Fünftes Kapitel.

Erste italienische Reise.

Dec. 1769 – März 1771.

[128] Mozart hatte jetzt München, Wien, Paris, London, Holland und die Schweiz besucht, aber er war noch nicht in Italien gewesen. Er hatte also noch Nichts gesehen. Eine Reise nach Italien war damals für einen Componisten etwas unumgänglich Nothwendiges; heutzutage ist es ganz dem Ermessen anheimgestellt und dem Grade der Neugier eines Jeden überlassen. Dieses Land gab damals in der ganzen Welt den Ton bei Kunstwerken jeder Art, namentlich aber in der Musik an. In ihm war diese Tochter des Himmels auf den Altären der Christenheit geboren worden und hatte sich unter ihrem neuschaffenden Einflusse, in der gedoppelten Form, der Melodie und Harmonie entwickelt; einer Form, welche der profanen alten Welt ebenso unbekannt geblieben, als sie es noch heutzutage allen nicht christlichen Völkern ist. Eine Zeitlang waren die Belgier die Ersten gewesen, aber um die Mitte des sechszehnten Jahrhunderts überholten sie die Italiener durch Palestrina, von dem man die Aera der wahren Musik datiren kann, nämlich der, welche das Herz und die Ohren besticht, und die er an der Stelle der griechischen Theorien und der oft genialen und tiefen Combinationen aufbrachte, die aber nur auf das Nachdenken und die Augen berechnet waren. Die Oper, welche bald darauf Italien ebenfalls ihre Entstehung und Vervollkommnung verdankte, trug dazu bei, die musikalische Oberherrschaft dieses Volkes noch mehr zu befestigen. Nur Frankreich und England machten [129] Ansprüche auf ein nationales lyrisches Theater. Was war aber das für ein Theater, guter Gott! Hier hörte man nichts als Lully und Rameau, und Rameau und Lully, klägliche Psalmodieen, abgeschmackte Triller von kreischenden Stimmen herausgeschrieen, die den Zuhörern, deren Ohren von Horn waren, (wie ein Italiener zu sagen pflegte) nie genug schreien konnten. Dort handelte es sich um nichts als um Volkslieder. Das übrige Europa kannte keine andere Oper als die italienische. Eine Menge ausgezeichneter italienischer dramatischer Componisten folgten in Italien von Generation zu Generation auf einander, und zwar ebenso regelmäßig, wie der gewöhnliche Menschenschlag. Zahlreiche Conservatorien, welche Talente aller Art groß zogen, versorgten die ganze Welt mit Maestro's und Sängern. Hier wurden die großen Sänger für die päpstliche Capelle gebildet, die sich durch eine Reinheit des Vortrags und eine Meisterschaft in der Ausführung auszeichneten, der Nichts gleich zu kommen vermochte. Unter den Hallen von Sankt Peter lagen die Schätze der älteren Meister, als Manuscripte, die Niemandem mitgetheilt werden durften, ja deren Einsichtnahme sogar nicht Eingeweihten beim Bannstrahle der Kirche untersagt war und welche nur einmal im Jahre, während der Passionszeit, aufgeführt wurden.

Ich habe bereits gesagt, daß die Triumphe der italienischen Opern-Componisten Alles, was sich neben ihnen und über sie erhob, in Schatten stellten. Schon fingen die Barbaren, welche Italien die Herrschaft der Welt entrissen hatten, an, ihm auch die Oberherrschaft in der Musik streitig zu machen. Sie hatten sich bereits gezeigt. Es warm Händel, Bach, Gluck und Haydn; aber die Mitwelt hatte sich noch nicht zu Gunsten dieser Männer ausgesprochen, die eine so lange Zukunft erwartete, sondern hing den Helden des Tags an, die damals in Europa den Vorzug hatten.[130] Händels Ruhm umschloß der Ocean von allen Seiten. Sebastian Bach, der unpopulärste aller Meister, die in dem Style schrieben, den er vorzugsweise bearbeitete, ein Styl der an und für sich schon sehr unzugänglich ist und die große Masse des Publikums gleichgültig läßt, zählte nur eine sehr kleine Anzahl Eingeweihter unter seinen Bewunderern. Europa kannte seinen Namen kaum. Gluck war unter seinen Zeitgenossen eine weit größere Berühmtheit als Bach; aber diese Berühmtheit erlangte er erst in Frankreich, wohin er die wahre musikalische Tragödie noch nicht verpflanzt und einheimisch gemacht hatte, deren Schöpfer er war und von der er im Jahre 1768 in Wien die erste Probe ablegte. Ja, die kritische Einsicht des Jahrhunderts, selbst in Frankreich, wo Gluck förmlich fanatische Anhänger zählte, war noch der Art, daß man dem Kampfe zwischen Gluck und Piccini zusah, ohne daß man zu entscheiden wagte, wem der Sieg verbleiben würde. In beiden Lagern wurde das Te deum angestimmt, und wir dürfen nicht verhehlen, daß Piccini die gewichtigeren Stimmen für sich hatte! Ich bin übrigens der Ansicht, daß eine andere, sehr natürliche Ursache am Meisten dazu beitrug, den Stoß, welchen früher oder später Gluck's Werke der alten italienischen Schule beibringen mußte, zu schwächen. Die Dilettanten interessiren sich viel mehr für die Musik als für das Drama, und von jeher verstehen die Dilettanten mehr die Aufführung als die Composition einer Oper zu beurtheilen. Weil nun Gluck deutsche oder französische Sänger verwendete, so mußte den italienischen Künstlern, deren Talente häufig eine mittelmäßige Musik ihrer Meister geltend zu machen verstehen, der Unterschied ungeheuer erscheinen. Denn damals verstanden die Italiener allein zu singen. Man darf sich daher nicht verwundern, daß lange Zeit vor und sehr lange Zeit nach Gluck die Liebhaber noch fortwährend in [131] Europa behaupteten, daß es außer der italienischen Musik kein Heil gebe.

Was Joseph Haydn anbelangt, der sowohl der Vorläufer als der berühmteste Nachfolger unseres Heros war, so konnte dieser ohne Widerspruch für den ersten Instrumental-Componisten der Welt, vor dem Jahre 1768 gelten, bis zu welchem wir mit unserer Erzählung gelangt sind. Das will aber für eine Zeit, in welcher die höhere Bedeutung der Instrumentalmusik noch in ihrer Kindheit lag, nicht viel besagen. Wir dürfen bei den unzähligen Schöpfungen Haydn's zwei völlig verschiedene Epochen nicht übersehen. Im Augenblicke haben wir es nur mit dem Haydn vor Mozart zu thun, mit dem Componisten der ersten Quatuors und der ersten Sinfonieen, die Niemand mehr spielt; und diese Versuche, so sehr sie zu jener Zeit bewundernswerth waren, berechtigten deßhalb doch Niemanden zu dem Glauben, daß die Sinfonie nicht neben der Oper ihren Rang einnehmen würde.

Von diesem Haydn, bis zum Componisten der Schöpfung, war noch ein großer Abstand, wie man sieht. Der Weg, der von dem einen zum andern führte, mußte seinen Gang durch die klassische Periode Mozart's hindurch nehmen.

Schließlich müssen wir noch bemerken, daß die großen Componisten, von denen die Rede war, so wie einige andere sehr geschickte und noch heutzutage geschätzte Künstler, die zerstreut in Deutschland lebten, nur einen sehr theilweisen Einfluß übten, den sie allein ihrem Genius verdankten und der sich darum um so langsamer entwickeln mußte, weil er erst eine völlige Veränderung in den Ansichten und entschiedenere Reformen in der Tonsetzkunst hervorzubringen hatte. In Italien dagegen bildete die musikalische Welt eine geschlossene Phalanx, eine compacte, homogene, in den Principien einige, alles überfluthende und intolerante Masse, die [132] ihre Apostel und Missionäre in alle Welt sandte und ihre Lehren mit einer Überlegenheit und einer unwiderstehlichen Macht predigen ließ, weil sie allein das Monopol des Gesanges besaß. Aus diesem raschen Ueberblicke, den wir auf die Verhältnisse der musikalischen Welt um das Jahr 1769 geworfen haben, werden die Leser von selbst ersehen, warum die Musiker aus allen Theilen Europa's damals nach Italien strömten. Alle durften sicher sein, dort wie von ihrer gemeinschaftlichen Mutter aufgenommen zu werden. Sie zog die Ausländer sogar zuweilen ihren berühmtesten eigenen Kindern vor, war stolz auf ihre Siege und adoptirte sie liebevoll; natürlich aber nur dann, wenn sie zu lernen und nicht zu lehren kamen, und nachdem sie aus ihrem Unterrichte hinreichend Nutzen gezogen hatten, um im reinsten italienischen Styl schreiben zu können. Händel und Gluck hatten auch in Italien ihre Sporen verdient und, wie alle Anderen ihrer Lehrerin den ersten Tribut der Nachahmung gezollt, die schmeichelhafteste Ehrerbietung, die man ihr erzeigen konnte, die sie aber auch am unnachsichtigsten verlangte. Wehe aber dem Musiker, der den barbarischen, das heißt den ausländischen Doctrinen Geltung zu verschaffen gesucht hatte! Er wäre, gleich dem armen Jomelli, durch Anatheme und Pfeifen zu Tode gehetzt worden. Welche Süßigkeiten, welche Zärtlichkeit, welche Lorbeeren und Triumphe erwarteten dagegen die gelehrigen und ihrer musikalischen Orthodoxie fest anhängenden Schüler! Welch' schmeichelhafte und ruhmvolle Beinamen entschädigten die Fremden, denen die Ehre zu Theil wurde, Naturalisationsbriefe zu erhalten. Hasse, il caro Sassone; Amadeo Mozart, il cavaliere filarmonico! Wog so Etwas nicht das Ordensband bei einem Musiker auf!

In der Folgezeit ließ unser Heros seine Adoptivmutter die Zärtlichkeit, die sie für ihn in seiner Kindheit gehabt, bitter bereuen; [133] vor der Hand handelte es sich aber darum, sie zu verdienen. Schon lange beschäftigte L. Mozart der Gedanke an diese Reise, welche die Erziehung seines Sohnes vollenden und seinen Ruf vollends fest begründen sollte. Man kehrte deßhalb nach Salzburg zurück, studirte dort über Hals und Kopf den Contrapunct und die italienische Sprache; und als man endlich nach Ablauf eines in Zurückgezogenheit verlebten Jahres sich für hinreichend ausgerüstet hielt, um vor dem obersten Gerichtshofe in Bologna, dem der Pater Martini vorstand, zu erscheinen, beschloß man, sich auf den Weg zu machen. Die Mutter und Schwester Mozart's blieben dieses Mal zu Hause. Vor der Abreise wurde Wolfgang noch zum Concertmeister der erzbischöflichen Capelle ernannt, was beweis't, daß er damals schon die Violine nicht schlecht gespielt haben muß. Von dem Gehalte, den er dafür bezog, werden wir später sprechen.

