*272.

[255] Vienne ce 26 May 1784.


Mon tres cher Pere!


Ich habe nun durch Ihr Letztes die Nachricht, daß Sie meinen Brief und Musik richtig erhalten haben. – Meiner Schwester danke ich für ihren Brief, und sobald es die Zeit zulassen wird, werde ich ihr gewiß auch schreiben; – unterdessen lasse ich ihr sagen, daß Herr Richter in dem Ton des Concerts irre geworden, oder ich in ihrem Brief einen unrechten Buchstaben lese. – Das Concert, welches ihr Herr Richter so anrühmte, ist das ex B, – welches das Erste ist, so ich gemacht, und er mir damals schon so lobte. Ich bin nicht im Stande, unter diesen beiden Concerten eine Wahl zu treffen – ich halte sie beide für Concerte, welche schwitzen machen. – Doch hat in der Schwierigkeit das ex B den Vorzug vor dem ex D. – Übrigens bin ich sehr begierig, welches unter den 3 Concerten B. D. und G. Ihnen und meiner Schwester am besten gefällt. – Das ex Eb gehört gar nicht dazu. – Das ist ein Concert von ganz besonderer Art, und mehr für ein kleines als großes Orchester geschrieben – also ist die Rede nur von den 3 großen Concerten. – Ich bin begierig ob Ihr Urtheil mit dem hiesigen allgemeinen und auch meinem Urtheil überein kömmt; freilich ist es nöthig, daß man sie alle 3 mit allen Stimmen und gut producirt hört. – Ich will gerne Geduld haben, bis ich sie wieder zurückerhalte – nur daß sie kein Mensch in die Hände bekömmt. – Ich hätte erst heute für eines davon 24 Dukaten haben können – ich finde aber daß es mir mehr[255] Nutzen schafft, wenn ich sie noch ein paar Jährchen bei mir behalte, und dann erst durch den Stich bekannt mache. –

Nun muß ich Ihnen aber etwas in Betreff der Schwemmer Loiserl1 sagen. Sie schrieb an ihre Mutter, und da ihre adresse so beschaffen war, daß man den Brief auf der Post schwerlich angenommen haben würde, indem sie also lautete:


Dieser Brief zueku-

men meiner vilgeliebtisten

Frau Mutter in Salzburg

barbari schbemerin

abzugeben in der

Judengasen in Kauf

man eberl haus

in dritten Stock.


so sagte ich ihr ich wollte ihr eine andere adresse darauf machen. – Aus Vorwitz und mehr um das schöne Concept weiters zu lesen, als um auf Heimlichkeiten zu kommen, erbrach ich den Brief. – Sie beklagt sich darin, daß sie zu spät ins Bette, und zu früh aufstehen müsse – ich glaube von 11 Uhr bis 6 Uhr kann man sich genug schlafen, es sind doch 7 Stund. – Wir gehen erst um 12 Uhr ins Bett, und stehen um halb 6 auch 5 Uhr auf, weil wir fast alle Tage in der Frühe in Augarten gehen. Ferner beklagt sie sich über die Kost und zwar mit den impertinenten Ausdrücken: – sie müsse verhungern – wir viere, als meine Frau, ich, die Köchin und sie hätten nicht so viel zu Essen, als die Mutter und sie zusammen gehabt hätten. – Sie wissen, daß ich dermalen dieses Mädl aus bloßem Mitleiden genommen habe, damit sie als eine fremde Person in Wien eine Unterstützung hat, – wir haben ihr das Jahr 12 Gulden versprochen, womit sie ganz zufrieden war, obwohlen sie sich nun in ihrem Brief darüber beklagt. – Und was hat sie zu thun? – den Tisch abzuputzen, das Essen herum und hinauszutragen und meiner Frau ein Kleid an- und ausziehen zu helfen. – Übrigens ist sie außer [256] ihrem Nähen die ungeschickteste und dümmste Person von der Welt, – sie kann nicht einmal Feuer anmachen, geschweige erst einen Kaffee machen, – und das soll doch eine Person, die ein Stubenmädl abgeben will, können. – Wir haben ihr einen Gulden gegeben; den andern Tag verlangte sie schon wieder Geld, – sie mußte mir die Rechnung von ihrer Ausgabe machen und da lief die meiste Ausgabe aufs Biertrinken hinaus. – Es ist ein gewisser Hr. Johannes mit ihr hergereist, der darf sich aber nicht mehr bei mir blicken lassen. – Zweimal als wir aus waren, kam er her, ließ Wein bringen, und das Mädl, welches nicht gewohnt ist Wein zu trinken, suff sich so voll, daß sie nicht gehen konnte, sondern sich anhalten mußte, und das letztemal ihr Bett ganz anspie. – Welche Leute würden eine solche Person auf diese Art behalten? –

Ich würde mich mit der Predigt, so ich ihr darüber gemacht, begnügt und nichts davon geschrieben haben, allein ihre Impertinenz in dem Brief an ihre Mutter verleitete mich dazu. – Ich bitte Sie also lassen Sie die Mutter kommen und sagen Sie ihr, daß ich sie noch einige Zeit bei uns gedulden will, sie soll aber machen, das sie wo anders in Dienste kommt, – wenn ich Leute unglücklich machen wollte, so könnte ich sie auf der Stelle weg thun. – In ihrem Brief steht auch etwas von einem gewissen Hrn. Antoni – vielleicht ein zukünftiger Hr. Bräutigam. –

Nun muß ich schließen. – Meine Frau dankt Ihnen beiden für Ihre Wünsche zu der Schwangerschaft und künftige Niederkunft, welche wohl die ersten Tage im October vor sich gehen wird. – Wir küssen Ihnen beide die Hände und umarmen unsere liebe Schwester von Herzen und sind ewig dero

gehorsamste Kinder

W. et C. Mozart.


P.S. Ich bitte, schicken Sie mir doch mit nächstem Postwagen die Schnallen, ich brenne vor Begierde sie zu sehen.

Fußnoten

1 Stubenmädchen bei Mozarts.

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 2. München/ Leipzig 1914, S. 255-257.
Lizenz:
Kategorien: