23.

[58] Von Mozarts Bekannschaft mit Sebastian Bachs Werken und seiner Achtung derselben sagt uns Herr Hofrat Rochlitz Folgendes:

»Auf Veranlassung des Verstorbenen Doles, Kantors an der Thomasschule zu Leipzig, überraschte Mozarten der Chor dieser Schule mit der Aufführung der zweichörigen Motette: Singet dem Herrn ein neues Lied etc. von dem Altvater deutscher Musik, von Sebastian Bach.1

Mozart kannte diesen Albrecht Dürer der deutschen Musik mehr vom Hörensagen als aus seinen selten gewordenen Werken. Kaum, daß der Chor einige Takte gesungen hatte, so rief Mozart: ›Was ist das?‹ Und man sah ihm an, daß seine ganze Seele in Bewegung geriet.

Da der Gesang zu Ende war, rief Mozart voll Freude. ›Das griff tief ein, da gibts zu lernen.‹

Man sagte ihm, da die Schule die vollständige Sammlung der Motetten ihres ehemaligen Kantors besitze und als eine Art Reliquien aufbewahre.

›O geben Sie her! rief Mozart.‹

Man hatte aber keine Partitur der Gesänge; Mozart ließ sich also die ausgeschriebenen Stimmen geben, und nun war es eine Freude mit anzusehen, wie er die Stimmen um sich herum, in beide Hände, auf die Knie, auf die nächsten Stühle verteilte, und alles Andere vergessend, nicht eher aufstand, bis er alles, was von Bach da war, durchgegangen hatte.

Er wurde über eine erbetene Kopie entzückt, und es kann dem Kenner der Bachschen Kompositionen und des Mozartschen Requiem, besonders der großen Fuge: Christe eleison, das Studium, die Wertschätzung und die[59] volle Auffassung des Geistes jenes alten Kontrapunktisten nicht entgehen.«

Daß Mozart auch zur Begleitung eines Chorals in der Zauberflöte eine Idee Bachs wählte, den Choral nämlich: Du dessen Augen floßen, sobald sie Zion sah'n, etc. wird in N. 40 erwähnt.

1

Johann Sebastian Bach, Musikdirektor zu Leipzig und kurf. sächs. Hofkomponist, geb. am 21ten März 1685 zu Eisenach, gest. am 28ten Juli 1750 zu Leipzig.

Quelle:
Johann Aloys Schlosser: Wolfgang Amad. Mozart. Prag 1828 [Nachdruck Prag 1993], S. 58-60.
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