*335. [an die Gattin in Baden bei Wien; Wien, 12. Juni 1791]

[335] Liebstes, bestes Weibchen!


Warum habe ich denn gestern Abends keinen Brief bekommen? damit ich länger des Baades wegen in Ängsten leben muß? – [335] dieses und noch etwas verdarb mir den ganzen gestrigen Tag; – ich war Vormittag bei N. N. und er versprach mir Parole d'honneur zwischen 12 und 1 Uhr zu mir zu kommen, um alles in Ordnung zu bringen. Ich konnte also deßwegen nicht bey Puchberg speisen, sondern mußte warten, – ich wartete – es schlug halb 3 Uhr, – er kam nicht, ich schrieb also ein Billet und schickte das Mensch zu seinem Vater, – ich gieng unterdessen zur ungarischen Krone, weil es überall zu spät war – sogar da mußte ich alleine essen, weil die Gäste alle schon fort waren – in den Ängsten, die ich Deinetwegen hatte und dem Unwillen des N. N. wegen, kannst Du Dir mein Mittagessen vorstellen, – hätte ich doch nur eine Seele gehabt zu einem kleinen Trost. – Für mich ist es gar nicht gut alleine zu seyn, wenn ich etwas im Kopf habe, – um halb 4 Uhr war ich schon wieder zu Hause – das Mensch war noch nicht zurück – ich wartete – wartete – um halb 7 Uhr kam sie mit einem Billet. – Warten ist gewiß allezeit unangenehm – aber noch viel unangenehmer wenn die Folge davon der Erwartung nicht entspricht – ich las lauter Entschuldigungen, daß er noch nichts bestimmtes hätte erfahren können, und lauter Betheuerungen, daß er mich gewiß nicht vergessen und ganz gewiß Wort halten würde, – ich gieng dann um mich aufzuheitern zum Kasperl in die neue Oper der Fagottist1, die so viel Lärm macht – aber gar nichts daran ist. – Im Vorbeigehen sah ich nach ob nicht Löbel2 im Kaffeehause sey – aber auch nicht. – Zu Nacht esse ich (um nur nicht alleine zu seyn) wieder bey der Krone, – da hatte ich doch wenigstens Gelegenheit zu reden – gieng dann gleich zu Bette – um 5 Uhr früh war ich wieder auf – zog mich gleich an – gieng zu Montecuculi3 – diesen traf ich – dann zu N. N. der war aber schon ausgeflogen – mir ist nur leid daß ich unverrichteter Sache wegen Dir nicht heute früh schreiben konnte – ich hätte Dir gerne geschrieben! –

Nun gehe ich hinaus zu den Rehbergischen, zur großen Freundschaftstafel – hätte ich es nicht so feyerlich versprochen und wäre [336] es nicht so äußerst unhöflich auszubleiben, so würde ich auch da nicht hinausgehen – doch was würde es mir auch nützen? – nun fahre ich auf Morgen weg von hier und zu Dir hinaus! – wenn nur meine Sachen in Ordnung wären! – wer wird nun anstatt meiner den N. N. stupfen? – wird er nicht gestupft, so wird er kalt – ich war nun alle Morgen bey ihm sonst würde er nicht einmal das gethan haben, – ich bitte Dich gehe heute nicht auf die Casino wenn auch die Schwingenschu hinaus kommen sollte. – Spare es bis ich bey Dir bin. – Wenn ich nur schon Nachricht von Dir hätte! – nun ist es halb 11 Uhr und um 12 Uhr wird schon gespeist! – nun schlägt es 11 Uhr! – nun kann ich nicht mehr warten! – Adieu liebes Weibchen, liebe mich wie ich Dich, ich küsse Dich 2000mal in Gedanken.

Ewig Dein

Mozart.


Sonntag.

Fußnoten

1 Wenzel Müllers »Kaspar der Fagottist«.


2 Vielleicht der Rechnungsrat J.M. Loibl, der auch Freimaurer war.


3 Ludwig Franz Marchese di Montecuculi.

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 2. München/ Leipzig 1914, S. 335-337.
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