*262.

[236] Vienne ce 6 de Decbre 1783


Mon très cher Père!


Da ich nicht vermuthen konnte daß sie mir eher nach Wieñ schreiben würden, ehe ich ihnen meine Ankunft alda berichtete, so gieng ich erst heute zum Peisser um wegen eines briefes Nachfrage zu thun, alwo ich denn ihr schreiben vom 21ten Novbe fand, welches schon 12 täge hier lag. Mein schreiben von hier werden sie hofentlich erhalten haben. – Nun muß ich sie um was bitten. – sie werden sich erinnern, daß, als sie nach München kammen als ich die grosse opera schrieb, sie mir die schuld von 12 Louisd'or so ich an h: Scherz in Strasburg gemacht habe, vorhielten – mit den Worten. – [236] mich verdriest nur dein weniges Vertrauen so du zu mir hastgenug – ich habe halt nun die Ehre 12 Louis d'or zu zahlen. – Ich reiste nach Wien, sie nach Salzburg. Nach ihren Worten mußte ich glauben daß ich mich wegen diesem nichts mehr zu besorgen hätte. ferner, wenn es nicht geschehen wäre, so würden sie mirs schreiben – und nun, da ich bey ihnen war, mündlich sagen. – stellen sie sich nun meine Verlegenheit und erstaunen vor, als vorgestern Jemand aus des H: Banquier Öchsers schreibstube zu mir kamm, und mir einen Brief brachte; – der brief war von H: Hafner in Salzburg, worin ein Einschluß von H: scherz war. – Weil es nun ganze 5 Jahre sind, so sind auch die intereßen verlangt worden, worauf ich aber ganz gerade sagte, daß da nichts daraus wird; – mit dem beysatz, daß ich von rechtswegen nicht einmal schuldig wäre einen kreuzer zu zahlen, indem es nur ein auf 6 Wochen ausgestellter Wechsel, folglich ein verfallener Wechsel seye. – Jedoch in betracht der freundschaft des H: scherz zahle ich das Capital. – keine Interessen sind nicht verschrieben worden, folglich bin ich auch keine schuldig. – ich verlange nichts bey ihnen, liebster Vater, als daß sie die güte haben nur bis einen Monath bey H: Hafner oder vielmehr Triendl für mich gut zu stehen. – sie, als ein Mann von erfahrung können sich leicht vorstellen, daß es mir eben itzt sehr ungelegen wäre, mich zu entblossen. Der schreiber von h: Öchser hat mir nicht unrecht geben können, und sagte nur sie würden es dem h: Hafner melden. – was mir bey der ganzen sache am unangenehmsten, ist, daß H: scherz nicht die beste Meynung von mir haben wird. – ein beweis, daß ohngefähr, zufall, umstände, misverstand und was weis ich alles, öfters einen Mann unschuldiger weise um seine Ehre bringen können! warum hat H: scherz die ganze lange zeit nichts mehr von sich hören lassen? – Mein Name ist doch nicht so verborgen! Meine opera1 welche in Strasburg aufgeführt worden, hat ihm doch wenigstens müssen vermuthen lassen, daß ich in Wien war? – und dann seine Correspondence mit dem Hafner in Salzburg – hätte er sich das erste Jahr gemeldet, ich hätte ihn auf[237] der Stelle und mit Vergnügen gezahlet; – ich werde es auch itzt thun – aber auf der Stelle bin ich es nicht im Stande; oder glaubte er vielleicht er hätte mit einem Dumkopf zu thun, der zahlen würde was er nicht schuldig ist? Da mag er den Dummkopf auf sich nehmen. –