Wir werden die Einzelnheiten unterwegs auf dieser ersten italienischen Reise, welche über fünfzehn Monate dauerte, etwas kürzer fassen, und verweisen den Leser auf die weiter unten folgenden Correspondenzauszüge. Die reisenden Künstler thun, wohin sie kommen, fast überall dasselbe. Besuche, Einladungen, musikalische Abende, Veranstalten von Concerten, Vertheilen von Billets, Annahme von Geschenken, Eincassiren guter oder schlechter Einnahmen, das sind die Achsen, um die sich ihre ganze Existenz in einem Kreise dreht, der an einem Thore aufhört, um an dem nächsten von Neuem zu beginnen. Der Unterschied liegt allein in den Orten und den Eigennamen, Die Reise, von der wir sprechen, macht allerdings eine Ausnahme in dieser Beziehung, sie ist von größerm Interesse; aber bloß aus dem einzigen Grunde, weil der Reisende selbst einzig in feiner Art war. Allem dieß ist gerade ein Grund mehr, nur interessante [134] Details und charakteristische Thatsachen anzuführen, die weder zuvor noch nachher bekannt gewordene Beispiele in sich schließen, die allein der Geschichte eines Mozart und nicht der aller Virtuosen angehören, die ein neues Land ausbeuten.

Der Enthusiasmus der Italiener ist in seiner Kundgebung sehr verschwenderisch, weil er von Herzen geht. Nirgends fand unser Heros so sehr wie bei ihnen eine herzliche Aufnahme, ein allgemeines Wohlwollen, eine augenblickliche Anerkennung, ein Gefolge von Freunden und Beschützern, das sich in allen Städten, wo er verweilte, aus freien Stücken bildete, und die keine anderen Geschäfte, als die seinigen, zu haben schienen.

Kaum hatte Mozart den Fuß auf italienischen Boden gesetzt, als man ihm auch schon die Anerkennung zu Theil werden ließ, die man ihm in Wien so hartnäckig verweigert hatte. Der Unternehmer des Theaters in Mailand bestellte sogleich eine Oper für den nächsten Carneval bei ihm. Weil aber der Maestro noch sieben bis acht Monate vor sich hatte, so wandte er diese Zeit dazu an, die Hauptstädte der Halbinsel zu besuchen, und so reis'te er zuerst nach Bologna, dem Sitze der gelehrtesten Contrapunctisten, an deren Spitze der berühmte Pater Martini, das musikalische Orakel seiner Zeit stand. Als unsere Reisenden durch Parma kamen, machten sie die Bekanntschaft der Signora Agujari oder Ajugari, Bastardella genannt. Sie hatten von diesem Gesangswunder sprechen hören, ohne ganz daran zu glauben; die Signora lud sie aber zum Essen ein und hob bei dieser Gelegenheit mit großer Gefälligkeit ihre Zweifel. Sie sang ihnen einige Arien, von denen Wolfgang mehrere Passagen in einem Briefe Nannerl mittheilte. Man würde es mir nicht verzeihen, wenn ich dieses Fragment der Neugierde meiner Leser, namentlich aber [135] meiner singenden Leserinnen vorenthielte. Nachstehendes hat uns Mozart aufbewahrt.


5. Kapitel. Erste italienische Reise Dec. 1769 - März 1771

5. Kapitel. Erste italienische Reise Dec. 1769 - März 1771

Aller Wahrscheinlichkeit nach existirte auf der Welt niemals eine Stimme wie diese, nach Tiefe und Höhe. In der Höhe ging sie, wie man sieht, eine ganze Octave über den Umfang eines Soprans. Die Töne dieser überhohen Octave, sagt L. Mozart, [136] waren zwar etwas schwächer, als die anderen, aber sie klangen gleich einer Orgel weich und lieblich.

Der Areopag, der unsern Heros in Bologna erwartete, war, gleich dem in Athen, der verführerischen Sprache der Beredtsamkeit nicht zugänglich. Weder das Blendwerk einer vollendeten Virtuosität, noch das Talent des Improvisirens, noch die bewunderungswürdigste Fähigkeit, Partituren zu lesen, vermochten vor diesen strengen Richtern zu genügen, deren Gerichtsbarkeit da anfing, wo nothwendiger Weise die des Publikums aufhört. Mozart hatte deßhalb keine Ursache, sich zu beklagen, daß er durch die, welche ihn prüften, als Schüler behandelt wurde. Im Gegentheile, man schien ihm sagen zu wollen: Sie kündigen sich als ein Wunder an, und wir wissen wohl, daß Sie sehr gut Clavier spielen, daß Sie nicht übel improvisiren und ziemlich geläufig Musik lesen. Man sagt selbst, daß Sie im Begriff stehen, eine Oper für das Theater in Mailand zu schreiben. Das ist Alles sehr viel für Ihr Alter; aber alles dieß geht nur das Publikum an, mit dem wir Nichts zu schaffen haben. Weil Sie sich aber vor unsern Richterstuhl stellen, so dürfen Sie es nicht übel nehmen, daß wir von Ihnen verlangen, daß Sie Ihre Ansprüche auf ein Wunder durch Proben rechtfertigen, die vor unsere Competenz gehören. Man legte ihm hierauf eine Antiphona aus dem Anthiphonarium vor, die er vierstimmig setzen mußte. Mozart löste aber die Aufgabe mit solcher Meisterschaft und in so kurzer Zeit, daß er den höchsten Beifall seiner Richter erntete und den alten Pater Martini für immer sich zum Freunde machte. Einige Monate hernach wurde er mit Stimmeneinheit zum Mitgliede der philharmonischen Gesellschaft ernannt.

In Bologna machte Wolfgang die Bekanntschaft eines berühmten Sängers, des Cavaliere Broschi, Farinelli genannt, [137] von dem er eine Einladung erhielt, und dessen Lebenslauf und Geschichte ebenso einzig in seiner Art, wie sein Talent waren. Als Sänger und Arzt curirte er den Wahnsinn eines Monarchen, des Königs von Spanien, Phil ipp's V.; als Sänger und Premierminister regierte er Spanien, mit einer Weisheit, die ihm alle Ehre machte; verschaffte seinen Lästerern Pensionen, und stattete die Mädchen aus, die durch ihn Mutter geworden zu sein vorgaben, durch ihn, den armen Sopranisten! Und als der Wind bei Hofe wechselte, dankte er von seiner Macht mit eben so viel Ruhe ab, als er Mäßigung gezeigt hatte, so lange er sie besessen, kehrte mit einem ungeheuern Vermögen in sein Geburtsland zurück und lebte seitdem auf einer herrlichen Villa, die er sich in der Nähe von Bologna hatte erbauen lassen. Er war es, der den Pater Martini aufforderte, eine Geschichte der Musik zu schreiben und ihm die Mittel dazu verschaffte, indem er ihm eine musikalische Bibliothek schenkte, die er auf eigene Kosten gesammelt hatte, und die die bedeutendste war, die damals in Europa existirte. Sie zählte 7000 gedruckte Werke und 300 Manuscripte.

Es liegt etwas besonders Merkwürdiges in diesem Zusammentreffen zweier Menschen, wie Farinelli und Mozart, der beiden hervorragendsten Menschen ihrer Gattung, die sich berühren, wie die Abenddämmerung und die Morgenröthe in einer schönen Sommernacht; der eine kaum ein Jüngling, der andere schon an der Neigung einer Laufbahn, deren die Literatur sich rühmt, auf welche aber die Musik, das Theater und selbst die Politik ebenso ehrenvoll ihren Antheil in Anspruch nehmen; der nun im Genusse von Glücksgütern und Auszeichnungen aller Art sich des otium cum dignitate erfreute, worauf er in jeder Beziehung Anspruch zu machen hatte.

Das Herannahen der heiligen Woche rief unsere Reisenden [138] nach Rom, wo sie den 11. April 1770 ankamen. Ich habe bereits erwähnt, welchen Werth der heilige Stuhl darauf legte, im alleinigen Besitze der Werke zu bleiben, die man alle Jahre in den Passionstagen aufführt, und die erst in neuerer Zeit unter dem Titel: Musica sacra, quae cantatur quotannis per hebdomadam sanctam Romae in sacello pontificio21 herausgegeben worden sind. Lange Zeit war es, wie man glaubt, unter Androhung der Excommunication, den Sängern verboten, diese Werke zu copiren, ihre Stimmen mitzunehmen und sie irgend Jemandem zu zeigen. Trotz dieses Verbotes verschaffte sich unser Held dennoch eine Copie von einer der berühmtesten Compositionen, nämlich das Miserere von Allegri, und durch welches Mittel? durch eines, welches der ganzen Welt zu Gebote stand. Er schrieb es aus dem Gedächtnisse, nachdem er es nur einmal am Gründonnerstage, am Tage seiner Ankunft, gehört hatte. Am Charfreitage wurde das Werk wiederholt, Mozart nahm sein Manuscript unter den Hut und notirte unter demselben heimlich, was noch fehlte, um die Copie so genau als möglich zu machen. Als viele Jahre hernach dieselbe mit der authentischen Copie verglichen wurde, die sich Burney von dem Capellmeister Santarelli zu verschaffen wußte, so soll, nach Aussage des Erstern, auch keine Note gefehlt haben.

Obgleich diese Anekdote schon lange und sehr allgemein bekannt ist, so scheint dieselbe so wenig glaubwürdig, daß ich sie lange Zeit, ich gestehe es, nur als eine hyperbolische Ausschmückung der Geschichte Mozart's betrachtet habe, weil ich wohl weiß, wie gern man da noch zu steigern pflegt, wo bereits der Anschein des Wunderbaren [139] vorliegt. Das Sammelwerk des Herrn v. Nissen hat mich aber von der Wirklichkeit der Thatsache überzeugt, weil sie darin in einem Briefe L. Mozart's an seine Frau berichtet wird. Ich habe meine Meinung nicht leichthin aufgegeben, aber wenn ich noch zweifeln sollte, so müßte ich unter zwei Umständen einen zugeben: entweder hätte L. Mozart eine abgeschmackte Fabel erfunden, blos um sich den Spaß zu machen, seine Frau zu mystificiren auf die Gefahr hin, als der schamloseste Charlatan dazustehen, im Fall sein Brief anderen Personen gezeigt würde, und der, welcher ihn geschrieben, nicht in der Lage gewesen wäre, seinen Inhalt zu beweisen; oder es müßte der Herausgeber der Correspondenz, Herr v. Nissen, ein Betrüger sein. Es ist aber weder die eine, noch die andere Voraussetzung denkbar, einmal, weil sie das Andenken zweier ehrenwerther Männer beschimpfte, und weil man sie mit Nichts erweisen könnte. Sodann darf man nicht vergessen, daß die Sache noch vor der Veröffentlichung des Briefwechsels allgemein als wahr anerkannt war. Wenn nun die best beglaubigten Traditionen auf solche Art mit, vermöge ihrer Natur völlig unverdächtigen, Documenten übereinstimmen, ich meine damit die, durchaus nicht zum Drucke bestimmten Familienbriefe, deren Aechtheit und Wahrhaftigkeit in jeder Hinsicht unangreifbar sind, so muß sich aus diesem Zusammentreffen aller Zeugnisse, die historische Wahrheit ergeben, oder sie ist nirgends sonst zu finden. Die Stelle über die Geschichte des Miserere in L. Mozart's Briefe lautet folgendermaßen. Nachdem er nämlich zuerst von den unüberwindlichen Hindernissen gesprochen, die im Wege stehen, um sich eine Abschrift der in Frage stehenden Werke zu verschaffen, sagt er: »Trotz all' diesem haben wir das Miserere von Allegri schon. Wolfgang hat es aufgeschrieben, und wir würden es mit diesem Briefe nach Salzburg geschickt haben, wenn nicht unsere [140] Gegenwart, um es zu machen, nothwendig wäre. Ich glaube, daß die Art der Production mehr dabei thun muß, als die Composition selbst. Ueberdieß wollen wir es auch nicht in andere Hände lassen, dieses Geheimniß, ut non incurremus mediate vel immediate in censuram ecclesiae22.« Die außerordentliche Zurückhaltung, die sich in L. Mozart's Mittheilung bemerklich macht, läßt uns in ihm nicht nur den vorsichtigen Diplomaten, sondern auch den wahren Katholiken erkennen, der sich insofern in seinen Briefen kundgibt, als er mehrmals seine Verwunderung ausspricht, unter den Lutheranern so viele brave Leute zu finden, dabei aber nie vergißt, seine Frau, oder auch andere Personen anzugehen, in irgend einer Kirche, welche er bestimmt, Messen zum Heile ihrer Seelen lesen zu lassen.

