XI.

[893] (Zu S. 491.)


ACTA, Die Bestellung der Praefectorum auf der Schule zu St. Thomae alhier betr. 1736. Ergangen bey der Rathsstube zu Leipzig. VII. B. 69. [Auf dem Leipziger Rathsarchiv.]


pr. den 12. Aug. 1736.


Magnifici.


HochEdelgebohrne, HochEdle, Vest- und Hochgelahrte, auch HochWeise, Hochgeehrteste Herren und Patroni.


Eu: Magnificentz HochEdelgebohrene und HochEdle Herrligkeiten geruhen hochgeneigt Sich vortragen zu laßen, daß ob zwar nach E.E. Hochw. Raths allhier Ordnung der Schule zu S. Thomae dem Cantori zu kommet, [893] die jenigen aus denen Schul-Knaben, welche er vor tüchtig erachtet als Praefectos zu erwehlen, und bei deren election nicht alleine auf die Stimme, daß sie gut und helle sey, sondern auch, daß die Praefecti, (besonders derjenige, so im ersterenChor absinget) wenn der Cantor krank oder abwesend, die Direction des Chori musici führen können, acht zu haben hat; auch dieses ohne concurrentz des Herrn Rectoris biß anhero und vorhero von denenCantoribus also und nicht anders gehalten worden; sich dem ohngeachtet itziger Herr Rector, M. Johann August Ernesti die Ersetzung des Praefecti im ersteren Chore ohne mein Vorwißen und Einwilligung neüerlicher Weise anmaßen wollen, gestallten er letzthin auf diese Art, den bißherigen Praefectum des andern Chores Krausen, zum Praefecto des ersteren ernennet, auch hiervon aller von mir geschehenen gütlichen Vorstellung ungeachtet nicht abgehen will, ich aber, da solches obangezogener Schul-Ordnung und hergebrachten Gewohnheit zu wieder zum praejudiz meiner Successorum und Schaden des Chori Musici solches nicht geschehen laßen mag; als ergehet an Eu: Magnificenz Hochedelgebohrene und HochEdle Herrligkeiten mein gehorsamstes Bitten, diese zwischen dem Herrn Rectore und mir in meinem officio vorgefallene Irrung gütig und hochgeneigt zu entscheiden, und weilen diese von dem Hn. Rectore beschehene Anmaßung der Ersetzung derer Praefectorum zu einer disharmonie und Nachtheil derer Schüler ausschlagen möchte, nach Dero vor die Schule zu S. Thomas tragenden besondern Gütigkeit und Vorsorge, den Hn. Rectorem, M. Ernesti zu bedeüten, daß er die Ersetzung derer Praefectorum wie biß anhero, der SchulOrdnung und Gewohnheit gemäß voritzo und ferner hin lediglich mir überlaße, und hierdurch in meinemOfficio mich hochgeneigt zu schützen; Versehe mich hochgeneigter Deferirung mit gehorsamsten respect verharrend


Ew: Magnificenz

HochEdelgebohrnen und HochEdlen Herrligkeiten

gehorsamster

Joh. Sebast. Bach.

Leipzig, d. 12. August:

1736.


[Adresse:]

Denen Magnificis, Hochedelgebohrnen, | HochEdlen, Vesten und Hochgelahrten | auch Hochweisen Herren, Herrn | BurgerMeister und Beysitzern | des Wohllöblichen Stadt-Regimentes zu | Leipzig. Meinen hochgeehrtesten | Herren und Patronen. |23


[Fol. 3.]


pr. d. 13. Aug: 1736.


Magnifici


HochEdelgebohrne, HochEdle, Veste und Hochgelahrte, auch Hochweise Hochgeehrteste Herren und Patroni.


Ohnerachtet albereits gestrigen Tages Ew: Magnificentz und HochEdelgeb. [894] Herrl. mit einem gehorsamsten Memorial wegen der mir zur höchsten Ungebühr von dem Herrn Rector Ernesti in meiner mir bey hiesiger Thomas-Schule aufgetragenen Function der Direction des Chori Musici und Cantoris unternommenen Eingriffe in Ersetzung des Praefecti behelliget, und um hochgeneigten Schutz gehorsamst gebethen; So finde mich doch genöthiget Ew: Magnificentz und HochEdelgeb. Herrligk. nochmahlen dienstschuldigst vorzutragen, daß, ob zwar nur gedachtem Hn. Rectori Ernesti gemeldet, daß dieserhalben bereits bey Denenselben meine Beschwerden übergeben, und in dieser Sache Ew: Magnificentz und HochEdelgeb. Herrligkeiten kräfftigen Ausspruch erwarte, er dem ohngeachtet mit Hintansetzung des dem HochEdl. und Hochw. Rathe schuldigsten Respects sich gestrigen Tages von neüen unterstanden allen Alumnis, bey Strafe der relegation und castigation andeüten zu laßen, daß sich keiner unterstehen solte statt des in meinem gestrigen gehorsamsten Memorial berührten zur Direction eines Chori Musici untüchtigen Krausen, (welchen er mir zum Praefecto des ersteren Chores mit Gewalt aufzwingen will,) weder abzusingen noch die gewöhnliche Motette zu dirigiren, dahero es denn kommen, daß in gestriger Nachmittags Predigt zu S. Nicolai zu meinem größten despect und prostitution kein einiger Schüler aus Furcht der Straffe das Absingen über sich nehmen, noch weniger die Mottette dirigiren wollen; ja es würden die sacra gar dadurch seyn gestöret worden, daferne nicht zu gutem Glücke ein ehmahliger Thomaner, Nahmens Krebs solches statt eines Alumni auf mein Bitten über sich genommen hätte. Gleichwie nun aber, wie in vorigem übergebenen gehorsamsten Memorial sattsam an und ausgeführet dem Herrn Rectori die Ersetzung dererPraefectorum der Schulverfaßung und Herkommens gemäß nicht zustehet, auch er hierdurch in modo procedendi gar sehr sich vergangen mich in meinem Ambte zum höchsten gekräncket, alle autorität, so doch über die Schüler wegen derer zu besorgenden Kirchen und andern Musiquen haben muß, und von E. HochEdl. und Hochw. Rath bey Antretung meinesofficii mir übergeben worden, zu schwächen, ja gar abzuschneiden gesucht, und daher zu besorgen daß bey dergleichen fortwährenden unverantwortlichen Unternehmen die sacra möchten gestöhret und die Kirchen Musiquen in grösten Verfall kommen, auch das Alumneum in weniger Frist dermaßen deterioriret werden dörffte, daß es in vielen Jahren nicht wieder in solchen Stande zu setzen, als es bishero gewesen; Als ergehet an Ew: Magnificentz und HochEdelgeb. Herrligk. mein nochmahliges gantz gehorsamstes und flehendes Bitten, da vi officii darzu nicht stille schweigen kan, dem Hn. Rectori das fördersamste, weiln periculum in mora, dahin zu weisen, daß er in meinem Ambte mich forthin nicht turbire, die alumnos gegen mich an ihre obedience durch sein ungerechtes Abmahnen und Androhen einer so harten Straffe nicht ferner mehr hindere, sondern viel mehr dahin sehe, daß (wie ihme so oblieget) die Schule und der Chorus musicus mehr verbessert als verschlimmert werde; Versehe [895] mich hochgeneigter deferirung und protection in meinem officio, mit gehorsamsten respect verharrend


Ew: Magnificentz

und

HochEdelgeb. Herrligk.

gantz gehorsamer

Johann Sebastian Bach.

Leipzig d. 13. August

1736.


[Adresse:]


Denen Magnificis, Hochedelgebohr- | nen, HochEdlen, Vesten und Hochgelahr- | ten auch Hochweisen Herren, Herrn | Bürger Meister und Beysitzern | des Wohllöbl. Stadt | -Regiments | der Stadt Leipzig. | Meinen Hochgeehrtesten Herren und | Patronen. |24


[Fol. 5.]


P.M.


Der völlige und wahrhafftige Verlauf wegen desAlumni Krausen, so von dem Herrn Rectore als erster Praefectus mir aufgezwungen werden will, verhält sich also: Bereits gemeldeter Krause ist schon vorm Jahre in solchem schlechten Ruffe wegen unordentlicher Lebensart und dahero entstehenden Schulden gewesen, daß seinethalber ein Convent gehalten, und darinnen ihm nachdrücklich angedeütet worden, daß, ob er wohl verdienet hätte seines liederlichen Lebens wegen so fort von der Schule gejaget zu werden, man doch in Ansehung seines dürfftigen Zustandes, (da er selbsten gestanden über 20 Thaler Schulden gemachet zu haben) und auf Angelobung sich zu beßern, noch ein Viertheil Jahr mit ihme Gedult zu haben, und so dann nach Befindung seiner geänderten Lebensarth ihme weitere Nachricht ertheilet werden solte, ob er noch ferner gedultet oder removiret sein würde. Da nun der H. Rector vor ihme, Krausen, iederzeit besondere Geneigtheit spühren laßen, auch zu dem Ende mich mündlich ersuchet, ihme eine Praefectur angedeihen zu laßen, ich aber Ihme remonstriret, daß er darzu nicht geschickt; der H. Rector aber darauf replicirete, daß ichs immer thun möchte, damit besagter Krause sich aus seinen Schulden reisen könte, und da durch eine der Schule sonsten zuwachsende blame vermieden würde, zumahlen, da seine Zeit bald aus seyn, und man ihn also mit guter manier looß würde; So habe darunter dem Hn. Rectori eine Gefälligkeit erweisen wollen, und dem Krausen die Praefectur in der Neüen Kirche (als woselbst die Schüler weiter nichts als Motetten und Choraele zu singen, mit anderer Concert Musique aber nichts zu thun haben, weiln selbige vom Organisten besorget wird) gegeben: in Erwegung, daß ohne dem die Jahre seines reverses biß auf [896] eines verfloßen, und zu besorgen, daß er weder das andere noch weniger das erste Chor würde zu dirigiren bekommen können. Da nachhero aber der Praefectus Chori 1. nahmens Nagel von Nürnberg bey letztverwichenem Neüen Jahres Singen sich beklagete, wie daß er wegen übelbeschaffener Leibes Constitution nicht im Stande sey es auszutauern; als wurde genöthiget außer der sonst gewöhnlichen Zeit eine Änderung mit denen Praefecturen zu treffen, den zweyten Praefectum in das erstere Chor, und offt besagten Krausen aus Noth in das andereChor zu nehmen. Da er aber mit dem tact geben verschiedene fauten begangen, wie aus mündlicher relation des Herrn Conrectoris (so im zweyten Chor dieInspection hat) vernommen, da nach Befragung wegen geschehener fauten, von denen übrigen alumnis die Schuld einzig und alleine dem Praefecto wegen unrüchtiger Führung des tactes beygemeßen worden; Ich auch noch ohnlängst in der Singstunde selbsten eine probe seines tact führens genommen, da er denn so schlecht bestanden, daß er nicht einmahl in denen beeden Haupt Arten des tactes, als neml. dem gleichen oder 4 Viertel, und dem ungleichen oder 3 Viertel tact, die Mensur accurat hat geben können, sondern bald aus 3/4, einen gleichen und vice versa gemachet (wie solches sämtliche alumni attestiren müßen;) dahero von seiner Ungeschickligkeit völlig überzeüget worden; als habe ihme ohnmöglich diePraefectur des ersteren Chores können anvertrauen, zumahlen die musicalischen Kirchen-Stücke so im ersteren Chore gemachet werden, und meistens von meiner composition sind, ohngleich schwerer und intricater sind, weder die, so im anderen Chore und zwar nur auf die Festtage musiciret werden, als wo ich mich im choisiren selbiger, nach der capacitè derer, so es executiren sollen, hauptsächlig richten muß. Und ob zwar noch mehrere Ursachen könten angeführet werden, welche den Krausen seiner incapacite noch kräfftiger überführen dörfften, so erachte doch, daß die bereits angeführten raisons hinlänglich, darzuthun, daß meine Ew: HochEdl. und Hochw. Rathe gehorsamst insinuirte Beschwerden gerecht, und einer baldigsten und schleunigen Hülffe benöthiget.

Joh: Seb: Bach.

Leipzig d. 15. August.

1736.25


[Fol. 7.]


pr. d. 17. Aug: 1736.


Magnifici, Hochedle Vest und Hochgelahrte Hochzuehrende Herren und Patroni


Ew. Magnificenz und HochEdlen Herrlichkeiten haben mir gestern Hochgeneigt communiciren laßen, was der H. Cantor bey hiesiger Thomas-Schule wieder mich vorbracht, und dabey anbefohlen, was ich dawieder [897] einzuwenden hätte, förderlichst beyzubringen. Ob nun gleich die von ihm vorgebrachte Beschwerde eigentlich nicht mich allein, sondern den Herrn Vorsteher der Schule, den Herrn Appellations-Rath Stiglitz zugleich mit betrift, als auf deßen Einwilligung, vermöge der ihm, laut Ew. HochEdlen und Hochweisen Raths Schulordnung, zustehenden Gewalt, der von dem Cantori eigenmächtig und unrechtmäßiger Weise abgesetzte Praefectus Krause wieder in sein Amt eingesetzt worden; so habe doch um Ew. Magnificenz und HochEdlen Herrlichkeiten Befehl zu gehorsamen, und weil gedachter Herr Vorsteher der Schulen dermahlen abwesend, der Sachen wahre Beschaffenheit, nach meinem Gewißen, berichten und vorstellen wollen, damit der H. Cantor Bach mit seinen unbilligen Klagen ab, und zum Gehorsam und Respect gegen seine Vorgesetzten angewiesen werden möge.

Zuförderst kann ich mich nicht genung verwundern, wie gedachter H. Cantor sich unterfangen mögen, bey Ew. Magnificenz vorzugeben, daß die Praefecturae der 4. Cantoreyen iederzeit und bisanhero ohne Concurrenz des Rectoris und lediglich von dem Cantore ersetzet worden, da die Schul-Ordnung das Gegentheil klärlich vorschreibt, nach welcher p: 74 derCantor 8. Knaben darunter der Praefectus mit begriffen, mit Bewilligung des Rectoris annehmen und noch auser dem die Praefectos dem Hn. Vorsteher iedesmahl praesentiren und dessen Consens erbitten soll, p: 78. welches letztere aber der H. Cantor Bach niemals gethan hat.

Es hat bey Ersetzung einer Praefectur der Cantor zwar das vornehmste zuthun, in so ferne er von ihrer Geschicklichkeit im Singen urtheilen muß; weilen aber im übrigen die Praefecti an den Rectorem gewiesen, bey ihm über sie Beschwerde geführet, und von ihm nach Befinden bestraffet werden sollen, p. 73 ihm auch, und nicht dem Cantori, von denselben das ersungene Geld geliefert wird, daß er darüber Rech nung führe und es zu gesetzten Zeiten austheile; so muß derselbe, als dem ihre übrige Aufführung beßer als dem Cantori bewust seyn muß, urtheilen, ob ihnen dergleichen Amt ohne Gefahr anvertraut werden könne. Es ist daher bis hieher allezeit, auch in meinem Rectorat, also gehalten worden, daß der H. Cantor mir die erwehlten Concentores durch den Praefectum zugeschickt, und mich befragen laßen, ob ich etwas wieder iene oder diesen einzuwenden hätte, wie er denn nur noch bey der streitigen Praefectur gethan. Ja es sind Exempel vorhanden, daß der Cantor, wenn er aus Affecten ein würdiges Subiectum übergangen, von dem Rectore angehalten worden, daßelbe nicht zu übergehen.

Nun geruhen Ew. Magnificenz und HochEdlen Herrlichkeiten hochgeneigt sich vortragen zu laßen, was wegen der streitigen Praefectur ergangen, und urtheilen daraus, ob ich ihm den geringsten Eingriff in seine Rechte gethan, und ob ich nicht dagegen alles gethan, was man von einem ehrlichen und friedliebenden Manne fodern kann.

Nachdem vor ohngefehr 8. Wochen die erste Praefectur vacant worden war, hat der H. Cantor dieselbe durch den ersten alumnum, und andern [898] Praefectum, Jo. Gottl. Krausen ersetzet; wo wieder ich um so viel weniger etwas einzuwenden hatte, weil er 1) bey der andern und dritten Praefectur sich so verhalten hatte, daß keine Beschwerde über ihn kommen war, und die Schulordnung ausdrücklich p: 77 vorschreibt, daß zu dieser ersten Praefectur iederzeit der erste alumnus, und alsdenn erst der nechst folgende, wiewohl mit vorwißen des Herrn Vorstehers, gezogen werden solle, wenn iener in musicis nicht geschickt genung wäre; welches letztere aber dermahlen nicht statt haben konnte, weil er bereits drey Praefecturen gehabt, und die anderePraefectur vielmehr geschicklichkeit in musicis erfodert als die erste; in dem der andere Praefectus an Festtagen vor und Nachmittage die Music in derjenigen Kirchen dirigiren muß, darinnen der H. ConRector die Inspection hat, dahingegen der erste Praefectus niemals dirigiret. Da aber derselbe bereits etliche Wochen dieses Amt verwaltet, schickte der H. Cantor am 10. Julii den andern Praefectum Küttlern zu mir, und ließ mir melden, daß er genöthigt würde eine Aenderung mit dem ersten Praefecto Krausen zu treffen, in dem er ihn nicht tüchtig zur ersten Praefectur befände, und wollte er ihn wieder zum andern, und ihn Küttlern dagegen zum ersten Praefecto machen. Ich gab darauf zur Antwort: Daß er wißen müste, ob einer tüchtig wäre oder nicht, und wenn es sich also verhielte, ließe ich es mir gefallen; wüntschte aber, daß er ihn gleich im Anfange beßer probiret hätte. Ew. Magnificenz und HochEdlen Herrlichkeiten können auch hieraus sehen, daß er mir die Concurrenz bey Ersetzung der Praefecturen. eingeräumet. Der abgesetzte Praefectus beschwerte sich hierüber bey mir, weil er ohne sein Verschulden abgesetzt würde; ich wiese ihn aber an den H. Cantorem, und daferne er vermeynte, daß er aus einer andern Ursach abgesetzet sey, solle er ihm gute Worte geben, und würde ich mir es sehr wohl gefallen laßen, daß er dabey bliebe. Da er ihn nun hierauff etlichemahl bittlich angegangen, und weil er nichts ausrichten können, gebethen, ihm nur die Ursache zu sagen, warum er ihn absetze, hat er endlich aus Unbedachtsamkeit ihm entdecket, daß er ihn um meinet, des Rectoris, willen absetze, weil ich damahls, als ich den nachhero entlauffenen Krausen suspendiret, biß er sich der Straffe unterwerffen würde, gesagt, daß er indeßen die erste Praefectur verwalten solle, wodurch ich ihn in seine Rechte gegriffen, indem er die Praefectos setze und nicht der Rector. Ob ich nun dadurch mir angemaßet, die erste praefectur alleine zu ersetzen, wie H. Bach vorgiebt, das werden Ew. Magnificenz und HochEdlen Herrlichkeiten leicht ermeßen können. Als ich 2. Tage darnach, als am 12. Julii den Hn. Vorsteher sprach, trug ich ihm diese Sache vor, und bekam von demselbigen die Resolution, welche Ew. Magnificenz und HochEdlen Herrlichkeiten selbst vor höchst billig erkennen werden. »Weil der Cantor keine »andere Ursache hätte als diese, und dabey so unbedachtsam gewesen, »und dieselbe unter denen Schülern bekannt werden laßen, so könne er »in die Absetzung des ersten Praefecti nicht willigen, sondern er müße »in seinem Amte bleiben.« Ich ließ hierauff den Hn. Cantorem zu mir ruffen, um mit ihm von dieser Sache zu reden; da er mir denn gleichfalls [899] gestund, daß er um der oben angeführten Ursache diese Aenderung vornehmen wolle. Stellte ihm darauff vor, daß suspendiren nicht absetzen heiße, daß es ia gar im geringsten nicht wahrscheinlich, daß ich eine Stelle besetzt haben solle, die nicht ledig gewesen. Weder der H. Vorsteher noch ich würden bey so gestalten Sachen Consentiren, entdeckte ihm zugleich die resolution des Hn. Vorstehers, und untersagte ihm also die Absetzung des Praefecti. Nun hätte er ia hierauff die würckliche Absetzung nicht vornehmen sollen, bevor er von dem Vorsteher und mir eine andere resolution erhalten hätte, und sich deshalben, wenn er nicht damit zufrieden gewesen, an den Hn. Vorsteher wenden sollen. Alleine er hat dem ohngeachtet die Absetzung des Praefecti vollstreckt, wie ich Sonntags in der Kirche warnahm. Hiebey wäre ich berechtiget genung gewesen, den abgesetzten Praefectum wieder einzusetzen; allein ich wollte ihn gerne vor dem coetu menagiren, bey dem seine Autorität ohnedem zu weilen nicht zu reichen will, wie er sich denn der meinigen um deswillen etliche mahl bedienen müßen, und schrieb ihn daher einen Brieff, darinnen ich ihm vorstellte, wie sehr er sich vergangen, daß er bey obenerzehlten Umständen eine solche Aenderung vorgenommen, um sich wegen eines vermeynten Eingriffs in seine iura zu rächen, darunter nun auch der unschuldige leyden müße: Und ob ich gleich den abgesetztenPraefectum wieder einsetzen könnte, so wolte ich doch, um seine autorität zu menagiren, es lieber sehen, wenn er ihn selbst wieder einsetzte, denn auff die Weise wäre uns beyden geholffen. Darauff schickte er am 17. Julii den Hn. ConRectorem an mich, und ließ mir sagen, daß er meinen Brief mit Vergnügen gelesen, und wolle er es selbst gerne sehen, wenn die Sache in der Güte abgethan werden könnte. Es kam auch endlich durch Vermittelung des Hn. ConRectoris dahin, daß er versprach den abgesetzten Praefectum in der ersten Singstunde wieder einzusetzen. Allein es hat sich nachhero gewiesen, daß er mit dem Hn. ConRectore sowohl als mit mir ein Gespötte getrieben. Denn die versprochene und verglichene Wiedereinsetzung erfolgte nicht. Ich ließ ihn erinnern, bekam aber zur Antwort: Er wolle 14. Tage verreisen, ich solte mich nur biß zu seiner Wiederkunfft gedulden, alsdann solle es geschehen. Auch dieses ließ ich mir gefallen. Aber nach seiner Wiederkunfft vergingen 10. Tage, und es erfolgte doch nichts. Daher schrieb ich ihm endlich am vergangenen Sonnabend wieder einen Brief, darinnen ich mich erkundigte, wie ich diese Verzögerung verstehen solle; es käme mir vor daß er in der That nicht Lust habe sein Versprechen zu halten. Ich wolte ihm also hiermit zu wißen thun, daß wenn er den Praefectum nicht an dem Tage wiedereinsetzen würde, ich ihn gantz gewiß Sonntags früh vermöge der Ordre wieder einsetzen würde, die ich vormahls von dem Hn. Vorsteher erhalten, und die er nach der Zeit nochmals wiederhohlet