III. Auf die Vormundschaft über den Neffen Karl bezügliche Verhandlungen und Aktenstücke.1

1. (zu S. 26)


Contract.


1. Der unterzeichnete Ludwig van Beethoven als Vormund des M. Karl van Beethoven willigt, salva ratificatione, in die Einantwortung der Carl van Beethovenschen Verlassenschaft an die rückgelassene Frau Wittwe Johanna van Beethoven gegen dem, daß sich selbe:

2. gerichtlich erkläre und verbinde, zur Erziehung und zum Unterhalt ihres obgedachten M. Sohnes Karl, einen jährlichen Beitrag an den jeweiligen Herrn Vormund desselben, in vierteljährigen Raten, jedesmal vorhinein, abzuführen, und daß dieser jährliche Beitrag, wenigstens die eine Hälfte der von der Frau Wittwe Johanna v. Beethoven ab aerario zu erhaltenden Pension sammt Zuschüssen oder andern zu selben jemals gegeben werdenden, wie immer Namen habenden, Beiträgen, betragen muß. –

3. Daß die Frau Wittwe Joh. v. B. als eine Entschädigung für die ihr mit Last und Vortheil überlassen werdende Karl van Beethovensche Verlassenschaft, so wie für die bisher eingenommenen Zinsungen von dem Verlassenschaftshause p. p. also gleich einen Betrag von fl. 2000 W. W. für ihren M. Sohn, Karl, zu Gerichtshänden erlege und den hievon abfallenden Fruchtgenuß eben diesem Sohn zu seiner besseren Er ziehung und Unterhalt überlasse. –

4. Endlich solle der von der oftgedachten Frau Wittwe zu leisten versprochene Erziehungs und Unterhaltsbeitrag a dato dieses Vergleichs zur Zahlung anfangen. –


Wien, den 10. Mai 1817.

Ludwig van Beethoven mp.

Johanna van Beethoven mp.


[542] 2. (zu S. 113.)


a) Vorstellung des Jacob Hotschevar vom 11. Dezember 1818.


»Hochlöbliches k. k. N. Oest. Landrecht.


Die, Frau Johanna v. Beethoven, k. k. Kassierswittwe, hat unter Einem bei diesem hohen Gerichte ein Gesuch überreicht, in welchem dieselbe wiederhohlt um die obervormundschaftliche Genehmigung, ihren einzigen Sohn Carl v. Beethofen dermalen in der Erziehung seines Onkels und Vormundes, Herrn Ludwig v. Beethofen, Tonsetzers, in das k. k. Universitäts- Convict in Kost und Erziehung geben zu dürfen bittet.

Triftige Gründe veranlassen mich, mittelst der gegenwärtigen Darstellung einige Umstände zur Kenntniß des hochlöblichen k. k. nied. oestr. Landrechtes zu bringen, welche das Ansuchen der Frau v. Beethofen zu unterstützen geeignet befunden werden dürften.

Vor allem anderen sei es mir erlaubt, die Gründe anzugeben, welche mich zur gegenwärtigen schriftlichen Vorstellung bewogen haben. Der erste Grund hiezu sind die Verwandschaftsverhältnisse, in welchen ich mit der Frau v. Beethofen stehe. Mein Weib, und die verstorbene Mutter der Frau v. Beethoven waren Stiefschwestern; genug an dem, daß man, besonders auf Ansuchen, und wenn man an die Leidenschaftlichkeit zu weit getrieben sieht, einer bedrängten, für begangene, längst verjährte Fehltritte bestraften Person sich auch öffentlich anzunehmen nicht scheuet, ja sich vielmehr auch deßwegen dazu verpflichtet sieht, weil 2tens Jedermann, dem das Recht der Menschheit am Herzen liegt, erlaubt sein muß, und nach unserem allg. bürgl. Gesetzbuch §: 217. ausdrücklich erlaubt ist, sich in den daselbst angedeuteten Fällen an die gerichtliche Behörde, und da der Gegenstand der Frage dieses hohen Orts anhängig ist, sich an diese hebe Obervormundschafts-Behörde zu verwenden.

Drittens kann es mir unmöglich verargt werden, wenn ich als ein mehrjähriger gewesener Pädagoge und Erzieher der Kinder vornehmer Häuser die gesammelten pädagogischen und psychologischen Kenntnisse und Erfahrungen in Absicht auf einen mir anverwandten oder verschwägerten Knaben, dessen Fähigkeiten beim ersten Anblicke auffallen, dazu benütze, seiner hohen Obervormundschaftsbehörde, welche in die häuslichen Verhältnisse ihrer Pupillen unmöglich anders, als nur dann, wenn dagegen Beschwerden angebracht werden, eingehen kann, einige beachtungswürdige Umstände zur erlauchten Würdigung vorzutragen. Ich behaupte demnach

1. Daß der, Frau Wittwe Johanna v. Bethofen der gänzliche Einfluß auf ihr Kind widerrechtlich, und theils mit Wissen, theile ohne Wissen dieses hohen adelichen [Gerichtes] benommen worden sei,

2. unterliegt es keinem Zweifel, daß der talentvolle 12 jährige Knabe Carl v. Beethofen, ohne größten Nachtheil für sein künftiges Wohl, ohne Gefahr, physisch und moralisch verzogen zu werden, unter dem alleinigen Einflusse seines Oheims und Vormundes, Herrn Ludwig v. Beethofen, auf keine Weise mehr belassen werden könne.

[543] Ich erkläre mich hierüber näher, und zwar auf 1tens. Jeder Mutter, welcher keine testamentarische Vormundschaft entgegensteht, gebührt nach dem väterlichen Großvater die Vormundschaft über ihr Kind, wenn sie hievon nicht durch gesetzliche Hindernisse ausgeschlossen ist. Der Herren v. Beethofen gab es meines Wissens 3 Brüder. Ihren vortrefflichen Eigenschaften unbeschadet sind es alle 3 excentrische Köpfe, der verstorbene Carl v. Beethofen nicht ausgenommen. Diese wahre freimüthige Aeußerung kann der Ehre der Herren von Beethofen nichts benehmen, beweiset aber unumstößlich, daß sie, überwältiget vom Temperamente, nicht in allen ihren Handlungen und Unternehmungen mit der erforderlichen Umsicht, und ruhigen Kälte zu Werke gehen, und manchmal inExtremen verfallen, die bei einer gewissen Art Geschäfte dem Zweck äußerst nachtheilig sind. Daß die Herren Ludwig und Carl v. Beethofen exzentrische Köpfe waren, kann ich als unparteiischer und ruhiger Beobachter bezeugen, und kann es durch schriftliche Belege darthun; denn Herr Ludwig und Carl v. Beethofen waren Brüder, waren aber mehr Feinde als Freunde zusammen, und es wird nicht zu viel behaup tet sein, wenn ich anführe, daß Herr Carl v. Beethofen nur dann recht gut mit seinem Bruder, HerrnLudwig v. Beethofen war, wenn er Geld brauchte; man ist wirklich in der Versuchung zu behaupten, daß der Knabe Carl v. Beethofen und das künftige Eigenthumsrecht auf ihn ein Handlungsartikel unter den zwei Herren Brüdern geworden ist. Dieß beweiset zum Theil schon das von der Frau v. Beethofen in ihrem Gesuche unter A angeführte Testament, und der Testamentsnachtrag B, noch mehr aber die eigenhändigen hier % Briefconcepte Nr. 1. und 2., worin ausdrücklich berühret wird, daß Herr Carl v. Beethofen einen gewissen Vergleich wegen Zahlung von 1500 fr. nur unter der Bedingung eingehe, daß sein Bruder Herr Ludwig v. Beethofen das schriftliche Instrument wegen der Vormundschaft des Knaben Carl wieder herausgebe. ›Ich würde,‹ sagt der Vater, ›nie ein Instrument dieser Art ausgestellt haben, wenn mich meine lange Krankheit nicht in sehr große Ausgaben gebracht hätte; nur in Rücksicht dieses konnte ich, noth gedrungen, dieses Instrument unterfertigen; damals aber war mein Entschluß, selbes bei einer solchen Gelegenheit zurückzuverlangen, oder durch ein anderes Instrument ungültig zu machen, denn mein Bruder ist zu sehr Compositeur, und kann daher nach meiner Idee, und mit meinem Willen, niemahls meines Sohnes Vormund werden.‹

Man wende mir nicht ein, daß diese Aufsätze ohne Datum und ohne Unterschrift, daher nichts erweisend sind. Genug an dem die eigenhändige Schrift des Herrn Carl v. Beethofen kann nicht wiedersprochen werden, und man sieht daraus, daß Herr Carl v. Beethofen einsah, daß die Vormundschaft über sein Kind dem Herrn Ludwig v. Beethofen nicht gut anvertrauet werden könne, und daß selbst Herr Carl v. Beethofen ein exzentrischer Mensch genannt zu werden verdiene.

Zwar erhielt Herr Ludwig v. Beethofen durch das Testament die Vormundschaft, doch hatte Herr Carl v. Beethofen noch Verstand genug durch das Nachtrags Testament B. ddto 14. November 1815 sterbend zu verfügen, daß da er bemerkt hat, daß HerrLudwig v. Beethofen den Knaben Carl [544] nach dem Hinscheiden ganz zu sich nehmen und denselben der Aufsicht und Erziehung seiner Mutter gänzlich entziehen will, und da ferner zwischen dem Herrn Ludwig v. Beethofen und der Frau v. Beethofen nicht die beste Einigkeit besteht, er für nöthig befunden habe, zu verfügen, daß er durchaus nicht wolle, daß sein SohnCarl von seiner Mutter entfernt werde, sondern daß derselbe immerhin, und so lange es seine künftige Bestimmung zuläßt, bei seiner Mutter zu verbleiben habe, daher also sie so gut wie Herr Ludwig v. Beethofen die Vormundschaft zu führen hat | : Herr Ludwig v. Beethofen also nur Mitvormund sein soll: |

›Nur durch Einigkeit sagt das am Sterbebette noch rege Vatergefühl, kann der Zweck, den ich bei Aufstellung meines Bruders zum Vormunde über meinen Sohn gehabt habe, erreicht werden; daher empfehle ich zum Wohl meines Kindes, meiner Gattin Nachgiebigkeit, meinem Bruder aber mehr Mäßigung. Gott lasse beide zum Wohl meines Kindes einig sein. Dieß ist die letzte Bitte des sterbenden Gatten und Bruders!‹

Es sind wenige psychologische Kenntnisse erforderlich, um zu beurtheilen, wie wenig, da es die ausdrückliche Stimme des sterbenden Bruders und Gatten, die letzten Worte und Naturtriebe zum Wohl eines hoffnungvollen Sohnes in die Feder diktirend bestätigte, Herr Ludwig v. Beethofen trotz seinem unverkennbaren guten, ja besten Willen, und seiner Großmuth, die er sonst an dem Knaben ausübt, zur Erziehung, und zur Vormundschaftsführung fähig sei.