Nun von etwas andern. – es fehlen nur noch 3arien, so ist der erste Act von meiner opera2 fertig. – Die Aria Buffa – das Quartett – und das finale kann ich sagen, daß ich ganz vollkommen damit zufrieden bin, und mich in der That darauf freue. – Drum wäre mir leid, wenn ich eine solche Musique müßte umsonst gemacht haben, das heißt wenn nicht das geschieht was unumgänglich nöthig ist. – weder sie, noch der Abate Varesco, noch ich haben die reflexion gemacht, daß es sehr übel lassen wird, Ja die opera wirklich fallen muß, wenn keine von den 2 Haupt frauenzimmer eher als bis auf den letzten augenblick auf das Theater kommen, sondern immer in der festung auf den Bastein oder Ramport herum spazieren müssen. – einen act durch traue ich den zusehern noch so viel gedult zu – aber den 2ten können sie ohnmöglich aushalten, das kann nicht seyn. – Diesereflexion machte ich erst in Linz. – und da ist kein ander Mittel, als man läßt im 2ten act etwelche Scenen in der festung vorgehn. – Camera della fortezza. – Man kann die Scene machen, wie Don Pippo befehle giebt die gans in die festung zu bringen, daß dann das zimmer in der festung vorgestellt wird, worin Clidon und Lavina sind. – Pantea kömmt mit der ganz hinein. – Biondello schließt heraus. – Man hört Don Pipo kommen, Biondello ist nun wieder gans. – da läßt sich nun ein gutesQuintett anbringen, welches desto komischer seyn wird, weil die gans auch mitsingt. – übrigens muß ich ihnen sagen, daß ich über die ganze ganshistorie nur deswegen nichts einzuwenden hatte, weil 2 Männer von mehr Einsicht und Überlegung, als ich, sich nichts dagegen einfallen ließen, und das sind sie undvaresco. – itzt ist es aber noch Zeit auf andere sachen zu denken – Biondello hat einmal versprochen daß er in den Thurn hinein kommt; – wie [238] er es nun anfängt; ob er durch eine gemachte gans oder durch eine andere list hinein kommt, ist nun einerley. – ich dächte man könnte viele komischere und natürlichere Sachen anbringen, wenn Biondello in Menschengestalt bliebe. – zum beyspiel könnte die Nachricht daß sichBiondello aus Verzweiflung, daß es ihm nicht möglich wäre in die festung zu kommen, den Wellen überlassen hätte. gleich am anfange des 2ten Acts geschehen, er könnte sich dann als ein Türk oder was weis ich verkleiden, und Pantea als eine Sklavin (versteht sich als ein Mohrin) vorführen. – Don Pippo ist willens die Sclavin für seine Braut zu kauffen. – dadurch darf der Sclaven-händler und die Mohrin in die festung, um sich beschauen zu lassen. – Dadurch hatPantea gelegenheit ihren Mann zu ewiniren, und ihm Tausend impertinenzen anzuthun, und bekommt eine bessere Rolle, denn wie komischer die welsche opera ist, desto besser. – Nun bitte ich sie dem H: abate Varesco Meine meynung recht begreiflich zu machen, und ich ließ ihn bitten, fleißig zu seyn. – ich habe auf die kurze zeit geschwind genug gearbeitet. – Ja ich hätte den ganzen ersten Act fertig, wenn ich nicht noch in einigen Arien in den wörtern Veränderungen brauchte. – welches ich aber bitte ihm itzt noch nicht zu sagen. – – Meine teutscheopera Entführung aus dem Serail – ist in Prag und in Leipzig – sehr gut – und mit allem Beyfall gegeben worden – beydes weis ich von Leuten, die sie aldort gesehen haben. – ich werde mir mühe geben den h: v. Deckelmann aufzusuchen, und ihm dann die Cadenzen nebst dem Concert wie auch die 4 ducaten mitgeben. – ich bitte sie aber schicken sie mir so bald als möglich Meinen Idomeneo – die 2 Violinduetten – und Seb: Bachs fugen. – Idomeneo brauche ich, weil ich diese fasten (nebst meiner academie im Theater) 6 Subscriptions academien geben werde, wo ich auch darin diese oper producieren möchte, – ferner bitte ich sie den Tomaselli zu ersuchen, daß er uns möchte das Salben Recept für den Ausschlag zukommen lassen, indem es uns treffliche Dienste gethan; – und man nicht wissen kann, ob man es nicht wieder zu brauchen hat – oder wenigst Jemand damit dienen kann. – es ist allzeit besser ich hab [239] als ich hätte. – Nun adieu. – Meine frau und ich küssen ihnen 1000 mal die Hände, und umarmen unsre liebe Schwester von Herzen, und sind Ewig dero

gehorsamste kinder

W: et C: Mozart


P.S. ich bitte den Varesco recht zu bereden und zuPreßieren. – bitte bald die Musique zu schicken. – Die gretl, den Heinrich, und die Hanni küssen wir – der Gretl werde nächster Tage schreiben. Dem Heinrich laß ich sagen, daß ich in Linz und hier sehr vieles zu seinem Vortheil geredet habe; – er solle sich recht auf das Staccato begeben. Denn nur in diesem können die Wiener den La Motte nicht vergessen. Adieu

Fußnoten

1 »Die Entführung aus dem Serail«.


2 »L'oca del Cairo«.

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 2. München/ Leipzig 1914, S. 236-240.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Droste-Hülshoff, Annette von

Ledwina

Ledwina

Im Alter von 13 Jahren begann Annette von Droste-Hülshoff die Arbeit an dieser zarten, sinnlichen Novelle. Mit 28 legt sie sie zur Seite und lässt die Geschichte um Krankheit, Versehrung und Sterblichkeit unvollendet.

48 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon