214.[160] 1

Salzb: den 15t December

1780


Mon trés cher Fils


Du schreibst mir, daß ich dir zu kurze Brief geschrieben, allein was kann ich dir viel neues von hier schreiben? – Nun wirst du die Aria für Mr. Raff (dem wir uns empfehlen) erhalten haben, ich schickte sie am verflossenen Montage mit der Post fort, sie soll also am Dienstag abends, oder Mittwoch frühe in deinen Handen gewesen seyn.

Was die Waldhorn Sordinen anbelangt, sind solche nicht zu haben. hl: Proschalka des hl. Fiala schwiegervatter hat selbst ein paar, so sagte mir h Fiala, der bey mir war und mir einen Brief zeigte vom hl: Becke, welcher voll der Lobeserhebung Deiner Musik des ersten Ackts war: er schrieb, daß ihm die zeher in die augen tratten, als er diese Musik hörte vor freude und vergnügen, und daß alle behaupteten, das wäre die schönste Musik, die sie gehört hätten, daß alles neu und fremd wäre etc. daß sie nun im Begriffe wären den zweyten Ackt zu probieren, – daß er mir dann selbst schreiben werde, – daß ich im verzeihen möchte, daß er mir nicht geschrieben hätte, indem er etwas unbass gewesen wäre etc: Nun, gott sey Dank gesagt, das gehet gut. Ich kann nicht glauben, da ich deine Arbeit kenne, daß es Complimente sind; denn ich bin überzeugt, daß deineComposition, wenn sie gehörig ausgeführt wird, auch ihre Wirkung thun muß.

hl: Sieger ist gestern ganz allein nach Hallein gereiset um ins Salzbergwerk einzufahren. Dann wird er nach Wieñ abreisen. Er ist nicht nur ein Musikliebhaber, sondern er spielt die Violin recht gut, und hat die gestochenen Sonaten vorgestern in gegenwart des Mr:[160] D'Jppold und h: schickaneders recht gut deiner schwester accompagniert.

übrigens spielt er auch etwas das Clavier, ist ein treflicher jurist, und wird in Wieñ beym Reichs Hofrath practicieren. hl: Esser hat ausser einigen solchen Leuten schon angebohrne grimaßen und geschnittne Nudeln die Sonaten bassabl accompagniert. Du weist es ja wohl, daß solche Leute nichts natürlich spielen können. ò wie wenige spielen, wie ichs wünsche! Die Trauer betreffend, hat mans hier dem Münchner Hof nachgemacht, – auch 3 Monate Hof-trauer, – die Commoedien gehen fort, schickaneder hat in Laybach abgeschrieben und bleibt hier, vest entschlossen Deine opera zu hören. Er war besorgt die Nobleße in Laybach werde ihm einen abscheulichen schmäh-Brief zurückschreib: allein, da er zum glück also gleich nach Laybach schrieb, und sie noch bey Ankunft seines Briefes nicht wussten, was der Kayser verordnen würde, anbey besorgten, sie müssten ihm wegen den engagement einen Ersatz machen, wenn seine truppe wegen ihnen ohne brod wäre, so gaben sie ihm alsogleich Antwort, und riethen ihm selbst daß er die Erlaubniß in Salzb: zu verbleiben zu erhalten alles mögliche anwenden sollte: er hatte es unterdessen schon in Handen. er empfehlt sich Dir. – – an dem Familien gemählde ist nichts weiter gemacht worden, Ursache: weil, anfangs, da die täge noch länger und heiter waren Deine schwester Kranck, und dann auch ich an einem schweren Catharr und Revmatismus durch alle äusserlichen Theile des Leibes stark krank war: ich schrieb Dirs nicht, um Dich nicht zu beunruhigen, dann Du weist wohl, daß ich mich selbst Curiere. Ich hatte eine Kälte in allen Gliedern, alle Kleider, und Pelze, selbst der Ofen, den ich nicht sehr liebe, weil mir die starke Ofenhitze den Kopf einnimmt, alles half nichts, – nichts konnte mich erwärmen. Ich trank meinen gewöhnlichen Klettwurzen Thee; blieb morgens wohl zugedeckt im eingeheitzten zimmer bis 10 uhr im Bethe, und konnte in keinen schweis, auch nicht in die geringste Ausdünstung kommen. Das geschahe in deinem Zimmer, wo ich (weils leichter zu heitzen) seit der zeit schlaffe. Was meinst Du was ich that? – Ich liess mir Hollerblühe kommen; liess mir einen Thee angiessen, trank [161] etliche schaalen; gieng wohl ankleidet in die Commoedie, den fußsack nicht vergessen, es war recht voll, ich kam neben der Barisani Teresel zu sitzen. Die Comoedie dauerte 31/2 Stund ich gerieth in so einen schweiß, daß ich zu Hause beym Ofen ein anderes Hemde nehmen mußte. Nun ist die grosse frage; ob mir der Hollerblüh – Thee oder die Terese Barisani den schweiß ausgetrieben, oder ob ich beyden diese erwünschte Wirkung zu verdanken habe? – übrigens mußte ich diese Commoedie die schlaflosen nächte mit Deiner Aria hören, da half nichts dafür! Von Wezlar ist keine Antwort gekommen. – vielleicht kommt sie noch. – – aber ich hatte wohl unter dieser Zeit ein schreiben von Mdme Duscheck mit einem Text zu einer Aria bekommen, hab ihr auch schon geantwortet, daß vor dem neuen Jahre nichts möglich sey. Sie schrieb, daß sie noch ein schuldnerin wegen der vorigen Aria wäre, und da sie es zimmlich pressant machte, so mußte ich ihr mit aller Höflichkeit die dermalige unmöglichkeit alsogleich umständlich schreiben. Ich verstehe wohl, was es ist: – h: Kuzelow (oder wie das Ding heist, ist schon lange nicht mehr in Prag, sondern itzt in Wieñ.