hätte. Aber hierauff hat er mir kein Wort geantwortet, oder antworten laßen, noch viel weniger das verlangte gethan. Nun urtheilen Ew. Magnificenz und HochEdlen Herrlichkeiten selbst über diese Aufführung gegen den Hn. Vorsteher und mich, und ob ich nicht mit Fug und Recht die [900] restitution vornehmen können. Ich befahl also den beyden Praefectis, daß ein ieder wieder seine vorige Praefectur antreten solle: Und weil diese Anordnung auff Befehl und mit Bewilligung des Hn. Vorstehers geschehen, so werde derjenige, der sich der ersten Praefectur Verrichtungen, auser dem Krausen, anmaßen werde, vor einen angesehen werden, der sich nicht alleine mir, sondern auch dem Hn. Vorsteher wiedersetze, welches nothwendig harte Straffen nach sich ziehen müße, vor denen ich einen ieden warnen wolle. Sobald ihm dem Hn. Cantori der erstePraefectus auf meinen Befehl davon Nachricht gegeben, leufft er geschwinde zu dem Hn. Superintendenten, und bringt eben die ungegründeten Klagen wieder mich vor, die er nun erst Ew. Magnif. und HochEdl. Herrl. vorgebracht, nach dem er bey ienem keine gewünschte Resolution erhalten, und declariret zugleich, daß er die Sache den Mittwoch darauff, als vorgestern dem Consistorio übergeben würde. Ob ihm nun gleich der H. Superintendens keine Resolution gegeben, als, daß er sich nach der Sachen Beschaffenheit bey mir erkundigen wolle, die Sache aber selbst ohne vorhergegangene Communication mit den Hn. Patronis und dem Hn. Vorsteher weder von ihm noch dem Consistorio entschieden werden könne; so hat er doch unter dem Vorwand eines von dem Hn.Superintendenten erhaltenen Befehls den andernPraefectum Küttlern gezwungen, wieder aus der Nikolai Kirche heraus, und mit ihm in die Thomas Kirche zu ersten Canterey zu gehen, aus der er den Praefectum Krausen, der bereits gesungen mit großen Ungestüm veriaget. Ich gieng aus der Kirche zum Hn.Superintendenten um mich zu erkundigen, ob er dergleichen Verordnung gegeben; hörete aber daß er nichts gesaget, als was ich bereits angeführet. Ich erzehlte ihm darauf die gantze Sache, wie ich sie hier Ew. Magnif. und HochEdl. Herrl. vorgetragen habe; da er denn meine Conduite bey der Sache gäntzlichapprobirte, und sich gefallen ließe, daß es biß zu der Wiederkunfft des Hn. Vorstehers und nach ausgemachter Sache bey der von mir auf Befehl des Hn. Vorstehers gemachten Anordnung bliebe, weil es doch billiger sey, daß der Cantor dem Hn. Vorsteher und Rectori als diese jenem ad interim nachgäben. Ich ließ dieses dem Hn. Cantori wißen, bekam aber darauf die Antwort: daß er sich daran durchaus nicht kehre, es möchte kosten was es wolle. Da nun die beyden Praefecti nach Mittage wiederum jeder an den ihm von mir angewiesenen Orth gegangen waren, hat er den Krausen wieder mit großen Schreyen und Lermen von dem Chor geiagt, und demalumno Claus befohlen, an statt des Praefecti zu singen; der es auch gethan, und sich deshalber bey mir nach der Kirche entschuldiget. Wie mag denn also der H. Cantor vorgeben, daß kein alumnus, sondern einstudent gesungen habe? Den andern Praefectum Küttlern aber, hat er des Abends, weil er mir gehorchet, vom Tische gejagt. Aus dem allen werden Ew.Magnif. und HochEdl. Herrl. ersehen, daß die Klage des Hn. Cantoris ungegründet sey, als ob ich mir die Ersetzung des Praefecti im ersten Chor, ohne sein Vorwißen und Einwilligung neuerlicher Weise angemaßet, und den Praefectum des andern Chors zumPraefectum des ersten gemacht. Einen Praefectum zu machen ist so eine große Sache nicht, daß [901] ich darüber jemandem Verdruß machen solte, habe es auch nie verlangt und werde es auch nie verlangen; ob ich gleich im übrigen die mir in der Schulordnung gegebene Concurrenz, verlange, und dabey geschützet zu werden hoffe. Der H. Cantor hat den gantzen Statum Controversiae verdrehet, welcher darinne bestehet: »ob ich nicht einen von ihm, bloß dem Rectori zum Tort, und wieder des Hn. Vorstehers und Rectoris Consens und Willen abgesetzten Praefectum mit Vorwißen und Einwilligung des Hrn. Vorstehers wieder einsetzen können, da es der H. Cantor selbst nicht thun wollen, nachdem er es doch selbst zu thun versprochen, und eben dadurch eingeräumet, daß der Knabe nicht untüchtig sey, welches aus dem obigen ohne dem erhellet.« Ich ersuche dem nach Ew. Magnif. und HochEdl. Herrl. gehorsamst den H. Cantorem mit seinen unzeitigen und ungegründeten Klagen abzuweisen, und dahin anzuhalten, daß er es bey der nunmehro mit Vorwißen des Hn. Vorstehers gemachten Anordnung bewenden laßen müße; ihm auch seinen Ungehorsam und Wiederspenstigkeit gegen den Hn. Vorsteher und mich ernstlich zu verweisen, und ihm anzubefehlen, daß er dergleichen Dinge nicht mehr ohne seiner vorgesetzten Consens und wieder eines HochEdl. und Hochweisen Raths Schulordnung vornehmen, auch überhaupt sein Amt mit mehrern Fleiß abwarten möge. Es gehöret nicht hierher Ew.Magnif. und HochEdl. Herrl. mit Klagen über ihn zu beschweren, welches mir aber auff eine andere Zeit vorbehalte; kann aber doch nicht umhin, nur dieses eintzige anzuführen, daß diese Verdrüßlichkeit nicht allein, sondern auch das Unglück, welches der arme nachher entlauffene Gottfr. Theodor Krauße gehabt, lediglich der Nachläßigkeit des Hn. Cantoris zuzuschreiben. Denn wäre er selbst wie ihm gebühret, und da ihm nichts gefehlet, in die Braut-Meße gegangen, und hätte nicht geglaubt, daß es ihm unanständig sey, bey einer Braut-Meß zu dirigiren, wo nur Choral musicirt werden soll, (aus welchen Grunde er sich schon mehr dergleichen Braut-Meßen, und nur neulich noch der Krögelischen entzogen, worüber sich auch, wie ich hören müßen, Ew. Magnif. und HochEdl. Herrl.Musici gegen andere Leuthe beschweret;) so würde gedachter Krauße keine Gelegenheit gehabt haben, dergleichen Excesse in und außer der Kirche zu begehen, auf welche von einem HochEdl. und Hochweisen Rathe selbsten so harte Straffen gesetzet sind. Ich hoffe um so viel mehr, daß Ew. Magnif. und HochEdl. Herrlichkeiten meine gehorsamste Bitte werden statt finden laßen, weil darunter die Auctoritaet und Ehre des Hn. Vorstehers, der Einen HochEdlen und Hochweisen Rath bey der Schule vorstellet, und dessen Auctoritaet des Raths eigene Auctoritaet ist, als auch meine eigene versiret. Ew. Magnif. und HochEdl. Herrl. wißen aber beßer, als ich es sagen kann, wie nöthig die Auctoritaet einem Rectori ist, und daß ein Rector ohne Auctoritaet nicht allein ein unnützer, sondern auch schädlicher Mann ist. Ich werde, gleichwie vor alle andere Wohlthaten, als auch vor die mir hierunter erwiesene, jeder Zeit beharren


Ew. Magnificenz und HochEdl. Herrlichkeiten

gehorsamster Diener

M. Jo. Aug. Ernesti.

Leipzig, den 17. Aug.