Es liegt also keineswegs in dem Sinne des Testamentes, und lag nicht in dem Willen des Herrn Carl v. Beethofen, seinem Bruder, dem er sterbend Mäßigung in seinem leidenschaftlichen exzentrischen Benehmen empfahl, ausschließend die Vormundschaft anzuvertrauen.

Vielmehr war es und muß es der Wille des Vaters gewesen sein, auch der Mutter gemeinschaftlichen Einfluß auf die Erziehung und Vormundschaft des Knaben Carl v. Beethofen zuzugestehen.

Laut Beilage C und D des Gesuches der Frau v. Beethofen wußte Herr Ludwig v. Beethofen die ausschließliche Vormundschaft an sich zu reißen. Zum Stichblatte nahm er eine Untersuchung, die mehr ihrem Gatten, als der Frau v. Beethofen zuzuschreiben war, und welche auf den Sohn Carl in keinem Falle einen Bezug haben konnte, und ihn noch weniger jetzt als eine verjährte Sache haben kann. Theils durch eigenes vorwaltendes Benehmen, theils durch unberufene Ohrenbläser brachte es Herr Ludwig v. Beethofen dahin, daß selbst eine hohe Obervormundschaftsbehörde in die Abnahme des mütterlichen Einflusses auf die Vormundschaftsgeschäfte willigte, Hart, viel zu hart dürfte diese Abnahme erscheinen, wenn man die Umstände, wie sie bisher angeführt wurden, näher beachtet. Doch gestattete das hohe Landrecht der Mutter, je zuweilen ihr Kind zu sehen. Allein der Herr Vormund hat es durch den Rathgeber und Ohrenbläser, Herrn Giannattasio del Rio,2 dahin gebracht, daß [sie] ihren Sohn laut der Briefe E und F ihres Gesuches gar nie mehr besuchen durfte. Dieses lag sicherlich nicht in dem Willen dieses hohen Gerichtes, und eine solche Behandlung widerspricht offenbar [545] dem hohen landrechtlichen Rathschlage vom 20. Februar 1816.3 Es klingt sonderbar in dem Briefe E eines Erziehungs-Instituts-Unternehmers Giannatasio del Rio, zu lesen, daß er einer Mutter, die ihr Kind besuchen will, schreibt: ›Ich ersuche Sie demnach sich ja nicht mehr in mein Haus zu bemühen, weil Sie sich dann den unangenehmsten Auftritten aussetzen würden.‹4

Kein Wunder also, daß, wie es der Herr PfarrerFröhlich bestätiget, der exzentrische Herr Vormund darüber Freude äußert, wenn der Knabe seine Mutter wider Willen, und bloß um dem Vormunde zu schmeicheln, eine Rabenmutter nennt. Es ist demnach keinem Widerspruche ausgesetzt, daß Herr Ludwig v. Beethofen der Frau v. Beethofen wider den ausdrücklichen Willen ihres Gatten, wider die gesetzlichen Verfügungen, und wider dem hohen Willen der Obervormundschaftsbehörde den gänzlichen Einfluß auf ihr Kind widerrechtlich zu entziehen gewußt habe.

Auf 2tens hat es gleichfalls schon die Frau v. Beethofen durch ihr Gesuch und dessen Beilagen, und besonders jenes Zeugniß H des Mödlinger Herrn Pfar rers Fröhlich dargethan, daß der Knabe Carl v. Beethofen physisch und moralisch verzogen werde, und es zu seinem größten Nachtheile gereichen würde, dem Herrn Ludwig v. Beethofen noch länger die alleinige Vormundschaft, und allen Einfluß auf die Erziehung dieses Knaben zu belassen. Genug an dem, daß der sterbende Vater im Testamentsnachtrage und in seinen Briefen hinreichend zu erkennen gegeben hat, daß Herr Ludwig v. Beethofen wegen seiner überspannten exzentrischen Ideen zum alleinigen Vormund nicht tauge.

Im Allgemeinen kann ich mit voller Ueberzeugung behaupten, daß Carl v. Beethofen, nach meinen psychologischen und pädagogischen Kenntnissen und Erfahrungen in seiner physischen und moralischen Erziehung in einem hohen Grade vernachlässiget, oder um deutlicher zu reden, verzogen werde.

Als Begründung dessen, hat bereits die Frau v. Beethofen in ihrer Vorstellung einige nähere Data, und namentlich das glaubwürdige Zeugniß H des Herrn Pfarrers Fröhlich angeführet. Ich kann aber dieses hohe Gericht auch aus eigener Erfahrung versichern, daß ich mich persönlich von dem Benehmen des Knaben Carl v. Beethofen überzeugt, und mir nur auf das einmalige Sehen desselben, als er unlängst seinem Vormunde entlief, folgende traurige Umstände abstrahirt habe. Der Knabe Carl v. Beethofen ist nemlich physisch nicht wohl erzogen; hat gefrörte Hände und Füße, hat keinen winterlichen Anzug; scheinet in der Wäsche durch ganze Wochen nicht zu wechseln; zum Schnupftuche muß oft ein Bogen Fließpapier dienen, und da der Herr Ludwig v. Beethofen ledig ist, scheint überhaupt an Reinigung der Wäsche und des Körpers wenig gedacht zu sein. Daß die moralische Erziehung übel bestellt sei, beweist das Zeugniß des Herrn Pfarrers Fröhlich. Aus allen erhellet, daß der Knabe angeleitet wurde, die Feindschaft, welche [546] zwischen dem Herrn Ludwig und der Frau Johanna v. Beethofen seit Jahren, ja von jeher herrschet, noch mehr zu unterhalten, die kindliche Liebe gänzlich zu ersticken, und die Pflichten des Kindes gegen die Mutter ganz zu verläugnen. Von der Religion erhält, wie er es in seinem Verhalten in der Kirche, in der Schule, und auf der Gasse werkthätig bestätiget, der Knabe schiefe Begriffe, oder achtet die Religionslehren wenig. Er ist in seinem übrigen Betragen ein Heuchler, er äußert sich, lügen und heucheln müsse er, weil ihm sein Vormund, wenn er Wahrheit reden wollte, dieselbe nicht glaubt, er müsse immer anders reden, als er denkt, als sich die Sache verhält. Er äußert dreiste Gesinnungen hinsichtlich der Freiheit und Unbändigkeit, ist geneigt zu Entwendungen, deren er sich schon an seinem Vormunde schuldig gemacht hat; kurz der Knabe Carl v. Beethofen läuft unter der alleinigen Leitung und Aufsicht des hiezu schon körperlich unfähigen Herrn Vormundes Gefahr, ganz auszuarten und ein gefährliches Mitglied des Staates zu werden, da er, voll Lebhaftigkeit und verkehrter Neigungen, nicht in den nöthigen Schränken gehalten wird, von Seite seines hiezu unfähigen Herrn Vormundes nicht gehalten werden kann, ja leider vielmehr für seine verkehrten Neigungen zu viel Gelegenheit und Nahrung zu entarten findet, kindliche Pflichten und Religion zu verkennen lernet, und überhaupt genommen physisch und moralisch verzogen wird, da man sich theile vom An beginn hauptsächlich bemüht hat, die kindlichen Gefühle gegen die Mutter in ihm zu ersticken, theils körperlich und moralisch unfähig ist, den zwar guten Willen, aber durch verkehrte Mittel ins Werk zu setzen.

Es ist nicht zu verkennen, daß Herr Ludwig v. Beethofen, die Feindschaft zwischen ihm und der Mutter abgerechnet, die er theils aus eigener Leidenschaftlichkeit, theils durch unberufene Ohrenbläser angetrieben, unterhält, viel guten Willens hat, für den Knaben zu sorgen. Allein die Ergreifung zweckdienlicher Mittel fällt ihm immer nur zur Last, da er allen anderen Einfluß auf die Vormundschaft, besonders jenen der Mutter zu entfernen gewußt hat. Man gesteht ihm gerne jenes Lob zu, welches ihm unlängst in der Zeitschrift ›Janus‹ No 1 ddto 3. October 1818 zugemessen wurde. Allein man muß auch mit Recht mitJanus ausrufen: ›Es ist zu wünschen, daß der Erfolg seine Erwartungen nicht widerlege.‹

Wie wenig Mäßigung Herr Ludwig v. Beethofen besitzt, und wie er mit Recht cynisch |: pagina 6. des Janus:| genannt wird, beweiset der anruhende Brief No 3; und ich sage noch einmal, daß man ihm gerne seine Großmuth gegen den Knaben gelten lassen will, nur muß ich ihn, vereint mit der gekränkten, viel zu hart und zu leidenschaftlich behandelten Mutter recht inständig bitten, daß er, da der Knabe, trotz der Großmuth, und dem besten Willen seines Herrn Oheimes, Gefahr läuft, gänzlich zu entarten, entweder, selbst nach den eigenen Hindeutungen seines verstorbenen Bruders, von der Vormundschaftsführung gänzlich abtrete, oder wenigstens, wozu aber leider bei seinen überspannten Ideen wenig Hoffnung vorhanden ist, entweder der Mutter, oder jemand Fähigeren in der Sache jenen gemeinschaftlichen, leidenschaftslosen Einfluß zugestehe, welcher unumgänglich nothwendig ist, um den Knaben vor dem drohenden Untergange zu retten.

[547] Nach dieser freimüthigen, aber leider wahren Auseinandersetzung, welche dem Ruhme und guten Herzen des Herrn Ludwig v. Beethofen nichts benehmen kann, da man den besten Willen nicht verkennt, sondern nur die überspannten Ideen, und die Ergreifung verkehrter Mittel rügt, und mit Recht tadelt, weil es sich um die Rettung eines talentvollen Knaben handelt, überlasse ich es, vereint mit der gekränkten Mutter, mit ruhigem Herzen dem erlauchten Ermessen dieses hohen adelichen Gerichtes, was in Absicht auf die künftige Erziehung des Knaben und die Führung der Vormundschaft über ihn gnädigst verfügt werden wolle, da aus dem angeführten erhellet, daß HerrLudwig v. Beethofen zur Führung derselben körperlich und moralisch unfähig gehalten werden dürfte.


Wien, am 11. December 1818.


