216.

[164] Wienn den 20t Aprill 1782


Allerliebste schwester! –


Meine liebe konstanze hat sich endlich die Courage genommen dem triebe ihres guten herzens zu folgen – nemmlich, dir, meine liebe schwester, zu schreiben. – willst du sie (und in der that, ich wünsche es, um das vergnügen darüber auf der Stirne dieses guten geschöpfs zu lesen – ) willst du sie also mit einer antwort beehren, so bitte ich dich deinen brief mir einzuschliessen. – ich schreibe es nur zur fürsorge, damit du weist daß ihre Mutter und ihre schwestern nichts wissen daß sie dir geschrieben hat. – hier schicke ich dir ein Präludio und eine dreystimmige fuge, – das ist eben die ursache warum ich dir nicht gleich geantwortet, weil ich – wegen des mühsammen kleinen noten schreiben nicht habe eherfertig werden können. – es ist ungeschickt geschrieben. – Das Präludio gehört vorher, dann folgt die fuge darauf. – Die ursache aber war, weil ich die fuge schon gemacht hatte, und sie, unterdessen daß ich das Präludium ausdachte, abgeschrieben. – Ich wünsche nur, daß Du es lesen kannst, weil es gar so klein geschrieben ist, und dann – daß es dir gefallen möge. – ein andermal werde dir schon etwas bessers für das klavier schicken. – Die ursache daß diese fuge auf die Welt gekommen ist wirklich Meine liebe konstanze. – Baron van suiten zu dem ich alle Sonntage gehe, hat mir alle Werke des händls und Sebastian Bach (nachdem ich sie ihm durchgespiellt) nach hause gegeben. – als [164] die konstanze diefugen hörte, ward sie ganz verliebt darein; – sie will nichts als fugen hören, besonders aber (in diesem sach) nichts als Händl und Bach; – weil sie mich nun öfters aus dem kopfe fugen spiellen gehört hat, so fragte sie mich ob ich noch keine aufgeschrieben hätte? – und als ich ihr Nein sagte. – so zankte sie mich recht sehr daß ich eben das künstlichste und schönste in der Musick nicht schreiben wollte; und gab mit bitten nicht nach, bis ich ihr eine fuge aufsezte, und so ward sie. – ich habe mit fleiß Andante maestoso darauf geschrieben, damit man sie nur nicht geschwind spielle – denn wenn eine fuge nicht langsam gespiellt wird, so kann man das eintrettende subiect nicht deutlich und klar ausnehmen, und ist folglich von keiner wirkung. – ich werde mit der zeit und mit guter gelegenheit noch 5 machen, und sie dann dem Baron van suiten überreichen; der in der that – am Werthe einen sehr grossen – an der zahl aber freylich sehr kleinen schatz von guter Musick hat. – und eben deswegen bitte ich dich dein versprechen nicht zurückzunehmen, und sie kein Menschen sehen zu lassen. – lerne sie auswendig, und spielle sie. – Einefuge spiellt man nicht so leicht nach. – wenn der Papa die Werke vom Eberlin noch nicht hat abschreiben lassen, so ist es mir sehr lieb – ich habe sie unter der hand bekommen, und – dann ich konnte mich nicht mehr erinnern, leider gesehen, daß sie – gar zu geringe sind, und wahrhaftig nicht einen Platz zwischen händl und Bach verdienen. allen Respect für seinen. 4stimmigen satz. aber seine klavierfugen sind lauter in die länge gezogene versettl. Nun lebe recht wohl. mich freut es daß dir die 2 hauben behagen. ich küsse dich 1000 mal und bin Dein

aufrichtiger Bruder

W. A: Mozart1


Mein handkuß an Papa. – heute hab keinen Brief erhalten.

Fußnoten

1 Folgt ein Brief von Constanze Weber.

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 2. München/ Leipzig 1914, S. 164-165.
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