1736.


[902] Denen Magnificis, HochEdelgebohrnen, Vesten | und Hochgelahrten auch Hochweisen Herren, Herrn Bür- | germeistern, Consulenten, Baumeistern, StadtRich- | tern und übrigen hochansehnlichen Mitgliedern des Raths zu Leipzig. |

Meinen HochzuEhrenden Herren und Patronis.


[Fol. 14.]


prs. den 20. Aug. 1736.


Magnifici,

HochEdelgebohrne, HochEdle, Veste | und | Hochgelahrte, auch Hochweise | Hochgeehrteste Herren und Patroni. |


Eu: Magnificenz und HochEdelgeb. Herrl. wird an noch in Hochgeneigten Andencken ruhen was ich wegen derer durch Veranstellung des Rectoris auf hiesiger Thomas Schule Hrn. Ernesti beym öffentlichen Gottes-Dienste heüte vor 8 Tagen veranlaßten disordres bey Denselben vorzustellen mich genöthiget gesehen. Nachdem nun anheüte Vor- und Nachmittags ein gleiches wiederum sich ereignet und ich zu Vermeidung großen Aufsehens in der Kirche und turbationis Sacrorum mich entschließen müßen, dieMotette selbst zu dirigiren und nachhero das Absingen durch einen Studiossum verrichten zu laßen, auch dieses von Zeit zu Zeit immer ärger werden wird, ich auch mich ohne Dero als hoher Patronorum nachdrückliches Einsehen in Zukunfft kaum weiter gegen die mir untergebenen Schüler bey meinem Amte zumainteniren vermöchte, mithin entschuldiget sein würde, wenn hieraus noch mehrere und vielleicht irreparable Unordnungen entstünden; Als habe Eu: Magnificenz und HochEdelgeb. Herrl. auch dieses geziemend vorzustellen nicht Umgang nehmen können, nebst gehorsamster Bitte, Dieselben geruhen dem Herrn Rector ohnverzüglich hierinnen Einhalt zu thun, und durch Beschleunigung gebethenen Hauptresolution, nach Dero rühmlichen Eifer vor das gemeine Beste dem zu besorgenden mehrern öffentlichen Aergerniße in der Kirche, Unordnung auf der Schule, Verkleinerung der zu meinem Amte erforderlichen autorität bei denen Schülern, und anderen schlimmen Folgerungen hocherleüchtet vorzubauen; Verharre


Eu. Magnificenz und HochEdelgeb. Herrligk.

gehorsamer

Johann Sebastian Bach.

Leipzig

d. 19. August 1736.


Denen Magnificis, HochEdel- | gebohrnen, HochEdlen, Vesten und | Hochgelahrten auch Hochweisen Herren, | Herrn BurgerMeister und Beysitzern des Wohllöbl. Stadt-Regiments | der Stadt Leipzig. |

Meinen Hochgeehrtesten Herren und | Patronen.26


[903] [Fol. 15.]


P.M.


Der communicirte Verlauf wegen des alumni Krausen und der ihm eigenmächtig und ohne hinlängliche Ursache genommenen Praefectur ist weder völlig, wie der von mir 2 Tage nach diesem aufgesetzten Verlauf, neml. am 17. Aug. eingegebene Bericht anzeiget, den ich bedürffenden Falles durch des Hn.Conrectoris und vieler alumnorum Zeugniße bestätigen könnte, ia mit guten Gewißen beschweren wolte, noch wahrhaftig. H. Bach weiß nichts anzuführen, als seine Untüchtigkeit, weil er meynet, man werde ihm das Urtheil darüber nicht alleine zugestehen, sondern es auch in diesem Falle vor richtig und unpartheyisch halten. Allein gleichwie ich schon andere Proben anführen könnte, daß man sich auf seinetestimonia hierinne nicht allezeit verlaßen kann, und wohl eher ein alter Species Thaler einen Discantisten gemacht, der so wenig einer gewesen, als ich bin; so bin ich auch gewis versichert, daß sein vorgeben hierinne gäntzlich unrichtig ist, und versichere ich bey meiner Ehre, daß ich gleich vom Anfange nicht ein Wort zu der Veränderung hätte sagen wollen, wenn es nur die geringste Wahrscheinlichkeit hatte. Ist der Knabe zur ersten Praefectur untüchtig, so ist er es gantz ohnfehlbar auch zu den andern. Denn die Praefecti haben alle gleiche Verrichtung, welche darinnen besteht, daß sie 1) die Motetten in der Kirche dirigiren, und der, so in der Schule unter ihnen der oberste ist, er sey erster oder anderer Praefectus, welches eben ietzo der Krause ist bey den precibus in der Schule, 2) die Lieder in der Kirche anfangen, 3) im Neüen Jahre eine Cantorey bey dem Singen in den Häusern dirigiren; der Unterschied besteht blos darinnen, daß der erste Praefectus das letztere auch in derMichaelis Messe thut, und auf Hochzeiten bey Tische einige Motetten singen läßt, dabey er dirigirt; der an dere Praefectus aber, die Music im andern Chor an Festtagen dirigirt, welches der erste Praefectus nicht thut. Sind also die Stücken so im ersten Chor musicirt werden intricater, dies ist das einzige argument, so er anführet und anführen kann, so dirigirt ia H. Bach und nicht der Praefectus. Der Vorige Praefectus Nagel hat nie was anders gethan, als die violine gestrichen. Und wie körnt es denn, daß er ietzo eben einen ersten Praefectum haben wil, der im ersten Chor ein schwer Stücke dirigiren kann, da er ihn sonst nicht gehabt, oder wenigstens eben nicht darauf gesehen, wenn er nur sonst affection vor die Person gehabt? Denn wenn er sonst verreiset ist, hat er ordentlich den Organisten aus der Neüen Kirche als H. Schotten und Gerlachen dirigiren laßen, wie es der letztere, bedürffenden Fals, attestiren wird. Wiewohl es freylich beßer ist, daß es der Praefectus thun kan. Aber wenn er untüchtig ist, nach seinem Vorgeben, warum ist er 1) nicht dabey geblieben, da ich schon darein consentiret hatte, daß er in dem Fall, wieder anderer Praefectus seyn möchte, sondern sagt den alumnis und NB. mir selbst, da ich ihn darüber constituire, auf meiner Stube ins Angesichte, daß er ihn um meinetwillen, und weil man ihm gesagt, daß ich etwas geredet welches seinen [904] Juribus praejudicirlich, NB. nicht, zu der ersten Praefectur nicht laßen, denn er hatte sie schon 4 Wochen und länger verwaltet, sondern wieder absetzen wolle; welches ia die Ursache ist, warum ich mich dagegen gereget, indem es ia nicht consilii ist, zu leiden, daß er dergleichen Dinge thut, und den Schülern seine Absichten wißen läßet. 2) Hatte er ihn in den 4 Wochen erst, und nicht schon in den 6 Jahren, die er ihn in seinen Singestunden gehabt, welches billig seyn solte, nicht vor tactfest befunden, so mußte ihm ia gar keine Praefectur gegeben werden. Denn wenn er im ersten Chor nicht tactfest ist, wird er es gewis im andern auch nicht seyn, und so war ia es wieder sein Amt und Gewißen, daß er mir durch den Hn.Conrectorem sagen nnd versprechen ließe, er wolle ihn auf meinen Brief, den ich ihm Tages vorher geschrieben, in der ersten SingeStunde wieder einsetzen. Die Probe so er 2 Tage nach diesem Versprechen, und da er wieder von dem entlauffenen Krausen, wie zuvor, verhetzt worden, ist eine Falle gewesen. Die Schüler, so ich befragt, sagen, er hätte es ein einzigmal versehen, und sich gleich corrigiret. Es wäre ein groß wunder, meines Erachtens, wenn er es gar nicht versehen hätte, da H. Bach die intention gehabt und gewünschet, daß er es versehen solle. Daß ich den H.Cantorem solte gebeten haben, dem alumno Krausen eine praefectur zu geben, ist grundfalsch. Die Sache verhält sich also: Als wir vor dem Jahre gegen Advent von Hn. M. Kriegels Hochzeit miteinander nach Hause fuhren, fragte er mich, ob dieser Krause mitPaefectus werden solte, denn es wäre nun Zeit, daß die gewöhnlichen Singe Stunden, so vor dem neüen Jahre gehalten werden von den Praefectis angiengen, und müße also nun der NB. vierte nicht dritte, wie H. Bach schreibt gemacht werden, denn die ersten 3. praefecti waren damals Nagel, Krauß und Nitsche (daß man sich doch im Lügen so leicht verräth!). Er habe das Bedencken, daß er sonst ein liederlicher Hund gewesen. Ich sagte darauf; das letzte wäre freylich wahr, und hätte er vor 2 Jahren 20 Thlr. Schulden gehabt (wobey ein Kleid à 12 Thlr. gewesen) wie ich von Herrn Gesnern im Caution-Buch angemerckt befunden; weil es ihm aber H. Gesner communicato mecum consilio, wegen seines treflichen ingenii pardonnirt, und die Schulden nun mehrentheils bezahlt wären, könne man ihn wohl nicht praeteriren, wenn er anders tüchtig wäre einen praefectum abzugeben. Darauf antwortete er mir, wie Gott weiß, Ja tüchtigister wohl. und so ist er nachher dritter, anderer und erster Praefectus worden, und kann ich auf meine Ehre versichern, daß keine Klage über ihn kommen. Die Fauten so in der Kirche gemacht worden, sind vorgegangen, ehe er vierdter Praefectus worden. Der H. Superint. sagte mir neülich, seit dem Er der vielen Unordnung in der Kirche halber ein Einsehen zu haben befohlen, habe man doch nichts wieder verspühret. Das ist aber gleich nach dem neüen Jahre geschehen, da Krause noch in keiner Kirche absang. Wie kann H. Bach befunden haben, daß sie von ihm herkommen?

