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Salzb. den 4ten Jenner 1781.


Mon très cher Fils!


Es war um 9 Uhr, da ich eben am [......] ins Ammt gieng, als ich Deinen Brief vom 30 Deceb. erhielt. Nach der Kirche machte ich [...] Neujahrs Seccaturen und gieng um halbe 11 Uhr zum Varesco. dieser war nun abscheulich böse und sagte, wie es die welschen,[172] oder halbwelschen machen, die närrischsten Sachen: unter anderem auch, daß er H.H. gr: Seau dieser Täg geschrieben habe, um ihn zu bitten, daß er sorgen möchte, daß keine Druckfehler ins Buch kommen möchten x: gut! daß er sich 12 Exempl. ausbitte: Basta! und daß er hofe noch einige Duggatten zur Erkenntlichkeit zu erhalten, in Ansehung, daß er den Text 4 mahl copiert, und nach der Hand viele veränderungen hätte machen müssen; welches, wenn ers vorhero gewußt hätte für 20 Duggatten, einer so geringen Bezahlung, nicht angenohmen hätte x: meinethalben auch gut: allein mir fiehl gleich ein, daß H. Varesco den gottlosen welschen gedancken haben möchte, als hätten wir einen stärkern accord gemacht, und behielten das geld. Ursachen dieser Vermuthung sind. weil er ein halbwelscher ist: peggio del Italiano vero. weil ich ihm den Brief vom gr.Seau seines accords halber nicht zum lesen geben konnte, sondern nur es herauslaß, da die andern Sachen er nicht wissen durfte. Weil er bey übersendung des 3ten acts durch Dich an gr: Seau schrieb, und dieser keine Antwort gab, sondern Du mir schriebst, er habe die Commißion zu antworten Dir übertragen. alles dieses mag ihm den Argwohn erwecken, es gebe noch mehr solche Leute, wie er einer ist. Er mag uns wohl nach sich selbst beurtheilt haben. – nun weiter: – ich sprach ihm ganz gelassen zu: und da ich endlich seines schmählens und ungeschickten gewäsches müde war, sagte ich ihm: Ich brauche von ihm keine andre Antwort, als, ob ich heute schreiben soll, daß künftigen Posttag den 4ten Jenner eine andere Aria kommen wird oder nicht. Antworten muß ich! das übrige bekümmert mich kein Teufel. Da sagte er nun: ich werde sehen, ob mir etwas einfällt. und ich ging dann, meine übrigen Neujahrs Seccaturen zu vollenden. was er nun übrigens alles sagte, und wie sehr er aufgebracht ist, kannst Du aus dem schlüssen, was er hier neben dieAria hingeschrieben: das umständliche werde dir mündlich erzehlen. vor allem sorge, daß gr. Seau das geld ihm und dem schachtner so bald möglich bezahlt, man darfs nur dem H. Gschwendner geben, das ist der kürzeste weeg.

[173] Nun weist du, daß ich ein Liebhaber vom Frieden und ein ehrlicher Mann bin, der aller welt verdruß zu erspahren wünschet. – Du siehest aus des Varesco beysatz, daß er zwar eine andere Aria zum singen gemacht. aber die Aria Sazio è il Destin x: gedruckt wissen will. Das wäre lächerlich eine andereAria im Buch, und eine andere singen. Das beste Mittel wäre beyde Arien einzudrucken: und die Sazio è il Destin: an ieder Zeihle Ranft mit Stricheln ,, zu bezeichnen, weil sie nicht gesungen wird. So wäre allem verdrusse vorgebeugt, und es betrift ja nur etliche Zeihlen mehr zu drucken.

H. schachtner hatte gar keine Einwendung, du siehst er machte die übersetzung gar 2 mahl; man kann wehlen –––– welche man will. Die 2te gefählt mir besser. die erste –––– ist nach dem welschen vorder und Hintersatz, folglich –––– genauer nach dem welschen. Die zweyte ist ohnendlich –––– deutscher, ohngezwungener und natürlicher, und das –––– hat gar nichts zu sagen, daß der welsche hintersatz durch eine freye übersetzung zum vordersatz genommen ist, weils im Deutschen viel besser läßt. Was eine Anweisung anbetrift ist solche nicht nötig, weil H. Gschwendner gestern schon abgereiset und nun in München ist. Du darfst nur zu ihm gehen, er wird Dir, was Du bedarfst sicher geben, obwohl ich ihn nicht gesprochen, denn da ich ihn heute sprechen wollte, sagte mir sein H. Bruder, er wäre gestern schon weg. Mache ihm meine Empfehlung: dann hofe ohnehin bald selbst zu kommen. schreib nur wenn die Hauptprobe seyn wird. ich bin Dein alter Vatter

Mozart.


PS: und der arme Marquesini2 hat also so mal àpropos sein Leben enden müssen? schade! – so gehts! wenn die vernunft mit dem ganzen Kopf spazieren geht. – Ich reccommandiere dir nochmals die baldige Bezahlung des Varesco und schachtners. Deine schwester und ich küssen Dich tausendmahl und bin der Alte.

Fußnoten

1 Antwort auf Wolfgangs Brief vom 30. Dezember.


2 Der Kastrat L. Marchesi, der jedoch erst 1829 starb.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 4. München/ Leipzig 1914, S. 174.
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