Es scheint aber, daß die Unvorsichtigkeiten des Sohnes alle Vorsichtsmaßregeln des Vaters überflüssig machten. Die Nachricht von dem wunderbaren Diebstahle verbreitete sich in Rom, man suchte die Wahrheit zu ergründen und der Schuldige lieferte selbst den Beweis, indem er Christofori das Miserere Note für Note vorspielte, das dieser wenige Tage zuvor in St. Peter gesungen hatte. Christofori wußte sich vor Erstaunen fast nicht zu fassen, was der Leser wohl sehr begreiflich finden wird, namentlich wenn er berücksichtigt, daß die im alten Kirchenstyl geschriebene Musik eines Allegri ganz andere Schwierigkeiten darbietet, als eine einfache Operncomposition. Und wie Wenige vermöchten selbst nur eine solche nachzuschreiben. Ein Beispiel mit Noten wird einen Satz besser als alle Worte erläutern, weßwegen ich hier den ersten Vers des Miserere's gebe.


Miserere.

5. Kapitel. Erste italienische Reise Dec. 1769 - März 1771

[141] Anmerkung. Obige Orgel- oder Clavierbegleitung ist blos zur Bequemlichkeit der Leser von uns beigegeben. Des Miserere wird Rom ohne alle Begleitung gesungen.

(G.)


5. Kapitel. Erste italienische Reise Dec. 1769 - März 1771


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[147] Ich glaube nicht zu viel zu sagen, wenn ich behaupte, daß, wenn man Mozart Alles abspräche, sowohl den Virtuosen, als wie den Componisten, und man ihm nur das Verdienst ließe, das Miserere fehlerlos nachgeschrieben zu haben, man ihn dennoch als das größte musikalische Genie anerkennen müßte.

Von Rom begab sich Wolfgang mit seinem Vater nach Neapel. Von seinem Aufenthalte daselbst ist nichts Weiteres als sein Besuch im Conservatorium della Pietà zu melden. Sein Spiel auf dem Claviere, das er bereits zu einer, bis jetzt in Italien nicht bekannten Meisterschaft gebracht hatte, gab den Zöglingen daselbst zu allerhand Vermuthungen Veranlassung. Endlich [148] glaubten sie das Geheimniß seiner Kunstfertigkeit in einem Ringe gefunden zu haben, den er am Finger der linken Hand trug. Die Schüler gaben ihrem Gaste zu verstehen, daß sie sich nicht mehr länger täuschen ließen, indem sie wohl errathen hätten, daß der magische Ring ihm über alle Schwierigkeiten weghelfe. Mozart legte hierauf den Talisman ab und fuhr zu spielen fort. Jetzt kannte die Bewunderung der Ungläubigen keine Grenzen mehr.

Während dieser ganzen Reise schrieb Wolfgang regelmäßig an seine Schwester. Seine Briefe lauteten meistens so sonderbar, daß, wenn sie eine andere Unterschrift trügen, man nur den Ausdruck einer Intelligenz, weit unter der eines ganz gewöhnlichen Kindes von vierzehn Jahren, das einige Erziehung genossen, finden würde. Sie enthalten ein Gemisch von deutschen, italienischen, französischen und im salzburger Provinzial-Dialecte gehaltener Phrasen, die gar keinen Zusammenhang unter sich, und öfters nicht einmal einen Sinn haben. Um dem Leser eine Probe von diesem Briefstyl zu geben, will ich das Ende einer von Neapel datirten Zuschrift ihm vor Augen führen, die aber noch mehr Zusammenhang hat, als die meisten anderen. Es heißt darin: »Schreibe mir und sei nicht so faul. Altrimente avrete qualche bastonate di me. Quel plaisir! je te casserai la têtê ... Mädli las da saga, wo bist dan gwesa he? Die Oper hier ist von Jomelli; sie ist schön, aber zu gescheut und zu altväterisch für's Theater. Die de Amicis singt unvergleichlich, wie auch der Aprile, welcher zu Mailand gesungen hat. Die Tänze sind miserabel pompös. Das Theater ist schön. Der König ist grob neapolitanisch auferzogen, und steht in der Oper allezeit auf einem Schemerl, damit er ein Bissel größer als die Königin scheint. Die Königin ist schön und höflich, indem sie mich gewiß sechs Mal auf dem Molo auf das Freundlichste gegrüßt hat.« Man ersieht [149] aus ganz klar, daß Wolfgang bei dieser Art zu schreiben an Alles eher, als an den Inhalt seiner Briefe dachte. Diese Beschäftigung waren für seinen, außer in der Musik, noch ganz kindischen Geist, das, was Laufen und Springen für das Physische eines Knaben von seinem Alter sind. An seine Schwester zu schreiben, um ihr in ernster Weise etwas mitzutheilen, oder zu erzählen, wäre für ihn die mühseligste Arbeit gewesen, und er wollte sich nur dabei unterhalten. Halb Italiener seiner Natur nach, war er von einer außerordentlichen Lustigkeit und Lebhaftigkeit; er fühlte sich unwiderstehlich zu Spässen hingezogen. Sein übersprudelnder Geist mußte sich irgendwo Luft machen; und weil die Abgemessenheit seines Vaters und der zahlreichen Künstler, mit denen er in Berührung stand, gegenüber den großen Herren, Wolfgang keine Gelegenheit gab, ausgelassen zu sein, so benutzte er die Correspondenz mit Nannerl, um sich nach Herzenslust auszutoben. Alle diese Witze, Sprünge, burlesken Redensarten und Ungereimtheiten sprechen eigentlich einen ganz anderen Gedanken aus, nämlich den, in Feld und Wald herumzurennen, wenn er es anzugreifen gewußt hätte. Das arme Kind belustigte sich nur in der Phantasie! Mozart wurde in seinem ganzen Leben kein Freund des Briefschreibens. Als er aber später genöthigt war, seinem Vater Dinge mitzutheilen, welche beide gleich sehr interessirten, so zeigte er, obgleich ganz unwillkürlich, daß er seine Gedanken, wenn auch nicht mit Zierlichkeit, doch wenigstens mit Genauigkeit, zuweilen mit einer gewissen eindringlichen Kraft, und fast immer mit Originalität, zu Papiere zu bringen verstand. Wenn es sich aber um rein Musikalisches handelte, ach! dann war er gar nicht mehr derselbe Mensch. Wenn wir zu diesem Zeitraume gelangt sein werden, so wird der Leser in Mozart's Briefen, [150] trotz der gewöhnlichen Vernachlässigung des Styls, einen musikalischen Denker und Kritiker ersten Ranges erkennen.

Auf der Rückreise durch Rom erhielt Wolfgang den päpstlichen Spornorden, den auch Gluck einige Jahre zuvor empfangen hatte; doch trug er ihn später nie und bediente sich auch des Titels, »Ritter« nicht, wie der Componist des Orapheus.

Sämmtaliche Städte Italiens wetteiferten unter einander, welche dem jungen Manne am meisten Ehrenbezeugungen zu Theil werden lassen könnte. Die philharmonische Akademie in Bologna wählte ihn, wie bereits erwähnt, mit Stimmeneinheit zu ihrem Mitgliede; und bald darauf nahm ihn auch die philharmonische Akademie in Verona als Capellmeister in ihren Schooß auf.

Gegen Ende Oktober kehrten unsere Reisenden nach Mailand zurück. Hier sollte Mozart seine ewig denkwürdige dramatische Laufbahn mit einer Opera seria: Mitridate, Re di Ponto, beginnen. So lange die Triumphe des Cavaliere filarmonico – wie ihn die Italiener nannten – sich nur auf das Innere der Akademieen und der Concertsäle beschränkt hatte, scheint der Componist, der Improvisator, der gelehrte Contrapunctist, bei den Italienern keine anderen Empfindungen, als des glühendsten Enthusiasmus und des höchsten Wohlwollens erregt zu haben. Der Neid schlummerte oder wagte wenigstens sich nirgends kund zu geben. Er erwachte aber, sobald ein Ausländer, der kaum vierzehn Jahre vorüber war, auf Bühnentriumphe Ansprüche machen wollte, weil diese alle Classen der Gesellschaft ergreifen, und vielleicht die einzigen waren, welche in Italien ernstlich gesucht wurden. Zuerst schrie man über die Schande und Lächerlichkeit, daß man die scrittura (den Contract) einer italienischen Oper, einem unbärtigen Componisten, der noch überdieß ein Deutscher sei, anvertrauen wolle. Es sei eine Abgeschmacktheit, sagte man, von einem [151] Kinde die Kenntniß des chiaro ed oscuro (Licht und Schatten) zu erwarten, welche die Werke für das Theater erfordern. Ein dienstfertiger Freund drückte gegen die Primadonna, Signora Bernasconi seine lebhaften Besorgnisse über eine Vorstellung aus, die ihren Ruf als Sängerin bloßstellen könnte. Man weiß, daß in Italien eine Primadonna eine tyrannische Macht ist, von der der Maestro Alles zu hoffen hat, wenn er gehorcht, und Alles zu fürchten, wenn er sich als rebellischer Sklave zeigt. Dieser Freund hatte in seiner eifrigen Vorsorge zugleich einen ganzen Pack neu componirter Arien mitgebracht, welche er, um Gottes und ihrer selbst willen, die Signora bat, statt der des Knaben singen zu wollen. Glücklicherweise sind die Frauen sehr schwer zu täuschen, wenn es sich um Dinge handelt, bei denen ihre Eigenliebe in's Spiel kommt. Die Bernasconi hatte bereits die Numern gesehen, die Mozart ihr bestimmte und sich überzeugt, daß ihr souveräner Wille noch nie besser begriffen und verständiger ausgeführt worden sei. Der Maestro hatte den individuellen Mitteln der Sängerin gemäß eine eben so bedeutende als glänzende Parthie geschaffen, so daß man ihm gänzlich vergab, daß er hinsichtlich der Melodie und Instrumentation sich selbst nicht ganz vergessen hatte. Mozart hatte damals die Gewohnheit, die Arie den Stimmmitteln der Sänger so genau anzupassen, wie ein guter Schneider die Kleider der Taille seiner Kunden. So lautete sein eigener Ausdruck. Die Intrigue scheiterte an der Primadonna völlig; eben so wenig wollte es ihr bei dem Primouomo, Santorini glücken, der ebenfalls mit seiner Parthie vollkommen zufrieden und voll Vertrauen auf den Beifall des Publikums war. Noch andere glückliche Vorbedeutungen trugen dazu bei, Vater Mozart zu beruhigen; was den Sohn anbelangt, so scheint es, daß er nie das Fieber kannte, welches in Componisten, den Tag vor einer ersten Vorstellung zu wüthen [152] pflegt. Das Gesicht des Copisten strahlte vor Vergnügen, und dich erschien als ein gutes Zeichen, indem diese Leute eine bewunderungswürdige Gabe hatten, die Accidenzien vorher zu schätzen, welche ihnen eine neue Oper versprach. Wenn wir L. Mozart glauben dürfen, so trugen die Abschriften und der heimliche Verkauf der Musikstücke, welche furore gemacht hatten, dem Copisten weit mehr ein, als das Honorar des Componisten betrug. Bei der ersten Orchesterprobe malte sich der nahe Sieg des Maestro auf den langen Gesichtern Derjenigen ab, welche den Vater durch ihre böswilligen Prophezeihungen so sehr beunruhigt hatten. Die Sänger und die Professoren des Orchesters (die Musiker) erklärten einstimmig, daß die Musik klar, verständlich und leicht zu spielen sei. Letzteres war ein Hauptpunkt für die Professoren eines italienischen Theaters zu jener Zeit. Der Erfolg war ganz vollständig. Beinahe alle Numern wurden stürmisch beklatscht; mehrere wurden zweimal verlangt, was Beides eine zweifache Ausnahme von den hergebrachten Gewohnheiten am Theater in Mailand bildete, wo sonst am Tage einer ersten Vorstellung die Musik mit Stillschweigen angehört wird. Das Rufen evviva il maestro! evviva il maestrino! (Es lebe der Meister! Es lebe das Meisterchen!) ertönte fortwährend durch das Haus. Die folgenden Abende nahm die Oper ihren Weg alle stelle, wie sich die Italiener auszudrücken pflegen.