Jacob Hotschevar,


k. k. Hofconcipist (bei der k. k. allgemeinen

Hofkammer), wohnhaft am alten Fleischmarkte

im Reisingerschen Hause Nr. 739, 2. Stiege,

3. Stock.«


Unter dem Schreiben ist amtlich vermerkt:


»N. B. Das k. k. N. Oest. Landrecht übergab dieses Gesuch mittelst Schreiben ad Nrum 25530 (ex 1818) dem Magistrate.«


Die Beurteilung dieses Schreibens bleibe dem Leser überlassen; es ist klar, daß darin der Standpunkt der Mutter zum Ausdruck kommt, besonders ihr Haß gegen Beethoven, namentlich in der Äußerung, daß er auch moralisch zur Führung der Vormundschaft unfähig sei. Damit konnte nur seine leidenschaftliche Abneigung gegen die Mutter bezeichnet sein, die er auch bei seinem Neffen, ihrem Sohne, zu erwecken und zu unterhalten schien. –


b) Äußerung des Pfarrers Fröhlich. (Dem Schreiben als Beilage beigefügt; vgl. auch S. 97.)


»Der Pfarrer Johann Baptist Fröhlich zu Mödling äußerte sich am 1. Dezbr. 1818, daß Karl v. Beethoven während seines bei ihm gepflogenen monatlichen Unterrichtes bewiesen habe, daß es ihm an erforderlichem Talente zum Studiren keineswegs fehle, wohl aber leider in seiner moralischen Bildung ganz verdorben wird, und zwar aus folgenden Ursachen:

1. ist es allgemein bekannt, daß Ludwig v. Beethoven beinahe ganz gehörlos sey, folglich nicht möglich ist, daß er als ein tauber Mann einem Jünglinge die gehörige Leitung geben kann, denn wenn einer den an dern nicht hört und versteht, so entsteht daraus eine babylonische Verwirrung.

2. herrscht zwischen Ludwig van Beethoven u. der Frau Mutter des jungen Karl van Beethoven eine große Abneigung, so zwar, daß der junge v. Beethov., um sich seinem Onkel recht beliebt zu machen, seine F. Mutter mit den niedrigsten Ausdrücken in seiner Gegenwart, theils schriftlich, theils ins [548] Ohr schreiend benahmet, worüber Ludw. v. Beeth. die größte Freude äußert, und dem jungen Übertreter des 4ten göttl. Gebotes noch darüber ein Bravo zuruft.

Dieß ist die Aussage des jungen Karl v. B. selbst, welcher mir mehrmal das Bekenntniß ablegte, daß er über seine liebe Mutter schimpfen müsse, so sehr er es auch einsehe, daß es gefehlt sey, so wie er auch seinem Onkel nie die Wahrheit sagen dürfe, weil er ihm nur die Lügen glaube. Welches Letzteres er auch bei Gelegenheit in meiner Gegenwart seiner F. Mutter erzählte, und gewiß am gehörigen Orte mehr von seinem Onkel sagen würde, wenn er nichts zu fürchten hätte, bei seinem Onkel verrathen und dann von ihm mißhandelt zu werden.

Auch kam einmal Ludw. v. Beethoven mit froher Laune zu mir, und erzählte mit einer Schadenfreude, daß sein Neffe seine Mutter nicht leiden könne und er sie heute eine Rabenmutter genannt habe.

Diese mir wieder alle moralische Grundsätze verachtungswürdige Art, einen jungen Menschen von 13 Jahren so zu leiten, als auch die Gleichgiltigkeit, welche Karl v. B. bei meinen Religionsvorträgen und Aufsätzen derselben bewies, wie eben die Ausgelassenheit in der Kirche u. auf der Gasse, worüber viele hiesige Bewohner bei mir Klage führten, zwang mich nach fruchtlosen Ermahnungen und Vorstellungen an dessen Onkel, um meine übrigen 12 Schüler, die sich ohnehin öffentlich äußerten, ›sie wollen mit dem ausgelassenen Karl v. B. nicht mehr studiren‹ – nicht zu ärgern, ihn von mir ganz zu entlassen. –«


c) »Das zweite Gesuch der Witwe betreffend.«5 (Beischrift Thayers; anscheinend gleichfalls dem Schreiben Hotschevars als Anlage beigefügt.)


»Johanna durfte ihren Sohn nur zuweilen sehen. Allein selbst in dieser Rücksicht wurden ihr solche Hindernisse in den Weg gelegt, daß sie auch dieses Verlangen aufgeben mußte, wie aus dem Schreiben desGiannattasio d. d. 8. März 1816 und ihres Sohnes erhellt. Sie mußte ihre Sehnsucht, ihren Sohn doch in Monaten einmal zu sehen, nur gleich einer Diebin befriedigen.

In der Folge nahm Beethoven meinen Sohn wieder aus der Erziehungsanstalt des Hr. Giannattasio weg und gänzlich zu sich; ich konnte und durfte ihn also gar nicht mehr sehen, u. dieß um so weniger, als Hr. L. v. Beethoven den ganzen Sommer hindurch auf dem Lande zu Mödling zubrachte.

Ich erfuhr, daß mein Sohn in seiner phisischen und moralischen Bildung gänzlich vernachlässigt werde.

Dieses, u. der Umstand, daß mir mündlich bereits die gegründetsten Hoffnungen gegeben wurden, meinen Sohn unentgeldlich in das k. k. Konvikt zu bringen, veranlaßten mich, das kk. Landrecht als Obervor mundschaftsbehörde um die Begnehmigung zu bitten, daß mein Sohn Carl in das k. k. Convict in Kost [549] und Unterricht gegeben, unter Einem aber Ludwig v.Beethoven verhalten werde, die Studienzeugnisse meines Sohnes zur Tagsatzung mitzubringen, damit mit selben das Gesuch um Verleihung einer Konviktsstiftung in der gehörigen Zeit bei der Landesstelle überreicht werden könne, worüber ich die Erledigung dahin erhielt, ›daß über die von dem Vormunde L. v. Beethoven abgegebene Äußerung in dieses Gesuch auf keinen Fall gewilligt werden könne.‹

Johanna v. Beethoven (wohnhaft im tiefen Graben N. 238 im 2ten Stock) bat unterm 10. Dezember 18186 wiederholt das k. k. N. O. Landrecht um obervormundschaftliche Genehmigung ihren Sohn in das k. k. Konvikt in Kost, Wohnung u. Erziehung geben zu dürfen, Auflage an den Hrn. Vormund wegen Herausgabe der Zeugnisse zu inbemeldtem Ende, nöthigenfalls Tagssatzungsanordnung, mit Zuziehung des Hrn. Vormundes des M. Karl v. Beethoven, des Herrn Pfarrers Fröhlich in Mödling u. des gewesenen Curators, Doktor Schönauer.

Die Kosten anbelangend, so betragen diese jährlich 750 fl. für Kost, Wohnung, Kleidungen, Bücher u.Medicin etc.

Zur Berichtigung dieser 750 fl. hat mein Sohn vor der Hand 2000 fl. in Hochdero Depositenamt liegen, welche ein jährliches Interesse von 100 fl. abwerfen. Ferner habe ich mich erklärt, die Hälfte meiner Pension alljährlich zur Bestreitung der Erziehungskosten herzugeben.

Meine Pension beträgt jährlich 333 fl. 20 kr., hier von die Hälfte mit 116 fl. 40 kr., welche vom 1. Nov. d. I. (1818) angefangen, in klingender Münze bezahlt wird, somit beträgt diese Hälfte mit 116 fl. 40 kr. kl. Münze, und nach dem Course zu 240 in


W. W. circa 280 fl.

zusammen also 380 fl.


Den zur Ergänzung der 750 fl. noch darauf zu zahlen kommenden Ueberrest will ich gerne in so lange bestreiten, bis ich, wozu ich die bestimmteste Hoffnung habe, so glücklich bin, für ihn eine mir bereits mündlich zugesicherte Conviktsstiftung zu erlangen.«


3. (zu S. 113)


»Commissions-Protokoll

des K. K. n. ö. Landrechtes

vom 11. December 1818.7


25 530. Johanna v. Bethofen bittet für den Fall, als der Vormund ihres m Sohnes Carl ein Gesuch in Betreff auf dessen künftige Erziehung zur Begnehmigung vorlegen sollte, diese ihm, ohne sie gehört zu haben nicht zu ertheilen


Der Bittsteller Ludwig v. Bethofen,

Vormund und Oheim des m Carl v.

Bethoven


Carl v. Bethoven.


[550] Erschien der m Carl v. Bethoven, 12 Jahre alt, Student der 3. lateinischen Classe und wurd befragt: Ob er gute Zeugnisse habe?

Im Latein habe er die Eminenz, in den übrigen Gegenständen die

1. Classe

Warum er seinen Oncel verlas. habe?

Weil seine Mutter ihm gesagt habe, sie werde ihn zum öffentlichen Studieren bestimmen und er beym Privatstudieren nicht fortzukommen glaube.

Wie die Behandlung seines Oncles gegen ihn war?

Gut.

Wo er die letzte Zeit sich befand?

Im Hause seiner Mutter sey er versteckt gewesen.

Wo er sich lieber aufhalte, bey seiner Mutter oder bei seinem Oncle?

Er würde bei seinem Oncle gerne bleiben, wenn er Jemanden zur Seite hätte, indem sein Oncel schwer hört und er sich ihm nicht mittheilen kann.

Ob er von seiner Mutter beredet worden sey, seinen Oheim zuverlassen?

Nein.

Wann er denselben verlassen«

Vor 8 Tagen.

Wie er sagen könne, er komme durch das Privatstudium nicht fort, da er doch gute fortschritte gemacht habe?

Seitdem er öffentlich studire wäre dieß der Fall; früher habe er eine 2te Classe in der Mathematik erhalten, die er auch nicht reparirte

Ob ihn seine Mutter zu seinem Oheim zurückzugehen geheißen habe?

Sie habe ihn zu demselben zurückführen wollen; er habe sich jedoch dagegen gesträubt, weil er sich vor Mißhandlung fürchtet

Ob sein Oheim ich schon mißhandelt habe?

Er habe ihn öfter, jedoch nur wenn er es verdient habe, bestraft; mißhandelt sey er nur einmal und zwar erst zeit seiner Rückkehr zu ihm, geworden; indem ihn sein Onkel zu erdrosseln drohte.

Wir lange er bey seiner Mutter war?

Zwey Tage.

Wer ihm den Religionsunterricht ertheilte?

Der nähmliche Lehrer, der die übrigen Gegenstände vortrug, früher der Pfarrer von Mödling, der ihm jedoch nicht wohl wollte, weil er sich auf der Gasse nicht ordentlich betrug und in der Schule schwätzte.

Ob er sich erlaub habe, über seine Mutter unehrerbiethieg zu sprechen?

Ja und zwar in Gegenwart seines Oheims, dem er durch sich gefällig zu zeigen glaubte und der ihm auch eingestimmt habe.

Ob er sich oft allein befande?

Wenn sein Oncle nicht zu Hause ist, sei er sich ganz allein überlassen.

Ob ihn sein Oncle zum Bethen anhalte?

Ja er bethe Morgends und Abende mit ihm.

Erschien Ludwig v. Bethoven und Joseph Carl Bernhard. Ludwig v. Bethoven ward befragt:

[551] Auf welche Art sein Neffe Carl aus seinem Hause entwichen sey?