Leipzig d. 13. Sept, 1736.


M. Jo. Aug. Ernesti, R.27


[905] [Fol. 17.]


E.E. Hochw. Rath der Stad Leipzigk hat mißfällig vernehmen müssen, waß maßen bey der Thomas Schule wegen Bestellung des Praefecti Inqvilinorum, welcher insgemein General-Praefectus genennet wird, Irrungen entstanden, nachdem aber in der Schul-Ordnung Cap. 13. §. 8. und Cap. 14. §. 1. und 4. deutlich enthalten, daß der Cantor die zu ieder deren 4. Cantoreyen gehörigen 8. Knaben mit Bewilligung des Rectoris annehmen, und daraus vier Praefectos Chororum mit Vorbewust und Genehmhaltung des Herrn Vorstehers erwehlen, und zur General- oder Inqvilinorum Praefectur iederzeit der erste Alumnus oder wenn dieser in Musicis nicht geschickt genung, der Nachfolgende gezogen werden solle, hierüber nach Vorschrifft erwehnter SchulOrdnung Cap. 2 §, 17. Cap. 6. §. 1. et 7. weder der Rector noch derCantor noch auch die gesamten Praeceptores Macht haben, eigenmächtiger weise einen Schüler von der Schule oder dem Genuß eines und des andern Beneficii zu excludiren; Als sind sie solchem gebührend nachszukommen, einen oder den andern Schüler von der einmahl aufgetragenen Verrichtung vor sich zususpendiren, oder gar hinwieder auszuschließen oder denen gesammten Knaben etwas sub poena Exclusionis anzudeuten, wann nicht vorhero nach Maasgebung des 7. §. Cap. 6. verfahren, nichtweniger derCantor derer Praefectorum Obliegenheit anderen, als Alumnis auffzutragen, sich zu enthalten schuldig. Wie dann auch die Praefecti bey vorkommenden Fällen dergestalt, damit sie denenjenigen, über welche ihnen nach dem 4. §. des 14. Cap. einige Inspection zustehet, nicht verächtlich werden, zu bestrafen, solchemnach mit der baculatione publica gäntzlich zu verschonen; Im übrigen werden diejenigen Praeceptores, denen in Cap. 4. §. 9. mehrerwehnter Schul-Ordnung die Inspection derer Chöre bey dem öffentlichen Gottesdienste, so wohl bey denen Braut Meßen aufgetragen ist, ihre Obliegenheit diesfalls genau zu beobachten, und hierdurch dergleichen Excesse, wie Gottfried Theodor Krausen beygemeßen worden, zu vermeyden wissen, Wornach sich, da instehende Ostern die Zeit von Johann Gottl. Kraußens Auffenthalt auf der Schule zu Ende gehet, bey Ersetzung des General-Praefecti zu richten, auch sonst die Schul-Ordnung allent halben, insonderheit bey vorfallenden Zwistigkeiten deren 4. §. des erstern, ingleichen der 11te und 12te §. des andern Capituls in genauer Obacht zu halten. Urkundlich mit dem gewöhnlichen StadtSecret. bedrucket.

Sig. Leipzig, den 6. Febr. 1737.


[Fol. 19.]


Leipzig den 20 April 1737.


Habe auf EE. Hochw. Raths der Stadt Leipzig Verordnung habe [so] den Superintendenten Tit. Herr D. Deylingen vorherstehende Verordnung, wie sie an diePraeceptores der Thomas Schule ergangen, in Abschrifft [906] communiciret, welcher davor danckte und meldet, wie er bey den Hochlöbl. Consistorio der Sache schon eingedenck sein wolte.


Johann Zacharias Trefurth

Stadtschreiber.


[Fol. 20.]


Auff E.E. Hochw. Raths Befehl habe eine Verordnung, den general Praefectum auff der Thomas Schule betreffend, insinuiret

1) Dem H. Rectori, M. Johann August Ernesti, und zwar ihm selbst auf der Thomas Schule den 6. Aprilis 1737.


und


2) dem H. Cantori Johann Sebastian Bach, gleichfalls ihm selbst auf der Thomas Schule den 10. Aprilis, 1737.


Johann Georg Lorentz,

Nuncius juris.


[VII. B. 70. Fol. 1.]


Einkom. den 12. Febr. 1737.


Magnifici, Hoch Edelgebohrne Hoch-Ehrwürdige, Hoch-Edle,Vest und Hochgelahrte Hochgeehrteste Herren und Hohe Patroni!


Es hat der Rector der Schule zu St. Thomae allhier Herr M. Johann August Ernesti jüngsthin sich unterstanden, mir bey dem ersten Chor, welches von denen Alumnis der bemeldten Schule formiret wird, ein untüchtiges Subjectum zum Praefecto wieder meinen Willen aufzudringen; und als ich dieses weder annehmen können, noch wollen; hat vermelter Herr M. Ernesti allen Alumnis, daß keiner, ohne diesem seinen eigenmächtig gesetzten Praefecto in der Kirche dieMotette absingen, oder dirigiren solte, bey Straffe der Relegation verbothen, auch dadurch so viel effectuiret, daß den Sonntag darauf in der Nach-Mittags Predigt kein eintziger Schüler aus Furcht der angedroheten Strafe das Absingen über sich nehmen, und dieMotette dirigiren wollen, ja es würden gar die Sacra gestöhret worden seyn, wenn ich nicht noch einen Studiosum, so solches verrichtet, dahin vermocht hätte.