Die Gazetta di Milano vom 2. Januar 1771 gibt aus Veranlassung des Mithridates ein interessantes Muster von der Art, wie damals die Artikel der musikalischen Kritik beschaffen waren. Sie sagt nämlich: »Vergangenen Mittwoch fand die Eröffnung des Teatro ducale durch die Darstellung eines Drama's statt, das Mithridates, König von Pontus heißt. Dieses Drama wurde mit allgemeinem Beifalle aufgenommen, sowohl [153] wegen der geschmackvollen Decorationen, als der Vortrefflichkeit der Musik und der Gewandtheit der Darsteller. Mehrere von der Signora Antonia Bernasconi gesungene Arien drücken lebhaft die Leidenschaft aus und rühren das Herz. Der junge Capellmeister, der noch nicht fünfzehn Jahre alt ist, studirt das Schöne an der Natur, und drückt es mit seltener Anmuth aus.«

Trotz des Ausdruckes, des Studiums des Schönen an der Natur, muß man sich aber nicht einbilden, daß Mithridates ein Meisterstück in dem Sinne sei, wie man das Wort heut' zu Tage gebraucht. Davon konnte keine Rede sein, sondern die einstimmigen Lobsprüche der Sänger und Musiker, die Leichtigkeit und Allgemeinheit des Erfolges, der Artikel in der Mailänder Zeitung beweisen auf's Bündigste, daß unser Held damals noch seinen Pegasus an einen Karren spannte und den tiefen Geleisen folgte, die Tausende seiner Vorgänger schon ausgefahren hatten. Mithridates hat mit den classischen Opern Mozart's durchaus nichts gemein. Sie ist weiter noch nichts, als eine italienische Oper nach dem alten Schlage, eine jener Opern, die nicht fortlebten und die keinen Eindruck hinterließen, und weder auf das Eine noch auf das Andere Anspruch machten; welche ihre Entstehung rein dem zufälligen Zusammentreffen einer Primadonna mit einem Primouomo, und ihren ganzen Erfolg lediglich den individuellen Mitteln derselben verdankten, nur durch sie und für sie existirten, und demgemäß sogleich untergehen mußten, sobald das Personal wechselte, um anderen Werken, die für andere Paare gesetzt waren, Platz zu machen. Gluck war der Erste, der die Bedingungen der Arbeit in der Aufgabe des Gedichtes und die Elemente des Erfolges in der richtigen Auffassung des dramatischen Componisten suchte, und somit seine Stellung zu den Sängern umkehrte. Er war der Herr, sie der Diener. Von da an hörten die dramatischen [154] Produktionen auf, Gelegenheitswerke zu sein; sie gewannen unter der Feder von Männern von Genie einen innern Werth, und dadurch eine Dauer, die sie zuvor nicht gehabt hatten. Die Copisten bereicherten sich nicht mehr durch den Verkauf der Opernbruchstücke, Man wollte Alles haben und so druckte man die Opern.

Wie unvollständig und undramatisch uns aber auch heut' zu Tage das von den Italienern angenommene System der Composition einer Opera seria erscheinen mag, nach welchem der Held im Sopranschlüssel sang, und nach welchem, die Arien der ersten Rollen ausgenommen, der übrige Theil der Musik nichts als ein Lückenbüßer war, auf den Niemand hörte, so konnte doch selbst bei diesem System ein großer Erfolg nur vermöge einiger wirklichen Schönheiten erreicht werden. Mithridates verdankte den seinigen einigen Melodieen, die voll Geist und Lieblichkeit waren. Ueberhaupt erhob sich das Werk weit über die Menge der tragischen Opern, wie man sie damals in Italien machte. So sprechen sich wenigstens alle die Kritiker aus, welche, glücklicher als ich, die Partitur des Mithridates sich haben verschaffen können. Wenn ihre Ansicht gegründet ist, woran ich nicht zweifle, so dürfen wir daraus schließen, daß Mozart vor seinem vierzehnten Jahre, also von seinem ersten Auftreten an, gleichen Schritt mit den Geschicktesten auf einem Wege hielt, auf welchem sich die Menge der Componisten in dem musikalischsten Lande der Welt drängte.

Die Direction des Theaters in Mailand konnte dem jungen Maestro nicht besser beweisen, wie zufrieden sie mit ihm war, als, indem sie ihm eine zweite Oper für den Carneval von 1773 zu schreiben auftrug. Mozart hatte die Wahl des Textes. Die Directionen der ersten Städte Italiens machten ihm gleichfalls sehr vortheilhafte Anerbietungen. Er entschied sich aber für das [155] Publikum, das er bereits kannte und das ihn mit so vieler Gunst aufgenommen hatte.

Bevor die Reisenden Mailand verließen, begegnete ihnen noch ein musikalisches Curiosum, das L. Mozart in einem seiner Briefe erzählt. Zwei Bettler, ein Mann und eine Frau, sangen auf der Straße. Die Mozart's, welche sie in einer gewissen Entfernung hörten, glaubten Anfangs, daß es zwei verschiedene Arien wären, die Jedes für sich singe. Als sie aber näher kamen, überzeugten sie sich zu ihrem Erstaunen, daß die beiden Leute ein Duett in lauter Quinten sangen. So lebten also die Traditionen des eilften Jahrhunderts noch in den Straßen von Mailand fort.

Von Mailand begaben sich unsere Reisenden nach Venedig, wo sie einen Monat unter fortwährenden Festlichkeiten verlebten, und täglich mit neuen Schmeicheleien, Geschenken und Auszeichnungen überschüttet wurden. Die Nobili kamen selbst sie abzuholen, und führten sie in ihren Gondeln wieder nach Hause. Unter den Familien, welche sie auf diese Art auszeichneten, findet man die berühmtesten Namen der venetianischen Aristokratie: die Cornaro, Grimani, Moncenigo, Dolfini, Valiero u.s.w.

Nach einem Aufenthalte von fünfzehn Monaten kehlte Mozart auf kurze Zeit in seine Geburtsstadt wieder zurück, wohin er einen Schatz von neuen Kenntnissen und einen Ruf mitbrachte, welchen die Huldigungen des kunstverständigsten Volkes in den Augen Europa's vermehrt und fest begründet hatten.


Wir lassen nun die interessantesten Stellen aus Leopold Mozart's Briefen über diese erste italienische Reise folgen, auch werden wir einen neuen Correspondenten einführen – den jungen[156] Wolfgang selbst, dessen launige, derbkomische und buntgefaßte Briefe an seine Schwester uns das Innerste dieser lebensheiteren, von Jugendkraft übersprudelnden glücklichen Natur eröffnen.


Inspruck, den 17. December 1769.


Graf Spaur hat uns sehr wohl empfangen. Wir wurden bald zu einem bei dem Grafen Leopold Künigl veranstalteten Concert eingeladen, wo Wolfgang ein sehr schönes Concert, das er daprima vista spielte, zum Geschenk bekam. Wir sind wie gewöhnlich mit allen Ehren empfangen, auch mit zwölf Dukaten beschenkt worden. Kurz wir sind vollkommen zufrieden.

[Leopold Mozart.]


Verona, den 7. Januar 1770.


– – – In Roveredo erzeigte uns sogleich der Kreishauptmann alles Liebe. Bei ihm fanden wir den Grafen Septimo Lodron und Mehrere, die unsere Ankunft herbeigelockt hatte. Kurz darauf hielt die Noblesse ein Concert in dem Hause des Baron Todescy. Was sich der Wolfgang für eine Ehre gemacht, ist unnöthig zu schreiben. Den Tag darauf gingen wir auf die Orgel der Hauptkirche, und obwohl es nur sechs bis acht Hauptpersonen gewußt haben, so fanden wir doch ganz Roveredo in der Kirche versammelt, und es mußten eigens starke Kerls vorangehen, um uns den Weg auf das Chor zu bahnen, wo wir dann eine halbe Viertelstunde zu thun hatten, um an die Orgel zu kommen, weil jeder der nächste sein wollte.

