218.[169] 1

Salzb. d. 29 Decemb. 1780.


Glückseeligs Neuesjahr!


Den 28t schrieb ich, durch einen Umschlag an H:Becke, an Mr. Canabich beyde das neue Jahr anzuwünschen. Mr: Becke schrieb mir zwar etwas von der Aria des H: Raff: allein, da ich diese Aria als eine Aria di bravura betrachtete, so achtete ich gar nicht auf [169] diese mir überschriebene remarque, um so weniger, als er selbst beysetzte, daß es nur darum geschah, um H: Raffs Lieblings passaggen hineinzubringen. au Contraire ich dachte, daß es wohl gethan war, und war überzeigt, daß du dennoch ohnmöglich den Carackter der Aria verfehlen wirst, da ich sie schon zum Voraus als eine prächtigeAria mir vorstellte. kurz! ich dachte nicht einmal daran; da ich weis, daß gewisse Leute, wenn sie keinen Elephant erhaschen kennen, die Fliegen sang: dann getadelt muß doch etwas seyn; wer das gäntzlich vermeiden will, der gehe aus der Welt hinaus: und wer gar den allgemeinen Beyfahl, ohne geringste Ausstellung, erwartet, der ist ein Narr.

Was Varesco gemacht, daß muß alles gedruckt werden, das bitte ich mir absolute aus. Es beträgt nur einige Zeihlen auch im Telemaco2 haben sie alles gedruckt, ob gleich in der Musick einige Zeihlen im Recitativ weggeblieben. Ich wünschte wir konnten die Druck-Correctur selbst hier übernehmen. Es ist nichts abscheulicheres, als wenn so viele Druckfehler, die oft den Sensum ohnverständlich machen, in einem Buch zu finden sind. Es wär recht gut wenn Du die an der letzten Correctur vor dem Abdruck selbst besorgen und überlesen wolltest, und sollte es auch beym Buchdrucker im Hause seyn. Ferner hoffe SE: Hr: Seau werden keinen Anstand nehmen diesen Zwey miteinander wenigstens ein Dutzet Exemplare zu schicken.

Was das Vienia rinvigorir betrifft ist es wahr, daß es 5 i sind, aber es ist auch wahr, daß ich es mit der grössten Leichtigkeit und Geschwindigkeit 20 mahl ohne unbequemmlichkeit aussprechen will. in der nämmlichen Aria, die zum Muster aus Metastasios Achille Sciro geschickt worden sind die Schlüsse, il peso alleggerir; und lo vede rinfiorir, besonders das letzte rinfiorir gewiß wegen dem anfangs Buchstab r weit unbequemmer.Basta! ohnangenehm hin unangenehm her, der Teufel möchte ewig ändern und wieder ändern. Sgr: Raff ist gar zu heickel. wegen dem Quartett etc will gar nichts sagen, dazu gehört Declamation und Action [170] und keine grosse Singkunst oder das ewige Spianar la Voce. Da gehört Handlung und reden her.

Gott Sey gelobt, daß Sr. Durchlaucht mit den 2 ersten Acten zufrieden sind, und so grosses Wohlgefahlen daran hab.

Auf dem Theater werdet ihr, wie vermuthe, noch viele Beobachtung zu machen hab: sondheit: im 3ten Ackt, wo so vieles vorgehet. Vermuthlich wirst Du tiefe Blas-instrumente zum accomp: der unterirrdischen Stimme haben. Wie wär es, weñ nach dem wenig unterirrdischen Lermen die Instrumentepiano aushielten* aigentlich auszuhalten anfiengen dann ein Crescendo bis ins schröckliche machten, und beym decrescendo die Stimme zu Singen anfieng? und so ein schauderndes crescendo bey jedem Absatz der Stimme. Durch den Lermo, der kurtz seyn muß, und nur wie ein Stoß von einem Erdbeben, dadurch die Statur des Neptuns sich bewegt wird alles ausmerksamm, welche Aufmerksammkeit durch den Eintritt einer stillen anhaltenden und dann anwachsenden schröckbarstarken Harmonie vermehret und alsdann erst auf Höchste steigt, da gar eine Stimme erfolgt. mir scheint ich sehe und höre es.

Daß Du das Kleid hast wenden lassen, war gut geschehen. Eben, weil wir vom Kleid reden, so werde ich wohl auch die Ungele genheit mir ersparen können bordiertes Kleid mitzunehmen? – – Du weist daß ich ohnehin vom Aufputz kein Liebhaber mehr bin. Darüber machst du mir antworten. Das wär das erste: dann das zweyte, – wenn die opera das erstemahl ausgeführt wird: bleibts noch beym 20ten Jenner? – Dann Drittens. wegen dem Ofen setzen3 läßt es sich thun? und wird es nicht zu viel kosten? Das muß vorher accordiert werden. Dann wir gedenken, wenn wirs erfahren können, zur Hauptprobe einzutreff: und das wirst Du wohl beyläuftig in 10 oder 12 Tagen schreiben können unterdeß mache unsere Empfehlung überal von uns Beyden, die [171] wir Dich von Herzen Küssen und ich bin Dein alter redlicher Vatter

L. Mozart


Salzb. d. 30 Dezemb. 1780.


Gestern den 29ten Bey der Mittagstafel beym Dessert schnied sich der Erzbischof sehr stark in Finger, H. Gilowsky verband ihn gleich, dann stand er auf, gieng in sein Zimmer um sich zu waschen, weil alles voll Blut war. Auf einmahl aber sanck er ohnmächtig auf den Sessel und Gilowsky hatte eine starke Viertelstunde zu thun, bis er ihn wieder zu sich brachte. Er kann kein Blut sehen, und da er sich geschnitten, so that er sich alle Gewalt an die anwandelnde Ohnmacht zu untertrücken, stand auf, gieng weg – – dann kams – – Sonst wars weiter nichts. – Dem Himmel sey Dank! – –

Der Kayser ist nicht krank: aber der alte Papa Colloredo ist sehr gefährlich, sonst wäre der Erzb: nach Wien. stirbt er, so reiset er gar nicht. – – Das der Erzb: nach München gehen soll, habe nicht eine Sylbe gehört. Wir glaubten es wär um wegen des Saltzes alles verglichen, und in guter Ordnung; Es wurde Sontags und Feyertags das Saltz auf dem Wasser, bis mann vor Eys nicht mehr fortkonnte, ohnausgesetzt abgeführt, – kam auch Bezahlung unter starker Bedeckung von Grenadiers aus Bayern. Izt hör giebts wieder neuerdings einigen Anstand, dann es kommt kein Geld.4

Fußnoten

1 Antwort auf Wolfgangs Brief vom 27. Dezember.


2 P. Gruas Oper vom Carneval 1780.


3 S. Wolfgangs Brief vom 24. November.


4 Folgt eine Nachschrift der Tochter.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 4. München/ Leipzig 1914, S. 172.
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