Er wisse daß nicht genau zu bestimmen; sein Neffe habe etwas Strafbares begangen, dieß habe er demselben vorgehalten, desselben Tages Abens habe er ein Billet von demselben erhalten, worin er sich empfiehlt. Die Ursache der Entfernung seines Neffen wisse er nicht gewiß anzugeben; vielleicht habe ihn seine Mutter Tags vorher bestellt; es könne jedoch die Furcht vor der Bestrafung seines Fehlers die Veranlassung gewesen sein.

Was sein Neffe begangen habe?

Er habe eine Haushälterin, die ihm von Gianastasio anempfohlen wurde; von dieser seyen ihm 2 Briefe an die Frl. Gianastasio geschrieben und ein Schreiben der letztern in die Hände gekommen worin gesagt wird, daß sein Neffe die Dienstbothen mit Schimpfnahmen belegt, ferner daß er von ihm Geld zurückbehalten und auf Näschereyen verwendet habe.

Unter welcher Aufsicht sein Neffe stehe?

Er halte seinem Neffen einen Correpetitor zur Erlernung des Spielens auf dem fortepiano, der französischen Sprache und des Zeichnens; dieser nun komme zu ihm; und dadurch seyen die freyen Stunden seines Mündels so besetzt, daß er keiner eignen Aufsicht bedürfe; übrigens müsse er bemerken, daß er den Dienstbothen keine Obsorge über seinen Neffen anvertrauen könne, da sie von der Mutter desselben bestochen worden; daß er ihn zur Ausbildung seiner Anlage in derMusik zu einem Pfarrer gegeben jedoch die Mutter auch mit diesem sich ins Einverständniß gesetzt habe; daß er den Mündel ins Convict geben wollte, daß aber die Aufsicht über denselben unter den vielen Zöglingen dort nicht scharf genug sei.

Ob er Zeugnisse von seinem Neffen in Händen habe?

Diese habe er schon seiner letzten Äußerung beigelegt.

Ob sein Neffe in seiner Gegenwart nicht achtungswidrig über seine Mutter gesprochen habe?

Nein, auch habe er denselben ermahnt, nichts zu sagen, was nicht war sey; er habe ihn gefragt, ob er zu seiner Mutter eine Neugung habe, was er verneinte.

Wie der Zögling ihm zurück verschafft wurde?

Durch die Polizey, er sey Vormittag bey der Mutter desselben gewesen um ihn zu verlangen, diese habe ihm die Auslieferung erst Abends versprochen; er habe befürchtet, daß sie ihn entweder nach Linz, wo ein seiniger Bruder sich befindet, oder nach Ungarn bringen wolle; daher er sich an die Polizey gewendet; nachdem er ihn übernommen, habe er ihn zu Gianastasi gleichsam in Verwahrung gegeben.

Welche Hindernisse gegen die Aufnahme seines Neffen ins Convict obwalten?

Für derzeit wäre es nicht räthlich, seinen Neffen insConvict zu geben, weil dort zu viele Zöglinge sind und, wie der Professor sagte, die dortige Aufsicht über einen Knaben, wie sein Mündel ist, nicht hinreichend wäre.

Was er für Mittel zur Erziehung seines Neffen anzuwenden gedenke?

Sein Mündel habe am meisten Talent zum Studiren; da soll er verwendet und angehalten werden; die Mittel der Subsistenz seyen die [552] Hälfte der Pension die die Mutter bezieht und die Interessen von 2000 fl. Das Abgängige habe er bestritten er würde noch ferner diese Auslagen auf sich nehmen, wenn nur diese An gelegenheit in Ordnung gebracht würde.

Da derzeit die Unterbringung des Neffen im Convict nicht thunlich sey; so wisse er nur zwey Wege; demselben einen eignen Hofmeister zu halten, der immer um ihn wäre oder ihn für die Winterszeit zumGionastasai zu geben; nach Verlauf des halben Jahres wünschte er den Knaben entweder ins Möller Convict, welches er sehr anrühmen höre, aufnehmen zu lassen oder ins Theresianum zu geben, wenn er nur adelich wäre.

Ob er und sein Bruder adelich sind und hierüber Urkunden aufzuweisen im Stande sey?

»Van« sey ein holländisches Prädicat, was eben nicht gerade Adelichen beygelegt wird; er besitze weder ein Adelsdiplom noch sonstige Beweismittel für seinen Adel.

Erschien Johanna v. Bethoven.

Wie ihr Sohn aus dem Hause seines Vormundes zu ihr gekommen sey:

Er sey Abends zu ihr gekommen aus Furcht vor einer Strafe und weil er überhaupt nicht gerne bei seinem Oncle bleibe.

Ob sie ihm zur Zurückkehr zum Vormund zugeredet habe?

Ja, jedoch ihr Sohn wollte nicht, weil er eine Mißhandlung fürchtete.

Es komme vor, daß sie ihren Sohn versteckt gehalten habe?

Sie habe dem Schwager geschrieben, daß sie ihren Sohn ihm zurückstelle, übrigens hatte sie denselben schon lange nicht gesehen und war daher froh, ihn ei nige Zeit bey sich zu haben, dieß sey die Ursache, warum sie ihn nicht sogleich zurück gab.

Ob ihr verweigert ward, ihren Sohn zu sehen?

Man habe ihr diesen ihren Wunsch zu vereiteln gewußt, indem man ihr verschiedene Orte anzeigte, wo sie ihn sehen konnte und denselben wenn sie dahin kam, nicht traf.

Ob ihr Sohn ihr von der Polizey abgenommen worden sey?

Sie selbst habe ihn um 4 Uhr Nachmittag zur Polizey gebracht.

Woher sie wisse, daß man das Projekt gehabt habe, ihren Sohn ins Ausland zu schicken?

Gionastasio habe das Projekt bey der Polizey eröffnet.

Ob sie die Behandlung ihres Sohnes bey dessen Oheim für gut halte?

Sie erachte dieselbe für unzweckmäßig und berufe sich auf die in ihrem letzten Gesuche angeführten Gründe; sie bemerke insbesondere, daß v Bethoven nur einen Dienstbothen habe, daß man sich auf Dienstbothen nicht verlassen könne; er selbst aber taub sey und daher mit dem Mündel nicht conversiren könne. Niemand sey vorhanden der die Bedürfnisse ihres Sohnes gehörig zu befriedigen im Stande sey; seine Reinlichkeit werde vernachlässigt; die Obsorge auf Kleidung und Wäsche vermißt; Personen, die ihm Wäsche brachten, seyen vom Vormunde zurückgewiesen worden.

Welche Aussicht auf eine Versorgung sie für ihren Sohn habe?

[553] Sie habe früher vom H. Grafen v. Dietrichstein die Versicherung erhalten, daß ihr Sohn würde ins Convict aufgenommen werden; doch sey sie seither nicht mehr bey demselben gewesen, weil man ihr hierwegen gestelltes Gesuch verworfen habe.

In welcher Personen Gegenwart ihr Sohn über sie achtungswidrig gesprochen habe?

Sie selbst habe ihn nicht so sprechen gehört, auch wisse sie keine solche Personen nahmhaft zu machen, die solche Reden selbst gehört haben.

Woher sie das, was zur Erhaltung ihres Sohnes an Einkommen abgeht, bestreiten werde?

Sie selbst besitze zwar kein Vermögen, aber der Hofconcipist Hutschowar werde diese Auslagen decken.

Ob ihr Mann adelich war?

So viel die Brüder sagten, ja, die Urkunden über den Adel soll der älteste Bruder, der Compositeur besitzen; bey Gelegenheit der Aufnahme der Sperrsrelation über ihres Mannes Tod sey die Ausweisung über den Adel gefordert worden; sie besitze keine Documente hierüber.


Hierauf wurde Ludwig v. Bethoven nochmahl vorgerufen um ihm aufzutragen, jene Briefe der Diensthälterin und des Frln. Gionastasio, wovon im Protokoll erwähnt wird, und alle Schul-Zeugnisse seines Mündels zu überreichen.


Z. 25 530.

Mosbruker mp.


4. (zu S. 114.)


Schreiben des Land rechts an den Magistrat vom 18. Dezember 1818.


»Löblicher Magistrat


Da der verstorbene Karl Beethoven, Kassier bei der k. k. Banko-Hauptkasse nach dem Verzeichnisse der Verstorbenen vom 17. Nov. 1815 als adelich eingekommen ist, so wurde von Seite dieses N. Oe. Landrechts die Sperre angelegt und dessen Abhandlung gepflogen.

Allein bei einer über das anschlüssige Gesuch N. 25530 veranlaßten Vernehmung, hat es sich aus der Aussage des Ludwig van Beethoven, wie es das in Abschrift mitfolgende Protokoll vom 11. Dezbr. d. J. darstellt, gezeigt, daß er keinen Adel aufzuweisen im Stande sey, und somit auch sein verstorbener Bruder Karl Beethoven nicht adelich gewesen sey; es wird daher diese Pupillarangelegenheit einem löblichen Magistrate abgetreten, und demselben die weiteres eingereichten Gesuche N 25765 25809 u. 26354, dann der dießfällige Orig. Ehevertrag ddt 25. Mai 1306 et pub. 22. Nov. 1815, das Orig. Testament des KarlBeeth. ddt 14. Nov. 1815 et pub. 17. Nov. 1815 sammt den diesfälligen Abhandlungs- und Pupillar- Akten gegen gefällige Empfangsbestätigung übermacht u. gewärtigt man die Namhaftmachung desjenigen magistratischen Individuums, welchem das in hierortiger Verwahrung befindliche Pupillar-Vermögen zu übergeben seyn wird.


Vom k. k. N. Oe. Landrechte

Wien 18. Dezember 1818

Fürstenbusch mp

Pahler mp.«


[554] 5. (zu S. 137.)8


Denkschrift Beethovens an den Magistrat vom 1. Febr. 1819.9


(Von Außen;)

»An den Wohllöblichen Magistrat der k. k. Residenzstadt Wien


Ludwig van Beethoven

in vormundschaftlicher Angelegenheit.

|: nebst einer Beilage:«


Wohllöblicher Magistrat!