[157] In Verona hat die Noblesse erst nach 7 Tagen ein Concert veranstalten können (dazu wir eingeladen waren), weil täglich Oper ist. Die Cavaliere, an die wir empfohlen waren, sind Marchese Carlotti, Conte Carlo Emily, Marchese Spolverini, Marchese Dionisio S. Fermo, Conte Giusti del Giardino, Conte Allegri. Bei Carlotti waren wir für allezeit eingeladen, wie auch bei Hrn. Locatelli, Zweimal speisten wir bei Ersterm, dann bei Emily, zweimal bei Giusti, u.s.w. Heute war eine völlige Verwirrung. Wir waren bei einem Hrn. Ragazzoni eingeladen. Der Generaleinnehmer von Venedig, Hr. Lugiatti bat die Cavaliere, mich zu ersuchen, daß ich erlauben möchte, den Wolfgang abmalen zu lassen. Gestern Vormittag geschah es, und heute nach der Kirche sollte er das zweite Mal sitzen. Lugiatti bat zu diesem Zwecke Raggazzoni, uns ihm zu überlassen. Dieser mußte es geschehen lassen, weil L. eine große Hand in Venedig hat. Es kam aber wieder ein Stärkerer, nämlich der Bischof von Verona, aus dem Hause Giustiniani, welcher uns nicht nur nach der Kirche, sondern auch zu Tische bei sich haben wollte. Auf die ihm gemachte Vorstellungen, daß wir auf der Abreise wären, willigte er ein, daß wir bei Lugiatti zum Speisen gingen, hielt uns aber bis nach ein Uhr bei sich auf. Nun wurde W.'s Porträt ausgemalt und um drei Uhr zu Tische gegangen. Später fuhren wir nach der Kirche St. Tomaso, um dort auf zwei Orgeln zu spielen; und obwohl dieser Entschluß erst während der Mahlzeit genommen und durch Billete dem March. Carlotti und dem Grafen Pedemonte bekannt gemacht worden war, so war dennoch bei unserer Ankunft in der Kirche eine solche Menge versammelt, daß wir kaum Raum hatten, aus der Kutsche zu steigen. Es war ein solches Gedränge, daß wir gezwungen waren, durch das Kloster zu gehen, wo uns dann in einem Augenblicke so viele Menschen [158] zuliefen, daß wir nicht würden Platz gefunden haben, wenn uns nicht die Patres, die uns schon an der Klosterpforte erwarteten, in die Mitte genommen hätten. Als es vorbei war, war der Lärmen noch größer, denn jeder wollte den kleinen Organisten sehen. Morgen fahren wir mit Locatelli zu dem Amphitheater und den übrigen Merkwürdigkeiten. – – –

[Leopold Mozart.]


Mantua, den 11. Januar 1770.


Gestern sind wir angelangt und eine Stunde darauf in die Oper gegangen. Wir sind, Gott Lob! gesund. Der Wolfgangerl sieht aus, als wenn er einen Feldzug gemacht hätte, nämlich ein wenig rothbraun, sonderheitlich um die Nase und den Mund, von der Luft und dem Kaminfeuer; so zum Beispiel wie Se. Majestät der Kaiser aussehen. Meine Schönheit hat noch nicht viel gelitten; sonst würde ich in Verzweiflung sein.

Heute suchte ich den Fürsten von Taxis, der aber nicht zu Hause war, und seine gnädige Dame hatte so nothwendig Briefe zu schreiben, daß sie nicht uns, ihre Landsleute, sprechen konnte. Morgen sind wir zu Mittage bei dem Grafen Franz Eugen von Arco. In Verona sahen wir noch das Museum lapidarium. In Keysler's Reisebeschreibung kannst Du davon lesen. Uebrigens bringe ich Dir ein Buch von den Alterthümern in Verona mit. Ich würde die Briefe zu sehr beschweren und theuer machen, wenn ich die Zeitungsblätter, die von dem Wolfgang in Mantua und anderen Orten schreiben, eisenden wollte. Hier schließe ich doch eins bei, in welchem zwei Fehler sind. Nämlich es heißt wirklicher Capellmeister und – in einem Alter von noch nicht 13 Jahren, [159] anstatt 14 Jahre. Ich könnte Dir noch andere Sachen schicken, denn die Poeten sangen in Verona in die Wette über ihn. Hier ist die Abschrift des in unserer Gegenwart aus dem Stegreife verfertigten Sonnetts von einem gelehrten Liebhaber, Zaccaria Betti, und eines andern von Meschini, so wie auch selbst der Capellmeister Danieli Barba über den W. die schönsten Verse gesungen hat. – – – –


Al

Signore Amadeo Mozart,

Giovinetto ammirabile.

Sonnetto estemporaneo.


Se nel puro del Ciel la Cetra al canto

desta fra dolci carmi il divo Amore,

onde quanto è quaggiù col vario errore

al conosciuto suon risponde intanto;


Bene, o amabil Garzon, darti puoi vanto,

che tu reformi l'armonia migliore;

poi che natura in te scolpi nel core

tutte le note di quel plettro santo.


Voi, che tant' anni in sù le dotte carte

per isfogar l'armonico desio

l'opra chiedete, ed il favor de l'Arte.


Voi sapete s'egli erra il pensier mio;

che al dolce suon de le sue note sparte

ite dicendo: se la fè sol Dio.


In Argumento di Maraviglia e di Amore

Zaccaria Betti.


[160] Amadeo Mozart.

Dulcissimo Puero et elegantissimo Lyristae

Antonius Maria Meschini

Veronensis.


Si rapuit sylvas Orpheus, si tartara movit,

Nunc tu corda, Puer, surripis, astra moves.


Cosi come tu fai,

suonando il biondo Apollo

colla sua cetra al collo

spandea celesti rai.

Ma no, che col suo canto

teco perdeva il vanto.


[Leopold Mozart.]


Mailand, den 28. Januar 1770.


Am 16. war in Mantua im Saale der Academia filarmonica das gewöhnliche wöchentliche Concert, wozu wir eingeladen waren. Ich wünschte, daß du das Teatrino dieser Academia gesehen hättest. Ich habe in meinem Leben von dieser Art nichts Schöneres gesehen. Es ist kein Theater, sondern ein wie Opernhäuser gebauter Saal mit Logen. Wo das Theater stehen soll, ist eine Erhöhung für die Musik, und hinter der Musik abermal eine wie Logen gebaute Gallerie für die Zuhörer. Die Menge der Menschen, das Zurufen, Klatschen, Lärmen und Bravo über Bravo, kurz die allgemeine Bewunderung kann ich dir nicht genug beschreiben. Wir haben bei dem Grafen Eugen von Arco in Mantua alle Gnaden und Höflichkeiten empfangen. Aber bei dem [161] Fürsten von Taxis haben wir nicht das Glück gehabt, zur Audienz zu kommen. Als wir zum zweiten Male hingingen, traten sie vor uns in's Haus. Es ward uns aber geantwortet: der Fürst habe jetzt nothwendige Verrichtungen, und wir möchten gleichwohl ein ander Mal kommen. Das Gesicht, die zitternde Stimme des Bedienten, und seine halbgebrochenen Worte zeigten mir gleich, daß der Fürst keine Lust habe, uns zu sehen. Behüte mich der Himmel, daß ich Jemanden in seinen Geschäften störe, sonderlich da ich noch überdieß deßwegen weit laufen oder einen Lehenwagen bezahlen sollte. Zum Glück haben wir beiderseits dadurch, daß wir uns nicht in der Nähe gesehen, Nichts verloren (denn wir sahen uns in der Ferne), sondern ich ersparte das Geld hinzufahren, und der Herr Fürst die Angst, die er etwa hatte, verbunden zu sein, uns einige kleine Höflichkeiten für die am Salzburger Hofe und von der salzburgischen Noblesse empfangenen Ehren wieder entgegen zu erweisen.

Hier schließe ich dir abermal eine Poesie bei, die von einer Signora Sartoretti kömmt, bei der wir in Mantua zu Gaste waren. Den Tag darauf kam der Bediente, und brachte auf einer schönen Schaale einen ungemein schönen Blumenstrauß, an dem unten rothe Bänder, und in der Mitte der Bänder eine Medaille von vier Dukaten eingeflochten lag: oben darauf war die Poesie. Ich kann dich versichern, daß ich noch an jedem Orte die liebsten Leute gefunden habe, und aller Orten fanden wir unsere besonderen Leute, die bis zu dem letzten Augenblick unserer Abreise bei uns waren, und alle ihre Kräfte anwandten, uns den Aufenthalt angenehm zu machen. Ich nenne dir z.B. das Gräflich Spaur'sche Haus in Inspruck; den Baron Piccini, den Grafen Lodron, Cristiani, Cosmi in Roveredo, den Grafen Carlo Emily, Marquis Carlotti, Graf Giusti, das Haus Lugiatti und [162] besonders den Herrn Locatelli in Verona, in Mantua das Gräflich Arcot'sche Haus und vornämlich den Signor Bettinelli, welcher sammt seinem Bruder und seines Bruders Frau völlig zu unseren Diensten waren. Die Frau war wie eine Mutter für den Wolfgang besorgt, und wir verließen einander mit weinenden Augen. Hier schließe ich auch eine Zeitung von Mantua bei.

Ich muß dir noch sagen, daß weder die dortigen Akademieen noch die in Verona für Geld gegeben werden. Alles geht frei hinein: in Verona nur die Noblesse, weil sie von ihr allein unterhalten wird; in Mantua aber Noblesse, Militär und ansehnliche Bürgerschaft, weil sie von der Kaiserin eine Stiftung hat. Daraus lernst du, daß wir in Italien nicht reich werden, und du weißt, daß genug gethan ist, wenn man seine Reisekosten macht. Diese habe ich auch allezeit gemacht. In den 6 Wochen, da wir nun von Salzburg weg sind, haben wir 70 Dukaten ausgeben müssen; denn wenn man gleich a parto lebt und überdieß meistens nicht zu Hause speist, so ist doch das Nachtessen, Holz, Zimmer so theuer, daß man unter 6 Dukaten aus keinem Wirthshaus kömmt, wo man 9 bis 11 Tage war. Ich danke Gott, daß ich euch zu Hause gelassen. Erstlich würdet ihr die Kälte nicht haben ausstehen können; zweitens hätte es erstaunliches Geld gekostet, und wir hätten die Freiheit der Wohnung nicht gehabt, die wir jetzt haben, nämlich im Kloster der Augustiner di S. Marco, wo wir zwar nicht frei gehalten werden, aber bequem, sicher und nahe bei Sr. Exc. dem Grafen Firmian wohnen. Alle Nacht werden unsere Betten eingewärmt, so daß der Wolfgang bei dem Schlafengehen allezeit in seinem Vergnügen ist. Wir haben einen eigenen Bruder, Frater Alphonso, zu unserer Bedienung. – –

[Leopold Mozart.]


[163] 26. Januar 1770.


Mich freut es recht von ganzem Herzen, daß Du bei der Schlittenfahrt, von der Du mir schreibst, Dich so sehr ergötzt hast, und ich wünsche Dir tausend Gelegenheiten zur Ergötzung, damit Du recht lustig Dein Leben zubringen mögtest. Aber Eins verdrießt mich, daß Du den Herrn von Mölk so unendlich seufzen und leiden hast lassen, und daß Du nicht mit ihm Schlitten gefahren bist, damit er Dich hätte umschmeißen können. Wie viele Schnupftücher wird er nicht denselbigen Tag wegen Deiner gebraucht haben vor Weinen. Er wird zwar vorher schon drei Loth Weinstein eingenommen haben, die ihm die grausame Unreinigkeit seines Lebens, die er besitzt, ausgetrieben haben wird. Neues weiß ich Nichts, als daß Herr Gellert, der Poet, zu Leipzig gestorben ist, und dann nach seinem Tode keine Poesieen mehr gemacht hat. Just, ehe ich diesen Brief angefangen habe, habe ich eine Aria aus dem Demetrio verfertigt, welche so anfängt:


Misero tu non sei;

tu spieghi il tuo dolore.

E se non desti amore,

ritrovi ben son io,

che nel segreto laccio

amo, non spero e taccio,

e l'idol mio nol sà.


