25.

[61] Unter allen Komponisten schätzte Mozart aber Händel1 am höchsten. Er hatte die vorzüglichsten Werke dieses in einigen Fächern noch nie übertroffenen Meisters so inne, als wäre er Direktor der Londoner Akademie zur Aufrechthaltung der alten Musik gewesen. Als Herr Stadler nach dem Tode Mozarts den musikalischen Nachlaß desselben ordnete, fand er eine Menge[61] Beweise von diesem emsigen Studium der Händelschen Werke.

Mozart sagte: »Händel weiß am besten, was großen Effekt tut. – Wo er das will, schlägt er ein wie ein Donnerwetter.«

Es ging Mozarts Liebe zu Händeln so weit, da er vieles – wovon jedoch nur einiges bekannt geworden ist, – in dessen Manier schrieb. Nach der in der Folge vorkommenden Behauptung Herrn Stadlers benutzte er Händels Werke auch bei der Verfertigung des Requiem. Er nahm nicht bloß das Motiv zu dem Requiem aus denselben, sondern auch das zum Kyrie.

Mozart ging noch weiter, als die meisten unserer heutigen Musikkenner gehen möchten; er schätzte und liebte nicht allein Händels Chöre, sondern auch viele seiner Arien und Solos. »Wenn Händel darin auch manchmal nach der Weise seiner Zeit hinschländert«, sagte er, »so ist doch überall etwas darin.« –

Er hatte sogar die Grille, eine Arie in seinem Don Juan in Händels Manier zu setzten, und schrieb dies seiner Partitur offenherzig bei. Es ist dieselbe aber überall bei der Aufführung weggelassen worden.

Händels größter Zeitgenosse, Johann Sebastian Bach, sagte von demselben: »Das ist der Einzige, den ich sehen möchte, ehe ich sterbe, und der ich sein möchte, wenn ich nicht der Bach wäre!« Als dieses seinem größten Nachkömmlinge, Mozarten erzählt wurde, rief er aus: »Wahrlich, so würde ich auch sagen, wenn ich hier mitreden dürfte.«

1

Georg Friedrich Händel, geb. am 24ten Februar 1685 zu Halle im Magdeburgischen, schon im siebenten Lebensjahre ein ausgezeichneter Orgelspieler, vom 10ten an öffentlich auftretend mit Kirchen-, vom 15ten mit Opernkompositionen und als Musikdirektor der Oper in Hamburg, vom 19ten die Bewunderung des ganzen Italiens, als Komponist und Virtuos, vom 25ten Kapellmeister des Kurfürsten von Hannover, nachmaligen Königs von England, Georg II August, und von nun an bis zu seinem Tode in 75ten Lebensjahre (1759), so wie von da bis heute, ein Fürst der Tonkunst, monarchisch regierend in Britannien, föderativ in Deutschland, steht in der gesammten Geschichte der Tonkunst in jeder Hinsicht von allen vor und nach ihm gesondert da, eine in ihrer Art wahrhaft einzige, heroische, ja kolossale Erscheinung.

Quelle:
Johann Aloys Schlosser: Wolfgang Amad. Mozart. Prag 1828 [Nachdruck Prag 1993], S. 61-62.
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