*216.[164] 1 [Salzburg, 22. Dezember 1780]

Mon très chèr Fils!


Ich muß in Eile schreiben, denn der Postwagen geht morgen frühe, also um einen Tag früher ab. Hier sind die Pillulen. Davon werden NB. ein Tag nach dem der Mond angefangen hat abzunehmen, Morgens 5 genommen, dann kann man nach Belieben in anderthalb Stunden darauf ein Frühstück nehmen. [164] Nachts vor schlaffen gehen abermals 5. Damit wird fortgefahren bis der abnehmende Mond vorbey ist, dabey ist für das Frauenzimmer das ungelegenste, daß es Zeiten giebt wo sie diese Medizin zu nehmen verschieben oder aus setzen müssen.

Hier kommen die 3 Akt zum Druck geschrieben. Was wegen den Nahmen der recitierenden Personen, der Erfindung der Balets – der Ballet – Musik etc hineinzusetzen ist, ist Platz gelassen. – Was vor jeder großen Scene – Veränderung hineingeschrieben ist, wird (wenn hl: Quaglio es in etwas abgeändert hätte) leicht im Buch zu verändern seyn. – So wird z.B. imAtto primo Scena VIII da es heißt: Nettuno esce etc. und dann Nel fondo della prospattiva si vede Idomeneo che si sforza arrampicarsi sopra quei dirupi etc., da sage ich wird man die Nachricht und Erklärung dieser Scenen so einrichten müssen, wie man sie vorzustellen gedenket. – Das ist, ob Idomeneo im Schiff verbleibet, oder ob er zwar nicht Schiffbruch leidet, doch wegen der anscheinenden Gefahr mit seinen Leuten die Schiffe verlassen und sich auf die Felsen gerettet hat. Kurz! Es kommt darauf an, wie mans vorstellt. Es wird dem Hl: Quaglio als einen geschickten und erfahrenen Mann überlassen. Zertrümmerte Schiffe müssen doch seyn, denn im Recit:, vonScena 10 sagt Idamantes vedo fra quel' avanzi di fracassate navi su quel lido sconosciuto guerrir. Nun weiter! Du willst absolute 2 Recit: abgekürzt. Ich ließ den Varesco also gleich hohlen, denn heut abends um 5 Uhr bekam ich Deinen Brief und morgen frühe geht der Postwagen weg. wir lasen es hin, wir lasen es her, und beyde finden wir keine Gelegenheit es abzukürzen. Es ist nach dem französischen, so wie der Plan es verlangte, übersetzt, ja, man sehe im Plan nach, es wurde noch verlangt, man solle dieses Recit: ein bischen verlängern, damit sie einander nicht so geschwind erkennen möchten und itzt will mans ins Lächerliche treiben, daß sie einander nach etlichen Worten schon gleich erkennen sollen. Ich will erklären:Idamantes muß doch sagen warum er da ist, sieht den fremden und biethet ihm seine Dienste an. Idomeneo geht jetzt schon so nahe, daß er von Schmerzen spricht und muß ihm doch dafür ein Gegen- Compliment [165] machen. und dann Idamante ihm wird sagen, daß er Mitleiden mit Verunglückten hat, weil er selbst das Unglück erfahren. Des Idomeneus Antwort ist eine nothwendige Frage. Nun erzählt Idamantes das Unglück des Königs und Idomeneus macht durch die räthselhaften Worte non piu di questo, daß Idamantes einen Schein der Hoffnung bekommt und fragt im Eifer dimmi amico, dimmi dove? Dieser Eifer macht, daß Idomeneus fragt ma d'onde etc, Muß nicht hier Idamantus sich so erklären, daß er sich als eines seines Vaters würdigen Sohn mahlt und die Verwunderung Hochachtung und Begierde beyIdomeneus erregt zu erfahren, wer dieser junge Mensch ist, welches dann bei der Erkenntniß daß es sein Sohn ist die ganze Sache interessanter macht? – will man nun aber par force etwas weglassen, so habe ich nachgedacht, daß nach dem Recit:, des Idamantes che favelle? vivè egli ancor? etc, welches schlüßet: dove quel dolce aspetto vita mi renderà? Idomeneo, ma d'onde nasce questa, che per lui nutri tenerezza d'amor? dann gleich perche qual tuo parlar si mi conturba? Idamante. e qual mi sento anch io und dann so fort. Hier bleibt 11/2 Seite in der gegenwärtig mitkommenden Abschrift des Varesco p 32 weg, nämlich die schöne Erzehlung der Heldenthat, so anfängt Idam: Potessi almenio etc. und da mags um eine Minute kürzer werden, ja in puncto um eine ganze Minute, großer Gewinn! oder wollt ihr den Vatter und Sohn so zusammenlaufen und sich erkennen machen, wie der verkleidete Arlequin und Brigella als Bediente in einem fremden Lande sich finden und geschwind kennen und umarmen. Gedenket daß dieses eine der schönsten Scenen der Opera, ja die Hauptscene ist, von der die ganze Folge der Geschichte abhangt. Diese Scene kann auch nicht leicht ermieden, weils im ersten Act ist.