Die Oper zu Mantua ist hübsch gewesen. Sie haben den Demetrio gespielt. Die prima Donna singt gut, aber still; und wenn man sie nicht agiren sähe, sondern singen nur allein, so meinte man, sie sänge nicht, denn den Mund kann sie nicht öffnen, sondern winselt Alles her, welches uns aber nichts Neues ist zu hören. Die seconda Donna macht ein Ansehen wie ein Grenadier, und hat auch eine starke Stimme, und singt wahrhaftig [164] nicht übel, für das, daß sie das erste Mal agirt. Il primo uomo, il musico singt schön, aber hat eine ungleiche Stimme. Er nennt sich Caselli. Il secondo uomo ist schon alt, und mir gefällt er nicht. Der Tenor nennt sich Ottini: er singt nicht übel, aber halt schwer, wie alle italienischen Tenore; er ist unser sehr guter Freund. Wie der zweite heißt, weiß ich nicht. Er ist noch jung, aber nicht viel Rares. Primo ballerino, gut; Prima ballerina, gut, und man sagt, sie sei gar kein Hund; ich aber habe sie nicht in der Nähe gesehen. Die Uebrigen sind wie alle Andere. Ein Grotesco ist da, der gut springt, aber nicht so schreibt wie ich: wie die Säue brumzen. Das Orchester ist nicht übel. Zu Cremona ist das Orchester gut, und der erste Violinist heißt Spagnoletta. Prima Donna nicht übel; schon alt, glaube ich, wie ein Hund; singt nicht so gut, wie sie agirt, und ist die Frau eines Violinisten, der bei der Oper mit geigt, und sie nennt sich Masci. Die Oper hieß La clemenza di Tito. Seconda Donna, auf dem Theater kein Hund; jung, aber nichts Rares. Primo uomo, musico, Cicognani, eine hübsche Stimme und ein schönes Cantabile. Die andern zwei Castraten, jung und passabel. Der Tenor nennt sich: non lo so, hat ein angenehmes Wesen, sieht dem le Roi zu Wien natürlich gleich.Ballerino primo, gut und ein sehr großer Hund. Eine Tänzerin war da, die nicht übel getanzt hat, und was das nicht für ein capo d'opera ist, außer dem Theater und in demselben kein Hund. Die Uebrigen wie Alle. Ein Grotesco ist auch dort, der bei jedem Sprunge einen hat streichen lassen. Von Milano kann ich dir wahrhaftig nicht viel schreiben: wir waren noch nicht in der Oper. Wir haben gehört, daß die Oper nicht gerathen hat. Primo uomo, Aprilo, singt gut, hat eine schöne gleiche Stimme. Wir haben ihn in einer Kirche gehört, wo just ein großes Fest war. [165] Madame Piccinelli von Paris, welche in unserem Concerte gesungen hat, agirt bei der Oper. Herr Pick, welcher zu Wien tanzte, tanzt jetzt hier. Die Oper nennt sich Didone abbandonata, und wird bald aufhören. Sign. Piccini, welcher die zukünftige Oper schreibt, ist hier. Ich habe gehört, daß seine Oper heißt: Cesare in Egitto.

Wolfgang de Mozart,

Edler von Hochenthal, Freund des Zahlhausens.


Mailand, den 3. Februar 1770.


Wir waren gestern in der Hauptprobe der neuen Oper Cesare in Egitto, die recht gut ist, und haben den Maestro Piccini und die Madame Piccinelli gesehen und gesprochen. Der Wolfgang, der sich alle Tage in sein gutes eingewärmtes Matratz freut, kann heute nicht schreiben, weil er zwei lateinische Motetten componirt für zwei Castraten, deren einer 15, der andere 16 Jahre alt ist. Sie haben ihn darum gebeten, und weil sie Kameraden sind, und schön singen, konnte er es ihnen nicht abschlagen. Ich habe dieser Tage wieder Etwas in den Zeitungen gefunden, wie sie uns in Bozolo ordentlich fürgepaßt haben. – – – –

[Leopold Mozart.]


Mailand, den 10. Februar 1770.


– – – Da der Graf Firmian sich nun besser befindet, so haben wir bei seiner Tafel gespeiset. Se. Excell. verehrte nach der Tafel dem Wolfgang die neun Theile der Werke des Metastasio. Es ist eine der schönsten Editionen, nämlich die Turiner, [166] und sehr schön eingebunden. Du kannst Dir vorstellen, daß dieß ein sowohl mir als dem Wolfgang sehr angenehmes Präsent ist. Der Graf ist durch die Geschicklichkeit des W. äußerst gerührt und distinguirt uns mit besonderer Gnade und Vorzüglichkeit; und es würde zu weitläufig sein, Dir zu erzählen, was der Wolfgang in Gegenwart des Maestro Sammartino, und einer Menge der geschicktesten Leute für Proben seiner Wissenschaft abgelegt und alle in Erstaunen gesetzt hat. Du weißt ohnedem, wie es in dergleichen Fällen geht: Du hast es oft genug gesehen. Wir haben Gelegenheit gehabt, verschiedene Kirchenmusiken zu hören; unter andern, gestern das Requiem für den alten Marquis Litta, welcher zum Verdrusse der großen Familie jetzt im Fasching gestorben ist, da sie ihm doch das Leben gerne bis in die Fasten gegönnt hätte. Das Dies irae von diesem Seelenamte dauerte gegen dreiviertel Stunden; um zwei Uhr Nachmittags war Alles aus.

Du mußt Dir nicht einbilden, daß ich Dir eine Beschreibung der hiesigen Andachten machen werde; ich könnte es vor Aergerniß nicht thun. Alles besteht in der Musik, und im Kirchenaufputz: das Uebrige ist alles die abscheulichste Ausgelassenheit.

Der Wolfgang freut sich auf einen Brief. – – –

[Leopold Mozart.]


Nachschrift von Wolfgang A.M.


Wenn man die Sau nennt, so kömmt sie gerennt. Ich bin wohl auf, Gott Lob und Dank, und kann kaum die Stunde erwarten, eine Antwort zu sehen. Ich küsse der Mama die Hand, und meiner Schwester schicke ich ein Blattern – – Busserl, und bleibe der nämliche – – aber wer? – – der nämliche Hanswurst. Wolfgang in Deutschland, Amadeo in Italien.

de Morzantini.


[167] Mailand, den 17. Februar 1770.


Wir sind gottlob! beide gesund. Daß, wie du schreibst, der Winter in Italien nicht so gefährlich ist wie der Sommer, will ich wohl glauben. Allein wir hoffen, Gott werde uns erhalten. Und wenn man seine Gesundheit nicht durch Unordnung und überflüssiges Fressen und Saufen verdirbt, auch sonst keinen innerlichen Naturfehler hat, so ist Nichts zu besorgen. Wir sind aller Orten in der Hand Gottes. Mit Essen und Trinken wird sich der Wolfgang nicht verderben. Du weißt, daß er sich selbst mäßigt, und ich kann Dich versichern, daß ich ihn noch niemals so achtsam auf seine Gesundheit gesehen habe als in diesem Lande. Alles, was ihm nicht gut scheint, läßt er stehen, und er ißt manchen Tag gar wenig und befindet sich fett und wohl auf und den ganzen Tag lustig und fröhlich.

Eben jetzt war der Schneider da mit Mänteln und Bajuten, die wir uns haben müssen machen lassen. Ich sahe mich im Spiegel, als wir sie probirten, und dachte mir: nun muß ich in meinen alten Tagen auch noch diese Narredei mit machen. Dem Wolfgang steht es unvergleichlich an, und da wir schon dich närrische Ausgabe machen mußten, so ist mein Trost, daß man es zu allerhand andern Sachen wieder brauchen, und wenigstens zu Kleiderfutter, Fürtuch etc. gebrauchen kann.

Morgen kömmt der Herzog und die Prinzessin von Modena zum Grafen Firmian, um Wolfgang zu hören. Abends werden wir en masque in die Oper in Galla fahren, nach der Oper wird der Ball sein, und dann werden wir mit unserem sehr guten Freunde, Sign. Don Ferdinando, Haushofmeister des Grafen, nach Hause fahren. Künftigen Freitag wird Akademie für's ganze Publikum sein; dann wollen wir sehen, was heraus kömmt. – [168] Viel wird in Italien überhaupt nicht heraus kommen. Das einzige Vergnügen ist, daß eine mehrere Begierde und Einsicht hier ist, und daß die Italiener erkennen, was der Wolfgang versteht. Uebrigens muß man sich freilich meistens mit der Bewunderung und dem Bravo bezahlen lassen, wobei ich dir aber auch sagen muß, daß wir mit aller nur ersinnlichen Höflichkeit aller Orten empfangen und bei allen Gelegenheiten zur hohen Noblesse gezogen werden. Der Wolfgang läßt Ihro Exc. der Gräfin von Arco die Hände unterthänigst küssen und dankt für den geschickten Kuß, der ihm viel angenehmer ist, als viele junge Busserl.

[Leopold Mozart.]


Nachschrift von Wolfgang A.M.


Da bin ich auch, da habt's mich: Du Mariandel, mich freut es recht, daß Du so erschrecklich – – lustig gewesen bist. Dem Kindsmensch, der Urserl, sage, daß ich immer meine, ich hätte ihr alle Lieder wieder zurück gestellt; aber allenfalls, ich hätte sie in den wichtigen und hohen Gedanken nach Italien mit mir geschoben, so werde ich nicht ermangeln, wenn ich es finde, es in den Brief hinein zu prägen. Addio, Kinder, lebt's wohl, der Mama küsse ich tausendmal die Hände, und Dir schicke ich hundert Busserln oder Schmazerln auf Dein wunderbares Pferdgesicht. Per fare il fine, bin ich Dein etc.


Mailand, Fasching-Erchtag 1770.


Unsere Akademie ist nun vorbei: sie war am Freitag. Es ging wie aller Orten, und braucht keine weitere Erklärung. Wir leben gesund, Gott sei gelobt! und wenn wir gleich nicht reich sind, so haben wir doch immer mehr als die Nothwendigkeit. In [169] der zweiten Fastenwoche werden wir mit Gottes Hülfe Mailand verlassen, und nach Parma gehen. In der ersten Woche will Graf Firmian noch eine große Akademie für die Damm in seinem Hause geben; und es sind noch andere Sachen auszumachen.

Das Unglück des Herrn von Aman, von dem Du schreibst, hat uns nicht nur höchstens betrübt, sondern dem Wolfgang viele Thränen gekostet: Du weißt, wie empfindlich er ist. – – –

[Leopold Mozart.]


Nachschrift von Wolfgang A.M.


Und ich küsse die Mama und Dich. Ich bin völlig verwirrt vor lauter Affairen. Ich kann unmöglich mehr schreiben.


Brief Wolfgangs an seine Schwester.

Mailand, den 5. März 1770.


