssen: morgen wird die Aria gewiß kommen.3 – – konnte ich ihm, nach meiner gründlichsten vermuthung, etwas anders sagen? – – 8 Täge zuvor musste ich ihm sagen, Du hättest [140] sie nicht ganz aus schreiben können: nun blieb ja gar kein zweifel übrig, daß Du sie 8 täg darnach mit dem Postwagen schicken würdest, um so mehr, da er nur noch 12 Commoedien spielen wird. Ich weis wirklich nicht, was ich ihm morgen, da er zum schüssen kommt, vorliegen soll; dann Du weist, daß ich zum Lügen gar nicht aufgelegt bin. – ich muß nur sagen, Du hättest den Postwagen versäumt, und das extra Post-porto wäre zu theuer; sie werde mit dem nächsten Postwagen gewiß eintreffen. Nun will ich nicht das zweyte mahl zum Lügner werden, da es eben nichts geringes ist für 3 Personen den freyen Eintritt so lange Zeit auf alle Plätze des Theaters zu haben. Er und Deine schwester standen um das Beste, allein schickaneders schusß messte doch ein bischen näher, bekamm das Beste pr: 1 f 12xr Deine schwester das zweyte pr: 30 xr. graf überacker gab das doppelte Beste wegen dem grossen Fest-tag: man legte 24 xr es waren 19 Leg-gelder und 40 gewinner; das Centrum der gilowsky Cath: Arsch.

In der Nacht vom 17ten gestern bis heut, also diese verflossene Nacht war eine fürchterliche feuersbrunst zu Hallein. Das Haus der Eltern der Fr: Rauchenbichlerin eines Strimpfhändlers ist vom grund abgebrannt, von einem Nebenhause der obere Stock, von einem andern die ganze Dachung. Der Wind führte die brennenden Träme und schindeln durch die ganze Statt, – da es aber zum glück schneiete und viel schnee schon auf den Dächern lag, so erstickte es die herumfliegende brennende Materie: sonst würde es bey dem gebäude des Salzweesen grossen schaden gethann haben.

Am Montage dem 20ten wird der Fürst von Berchtelsgaden auf mittag dem Erzbischof einen Besuch machen, und abends wieder zurück gehen. Es wird eine Ceremonie geschehen, um daß der Erzbischof auf das frühejahr auch seinen gegenbesuch in Berchtelsg: machen kann. – Nun beantworte Deine 2 schreiben. –

Den ersten Brief4 erhielte erst am Donnerstage, er kamm mit der Post, und den tag darauf am freyta ge der 2te.5

hl: gandville hatte Dir nur bescheinen sollen, daß er einen versiegelten [141] Brief, worin 118 f waren, von Dir Empfangen. aber das wird hofentl: keinen process geben. noch hab ich den hl: Wegscheid nicht sprechen können. ich vermuthe es war für die 100 f etwa 20 Duggaten darin, da nun ieder Duggatten in München nur 5 f gilt, so macht der verlust netto 2 f aus, da waren es freilich hier mit der beyliegenden Silbermüntz 120 f und in München nur 118 f. Mdme Jasman hat der Maresquelle schon geantwortet.


Idomeneo muß mit seinem gefolge vom schiffe austretten. Hier folgen die Worte, die er zu dem gefolge spricht, die sich dann entfernen. Du weist, daß ich diesen Einwurf nach München gemacht habe: allein man schrieb zurück, daß sich die Donnerwetter und das Meer an keine Étiquette kehren. ja – gewiß – wenn ein schiffbruch erfolgt wäre. aber sie wurden durch das gelübde befreyet. überhaupts wird diese Landung ein prächtiges ansehen machen.


Wegen dem Duetto, welches heisst deh soffri in pace ò Cara x. wollte hl: Varesco lange nicht daran; allein ich überzeigte ihn. nur haben noch Idaman te und Illia noch einen ganz kurzen Streit von etlichen Worten in Recitativ, welcher von einem unterirrdischen geräusche, so zu sagen, unterbrochen und der ausspruch durch eine unterirrdische Stimme gehört wird, welche Stimme und ihre Begleitung rührend, schreckbar und ausserordentlich seyn muß, das kann ein Meisterstück der Harmonie werden. Hier wirst Du die bereits gemachte veränderung beygelegt finden.

anfangs ist eine veränderung atto 1 meS cena 1ma No 1, wo die Ilia im Recit: anstatt argiva, Achiva sagen muß. und dieses kommt Atto secondo Scena 2da abermahl vor No 4 wie Du auf der andern Seite des Blats vom Varesco oben finden wirst. Die Ursache ist, weil Achivo ein Wort ist, das man von allen griechen sagen kann. Das Wort argivo aber nur von denen griechen die aus Argos sind. Du must Dich aber nicht irre machen lassen, wenn Du auf einen andern Platz, das Wort argivo findet; da ist es gut: nur an diesen 2 bemerkten Stellen muß es Achivo [142] heissen, weil von ganz griechenland die Rede ist. Nun folgt No 2 die Rede desIdomeneo an sein gefolge, nach dem sie aus den schiffen gestiegen, wo er sie entlasst. Da wirst Du am Ende finden, daß es heist: e al ciel natío x: dieses natío hat ober dem i einen accent, weil es lang ist und statt nativo da stehet, das zeigt schon der Vers


dann kommt No 3 eine nötige veränderung vor, die ich erst beym genauen Lesen entdeckt habe. Es muß nicht heissen (wie Varesco schrieb) daß er ein zeuge des Rhums seines vatters war: sondern just das gegentheil, nämlich: daß es ihm Leid thut, daß er nicht ein Augenzeuge der grossen Thaten und des Ruhmes seines vatters seyn konnte. – alle diese Sachen musst Du Dir also gleich richtig hineinschreiben in Deine abschrift, damit beym Componieren nichts vergessen wird.


