207.

[145] vienne ce 22 Xbre 1781.


Mon trés cher Pére!


Ich bin noch ganz voll zorn und Wuth über die schändlichen lügen des Erzbubens Winter1 – ruhig und gelassen weil sie mich nicht treffen – vergnügt und zufrieden mit meinen unschätzbarsten, liebsten, besten vatter! – ich konnte es aber von ihrer vernunft, und ihrer liebe und güte zu mir nie anderst erwarten. – meinen Brief und geständnüss meiner liebe und absicht werden sie nun durch mein leztes schreiben schon erfahren haben. – und werden daraus gesehen haben daß ich in meinen 26ten Jahre nicht so dumm seyn werde so im tage hinein zu heyrathen, ohne etwas gewisses zu haben – daß meine ursachen mich so bald möglich zu verheyrathen sehr gut gegründet sind, und daß, nachdem wie ich ihnen mein Mädchen geschildert habe, mir selbe als frau sehr gut zu statten kommen wird. Denn so wie ich sie ihnen beschrieben, so ist sie – um kein haar besser, noch schlechter. – wegen dem Ehecontract will ich ihnen auch das aufrichtigste geständnüss machen, wohl überzeugt daß sie mir diesen schritt gewis verzeihen werden, indemm sie, wenn sie sich in meinem falle befunden hätten, ganz gewis würden das nemliche gethan haben. – nur wegen diesem bitte ich sie um verzeihung, daß ich ihnen nicht längst alles geschrieben – über diesen Punckt habe ich ihnen schon in meinem lezten brief meine Entschuldigung gemacht, und die ursache, die mich davon abgehalten, geschrieben. Ich hoffe also sie werden es mir verzeihen, indemm niemand mehr dabey gequält warals ich selbst – und wenn sie mir auch in ihren letzten nicht anlass dazu gegeben hätten, so würde ich ihnen alles geschrieben und entdecket haben. Denn länger – länger – konnte ich es bey gott nicht aus-halten. –