Recht vom ganzen Herzen freut es mich, daß Du Dich so lustig gemacht hast. Du möchtest aber etwa glauben, ich hätte mich nicht lustig gemacht. Aber ja, ich könnte es nicht zählen. Ich glaube gewiß, wir waren sechs oder sieben Mal in der Oper, und dann in den feste di ballo, welche, wie zu Wien, nach der Oper anfangen, aber mit dem Unterschied, daß zu Wien mit dem Tanzen mehr Ordnung ist. Die facchinata und chiccherata haben wir auch gesehen. Die erste ist eine Maskerade, welche schön zu sehen ist, weil sich Leute anlegen als facchini oder als Hausknechte, und da ist eine barca gewesen, worin viele Leute waren, und viele sind auch zu Fuße gegangen. Vier oder sechs Chöre Trompeten und Pauken, und auch etliche Chöre Geigen und andere Instrumente. Die chiccherata ist auch eine Maskerade. [170] Die Mailänder heißen chichere diejenigen, die wir petits maîtres heißen, oder Windmacher halt, welche denn alle zu Pferde, welches recht hübsch war. Mich erfreut es jetzt so, daß es dem Herrn von Aman besser geht, als wie es mich betrübt hat, wie ich gehört habe, daß er ein Unglück gehabt hat. Was hat die Madame Rosa für eine Maske gehabt? Was hat der Herr von Mölk für eine gehabt? Was hat Herr von Schidenhofen für eine gehabt? Ich bitte Dich, schreibe es mir, wenn Du es weißt: Du wirst mir einen sehr großen Gefallen erweisen. Küsse statt meiner der Mama die Hände 1,000,000,000,000 Male. An alle gute Freunde Complimente von (wenn Du ihn erwischest, so hast Du ihn schon) wansten derwischt, so hasten schon, und von Don Casarella, absonderlich von hinten her. –


Mailand, den 13. März 1770.


Zu dem Concert, welches gestern im Firmianischen Hause war, hat Wolfgang drei Arien und ein Recitativ mit Violinen componiren müssen: und ich war gezwungen, die Violinpartes selbst heraus zu schreiben, und dann erst verdoppeln zu lassen, damit sie nicht gestohlen werden. Es waren über 150 Personen da vom ersten Adel: die Hauptpersonen waren der Herzog, die Prinzessin und der Cardinal. Zwischen heute und morgen wird auch noch eine andere Sache ausgemacht. Man will nämlich, daß der Wolfgang die erste Oper kommende Weihnachten schreiben soll. Wir haben genug zu thun, daß wir auf die Charwoche nach Rom kommen. Du weißt, daß Rom der Ort ist, wo man sich nothwendig aufhalten muß. Dann kommen wir nach Neapel, so ist dieser Ort so beträchtlich, daß, wenn uns nicht eine [171] scrittura, die Oper in Mailand zu machen, zurück zieht, sich leicht eine Gelegenheit ereignen kann, die uns den ganzen kommenden Winter allda zurückhielte. Sollte nun aber die scrittura gemacht werden, so wird uns das Buch geschickt, der Wolfgang kann die Sache ein wenig ausdenken, wir können den Weg über Loretto nehmen, und dann in Mailand wieder sein. Und da der Compositeur nicht länger verbunden ist zu bleiben, als bis die Oper in scena ist, so können wir alsdann über Venedig nach Hause gehen. Ich überlasse Alles der Vorsehung und Anordnung Gottes.

Morgen speisen wir zum Abschiede mit Sr. Exc., welcher uns mit Briefen nach Parma, Florenz, Rom, Neapel versieht. Ich kann Dir nicht beschreiben, wie gnädig er uns die ganze Zeit unseres Aufenthalts begegnet ist. – – – –

[Leopold Mozart.]


Nachschrift von Wolfgang A.M.


Ich empfehle mich und küsse die Mama und meine Schwester Millionen Male und lebe gesund, Gott sei Dank. Addio.


Bologna, den 24. März 1770.


Heute angelangt. Wir sind gesund, und leben der Hoffnung, Gott werde uns gesund erhalten. Wir wer den über vier Tage nicht bleiben, in Florenz fünf bis sechs. Folglich sind wir mit Gottes Hülfe in der Charwoche in Rom und sehen sicher die functiones am grünen Donnerstage u.s.w.

Die Scrittura oder der schriftliche Contract wegen der Oper, die Wolfgang machen soll, ist gemacht, und gegen einander ausgewechselt. Es kömmt jetzt nur auf die Erlaubniß unseres Fürsten an, die ich nachgesucht habe. Wir bekommen 100 Gigliati und[172] freie Wohnung. Die Oper fängt in den Weihnachtstagen an. Die Recitative müssen im October nach Mailand geschickt werden, und den 1. November müssen wir in Mailand sein, daß der Wolfgang die Arien schreibt. Die Prima und Seconda Donna sind die Signora Gabrielli und ihre Schwester, der Tenor Signor Ettore, dermalen il Cavaliere Ettore, weil er einen gewissen Orden trägt. Die Uebrigen sind noch nicht bestimmt. Die Gabrielli ist in ganz Italien als eine erstaunlich hochmüthige Närrin bekannt, die nebst dem, daß sie all' ihr Geld verschwendet, die närrischsten Streiche macht. Wir werden sie unterwegs antreffen. Sie kömmt von Palermo, und dann werden wir sie wie eine Königin ehren und recht hoch erheben, dann kommen wir in Gnaden. In Parma hat uns die Signora Guari, oder sogenannte Bastardina oder Bastardella zum Speisen eingeladen, und hat uns drei Arien gesungen. Daß sie bis in's C sopra acuto soll hinauf singen, war mir nicht zu glauben möglich: allein die Ohren haben mich dessen überzeugt. Die Passagen, die der Wolfgang aufgeschrieben, waren in ihrer Arie, und diese sang sie zwar etwas stiller, als die tiefern Töne, allein so schön wie eine Octaven-Pfeife in einer Orgel. Kurz die Triller und Alles machte sie so, wie Wolfgang es ausgeschrieben hat: es sind die nämlichen Sachen von Note zu Note [s. pag. 163.] Nebst dem hat sie eine gute Alt-Tiefe bis in's G. Sie ist nicht schön, doch auch nicht eben garstig, hat zu Zeiten mit den Augen einen wilden Blick, wie die Leute, die der Fraiß unterworfen sind, und hinkt mit einem Fuß. Sonst hat sie eine gute Aufführung, folglich einen guten Charakter und guten Namen.

Der Graf Firmian hat dem Wolfgang eine Tabatiere, in Gold gefaßt, und in derselben 20 Gigliati verehrt. – – – –

[Leopold Mozart.]


[173] Bologna, den 27. März 1770.


Gestern war bei dem Feldmarschall Grafen Pallavicini ein Concert, dazu der Cardinal und die erste Noblesse eingeladen waren. Du kennst den Grafen Carl v. Firmian (er war aus Salzburg); ich wünschte, daß Du auch den Grafen Pallavicini kennen möchtest. Dieß sind ein Paar Cavaliere, die in allen Stücken gleiche Denkungsart, Freundlichkeit, Großmuth, Gelassenheit und eine besondere Liebe und Einsicht in alle Gattungen der Wissenschaften besitzen. Kaum hörte Letzterer, daß ich in der heiligen Woche in Rom einzutreffen wünschte, so sagte er, er wolle trachten, es so einzurichten, daß er am folgenden Tage das Vergnügen haben könne, diesen außerordentlichen Virtuosen nicht nur zu hören, sondern auch dem ersten Adel dieser Stadt das nämliche Vergnügen zu verschaffen. Der berühmte Pater Martino ward auch eingeladen, und obwohl er sonst niemals in ein Concert geht, kam er dennoch. Das Concert, wobei 150 Personen zugegen waren, fing um halb acht Uhr an und dauerte bis halb zwölf Uhr, weil die Noblesse keinen Aufbruch machte. Die Signori Aprile uni Cicognani sangen.

Was mich sonderheitlich vergnügt, ist, daß wir hier ungemein beliebt sind, und daß der Wolfgang hier noch mehr bewundert wird, als in allen andern Städten Italiens, weil hier Sitz und Wohnplatz von vielen Meistern, Künstlern und Gelehrten ist. Hier ist er auch am stärksten versucht worden, und dieß vergrößert seinen Ruhm durch ganz Italien, weil der Pater Martino der Italiener Abgott ist und dieser mit solcher Verwunderung von dem Wolfgang spricht und alle Proben mit ihm gemacht hat. Wir haben den Pater Martino zwei Mal besucht und jedes Mal hat der Wolfgang eine Fuge ausgeführt, davon [174] der Pater Martino nur den Ducem oder Guida mit etlichen Noten aufgeschrieben hat. Wir haben den Cavaliere Broschi oder sogenannten Sign. Farinelli auf seinem Gute außer der Stadt besucht. Wir haben die Spagnoletta hier gefunden, die in der Oper, die im Mai gespielt wird, prima donna sein wird, anstatt der Gabrielli, die noch in Palermo ist und die Bologneser angesetzet hat.

Noch haben wir hier den Castraten Manfredini angetroffen, der, von Rußland kommend, bei uns in Salzburg war.

Wir sind in dem Istituto gewesen. Was ich da Alles gesehen habe, übertrifft das Museum Britannicum. Denn hier sind nicht nur die Natur-Seltenheiten, sondern Alles, was nur immer Wissenschaft heißt, gleich einem Lexikon in schönen Zimmern reinlich und ordentlich verwahrt zu sehen; Du würdest erstaunen. Von Kirchen, Malereien, schöner Baukunst und Einrichtung verschiedener Palläste will ich gar nichts sagen.

Wegen des Pferdes hast du nicht die mindeste Meldung zu machen. Wer meine Sache ohne mein Wissen und Willen verschenkt, wird mir solche mit etwas Besserem ersetzen, wenn er ein Cavalier ist, der nicht anders als edel denken kann. Meine Freunde werden mir verzeihen, daß ich ihnen nicht schreibe. Kommabit aliquando Zeitus bequemus schreibendi. Nunc Kopffus meus semper vollus est multis Gedankibus. – – –

[Leopold Mozart.]


Florenz, den 3. April 1770.


Den 30. März angelangt. Den 1. April gingen wir zu dem Grafen Rosenberg, der uns gleich vorließ, obwohl fünfzig Personen im Vorzimmer waren, weil wir einen Brief vom Grafen [175] Firmian hatten, und weil er schon durch den Grafen Joseph Kauniz, der mit uns beim Grafen Pallavicini gespeis't hatte, von uns Nachricht hatte. Rosenberg schickte uns gleich nach Hofe zum Duca Salviati, mit Vermelden, daß er uns dem Großherzoge vorstellen sollte. Der Großherzog war ungemein gnädig und fragte nach der Nannerl; er sagte, seine Frau wäre sehr begierig, den Wolfgang zu hören. Er sprach eine gute Viertelstunde mit uns.

Den 2. April wurden wir nach dem Schlosse vor der Stadt abgeholt und blieben bis nach 10 Uhr. Die Sache ging wie gewöhnlich, und die Verwunderung war um so größer, da der Marquis Ligneville, der Musik-Director, der stärkste Contrapunctist in ganz Italien ist und folglich dem Wolfgang die schwersten Fugen vorgelegt und die schwersten Themata aufgegeben hat, die der Wolfgang, wie man ein Stück Brod ißt, weggespielt und ausgeführt hat. Nardini accompagnirte. Heute gehen wir zu Manzuoli. Der Castrat Nicolini, der mit dem Guadagni zu Wien war, ist auch hier.

Ich bin sehr betrübt, daß wir am Feiertage schon abreisen müssen, um in Rom einzutreffen. Ich wünschte, daß du Florenz selbst und die ganze Gegend und Lage der Stadt sehen könntest: Du würdest sagen, daß man hier leben und sterben soll. Ich werde in diesen Paar Tagen Alles sehen, was zu sehen ist. – – –

[Leopold Mozart.]


Rom, den 14. April 1770.