Da ich von der künftigen Erziehung reden soll, so scheint mir am zweckmäßigsten von der schon jetzt bestehenden anzufangen, woraus erhellt, daß jede andere Veränderung nur zum Nachtheile meines Neffen dienen kann, daß er einen Hofmeister habe, ist scheu angezeigt worden, welchen er auch fortwährend behält, damit aber sein Eifer noch mehr erweckt werde, so lasse ich ihn in Begleitung des Hofmeisters seine Studien beim Herrn v. Kudlich dem Vorsteher eines Institutes in meiner Nähe auf der Landstraße fortsezen, er ist hier nur in Gesellschaft eines einzigen Knaben dem Sohne eines Baron Lang, und unter beständiger Aufsicht, während der Zeit er sich dort befindet, hiebey kommt ihm noch besondere zu gute, daß Herr v.Kudlich ganz nach der gründlichen Methode bei der Universität lehrt oder selbe ausübt, welche alle Kenner wie auch ich für die Beste halten, u. welche öfter nicht jeder Hofmeister besitzt, und daher für den Zögling einige Störungen bey den Prüfungen entstehen, hiezu komt nun noch der besondere Unterricht im Französischen u. im Zeichnen, in der Musik und so ist er den ganzen Tag nicht allein nüzlich u. angenehm beschäftigt, sondern auch unter beständiger so nöthige Aufsicht, überdieß habe ich einen Vater von geistlichen gefunden, der ihn über seine Pflichten als christ, als Mensch noch besonders unterrichtet, denn nur auf diesem Grunde können ächte Menschen gezogen werden, später gegen den Sommer zu wird er sich auch schon im Grichischen umsehen, man sieht woll, daß keine kosten von mir gescheut werden, um den schönen Zweck, einen nützlichen und gesitteten Staatsbürger dem Staate zu geben, zu erreichen, die jetzige Einrichtung läßt nichts zu wünschen übrig. Es braucht daher keiner Veränderung, sollte ich aber die Nothwendigkeit davon einsehen, so werde ich das noch bessere auf das gewissenhafteste vorschlagen und besorgen; – jeder Mensch der kein Handwerker wird, er mag werden was er will, muß wenigstens 5–6 Schulen studirt haben, in dieser Zeit läßt sich dann bemerken, wozu Neigungen und Anlagen führen, wird er ein Staats-Beamter, wird er ein Gelehrter, so kann der Grund nie anders als auf di ese Art gelegt werden, die außerordentliche Anlage und zum Theil wieder seine Eigenheiten [555] erfordern auch außerordentliche Mittel, und nie handelte ich wohlthätiger und größer, als eben wo ich meinen Neffen zu mir genommen und selbst seine Erziehung besorgte, hat |: nach Plutarch: | ein Philippus seiner nicht unwerth geachtet, die Erziehung seines Sohnes Alexander selbst zu leiten, u. ihm den großen Aristoteles zum Lehrer zu geben, weil er die gewöhnlichen Lehrer hiezu nicht geeignet fand, hat einLaudon selbst die Erziehung seines Sohnes geleitet, warum sollten d. g. schöne erhabene Erscheinungen nicht auch aus andern wieder hervorgehen, Mein Neffe war schon bei seines Vaters Lebzeiten an mich von ihm angewiesen, u. ich gestehe, ich fühle mich mehr als irgend jemand dazu berufen meinen Neffen schon durch mein eigenes Beispiel zur Tugend und Thätigkeit anzufeuern, Konvickte und Institute haben für ihn nicht genug Aufsicht, u. alle Gelehrte, worunter sich ein Professor Stein ein Professor |: der Pädagogik:| Simerdinger befindet, stimmen mit mir überein, daß es für ihn dort durchaus nicht geeignet sey, ja sie behaupten sogar, daß der meiste Theil der Jugend verdorben von dort herauskomme, ja sogar manche als gesittet ein u. als ungesittet wieder heraustreten, leider muß ich diesen Erfahrungen und Ansichten dieser Männer und mancher Eltern beytreten; – hätte die Mutter ihre Bösartigkeit unterdrücken können u. meinen Anstalten ruhige Entwickelung zugelassen, so würde jetzt schon ein ganz günstiges Resultat aus meinen bisherigen Verfügungen hervorgegangen sein, wenn aber eine Mutter von dieser Art ihr Kind sucht in die Heimlichkeiten ihrer gemeinen und selbst schlechten Umgebungen zu verwickeln ihn zur Verstellung in diesen zarten Jahren |: eine Pest für Kinder!!!:| zur Bestechung meiner Dienstbothen, zur Unwahrheit verführt, indem sie ihn verlacht, wenn er die Wahrheit sagt, ja ihm selbst Geld gibt, ihm Lüfte und Begierden zu erwecken, welche ihm schädlich sind, ihm sagt, daß das lauter Kleinigkeiten sind, was ihm bei mir und andern als große Fehler angerechnet werden, so ist dies ohnehin schwere Geschäft noch schwerer und gefährlicher, man glaube aber nicht, daß, als mein Neffe im Institut war, sie sich anders betragen habe, doch auch hiefür ist ein neuer Damm angelegt worden, außer dem Hofmeister wird eine Frau vom Stande in mein Haus eintreten, welche die Haushaltung besorgt, u. welche sich keineswegs bestechen von ihr lassen wird, u. so die Aufsicht für meinen Neffen noch vermehrt wird, heimliche Zusammenkünfte des Sohnes mit der Mutter dringen immer nachtheilige Folgen hervor, allein dies nur will sie weil sie unter wirklichen gutgesitteten und gutgearteten Menschen sich gerade am Schlechtesten zu befinden scheint. – Es sind so viele mich entehrende Beschuldigungen vorgekommen und von solchen Menschen, daß ich darüber gar nicht einmal sprechen sollte, indem mein Moralischer Carakter nicht allein allgemein und öffentlich anerkannt, sondern selbst vorzügliche Schriftsteller wie Weissenbach u.a. es der Mühe werth hielten, darüber zu schreiben und daß nur Partheylichkeit mir etwas mich erniedrigendes zumuthen kann, ohnerachtet dessen halte ich für nöthig, manches dahin zielende zu erläutern – was meines Neffen Vermögen betrifft, so hat er 7000 fl. W. W. auf dem verkauften Hause seiner Mutter liegen, wovon die Mutter die Nutznießung hat, außerdem hat er 2200 fl. W. W. in Münzobligationen, und die Hälfte der Pension der Mutter, was [556] die 2200 fl. betrift so waren es nur 2000 fl. W. W, welche ich aber mit Kosten |: wie bei dem L. M. angezeigt:| in Münz zu 2200 fl. umgesetzt habe; sowohl die Hälfte der Pension als die 2000f. sind nichts als eine Entschädigung für den 4ten Theil vom Hauszins, wovon er nie etwas erhalten, so lange die Mutter das Haus hatte, welches sie von 1815 im November bis 1818 u. wohl 7–8 Monate darüber ganz für sich besessen, ohnerachtet dem Sohne immer der 4te Theil des Hauszinses gebührte; – man sieht hieraus, daß der Vergleich eben nicht der vortheilhafteste für ihn war, denn stirbt oder heirathet die Mutter, so verliehrt er den ganzen Theil der Pension, es war aber mit Menschen, deren Unredlichkeit die L. M. schon bei der Inventur einsahen, nichts zu machen, und man mußte sich noch freuen, dieses dem Kinde gerettet zu haben, ohnehin habe ich nur immer auf sein Seelenheil gedacht, d.i. ihn dem Einflusse der Mutter zu entziehen, Glücksgüter lassen sich erwerben, Moralität muß aber früh |: besonders wenn ein Kind schon das Unglück hatte diese Muttermilch einzusaugen ja mehrere Jahre unter ihrer Obhut und unter selber gänzlich gemißbraucht wurde, selbst den Vater mitbetriegen helfen mußte :| eingeimpft werden, und ohnehin erbt er mich, selbst jetzt schon würde ich ihm so viel hinterlassen, daß er davon allein ohne zu darben seine Studien bis zur Zeit einer Anstellung fortsetzen könnte, nur Ruhe u. keine weitere Einmischung der Mutter ist alles, was wir brauchen, und gewiß; bald wird das schöne von mir vorgesteckte Ziel erreicht werden. – Da man auch über das was ich schon erhalten gesprochen, so ist dieses leicht zu berechnen, im Mai 1817 ward der Vergleich geschlossen im Monate 8ber 1817 wurden die Rückstände der Pension der Mutter ausbezahlt, allein sie wollte nicht bezahlen, u. ich mußte sie gerichtlich dazu zwingen, die Rechnung davon befindet sich ebenfalls unter den Papieren von den L. R. u. nur ein unbeträchtlicher Theil blieb noch übrig, 1818 am 19. May bezog ich das erste von der Pension, u. ebenfalls 1818 im Februar das erste von den Interessen der Münzobligationen u. nun habe ich seit 6 vollen Monaten keinen Heller von der Pension erhalten, indem sie selbe nicht genommen wie schon früher auch, und ich selbe nur nach ihr erheben kann, man sieht hieraus, daß ohnerachtet dieses mein Neffe in meinen Anstalten für die Erziehung nicht im mindesten leidet. Es ist auch zu ersehen, daß mancher Graf und Baron sich dieser Erziehungs-Anstalten nicht schämen dürfte und es gibt Edelleute, welche diesen Aufwand weder machen noch auch machen können, ich rechne gar nicht auf diesen armseligen Beytrag, mein früherer Vorsaz war, ihr die ganze Pension aus meinem Sacke zu bezahlen, allein ihre Unmoralität ihr schlechtes Benehmen gegen ihr eigenes Kind und mich hat mich belehrt, daß dies nur die Mittel zu ihren Ausartungen noch befördern würde. – Aue dem Testamente meines armen unglücklichen Bruders |: durch Sie:| geht hervor, wie sehr darin meine Wohlthaten anerkannt, da [die] ich ihm erwiesen, und wie sehr er mir dafür gedankt, nun – ich habe sie auch auf seinen Sohn übergehen lassen, gleich nach seinem Tode, welcher 1815 am 15 November erfolgte, sorgte ich schon für ihn noch während seines Aufenthaltes bey seiner Mutter schon nicht ohne beträchtliche Ausgaben, u. sobald er aus dem Hause in das Institut kam u. alsdann zu mir ward[557] seine Erziehung ganz auf meine Kosten bis beinahe 1818 bestritten, was für einen Zweck könnte ich bei diesem elenden Beytrage, der hier beygelegt ist, haben, welcher Eigennutz ist mir zuzuschreiben, gewiß kein anderer, als den ich bei meinem Bruder hatte, wohlzuthun u. das doppelte Bewußtsein, gut gehandelt u. dem Staate einen würdigen Bürger erzogen zu haben! – Nach Anfechtung auch sogar der Vormundschaft ist ebenfalls aus dem Testamente zu ersehen, daß mein Bruder mich als alleinigen Vormund darin eingesetzt, das Codizill – es wurde ihm in Todesschwäche schon begriffen entrissen, u. mein Eid u. der Eid einer Frau können es bestätigen, daß er mich mehrmal in die Stadt geschickt, um selbes zurückzunehmen bey Dr. Schönauer, Dr. Adlersburg, welchen die L. R. zum Mit-Curator, weil sie kein Vertrauen zu ersterm hatten, vorschlugen, nahm gar kein Bedenken, diesen Umständen, obschon nicht die erforderliche Zahl Zeugen war, gänzlichen gerichtlichen Glauben u. Gültigkeit beyzumessen u. sie als Gegengründe in seiner Schrift wider das Codizill anzuführen, obschon ohnehin die Gesetze überhaupt die Mutter von der Vormundschaft ausschließen, und dem zu, Folge Sie auch von der L. R. von allem Einflusse auf Erziehung und Umgang ausgeschlossen wurde, wollte man hieran ändern, so entstände wieder große Gefahr für den Knaben, u. an der Mutter ist durch aus nichts mehrzu bessern, sie ist zu verdorben, wohl aber kann die zarte Pflanze mein Neffe in ihrem Aufblühen durch giftiges Anhauchen zerknickt werden, u. keine kleine Verantwortlichkeit wäre es, ihn in diesen Zustand zu versetzen, ich könnte leichtsinnig u. endlich ermüdend mich finden lassen, bei so vielen Schikanen Verläumdungen, jedoch nein, ich will beweisen, daß welcher gut und edel handelt, auch dafür Mißhandlungen ertragen kann, u. nie sein edles, vorgestecktes Ziel aus den Augen verlieren muß, geschworen habe ich, sein Bestes zu vertreten bis an das Ende meines Lebens u. wenn auch nicht, so läßt sich von meinem Carakter und meinen Gesinnungen nur dasjenige erwarten, was für meinen Neffen in allen Beziehungen das Vortheilhafteste ist. – Sollte ich nun noch von den Intriguen eines Herrn Hofkonzipisten Honschowa [Hotschevar] gegen mich sprechen, oder von einem Pfarrer von Mödling, welcher verachtet von seiner Gemeinde, im Rufe steht verbothenen Umgang zu haben, seine Schüler soldatenmäßig auf die Bank legen läßt, um abgeprügelt zu werden, und mir nicht verzeihen konnte, daß ich ihn übersah und durchaus meinen Neffen nicht mit Prügel viehisch behandelt haben wollte, sollte ich? nein schon die Verbindung beider Männer mit der Frau van Beethoven ist Zeugniß genug wider