Wenn ich dann durch dieses, des Herrn Rectoris Unternehmen nicht allein in meinem Officio gar sehr gekräncket und turbiret, sondern mir auch der, von denen Schülern schuldige Respect entzogen, und ich dadurch um meine Reputation bey ihm gebracht worden; da doch 1) nach E.E. Raths allhier, bey der Schule zu St. Thomae gemachten Schul-Ordnung Cap. 14. §. 4. mir die Praefectos Chororum aus denen Schul Knaben ohne Concurrenz des Herrn Rectoris zu erwehlen zustehet, solches auch bishero sowohl von mir, als meinen antecessoribus beständig also gehalten worden; gestalt dieses daher seinen vernünfftigen Grund hat, da die Praefecti nach obangezogener Schul-Ordnung meine, des Cantoris Stelle, weil ich zugleich [907] in allen Kirchen nicht seyn kan, vertreten und dirigiren sollen, ich auch über das erste Chor dieInspection und Aufsicht insbesondere habe und also, mit wem ich mir auszukommen getraue, am besten wissen muß; hiernechst 2) des Rectoris an die Schüler gethanes Verboth, unter einem andern Praefectô nicht zu singen, höchst unbillig ist, in Betrachtung wenn die Schüler mir ratione des Singens die Parition nicht leisten sollen, unmöglich etwas fruchtbarliches ausgerichtet werden kan; ich dahero damit dieses Beginnen nicht zur Conseqvence gereichen möge, mich deßhalb zu moviren hohe Ursache habe;

Als werde Ew. Magnif. HochEdelg. und HochEhrwd. Herrl. bey diesem Bedrängnüs anzugehen gemüßiget, und gelanget dahero an Dieselben mein gehorsamstes Bitten:

Bey meinem Officio mich zu schützen, und dahero dem H. Rectori M. Ernesti, daß er mich in solchem fernerhin nicht beeinträchtigen, der Erwehlung dererPraefectorum ohne mein Wißen und Willen, wie auch eines Verboths gegen die SchulKnaben, mir bey dem Singen keine parition zu leisten, sich hinkünfftig enthalten solle, ernstlich zu bedeuten, dem H. Superintendenten, oder einem der Herren Geistlichen bey der Thomas Kirche aber, sonder ungeziemende Maßgebung, daß sie die SchulKinder zu dem mir schuldigen Respect und Gehorsam wieder anweisen, und mich hierdurch mein Amt ferner zu verrichten, in dem Stand setzen sollen, gemäße Verordnung hochgeneigt zu ertheilen.

Wie ich mich nun in meinem billigen Suchen Dero Schutz und Hülffe getröste; Also werde davor, wie allezeit mit allen Respect verharren,

Ew. Magnif. HochEdelg. HochEhrw. und HochEdl. Herrl.

gehorsamster

Johann Sebastian Bach,

Compositeur von Königl. Maj. in Pohlen

Hoff-Capelle, und Dir. Chori Musici

allhier.

Leipzig den 12. Februar:

1737.28


Denen Magnificis, HochEdelgebohrnen Hoch- | Ehrwürdigen, Hochedlen, Vesten und Hochgelahrten, | Herren Verordneten, des hochlöbl: Chur- und Fürstl. | Sächß. Consistorii zu Leipzig meinen hochgeehrte- | sten Herren und hochgebietenden Patronis. |


(Fol. 4 ein Schreiben des Consistoriums an Deyling und an den Rath vom 13. Febr. 1737 »Bach habe sich wegen des Rectors beim Consistorium beschwert, der Rath solle die Sache untersuchen und dieselbe ohne Weiterung beizulegen suchen, auch verfügen, daß beim öffentlichen Gottesdienst kein Hinderniß und Aufsehen verursachet werde«.)


[908] [Fol. 5.]


Einkom. den 21. Aug. 1737.


Magnifici HochEhrwürdige, HochEdel | gebohrne Vest und Hochgelahrte, | Hochgeehrteste Herren und Patroni! |


Ew. Magnif. HochEdelgeb. auch HochEhrw. und HochEdl. Herrl. werden Sich hochgeneigt zu erinnern geruhen, welchergestalt ich unterm 12. Febr. dieses29 Jahres über den Rector der Schule zu St. Thomae, Herrn M. Johann August Ernesti, wegen der mir in meinem Officio angethanen Beeinträchtigung, auch wegen der, denen Alumnis untersagten Parition und mir dadurch zugezogenen Prostitution mich beschweret und um Dero Schutz und Hülffe gehorsamst angesuchet habe.

Nun hat zwar seit der Zeit E.E. Rath allhier mir eine Verordnung, so in Abschrifft sub A. beygehet, zugeschicket; Alleine ich bin eines Theils dadurch wegen der mir von gedachten Herrn Rectore angethanen Prostitution nicht Satisfaciret, andern Theils damit gar sehr graviret worden:

Denn gleichwie ich durch die von dem H. Rectore publicè in öffentlicher Kirche, auch in Gegenwart sämmtlicher Primaner, mit Relegation und Verlust der Caution, woferne sich einer meiner Ordre zu folgen würde gelüsten laßen, an die Schüler beschehene Bedrohung an meinem Respect gar sehr verletzet worden, weßwegen. daß meine Ehre wiederum hergestellet werde, ich nicht unbillig verlange; Also beziehet sich die oban-gezogene Raths Verordnung auf eine 1723 edirte Schul-Ordnung, mit welcher es aber diese Bewandniß hat, daß sie von der alten Schul-Ordnung in vielen Stücken differiret, und zu meinem großemPraejudiz so wohl in Ausübung meines Amts, als auch in den habenden Accidentien gereichet, hingegen dißfalls niemahls vor gültig agnosciret worden; gestalt, als deren publication einsmahls unternommen werden wolte, der seel. verstorbene Rector Ernesti sich dergestalt: Daß selbige vor allen Dingen dem hochlöbl. Consistorio eingeschicket, und was darauf verordnet werden würde, erwartet werden müste, darwieder moviret. Wie nun deren Ratification meines Wißens noch nicht erfolget, ich also mich nach solcher neuen mir praejudicirlichen SchulOrdnung nicht achten können, zumahlen da die accidentia mir gar sehr darinnen geschmälert werden sollen, mithin es bey der alten Schul-Ordnung annoch sein Bewenden haben wird; Also kan die obangeführte Raths Verordnung, so sich auf jene gründet, der Sache nicht abhelffen, Besonders kan dasjenige, was darinnen dergestalt:

Daß ich ein oder den andern Schüler, von der einmahl aufgetragenen Verrichtung zu suspendiren, oder gar hinwiederum auszuschließen nicht vermögend sein soll,

ausgedrucket werden wollen, nicht procediren, gestalt Fälle vorkommen, da in continenti eine Aenderung vorgenommen werden muß, und nicht erstlich eine weitläufftige Untersuchung in solchen geringfügigenDisciplinal- und [909] Schul Sachen vorgenommen werden kan, dergleichen Änderung auch auf allen trivial-Schulen dem Cantori in Sachen die Music betreffend zustehet, indem sonsten die Jugend, wenn sie weiß, daß man ihr gar nichts thun kan, zu gouverniren und sein Amt ein Gnügen zu leisten unmöglich fallen will;

Ew. Magnif. HochEhrw. HochEdelg. und HochEdl. Herrl. habe dahero solches zu hinterbringen vor nöthig geachtet, und gelanget an Dieselben hierdurch nochmals mein gehorsamstes Bitten:

Bey Ausübung meines Amtes mich bey dem dazu nöthigen Respect zu schützen, dem Herrn Rector Ernesti aber alle unbefugte Eingriffe zu untersagen, auch daß meine, durch gedachten Herrn Rectoris Bezeugen, bey denen Schülern laedirte Ehre wieder hergestellet werden möge, das nöthige zu verordnen, so wohl mich wieder die neue Schul Ordnung, so weit sie mich graviret, und von Ausübung meines Amtes abhält, zu schützen.

Vor die mir hierunter erzeigte Hülffe werde ich, wie allezeit in gebührenden Respect verharren,

Ew. Magnif. HochEhrwd.