Nun aber auf den Ehecontract, oder vielmehr auf die schriftliche versicherung meiner guten absichten mit dem Mädchen zu kommen, [146] so wissen sie wohl, daß weil der vatter (leider für die ganze famille und auch für mich und meine konstanze) nicht mehr lebt, ein vormund2 vorhanden ist – Diesem (der mich gar nicht kennt) müssen so dienstfertige und nasenweisse herrn wie h: Winter und ihrer mehrere allerhand Dinge von mir in die ohren geschrien haben – daß man sich mit mir in acht nehmen müsse – daß ich nichts gewisses hätte – daß ich starcken umgang mit ihr hätte – daß ich sie vieleicht sitzen lassen würde – und das Mädchen hernach unglücklich wäre E: Dies kroch dem h: vormund in die Nase – denn die Mutter die mich und meine Ehrlichkeit kennt, liess es dabey bewenden, und sagte ihm nichts davon. – Denn mein ganzer umgang bestund dariñ, daß ich – dort wohnte – und nachhero alle tage ins hauß kamm. – ausser dem hause sah mich kein Mensch mit ihr. – Dieser lag der Mutter mit seinen vorstellungen so lange in den ohren, bis sie mir es sagte; und mich bat mit ihm selbst davon zu sprechen, er wolle die täge herkommen. – er kamm – ich redete mit ihm – das Resultat – (weil ich mich nicht so deutlich explizirte, als er es gewollt) war – daß er der Mutter sagte mir allen umgang mit ihrer tochter zu verwehren, bis ich es schriftlich mit ihm ausgemacht habe. – Die Mutter sagte, sein ganzer umgang besteht dariñ daß er in mein haus kömmt – und – mein haus kann ich ihm nicht verbieten – er ist ein zu guter freund – und ein freund dem ich vielle obligation habe. – ich bin zufrieden gestellt, ich traue ihm – machen sie es mit ihm aus. – er verbot mir also allen umgang mit ihr, wenn ich es nicht schriftlich mit ihm Machte. – was blieb mir also für ein Mittel übrig? – eine schriftliche legitimation zu geben, oder – das Mädchen zu lassen. – wer aufrichtig und solid liebt, kann der seine geliebte verlassen? – kann die Mutter, kann die geliebte selbst nicht die abscheulichste auslegung darüber machen? – Das war mein fall. ich verfasste die schrift also, daß ich mich verpflichte in zeit von 3 Jahren die Madelle Constance Weber zu eheligen; wofern sich die ohnmöglichkeit bey mir erreignen sollte, daß ich meine gedanken [147] ändern sollte, so solle sie alle Jahre 300 fl: von mir zu ziehen haben. – ich konnte Ja nichts leichters in der Welt schreiben. – Denn ich wusste daß es zu der bezahlung dieser 300fl: niemalen kommen wird – weil ich sie niemalen verlassen werde – und sollte ich so unglücklich seyn meine gedanken verrändern zu können – so würde ich recht froh seyn, wenn ich mich mit 300 fl: davon befreyen könte – und die konstanze wie ich sie kenne, würde zu Stolz seyn, um sich verkaufen zu lassen. – was that aber das himmlische Mädchen, als der vormund weg war? sie begehrte der Muter die schrift – sagte zu mir. – lieber Mozart! ich brauche keine schriftliche versicherung von ihnen, ich glaube Ihren Worten so; – und zerriss die schrift. – Dieser zug machte mir meine liebe konstanze noch werther. – und durch diese Caßirung der schrift, und durch das versprechen auf Parole d'honneur des vormunds, diese sache bey sich zu halten, war ich, wegen ihnen mein bester vatter eines theils in etwas beruhiget. – Denn für ihre Einwilligung zur heyrath (da es ein Mädchen ist dem nichts als geld fehlt) war mir nicht bange zu seiner zeit – denn ich kenne ihre vernünftige Denkunsart in diesem falle. werden sie mir verzeihen? – ich hoffe es! – ich zweifle gar nicht. nun will ich (so zuwider es mir ist) von den spitzbuben reden. – Hr: Reiner3 glaube ich hat keine andere krankheit gehabt, als daß es in seinem kopf nicht recht richtig muß gewesen seyn. – ich sah ihn aus zufall im theater alwo er mir einen brief vom Ramm gab. ich fragte ihn wo er logire. er sagte aber er wüsste mir weder die gasse noch das haus zu nennen. – und schmälte daß er sich hätte bereden lassen hierher zu reisen; ich offrirte ihm ihn zur gräfin zu führen, und überall wo ich Entreè hätte, aufzuführen; und versicherte ihn, daß wenn er keinConcert würde geben können, ich ihn gewis zum grossfürsten bringen würde. – er sagte aber: – hier ist nichts zu machen, ich werde gleich wieder fortgehen. – haben sie nur ein wenig gedult – weil sie mir ihr logis nicht sagen können, so will ich ihnen das Meinige sagen, die ist leicht zu finden. – ich sah ihn aber nicht. – informirte mich [148] nach ihm – als ich ihn aber ausgekundschaftet, war er schon weg. – so viel von diesem herrn. – Der Winter, wenn er den Nammen eines Mannes (den er ist verheyrathet) oder doch wenigstens eines Menschen verdiente, so könnte ich sagen, daß er immer, und das des Voglers wegen mein gröster feind war4. – weil er aber in seiner lebensart ein Vieh, und in seiner übrigen auführung und allen handlungen ein kind ist – so würde ich mich in der that schämmen, nur ein einziges wort wegen seiner hinzuschreiben; denn er verdient ganz die verachtung eines Jeden Ehrlichen Mannes. – ich will also nicht (anstatt infame lügen) infame Wahrheiten von ihm sagen sondern – nur ihnen von meinem thun und lassen Nachricht geben. –