sie beyde,

und gerade nur solche konnten sich auch mit ihr wider mich verbinden. – ich wiederhole hier, daß ich unerschütterlich das mir schöne vorgesteckte Ziel, die Wohlfahrt meines Neffen betreffend, in intellektueller Moralisch er u. phisischer Hinsicht, verfolgen werde, jedoch bedarf nichts so sehr eines ruhigen Ganges als Erziehung, hiezu gehört mit, daß die Frau v. Beethoven einmal für allemal abgewiesen werde, welches der Zweck der letzten Komission bei der L. R. war, um welche ich selbst gebeten und selbe selbst mit veranstaltet habe, damit aber auch von meiner Seite geschehe, was diese erwünschte [558] Ruhe befördert, so werde ich selbst einen Mit-Vormund vorschlagen welchen ich heute schon genannt hätte, wäre ich nicht noch unschlüssig über die Wahl desselben – was das Appeliren betrift, so steht dieses natürlich jedem frey, ich fürchte dieses gar nicht, werde aber sobald das mit mir aufs engste zusammenhängende Wohl meines Neffen gefährdet werden sollte ebenfalls sogleich die Appelation ergreifen, zwischen einem Gesetze überhaupt und seinen Folgen wird an keinem Orte ein Unterschied gemacht werden – eine gänzliche Abweisung der Fr. v. Beethoven wird immer noch ein günstiges anderes Resultat herbeiführen, denn einsehend, daß ihre Kabalen das gute nicht unterdrücken können, wird sie Großmuth und Schonung schon so oft an ihr von mir versucht, nicht ferner mehr verschmähen, u. dieses unangenehme Dunkel würde so viel als es die Umstände zulassen in einen heitern Tag verwandelt werden können. möge doch aus allem hervorgehen daß, wie ich schon Wohlthäter des Vaters meines Neffen war, ich noch ein viel größerer Wohlthäter seines Sohnes verdiene genannt zu werden, ja mit Recht sein Vater, kein heimliches noch öffentliches Interesse kann mir dabei, als für das gute Selbst zugeschrieben werden, ja die L. R. haben dieses selbst eingesehen, u. mir Dank abgestattet für meine Vatersorge.


Ludwig van Beethoven

Vormund

meines Neffen

Karl van Beethoven.

Wien am 1. Februar [1819].10


6. (zu S. 145ff.)


Eingabe Beethovens an den Magistrat vom 31. Oktober 1819.11


Löblicher Magistrat


Im November 1815 ist mein Bruder Karl van Beethoven mit Tode abgegangen, und hat den 12 jährigen Knaben Karl zurück gelassen.

In seinem Testamente A. § 5 übertrug er mir die Vormundschaft über diesen Knaben, und in seinem Kodizille B. äußerte er den Willen, daß seine rückgelassene Gattin Johanna auch daran Theil nehmen sollte mit dem Beisatze, daß er ihr zum Wohl seines Kindes Nachgiebigkeit empfehle. – Dieser ausdrückliche Wille des Vaters räumt mir daher so wie das Gesetz als nächsten Verwandten §. 198 die Vormundschaft über meinen Neffen Karl van Beethoven unbestreitbar ein, und die hohen Landrechte haben mir auch mittelst Dekretes C. über die erhobenen Verhältnisse diese Vormundschaft und zwar mit Ausschluß der Wittwe Johanna van Beethoven übertragen.

[559] Da ich einer Geschäftsreise wegen einige Zeit abwesend war, so war ich nicht entgegen, daß einstweilen ein gerichtlicher Vormund mich supplirte, wie dieß mittelst Ernennung des Herrn Stadtsequesters Nußböck geschehen ist.

Nachdem ich aber für beständig hier wieder anwesend bleibe und mir das Wohl dieses Knaben inniglich am Herzen liegt, so erheischt es meine Pflicht und meine Liebe zu ihm, die mir zustehende Vormundschaft, wieder selbst zu übernehmen, und zwar um so mehr, als dieser talentvolle Knabe in die Jahre tritt, wo größere Sorgfalt und größere Kosten gleichmäßig für seine Bildung verwendet werden müssen, von welcher Bildung sein ganzes künftiges Leben abhängt, die einem Weibe, seiner Mutter allein um so minder überlassen werden kann, als sie weder den Willen noch die Kräfte hat jene zweckmäßigen Maaßregeln vorzukehren die die männliche und entsprechende Erziehung erfordert.

Ich muß um so mehr diese Vormundschaft wieder reclamiren, als ich vernehme, daß man den Knaben aus Mangel der Bestreitungskosten aus seinem dermahligen von mir bestimmten Erziehungs-Institute nehmen, und die Mutter bei sich im Hause behalten wolle, um die wenigen ihm zukommenden Zinsen selbst zu verzehren und die Hälfte ihrer Pension, die sie für ihn laut Erledigung D. zu verwenden schuldig ist, für sich einzustreichen.

So wie ich bisher väterlich für meinen Neffen gesorget habe, so werde ich auch in Hinkunft das Abgängige aus eigenem tragen; aber die Hoffnungen seines seeligen Vaters und meinen Erwartungen von diesem talentvollen Knaben sollen in Erfüllung gehen, und er zum tauglichen Mann und Staatsbürger werden.

Mit dieser Voraussetzung bitte ich demnach Ein löbl. Magistrat geruhe dem Stadt-Sequester Nußböck die Interimistische Vormundschaft abzunehmen und mir die Vormundschaft über meinen Neffen Karl van Beethoven ohne Verzug zu übertragen.


Ludwig van Beethoven.


Darauf ist als Aktennotiz bemerkt:


»Ludwig van Beethoven Kapellmeister und Compositeur wohnhaft im Blumenstöckl neben dem Winter Zeitungs Comptoir.

Um unverzügliche Übertragung der Vormundschaft über den m Karl van Beethoven.


Dr. Bach.


53 239

d. 30. Oct. 1819.«


Dazu am Rande:


»Herr Bittsteller wird auf den über ein ähnliches Gesuch ad No 32469 unterm 17. Sept. d. J. ertheilten Bescheid12 gewiesen.


Vom Wr. Magistrat

den 4. November 1819.

v. Rauthenstrauch.«


[560] 7. (zu S. 180; vgl. S. 149.)


Beethovens Rekurs an das Appellationsgericht.13


»Hochlöbl. k. k. n. öst. Appellationsgericht!


Ich suchte in A um die Uebertragung der Vormundschaft über meinen Neffen Karl van Beethoven, an, wurde aber von dem löblichen Magistrate auf einen früheren Bescheid gewiesen. Ueber meine geziemende Vorstellung B erfolgte dieselbe Erledigung.

Ich finde mich hierdurch um so mehr gekränkt, als nicht blos meine Rechte hintangesetzet, sondern selbst das Wohl meines Neffen keiner Aufmerksamkeit ge würdiget wird. Nothwendig sehe ich mich daher bestimmt, im Wege des Rekurses mein gegründetes Begehren diesem hohen Appellationsgerichte vorzulegen, und gerechtes zu bitten, mir die Vormundschaft über meinen genannten Neffen wieder zu übertragen.

Meine Gründe sind einfach diese:

1tens bin ich sowohl aus dem Testamente des Vaters meines Neffens als aus dem Gesetze zu dieser Vormundschaft berufen, sowie mir auch die hohen Landrechte solche und zwar mit Ausschließung der Mutter übertragen hatten. Nachdem späterhin meine Verhältnisse mich von hier abriefen, so ließ ich es geschehen, daß inzwischen der Hr. Stadtsequester Nußböck ad interim aufgestellet wurde. Nachdem ich aber dermalen beständig hier verbleibe, so fordert mich das Wohl meines Neffen auf diese Vormundschaft wieder zu übernehmen.

2tens tritt mein Neffe in die Jahre, in denen er einer höheren Bildung zugeführet werden muß. Weder die Mutter noch der dermahlige Vormund sind hiezu geeignet, den Knaben auf diese wissenschaftliche Bahn zu leiten. Erstere nicht, weil sie ein Weib ist und was aktenmäßig vorlieget, von Seite ihrer Conduite, ohne mehr zu sagen, keine empfehlende Zeugnisse aufzuweisen hat. Daher sie auch die hohen Landrechte ganz von der Vormundschaft ausgeschlossen haben. Wie der löbl. Magistrat sie dennoch wieder bestellen konnte, ist nicht zu begreifen. Letzterer nicht, weil ihn einerseits als Stadtsequester die Administrationen von Häusern und Gründen zu viel beschäftigen, als daß er der Pflicht als Vormund eines Knaben gehörig nachkommen könnte, anderseits weil ich ihm als gewese nen Papierfabrikanten selbst nicht die nöthigen Einsichten und die erforderliche Beurtheilung zu einer wissenschaftlichen Erziehung zutrauen kann

3tens lieget mir nur allein das Wohl dieses meines Neffen innigst am Herzen. Ich selbst bin kinderlos, habe keinen näheren Verwandten, als diesen Knaben, der voll Talente ist und die besten Hoffnungen gibt wenn er gehörig geleitet wird. Nun mußte ich vernehmen, daß er schon ein ganzes Jahr versäumte und in seiner eigenen Klasse zurückbleiben mußte, ich mußte vernehmen, daß man ihn sogar aus seinem jetzigen Erziehungs-Institut wegen Mangel der Kosten nehmen, und die Mutter zu sich nehmen wolle. Welches Unglück für diesen Knaben, der ein Opfer der Unwirthschaft seiner Mutter werden mußte, [561] die den Antheil ihrer Pension, den sie für die Erziehung des Knaben verwenden sollte, für sich verbrauchen möchte!