HochEdelg. auch

HochEdl. Herrl.

gehorsamer

Johann Sebastian Bach.

ipse concepi.30

Leipzig den 21. Aug. 1737.


Denen Magnificis HochEhrwürdigen, Hoch | Edelgebohrnen, HochEdlen, Vest und Hochgelahrten | Herren, des Königl. Chur und Fürstl. Sächß. Hoch- | löbl. Consistorii zu Leipzig Herrn Verordneten | meinen Hochgeehrtesten Herren undPatronis. |


(Fol. 11. Das Consistorium theilt Deyling und dem Rathe unter dem 28. August 1737 mit, daß Bach sich unter dem 21. Aug. 1737 mit neuen Vorstellungen und Gesuchen an dasselbe gewendet habe, und fordert binnen 14 Tagen über die Bewandtniß dieser Angelegenheit Bericht ein.)


[Fol. 12.]


Von GOTTES Gnaden, Friedrich August, König in Pohlen, Hertzog zu Sachßen, Jülich, Cleve Berg, Engern und Westphahlen. Churfürst.


Würdige, Hochgelahrte, lieben andächtige und getreue; Welchergestalt bey Uns Unser HoffComponist, Johann Sebastian Bach, sich über den jetzigen Rectorem bey der Schule zu St. Thomae in Leipzig, M. Johann August Ernesti, daß er ohne seine Concurrenz die Praefectur und zwar mit einem Subjecto, welches in musicis sehr schlecht erfahren, zu besezen sich nicht entblödet, und alß er bey der Gewahrwerdung deßen Schwachheit, und [910] der daher in der Music entstandenen Unordnung sich genöthiget gesehen, eine Änderung vorzunehmen, und an deßen statt ein geschickteres Subjectum zu erwehlen, gedachter Rector Ernesti seinem Vorhaben sich nicht allein opponiret, sondsern auch, zu seiner größten Bekränckung undProstitution, denen sämmtlichen SchulKnaben incoetu publico sub poena Baculationis untersaget, seinen Veranstaltungen Parition zu leisten, sich beschweret, und was er solchemnach gehorsamst gebethen, das weiset der Inschluß.

Wir begehren darauf hiermit, ihr wollet, auf solche Beschwerde, nach Befinden, die Gebühr verfügen. Daran geschieht Unser Meynung. Dat. Dreßden, am 17. Decbr. 1737.

Jacob Fridrich Schilling

Andreas Heinrich Beyer


den Hoff componisten Bachen betr.


[Adresse:]

Denen Würdigen und Hochgelahrten, Unsern lie- |ben andächtigen und getreuen Verordneten des |Consistorii zu Leipzig.|


Einkom. den 1. Febr. 1738.


[Fol. 13.]


prs. den 29. Oct. 1737.

Praes. d. 13. Dec. 1737.


Aller-Durchleuchtigster, Großmächtigster König und Churfürst Allergnädigster Herr,


Daß Ew. Königl. Maiest: aus allerhöchsten Gnaden mir das Praedicat Dero Hoff-Componisten angedeyhen laßen, solches venerire Zeit Lebens mit allerunterthänigstem Dancke. Gleichwie nun dahero Ew. Königl. Maiest. allergnädigste Protection ich mir in allertiefster Zuversicht zueigne, so unterwinde mich auch, um selbige bey meinen iezigen Bedrückungen allergehorsamst anzusuchen.

Es haben meine Vorfahren, die Cantores bey der Schule zu S. Thomae alhier iederzeit nach der hergebrachten Schul-Ordnung das Recht beseßen, diePraefectos bey denen Choris Musicis zu ernennen, und dieses aus der gegründeten Ursache, weil sie am sichersten wißen können, welches Subjectum am allertüchtigsten zu gebrauchen, und dieses Praecipuum habe ich auch geraume Zeit und ohne Jemandes Contradiction genoßen;

Nichts destoweniger aber hat sich der ietzige Rector, M. Johann August Ernesti nicht entblödet, mir iüngsthin ohne meine Concurrenz die Praefectur und zwar mit einem Subjecto, welches in musicis sehr schlecht erfahren, zu besezen; Und als ich bey Gewahrwerdung deßen Schwachheit, und der daher in der Music entstandenen Unordnung mich genöthiget sahe, eine Änderung vorzunehmen und an deßen statt ein geschickteres Subjectum zuerwehlen, so hat gedachter Rector, Ernesti, meinem Vorhaben sich nicht allein stracklich opponiret, sondern auch zu meiner größten Bekränckung und Prostitution denen sämtlichen Schul-Knaben in [911] coetu publico sub poena baculationis untersaget, meinen Veranstaltungen Parition zu leisten. Ob ich nun wohl meine wohl fundirtePraerogative bey dem alhiesigen Magistrat in der Beyfuge sub A. zu mainteniren gesuchet, auch das Königl. Consistorium allhier um Satisfaction der mir angethanen Injurien sub B. imploriret, so ist dennoch vom letztern gar nichts, vom erstern aber die abschrifftlich beigefügte Weisung sub. C. erfoget. Dieweilen aber, allergnädigster König und Herr, von den Rathe alhier nach der inducirten Beyfuge meine sonst gehabte Gerechtsame gänzlich abgeschnitten und sieh auf eine neuerlich Anno 1723 errichtete Schul-Ordnung bezogen wird, die mich aber hauptsächlich um deswillen nicht binden kan, weilen selbige von dem hiesigen Consistorio, wenn sie anders gültig seyn wollen, niemahlen confirmiret worden;

Als ersuche Ew. Königl Majest. ich in allertieffster Unterthänigkeit

1) dem allhiesigen Rathe, daß er mich in meinemjure quaesito ratione der zuernennenden Praefectorum Chori Musici ungekränckt erhalten, und dabey schüzen solle, und

2) Dem Consistorio alhier allergnädigst anzubefehlen, den Rector Ernesti zu einer Abbitte der mir angethanen Beschimpffung anzuhalten, auch sodann sonder Maßgebung dem Superintendenten, D. Deylingen aufzutragen, den ganzen coetum dahin anzumahnen, daß die sämtlichen Schul-Knaben mir den sonst gehörigen Respect und Obedienz erzeigen sollen. Diese allerhöchste Königl. Gnade erkenne mit unsterblicher Danck Begierde und beharre in allertiefster Submission

Ew. Königl. Majestät

allerunterthänigster

allergehorsamster

Johann Sebastian Bach.

Leipzig

den 18ten Octobris

1737.


Dem Allerdurchleuchtigsten Großmächtigsten Fürsten und Herrn, Herrn Friedrich Augusto, König in Pohlen, Groß-Herzog in Litthauen, Reußen, Preußen, Mazovien, Samogitien, Kyovien, Vollhinien, Podolien, Podlachien, Lieffland, Smolenscien, Severien und Czernienhovien, Herzog zu Sachsen, Jülich, Cleve, Berg, Engern und Westphalen, des heiligen Römischen Reichs Ertz-Marschall und Churfürsten, Landgraffen in Thüringen, Marggraffen zu Meißen, auch Oberund Nieder-Lausiz, Burggraffen zu Magdeburg, Gefürsteten Graffen zu Henneberg, Graffen zu der Marck, Ravensberg und Barby, Herrn zu Ravenstein,

Meinem allergnädigsten Könige, Churfürsten und Herrn.31


(Fol. 22. In Folge des Königl. Rescripts fordert unter dem 5. Febr. 1738 das Consistorium Deyling und den Rath unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 28. Aug. 1737 nochmals energisch zum Bericht binnen 14 Tagen auf. Der am 28. Aug. 1737 geforderte Bericht war demnach nicht erfolgt.)

Quelle:
Spitta, Philipp: Johann Sebastian Bach. Band 2, Leipzig: Breitkopf & Härtel 1880., S. 893-912.
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