gestern freitags hat man der Gräfin Lodron um 5 uhr Morgens das Sterbglöckl geleutet; sie starb aber erst um halbe 7 uhr, sie lag von 3 uhr in der nacht bis frühe um halbe Sieben uhr in den Zügen. Der Capuziner Dom Sontag-Prediger war seit 8 tagen tag und Nacht bey ihr. Du kannst Dir nichts elenders dencken, nicht schmerzhafters vorstellen, sie konnte nicht mehr laut sprechen, der ganze Halß und Mund war innwendig von Brandblattern schwarz: 2 täge vor ihrem Tod bekamm sie noch einen abscessum, oder Art geschwör im Rüggen, dann das ganze geblüth war faul. Ein erschröcklicher Tod! – – Die Kinder sind alle beym Hofmarschall. NB. Man sagt sich in die Ohren. es wären wegen der Hayrath noch einige schwürigkeiten. Ich wünsche, daß es zurück gehet, die Hayrath ist zu ungleich. Der aesopus wird Psallieren oder fackel-tragen. à proposito. Es sind freilich Arien von ihm geschrieben da, – allein einige haben keinen Text, und ich kenne sie gar nicht. Mit diesem Postwagen könnte ichs ohnehin nicht mehr schicken. also über 8 tag. wir hatten [162] unterdessen 2 scheiben: auf einer war ein Theater; und die Solo Tanzende Maresquelle, unten im Noble parterre sahe man köpfe mit Haarbeutl, zöpfen, und auch runden Perücken mit einer geistl-Platte, von iedem Kopf, gieng eine schrift, bravo bravissima oh che prodiglio xx: und dergleichen hinauf x: die andere scheibe, war eine verliebte Historie, die Maresquelle über eine Lintzer Geschichte des schickaneders gegeben. h: schickaneder stand auf der Donaubrücke in Lintz mit einem Linzer Mädchen, und sein Mund sagte: ich verspreche, was ich keiner halte. auf der andern seyte war ein Lintzer Mädchen in einem garten Bey einem Tische und weiñ; hatte ein weinglaß in der Hand, und sagte: Er wird schon kommen. Als h: schickaneder zum schüssen kam, sahe er die scheibe, betrachtete sie, und ward roth. ich fragte ihn, ob er wüßte wer das Beste heute giebt. Er antwortete: – Die Mdme Maresquelle; ich kenne es an der scheibe. Morgen den 16ten nachts wird die gräfin Lodron begraben. Dienstags werden die Exequien für die Kayserin, dann Mitwoch Donnerstag und freytag für die grafin Lodron gehalten. Das erste für die Kayserin natürlicher weise im Domm. Die anderen bey St. Sebastian.

Nun weis ich nichts mehr. wir Küssen dich beyde und ich bin dein alter redlicher vatter

L Mzt


Du erhaltest auch hier durch den Conducteur ein paar unterstrimpf.

Fußnoten

1 Antwort auf Wolfgangs Brief vom 13. Dezember.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 4. München/ Leipzig 1914, S. 163.
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