Ich habe daher bei dem löbl. Magistrate commissionaliter erklärt, daß ich den Abgang der Kosten für sein dermaliges Erziehungs-Institut aus Eigenem tragen und selbst zu Haltung mehrerer Meister das Nöthige herbeischaffen wolle. Ich habe, da ich etwas schwerhörig bin, das die Mittheilung hindert, mir einen Mitvormund erbeten, den ich in der Person des Hrn. Peters fürstl. Lobkowitzischen Raths vorgeschlagen habe, so daß sogleich ein Mann an die Spitze der Erziehung und Leitung meines Neffen gestellet würde, der seiner Kenntnisse eben so als seiner Moralität wegen die allgemeine Achtung besitzet und dessen Einschreiten mir und Jedem, dem das Wohl dieses. Knaben am Herzen lieget, die Beruhigung gewähret, daß der Knabe eine seiner Fähigkeiten entsprechende Erziehung und Bil dung erhalten könne und werde.

Mein Wille und mein Streben geht nur dahin, daß der Knabe die bestmöglichste Erziehung erhalte, da seine Anlagen zu den frohesten Hoffnungen berechtigen, und daß die Erwartung in Erfüllung gehen möge, die sein seel. Vater auf meine Bruderliebe baute. Noch ist der Stamm biegsam, aber wird noch eine Zeit versäumt, so entwächst er in krummer Richtung der Hand des bildenden Gärtners, und die gerade Haltung und Wissenschaft und Charakter sind für ewig verloren. Ich kenne keine heiligere Pflicht als die der Obsorge bei der Erziehung und Bildung eines Kindes. Nur darin kann die Pflicht der Obervormundschaft bestehen, das Gute zu würdigen und das Zweckmäßige zu verfügen: nur dann hat sie das Wohl des Pupillen ihrer eifrigen Aufmerksamkeit gewidmet, das Gute aber zu hindern, hat sie ihre Pflicht sogar übersehen.

Ja nur das Beste des Knaben im Auge bin ich nicht entgegen, daß der Mutter fernerhin eine Art Mitvormundschaft zukommen möge, die darin bestehen mag, daß sie den Knaben besuchen, sehen und von allen Erziehungs-Vorkehrungen Wissenschaft nehmen möge, allein ihr fernerhin allein die Vormundschaft zu überlassen, ohne daß ein tüchtiger Vormund an ihre Seite gestellet wird, das ließe das Verderben des Kindes unausbleiblich herbeiführen.

Bei diesen lautsprechenden Gründen wiederhole ich demnach meine gegründete Bitte und sehe der gerechten Willfahrung um so mehr entgegen, als hier nur allein das Wohl meines Neffen meine Schritte leitet.


Ludwig van Beethoven.«


Dazu wird als Aktennotiz bemerkt:


»Rekurs

Ludwig van Beethoven Kapellmeister und Compositeur allhier im Blumenstöckel neben dem Zeitungscomptoir.

Um Aufhebung unberührter Magist. Erledigung und Wiederübertragung, der Vormundschaft über den m Karl van Beethoven.


No 178/8 A

den 7. Januar 1820«


und dazu folgendes am Rande verfügt:


[562] »Hierüber hat der hiesige Stadtmagistrat unter Anschluß des in den beiliegenden rekurrirten Bescheiden erwähnten instruirten Gesuches No 32469 worüber der bezogene Bescheid d. d.17 Oct. 1819 erfolgte, wie auch des Gesuches sammt Behelfen in Folge welcher die Enthebung des Rekurrenten von der diesfälligen Vormundschaft veranlaßt wurde dann die betreffenden Protokolle und sonstigen nöthigen Behelfe binnen vierzehn Tagen erschöpfenden Bericht zu erstatten und sich hierüber auch zu äußern, auf welche Art, mit welchen Kosten und in welchen Institute der Mündl gegenwärtig erzogen wird.


Von dem K. K. n. ö.

Appellationsgericht.

Wien 10 Jänner 1820.

Kraluppe.«


Dies gelangte an den Magistrat, wo darauf notiert wird:


»2258f. 15 Jan. 1820

Der abgeforderte Bericht ist nach beigehendem Entwurf unter Anschluß der betreffenden Actenstücke und Protokolle sogleich zu erstatten.


Vom Wiener Magistrat

den 4. Febr. 1820

Malder.«


8. (zu S. 181f.)


»Bericht des Magistrats an das K. K. Appellationsgericht


5 Febr. 1820 Z. 2258/32


.... Man will nur bei der hierortigen Verfügung vom 17. September 1819 stehen bleiben und hier zu deren Rechtfertigung noch weiters bemerken

a) daß man den Rekurrenten seines körperlichen Gebrechens und der Feindschaft wegen, in der er, wie der Testaments-Nachtrag selbst vermag [?], mit der Mutter des Mündels lebt, nach den §§197 und 198 des G. B. für unfähig die Vormundschaft zu führen halte.

b) daß die Vormundschaft der leiblichen Mutter aus dem Gesetze gebühre

c) daß ihr das Vergehen einer Veruntreuung, dessen sie sich gegen ihren Mann im Jahre 1811 schuldig gemacht und deßwegen mit einem einmonatlichen Polizei-Hausarrest bestraft worden ist, nun nicht mehr im Wege stehe;

d) daß von allen den schädlichen Störungen und Einmischungen in die Erziehung des Mündels, die der Mutter zur Last gelegt werden wollen, nichts bestimmtes angegeben, viel weniger erwiesen wird. –

Versteht man aber unter den schädlichen Störungen, daß die leibliche Mutter ihr Kind alle 14 Tage oder 4 Wochen Einmal sehen und sprechen will, oder sich von der Abnützung und Reinlichkeit seiner Wäsche überzeugen, oder über seine Aufführung bei seinen Lehrern Auskunft einholen will, so kann dieß nur in Augen des Rekurrenten als schädliche Einwirkung erscheinen; alle [563] übrige Welt aber würde es einer leiblichen Mutter verargen, wenn sie sich um ihr Kind nur alle 14 Tage oder 4 Wochen einmal erkundigte.

ad 2dum scheint Rekurrent von der Mutter und dem Vormund fordern zu wollen, daß sie den Knaben auch in den Wissenschaften unterrichten sollen, da er sie beide nicht geeignet findet den Knaben einer höheren Bildung zuzuführen; dazu findet der Magistrat auch den Rekurrenten nicht geeignet, wenigstens hat derselbe bisher diese Fähigkeit nicht gezeigt; er hat die Vorbereitung seines Neffen zu einer höheren Bildung Anderen überlassen; warum soll dieß nicht eben so gut die Mutter und der dermalige Vormund thun können, da sie einen besseren Plan vorhaben, nemlich den Knaben in das K. K. Convict zu geben und ihn öffentlichen Unterricht nehmen zulassen, wo derselbe sicher mit geringerem Kostenaufwande besseren Fortgang machen wird. –

ad 3tium Was der Rekurrent hier niedergeschrieben hat ist mit dem, daß ihm das Wohl seines Neffen innigst am Herzen liegt nicht wohl vereinbarlich. Er mußte vernehmen, heißt es, daß der Knabe ein ganzes Jahr versäumt und in seiner Klasse zurückbleiben muß; er wird doch dieses nicht der Mutter oder dem dermaligen Vormunde zur Last legen wollen, sondern seiner Leitung zuschreiben; er hat den Knaben, wie das Protokoll sub D ausweiset nach Verlauf der ersten 2 Monate aus dem öffentlichen Unterrichte auf der Universität weggenommen, 3 Monate zu Hause behalten und erst gegen Ende Juni in ein anderes Lehrinstitut gegeben; so mußte natürlich das Schuljahr für den Knaben ganz oder zum Theil verloren gehen. – Was endlich die Art der gegenwärtigen Erziehung des Mündels betrifft, so wurde schon oben bemerkt, daß sich derselbe in dem Erziehungs Institute eines sichern Johann Blöchlinger in der Josephstadt befinde und auf Kosten des Rekurrenten und der Mutter, welche die Hälfte ihrer Pension beiträgt, wie es Suballegat d in der Recursbeilage A ausweiset, erzogen werde.

Hiemit glaubt der Magistrat den hohen Auftrag pflichtschuldigst befolgt, seine Verfügung vom 17. September14 1819 gerechtfertigt zu haben und unmaßgeblich auf deren Bestätigung antragen zu dürfen.


5. Februar 1820.

Exp. v. Haber.

Piuk mp.

Kral mp.

Miniberger mp.

Beranek mp


9. (zu S. 182.)


Bericht des Magistrats an das Appellations-Gericht vom 28. Febr. 1820.15


»Dem hohen Auftrage vom 21. Empfang 23. dießsub No. 1592 zufolge legt der Magistrat das in a über das letzte vom Concurrenten hierorts [564] am 20. Novbr. sig 819 sub N. 57035 überreichte Gesuch bei der Tagsatzung am 7 Xber 1819 und sub B des am 14. ejusdem über das nehmliche Gesuch mit der Mutter des Mündels weil sie am 7. nicht erschienen war aufgenommene Protokoll in Gehorsam vor.