alle tage früh um 6 uhr kommt mein friseur und weckt mich. – bis 7 uhr bin ich ganz angezogen. – Dann schreib ich bis 10 uhr. – um 10 uhr habe ich die Stunde bey der fr: v: trattner, um 11 uhr bei der gräfin Rumbeck, Jede giebt mir für 12 lectionen 6 Duckaten. – und dahin gehe ich alle tage – ausgenommen sie schicken – welches mir niemalen lieb ist. bey der gräfin hab ich es schon ausgemacht, daß sie niemalen schickt; triff ich sie nicht an, so habe ich doch mein Billett die trattnerin ist aber zu Econom dazu. – Ich bin keinen Menschen einen kreutzer schuldig. – Ich weis kein Wort von einem liebhaber Concert, wo zwey waren die schön Clavier spiellten. – und ich sag es ihnen aufrichtig daß ich es nicht der Mühe Werth achte, auf allen den Dreck zu antworten was so ein lausbub und Elender stümper gesagt haben mag, er macht sich nur selbst lächerlich dadurch. – wenn sie glauben, daß ich bey hofe, bey der ganzen und halbenNoblese verhasst seye, so schreiben sie nur anh: v: Strack, – grafin thun – Gräfin Rumbeck – Baronin Waldstätten – h: v: Sonnenfels – fr: v: trattner – Enfin an wem sie wollen, unterdessen will ich ihnen nur sagen, daß der kayser lezthin bey der tafel das grösste Eloge von mir gemacht hat; mit den Worten begleitet. C'est un talent decidè. – und vorgestern als den 24: habe ich bey hofe gespiellt[149] – es ist noch ein clavier spieller hier angekommen, ein Welscher er heist. Clementi5. Dieser war auch hineinberufen. – gestern sind mir davor 50 Duccaten geschickt worden; welche ich dermalen recht nöthig brauche. –

Mein liebster, bester vater. – sie werden sehen, daß es mir nach und nach immer besser gehen wird. was nutzt der entsezliche lärm – das geschwinde glück – es ist von keiner Dauer. – che và piano và sano. – man muß sich halt nach der Decke strecken. – unter allen den hundsfütereyen die Winter gesagt, ärgert mich nichts als daß er meine liebe konstanze ein luder heist. – ich habe sie ihnen geschildert, so wie sie ist – wollen sie anderer leute Meynung darüber hören, so schreiben sie den h: v: Auerhammer bey welchem sie etlichemal war, und einmal gespeist hat; – schreiben sie der Baronne Waldstätten, welche sie (leider nur) ein Monath bey sich gehabt hat, weil sie, die Dame kranck geworden – und nun will sie die Muter nicht mehr von sich lassen – gott gebe daß ich sie bald heyrathen kann. –

Der Ceccarelli empfiehlt sich; er hat gestern bey hofe gesungen. – wegen dem Winter muß ich ihnen nur das noch sagen. – er hat unter andern einmal zu mir gesagt. – sie sind nicht gescheit wenn sie heyrathen. – sie verdienen geld genug, sie können es schon. halten sie sich eine Maitreße. – was hält ihnen denn zurück? – Das bissel d .... Religion? – Nun glauben sie was sie wollen. Adieu. ich küsse ihn 1000 mal die hände und meine liebe schwester umarme ich von herzen und bin Ewig Dero

gehorsamster Sohn

W: A: Mzt


Die adresse an die fr. Baronin ist.

A Madame

Madame La Baronne de Waldstaetten

née de scheffer.

à

Vienne

Leopoldstadt No: 360.

Fußnoten

1 Peter (von) Winter (1754–1825), Mitglied der Münchener Hofmusik; war damals auf Urlaub in Wien gewesen, erzielte später als Opernkomponist Erfolge.


2 Joh. Thorwarth, Inspektor bei der Theatergarderobe.


3 Felix Reiner, Fagottist der Münchener Hofkapelle.


4 Winter war ein Schüler und Freund Voglers in Mannheim.


5 Muzio Clementi (1746 (52)–1832), hervorragender Klaviervirtuose.

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 2. München/ Leipzig 1914, S. 145-150.
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