Im 2ten Akt kann nichts anders wegbleiben, als in der 2ten Rede des Idomeneo.

Idomeneo. un sol consiglio or mi fa l'uopo. ascolta: Tu sai quanto a Troiani fu il mio brando fatal Arbace. tutto m'e noto etc. Dann geht es fort und kann kein Wort mit gesunder Vernunft [166] ausbleiben, dieses ganze Recit: kann auch nicht lange dauern, weil viele Sachen darin sind, die mit Eifer und geschwind müssen recitiert werden, und da gewinnt ihr eine halbe Minute! Großer Gewinn! DiesesRecit: wird auch keine Seele ermüden, da es das erste im 2ten Act ist. Was allenfalls noch auszulassen wäre, ist wenn nach dem Recit: das Arbace: male s'usurpa un kè etc gleich Idomeneo sagt: Il voto e ingiusto. Da bliebe dann weg Idoman: Intendo Arbace etc und Arbace Medica man etc. Ob es nun der Mühe lohnt wegen einer solchen Kleinigkeit die 21/2 Minuten höchstens beträgt eine Enderung zu machen, weis ich nicht, sonderheitlich da diese Rec: an den Orten stehen, wo sie niemand ermüden können. Im erstenAct ist alle Welt gedultig, und das erste Recit: im 2ten Act ermüdet keinen Menschen. Mir ists lächerlich, denn bey der Prob, wo das Aug nichts hat, ists freylich gleich langweilig, aber im Theater wo zwischen dem Theater selbst und denen anwesenden Zusehern, so viele Gegenstände der Zerstreuung sind, geht so ein Recit: weg ohne daß mans bemerkt. Das magst Du in meinem Nahmen aller Welt sagen. Sollte aber demohngeachtet so etwas ausgelassen werden, so bitte mir aus daß alles gedruckt wird. hl: Varesco weiß von allem nichts was ich hier geschrieben. – Hat hl: Schachtner nicht alles in der größten Vollkommenheit gemacht, so muß man bedenken, daß die Zeit sehr kurz war. Hier sind die vom Aesopus geschriebenenArien alle, auch ein Brief vom schachtner, der sich sammt Varesco empfehlen. Wir wünschen Dir Glück, daß die opera so gut ausfällt. nächsten Posttag mehreres. addio. alles beim Licht mit Augengläsern geschrieben. Wir empfehlen uns allen Dich küssen wir millionenmahl und ich bin Dein alter getreuer Vatter

L. Mozart

Fußnoten

1 Antwort auf Wolfgangs Brief vom 19. Dezember.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 4. München/ Leipzig 1914, S. 167.
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