In der weiteren Anlage sub C folgt die Erledigung der Sperr-Relation vom 22. Nov. 1815 woraus ersichtlich ist, daß das kk. Landrecht unmittelbar nach dem Tode des Vaters des Pupillen der letztwilligen Anordnung und dem Gesetze gemäß die Mutter zur Vormünderin und den Rekurrenten zum Mitvormunde bestellt. Aus welcher Veranlassung und aus welchen Gründen vor dem kk. Landrecht in der Folge diese Vormundschaft nun allein an den Rekurrenten mit gänzlicher Ausschließung der Mutter übertragen wurde wird ein hohes Obergericht aus den AktenstückenD. E. u. F zu entnehmen geruhen. Das Erste enthält nichts als die Erklärung des Rekurrenten, daß er die Vormundschaft zu übernehmen bereit sey, weil er aber inzwischen vernommen haben muß, daß das k. k. Landrecht die Mutter zur Vormünderin und ihn zum Mitvormund bestellt habe, so scheint er die Sache dahin eingeleitet zu haben, daß über seine Erklärungsub D. eine Tagsatzung u. zugleich am 2t. X.ber 819 als ob höchste Gefahr am Verzuge wäre anberaumt und ihm dann aufgetragen wurde seine Gründe für die Ausschließung der Mutter von der Vormundschaft binnen 3 Tagen vorzulegen. Weil ihm auf sein Anlangensub E. keine Abschrift des gegen die Mutter i. J. 1811 ergangenen Urtheils vom Criminalsenate des Magistrats ertheilt wurde, so zeigt er dieses dem k. k. Landrecht in F an und bath um ämtliche Einschreitung, was auch geschah und worüber endlich unterm 9. Jänner 1816 das Vormundschaftsdekret an ihn mit gänzlicher Ausschließung der Mutter erfolgte. Dieser Ausschließung kann natürlich nichts Anderes zum Grunde liegen, als das Vergehen, dessen sich die Mutter i. J. 1811 zu Schulden kommen ließ, denn alles Übrige, was in der Äußerung des Rekurrenten sub F vorkömmt ist beweisloses Gewäsch, worauf das k. k. Landrecht keine Rücksicht nehmen konnte, was jedoch ein redender Beweis ist, wie leidenschaftlich und feindselig Rekurrent gegen die Mutter von jeher gehandelt habe und noch immer handle, wie leicht es ihm ankomme vernarbte Wunden ihr wieder frisch aufzureißen, da sie doch nach ausgestandener Strafe in ihre vorigen Rechte eingesetzt dasteht, ihr ein Vergehen vorwerfen, was sie schon vor mehreren Jahren abgebüßt hat, ein Vergehen, welches ihr der beleidigte Ehegatte selbst verziehen hatte, indem er nicht nur um Nachsicht der ihr diktirten Strafe bittlich einschritt, sondern auch sie zur Führung der Vormundschaft über seinen Sohn in seiner letztwilligen Anordnung fähig u. würdig erkannte, und daher verordnete denselben non ihr nicht zu entfernen; dem ungeachtet versuchte Rekurrent voriges Jahr den Knaben, offenbar nicht zu dessen Wohl, da hierorts unstreitig die vortrefflichsten Erziehungsinstitute bestehen, sondern bloß um die Mutter zu kränken und ihr das Herz aus dem Leibe zu reißen in das Ausland nach Landshut in die Erziehung zu geben. Zum Glück vereitelte aber die Landesregierung über eine von hieraus abgeforderte Äußerung den Plan des Rekurrenten durch Verweigerung des Passes.

Das nach Austritt des Rekurrenten an Hrn. Magistratsrath Tuscher [565] ausgefertigte Dekret, sammt dessen Gesuch um Enthebung von dieser Vormundschaft folgt hier sub G und jenes an Stadtsequester Nussbeck sub H. mit der gehorsamsten Bemerkung, daß an die Mutter noch keines ausgefertigt wurde, sondern dann eines ausgefertigt werden wird, wenn Ein hohes Obergericht die hierortige Verfügung vom 17. September 1819 zu bestättigen geruhen wird.«


10. (zu S. 187.)


Protokoll vom 29. März 1829.


»Gegenwärtige:


Herr Rath von Piut

Herr Rath von Beranek

Herr Rath von Bayer

Staudinger – Protokollführer.


13 807. Appellationsdekret in Ansehung der van Beetho venschen Vormundschaftsangelegenheit.

Erscheinen Ludwig van Beethoven und Joseph Karl Bernard, Redacteur der Wiener Zeitung.

Nachdem dem Ersteren in Gemäßheit des hohen Auftrags die dringendsten Vorstellungen gemacht wurden, äußerte derselbe:

1. daß er die Vormundschaft nach dem Testamente seines Bruders und nach dem Gesetze über seinen Neffen verlange und davon nicht abgehe.

2. erbitte er sich zum Mitvormunde den Fürst. Lobkowitzschen Hofrath von Peters,

3. verlange er, daß die Frau van Beethoven so wie früher bei dem Landrechte es war, von der Vormundschaft ausgeschlossen werde,

4. berufe er sich auf die schon früher beim Civil Senate des W. Magistrate abgegebenen Erklärungen, daß er vollkommen für seinen Neffen sorge und er nehme wohl einen Mitvormund an aber schlechterdings keinen Vormund, indem er auf seinem Rechte, die Vormundschaft zu begleiten, beharre, und überzeugt sey, daß die Erfahrung, daß ein anderer Vormund nicht so wie Herr Recurrent für den Mündel sorgen würde.


Ludwig van Beethoven

mp16


11. (zu S. 187.)


Dekret des Appellationsgerichts vom 8. April.


»Die Entscheidung des Appellationsgerichts wurde dem L. v. Beethoven durch folgende Zuschrift des Magistrats bekannt gemacht.«

»Das K. K. N. O. Appellations-Gericht hat über den Recurs des Herrn Ludwig van Beethoven gegen die über seine Gesuche wegen Uebertragung der Vormundschaft über seinen M Neffen Karl van Beethoven erlassenen [566] Verfügungen diesem Magistrate bedeutet, daß es die [über die] oberwähnten Gesuche des Herrn Recurrenten erlassenen hierortigen Bescheide ddto 17ten September 4ten November und 20ten Dezember 1819 aufzugeben17 und zu verordnen befunden habe, daß mit gänzlicher Ausschließung der Frau Mutter Johanna van Beethoven von der diesfälligen Vormundschaft über den minderjährigen Carl v. Beethoven, wodurch es von der ohnehin nur nach dem Gesetze in Ansehung ihrer veranlaßten Bestellung eines Mitvormundes in der Person des Leopold Nußböck unter einem von selbst abgekommen habe, der Herr Recurrent Ludwig van Beethoven und der von ihm vorgeschlagene Fürstl. Lobkowitzsche Rath Karl Peters als gemeinschaftliche Vormünder des erwähnten M Karl van Beethoven zu bestellen sei.

Welches demselben in Folge hohen Appellations- Decretes ddto 8ten et int 15ten April d. J. zur Wissenschaft hiermit erinnert wird.


Unterschrift des Magistrats

Stadt Wien den 20te April 1820. –«


12. (zu S. 187.)


»An den Magistrat der K. K. Haupt- und Residenzstadt Wien.«


»Mittelst höchsten Hofdecrets vom 8. empf. 17. dieß. wurde auf den dießortigen Bericht vom 9t Juni 1820, betreffend den Hofrecurs der Johanna v. Beethoven gegen die Appellationsentscheidung vom 8. April 1820, wodurch die magistratischen Bescheide vom 17. Sept., 4. November und 20. December 1819 aufgehoben, die Vormundschaft über den minderjährigen Karl van Beethoven der Hofrekurrentin abgenommen, und an deren Stelle der Ludwig van Beethoven und der von ihm vorgeschlagene Fürstlich Lobkowitzsche Rath Karl Peters als gemeinschaftliche Vormünder bestellt wurden, bekannt gemacht: daß Seine K. K. Majestät die appellatorische Verfügung vom 8ten April d. J. zu bestätigen, und die Hofrekurrentin mit ihrer dagegen gerichteten Beschwerde abzuweisen befunden haben.

Welches dem hiesigen Stadtmagistrat unter Anschluß der Akten zu weiterer Verfügung bedeutet wird.


Vom K. K. N. Oest. Appellations-Gerichte.

Wien den 18. Juli 1820.«


Infolgedessen wurde Frau van Beethoven durch Dekret des Magistrats vom 24. Juli in folgender Weise benachrichtigt:


»Seine Majestät haben mittelst höchsten Hofdecrets vom 8. dieses Monats öder den Hofrecurs der Frau Jo hanna van Beethoven, gegen die hohe Appellationsgerichts-Entscheidung vom 8t April d. J. wodurch die hier vorliegenden Bescheide vom 17. September, 4. Novbr. und 20t December [567] 1819 aufgehoben, die Vormundschaft über den M. Karl. van Beethoven der Frau Hofrecurrentin abgenommen und an deren Stelle der Herr Ludwig v. Beethoven und der von ihm vorgeschlagene Fürstl. Lobkowitzsche Rath Herr Karl Peters als gemeinschaftliche Vormünder bestellt wurden, anher bedeutet: daß die appellatorische Verfügung vom 8. April d. J. bestätiget und die Hofrecurrentin mit ihrer dagegen gerichteten Beschwerde abgewiesen werde: Welches derselben in Folge hohen Appellationsdecretes dato 18n et intim. 21t Juli d. J. zur Wissenschaft hiermit erinnert, wird.


v. Huber. Vizeburgm.

von dem Magistrate der

K. K. Haupt- u. Residenzstadt

Wien den 24. July 1820

Riekl Sekretär.«

Fußnoten

1 Die diese Angelegenheit betreffenden Dokumente, die hier und früher mitgeteilt bezw. benutzt sind, befinden sich, nach einer Notiz in Thayers Papieren, größtenteils im »Gerichte-Archiv« zu Wien und folgen hier nach den Abschriften in Thayers Materialien.


2 Dieser Vorwurf war sicher ungerecht.


3 In diesem war erlaubt und verordnet, daß die Mutter ihren Sohn nur unter Aufsicht sehen und sprechen dürfe.


4 Dies hatte Giannatasio der Witwe am 18. März 1816 schriftlich mitgeteilt. Vgl. zu obigem Bd. III S. 374.


5 Das erste Gesuch war am 3 Oktober abschlägig beschieden worden, s. S. 109.


6 Wohl der 7. Dez., wenn es sich nicht um eine Wiederholung des Gesuches handelt. Das Gericht verfügte am 9. Dez.


7 Nach einer amtlichen Ausfertigung in Thyers Materialien.


8 S. 137 Anm. 2 ist irrtümlich auf Anhang 5 (statt 3) verwiesen, was ich zu berichtigen bitte.


9 Abschrift in Thayers Materialien »Nach dem von Beethoven durchaus eigenhändig geschriebenen Originale bei dem Wiener Landesgerichte.«


10 Auf den Aktenstück steht das irrtümliche und unmögliche Datum 1818. Vgl. S. 137, 2.


11 In Schindlers Nachlaß auf der Berliner Bibliothek. Abschrift Nowotnys in Thayers Materialien. – Vgl o. S. 146 Anm. 1.


12 S. S. 145.


13 Abschrift Nowotnys bei Thayer. – S. o. S. 180 Anm. 1.


14 Ursprünglich hatte es unrichtig geheißen April; der Fehler war schon bei früherer Gelegenheit gemacht und stillschweigend berichtigt worden.


15 Thayer mitgetheilt von Dr. August Schmidt.


16 Diese Erklärungen waren Beethoven von Bach an die Hand gegeben. (K. B.)


17 Doch wohl »aufzuheben.«

Quelle:
Thayer, Alexander Wheelock: Ludwig van Beethovens Leben. Band 4, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1907..
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