Nun kommt No 4 was schon wegen Achivo oben gesagt habe.


No 5 ist das Recitativo anstatt des Duetto, diesesRecit: muß am Ende sehr Lebhaft recitiert werden, wo sie zum altar läuft, er aber sie zurück hält, alsdann sie sich an den Priester selbst mit allem Eyfer wendet, sich auf die Knie wirft und ehe ihre Rede zu Ende gehet unter den Worten a te sacro Ministro – – der unterirrdische Lerme sie zu reden verhindert und alles in Erstaunen und furcht setzt. wenns ordentlich, schlag auf schlag geht, wird es eine grosse Wirkung auf die zuseher machen, sonderht: da die unterirrdische Stimme darauf folgt. alles dieses ist den zusehern ohnerwartet und höchst auffallend und überraschend. Nun wird auch, dasjenige was im 2ten Brief zu verändern angemerkt ist, nächstens folgen. Sgr. Raff, dem ich und Deine schwester sich empfehlen, wird mit derAria bedient seyn, und die zwischen den Chören stehende Aria wird in ein feuriges Recit: verwandelt werden, welches man mit Donner und Blitz nach belieben accompagnieren kann. Man hat sich vorhin platterdings an den vorgeschriebenen Plan gehalten, den Du mit dem Buch zurückerhalten hast. Die augen thun mir wehe, ich kann nichts mehr schreiben, als daß hier die 2 Sparten [143] folgen. Du willst sie vermuthlich um noch blasende Instrumente dazu zu machen.

soll ich Dir die spart der Messe ex B allein oder auch abgeschriebene schicken? – – noch hab ich dieSpart nicht gefunden. Nur muß ich Dich bitten nichts auf die lange Banck zu schieben. Wenn man eylen muß, dann hat man keine Wahl mehr, man muß alles hinschreiben, und dann setzt man seine Ehre und glück, seinen Rhum und alles auf das Spiel: und warum? – um seine zeit mit Kleinigkeiten, mit spaß und lachen zu verlieren, die man zur fortpflanzung seines einmahl erworbenen Ruhmes, zur Ehre seiner Beschötzer und freunde, und zur Bahnung eines ferneren glückes hätte anwenden sollen. Die vorbeygestrichene zeit ist nicht mehr zurückzunehmen. zur bestimmten zeit muß es fertig seyn, – gut – mittelmässig – oder schlecht. Da hilft nichts. Nach geschehener Arbeit, – dann mag man aus frohem Herzen lachen. – – ja! blind will ich mich nicht schreiben. nicht doch! – ich will mich nicht um meine augen schreiben. Deine schwester Küsset Dich, sie ist unbässlich, hat gestern müssen aderlassen. hl: Barisani war eben da ihr was zu verschreiben.

Lebe wohl ich bin Dein alter vatter und freund

L Mozart


Schickaneder NB


Wer wird noch die Lytaney von Complimenten hersetzen:


Noch eine Hauptsache. Wenn noch etwas zu verändern wäre, so muß es mit nächster Post geschehen. Denn Varesco kann nicht immer, wie er itzt gethann hat, das Buch zum Druck vergebens abschreiben und wieder wegwerffen. Ihr mögt es also wohl überlegen ob alles so bleiben kann. sonderheit: da die deutsche Übersetzung auch hier sollte gemacht werden. Dies wäre freilich nicht übl. Ich sprach mit hl: schachtner.6 Er wollte es mir überlassen. Ich sagte, daß er sich aufs höchste 40 f oder 8 Duggatten hoffen könnte. Er glaubt ich sollte 10 Duggatten schreiben. allein, dieß scheint mir à proportione [144] der arbeit des Varesco zu viel. Doch meinte ich daß er 8 Duggatten verdiente, weil die arien x: und Chöre inVersen seyn müssen. und das ist in der that kein spaß, denn es sind 27 Stücke in Poesie zu bringen, darunter die Chöre lang sind.

Ich glaube Sr E. gr: Seeau könnt für eine glateprosaische übersetzung niemand weniger als 6 Duggatten geben. folglich werden wohl 8 Duggatten nicht zu viel seyn, da so dann die anstalt treffe, daß das Buch so in ordnung geschrieben nach München kommt, daß mans nur in die Druckerey geben darf. – aber gleich antwort. man hat keine zeit zu verlieren. addio.


ò ihr armen augen!

An das Canabich: Haus

Beyde Wendling: Häus.

Mr Becke, Ram, Lang

Eck etc: alle die mich lieben unsere Empf:


arme augen!

Nachts um halbe 8 uhr und ohne augengläser

Wln dh glmhbot, dmo dir grmii olmh

dla schachtner 10 duggatten gflbt, of kmnot

lo7 probieren.


Fußnoten

1 Antwort auf Wolfgangs Briefe vom 13. und 15. November.


2 Emanuel Schikaneder (1751–1812), der damals mit seiner Theatertruppe in Salzburg war.


3 s. Wolfgangs Brief vom 8. November.


4 Vom 13. November.


5 Vom 15. November.


6 Der Hoftrompeter Joh. Andr. Schachtner.


7 Auflösung der Chiffren: Wen du glaubst, das der graff seau dem schachtner 10 duggatten giebt, so kanst es


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 4. München/ Leipzig 1914, S. 145.
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