Am 11. angelangt. In Viterbo sahen wir die heil. Rosa, die, so wie die heil. Catharina di Bologna, in Bologna unverwesen zu sehen ist. Von der ersten haben wir Fieberpulver und Reliquien, von der zweiten einen Gürtel als Andenken mitgenommen. [176] Am Tage unserer Ankunft gingen wir schon nach St. Peter in die Capella Sixti, um das Miserere in der Mette zu hören. Am 12. haben wir die Functiones und, da der Papst bei der Tafel den Armen aufwartete, ihn so nahe gesehen, daß wir oben an neben ihm standen. Unsere gute Kleidung, die deutsche Sprache und meine gewöhnliche Freiheit, mit welcher ich meinen Bedienten in deutscher Sprache den geharnischten Schweizern zurufen ließ, daß sie Platz machen sollten, halfen uns aller Orten bald durch. Sie hielten den Wolfgang für einen deutschen Cavalier, Andere gar für einen Prinzen, und der Bediente ließ sie im Glauben: ich war für seinen Hofmeister angesehen. Eben so gingen wir zur Tafel der Cardinäle. Da begab es sich, daß Wolfgang zwischen die Sessel zweier Cardinäle zu stehen kam, deren einer der Cardinal Pallavicini war; dieser gab dem Wolfgang einen Wink, und sagte: Wollten Sie nicht die Güte haben, mir im Vertrauen zu sagen, wer Sie sind. Wolfgang sagte es ihm. Der Cardinal antwortete ihm mit der größten Verwunderung: Ei sind Sie der berühmte Knabe, von dem mir so Vieles geschrieben worden ist? Auf dieses fragte ihn Wolfgang: Sind Sie nicht der Cardinal Pallavicini? Der Cardinal antwortete: der bin ich; warum? Der Wolfgang sagte ihm dann, daß wir Briefe an Se. Eminenz hätten, und unsere Aufwartung machen würden. Der Cardinal bezeugte ein großes Vergnügen darüber, sagte, daß Wolfgang gut italienisch spräche, und setzte hinzu: ick kan auk ein benig deutsch sprekken. Als wir weg gingen, küßte ihm Wolfgang die Hand, und der Cardinal nahm das Baret vom Haupt, und machte ihm ein sehr höfliches Compliment.

Du weißt, daß das hiesige berühmte Miserere so hoch geachtet ist, daß den Musicis der Capelle unter der Excommunication verboten ist, eine Stimme davon aus der Capelle wegzutragen, [177] zu copiren oder Jemanden zu geben. Allein, wir haben es schon. Wolfgang hat es schon aufgeschrieben, und wir würden es in diesem Briefe nach Salzburg geschickt haben, wenn nicht unsere Gegenwart, um es zu machen, nothwendig wäre. Die Art der Production muß mehr dabei thun als die Composition selbst. Wir indeß wollen es auch nicht in andere Hände lassen, dieses Geheimniß, ut non incurresmus mediate vel immediate in censuram ecclesiae. Die St. Peterskirche haben wir schon rechtschaffen durchgesucht, und es soll gewiß Nichts unbeobachtet bleiben, was zu sehen ist. Morgen werden wir, wenn Gott will, Se. Heiligkeit pontificiren sehen. Nach den Functionen, am Montage, weiden wir anfangen unsere 20 Empfehlungs-Schreiben abzugeben. So froh ich bin, daß ihr nicht mit uns gereist seid, so leid ist mir, daß ihr alle die Städte Italiens, besonders Rom, nicht sehet. Ich rathe Dir noch einmal Keyßlers Reisebeschreibung zu lesen. Wir sind durch den Abbate Marcobruni in einem Privathause abgestiegen, müssen aber, um empfangen zu können, eine ansehnliche Wohnung nehmen. Wolfgang befindet sich gut, und schickt einen Contratanz. Er wünscht, daß Herr Cyrillus Hofmann23 die Schritte dazu componiren möchte, und zwar möchte er, daß, wenn die zwei Violinen als Vorsänger spielen, auch nur zwei Personen vortanzen, und dann allezeit, so oft die ganze Musik mit allen Instrumenten eintritt, die ganze Compagnie zusammen tanze. Am schönsten wäre es, wenn es mit fünf Paar Personen getanzt würde. Das erste Paar fängt das erste Solo an, das zweite tanzt das zweite und so fort, weil fünf Solo und fünf Tutti sind.

Nun kömmt die Zeit, die mir die meiste Unruhe macht, weil die Hitze kömmt. Doch sagt mir Jedermann, daß Neapel unvergleichlich [178] mehr Luft hat, und viel gesünder als Rom ist. Ich werde also alle mögliche Vorsicht brauchen, sonderheitlich wegen der Malaria, unsere Rückreise ohne Lebensgefahr anzustellen. Bittet fleißig den lieben Gott für unsere Gesundheit: an uns wird es nicht fehlen, denn ich kann dich versichern, daß wir alle möglichste Sorge haben, und der Wolfgang so Acht auf seine Gesundheit hat, als wäre er der erwachsenste Mensch. Gott erhalte euch gleichfalls gesund! –

[Leopold Mozart.]


Wolfgang A. Mozart's Nachschrift.


Ich bin, Gott Lob und Dank! nebst meiner miserablen Feder gesund und küsse die Mama und die Nannerl tausend oder 1000 Mal. Ich wünschte nur, daß meine Schwester zu Rom wäre, denn ihr würde diese Stadt gewiß wohlgefallen, indem die Peterskirche regulär, und viele andere Sachen zu Rom regulär sind. Die schönsten Blumen tragen sie jetzt vorbei; den Augenblick sagte es mir der Papa. Ich bin ein Narr, das ist bekannt. O ich habe eine Noth. In unserem Quartier ist nur ein Bett. Das kann die Mama sich leicht einbilden, daß ich bei dem Papa keine Ruhe habe. Ich freue mich auf das neue Quartier. Jetzt habe ich just den heiligen Petrus mit dem Schlüsselamt, den heiligen Paulus mit dem Schwert, und den heiligen Lukas mit meiner Schwester etc. etc. abgezeichnet. Ich habe die Ehre gehabt, des heiligen Petrus Fuß zu S. Pietro zu küssen, und weil ich das Unglück habe, so klein zu sein, so hat man mich als den nämlichen alten

Wolfgang Mozart

hinauf geschoben.


[179] Rom, den 21. April 1770.


Wir haben hier den Mr. Beckfort getroffen, der uns bei der Lady Essingham in London kannte. Wir wohnen jetzt im Hause des päpstlichen Courriers Uslinghi. Die Frau und die Tochter wissen nicht genug, wie sie uns bedienen sollen. Der Mann ist in Portugal, und sie sehen uns als Herren vom Hause an. Es sind bereits Nachrichten von unserer Anwesenheit in Bologna und Florenz zu lesen; allein ich mag dergleichen Sachen nimmer anschicken.

Je tiefer wir in Italien hinein kommen, desto mehr wächst die Verwunderung. Wolfgang bleibt mit seiner Wissenschaft auch nicht stehen, und wächst von Tage zu Tage so, daß die größten Meister und Kenner nicht Worte finden, ihre Bewunderung an den Tag zu legen. Vor zwei Tagen waren wir bei einem neapolitanischen Prinzen S. Angelo, gestern bei dem Prinzen Chigi, wo der sogenannte Rè d'Inghilterra oder Prätendent, und der Staatssecretär Cardinal Pallavicini waren. Wir werden bald Seiner Heiligkeit vorgeführt werden.

Aber ich habe Dir noch eine artige Begebenheit zu schreiten.

In Florenz haben wir einen jungen Engländer, welcher ein Schüler des berühmten Nardini ist. Dieser Knabe, welcher wunderschön spielt, und in Wolfgang's Größe und Alter ist, kam in das Haus der gelehrten Poetin Sign. Corilla, wo wir uns auf Empfehlung des Mr. Laugier befanden. Diese zwei Knaben producirten sich wechselsweise den ganzen Abend unter beständigen Umarmungen. Den andern Tag ließ der kleine Engländer, ein allerliebster Knabe, seine Violine zu uns bringen, und spielte den ganzen Nachmittag. Wolfgang accompagnirte ihm auf der Violine. Den Tag darauf speisten wir bei Mr. Gavard, Administrator [180] der Großherzogl. Finanzen, und die zwei Knaben spielten den ganzen Nachmittag wechselweise, nicht als Knaben, sondern als Männer. Der kleine Tommaso begleitete uns nach Hause, und weinte die bittersten Thränen, weil wir den Tag darauf abreisen sollten. Da er aber vernahm, daß unsere Abreise erst auf den Mittag festgesetzt sei, so kam er Morgens um neun Uhr, und gab dem Wolfgang unter vielen Umarmungen folgende Poesie, die die Sign. Corilla den Abend vorher hatte machen müssen, und dann begleitete er unsern Wagen bis zum Stadtthore. Ich wünschte, daß Du diese Scene gesehen hättest.


Per la partenza del Sgr. W.A. Mozart da Firenze.

Da poi che il fato t' ha da me diviso,

io non fò che seguirti col pensiero,

ed in pianto cangai la gioja e il riso

ma in mezzo al pianto rivederti io spero.


Quella dolce armonia di paradiso

che ha un estasi d'amor mi apri il sentiero,

mi risuona nel cuor, e d' improvviso

mi porta in cielo a contemplare il vero.


Oh lieto giorno! O fortunato istante

in cui ti vidi e attonito ascoltai

e della tua virtù divenni amante!


Voglian li Dei che dal tuo cuor giammai

non mi diparta! Io ti amerò costante

emul di tua virtù da ognor mi avrai.


In segno di sincera stima ed affetto

Tommaso Linley.


[Leopold Mozart.]


[181] Rom, den 28. April 1770.


Wir waren bei der Principessa Barbarini, wo wir den Prinzen Xaver von Sachsen, auch den Prätendenten abermals antrafen; heute sind wir bei dem Ambassadeur von Malta. Morgen hat uns der Duca di Bracciano zur Akademie des Duca Altems (Hohen Ems) eingeladen. Morgen speisen wir bei den Augustinern. Am 12. Mai wollten wir mit Gottes Hülfe mit dem Procaccio nach Neapel reisen, wo wir schon Wohnung bestellt haben. Die Wege sind sehr unsicher: ich gehe nicht weg, bis ich weiß, daß Sicherheit ist, und mit dem Procaccio ist man in einer großen Compagnie. Wolfgang befindet sich, Gottlob! gesund; nur hat er, wie gewöhnlich, ein wenig Zahnweh auf einer Seite.

[Leopold Mozart.]


Rom, den 2. Mai 1770.


Du willst wissen, ob Wolfgang noch singt und geigt. Er singt, aber nur allzeit, wenn man ihm einige Worte vorlegt. Er ist etwas gewachsen. Wir haben Gelegenheit, mit 4 Augustinern nach Neapel zu reisen. Ich hoffe, Gott werde dich und die Nannerl gesund erhalten, und uns gesund nicht nur nach Neapel, und dann wieder zurück, sondern auch seiner Zeit glücklich nach Hause kommen lassen. In Neapel halten wir uns etwa fünf Wochen auf. Dann über Loretto nach Bologna und Pisa, und dorten die größte Hitze an einem Orte auswarten, der am kühlsten und gesundesten ist. Heute haben sich Herr Meißner, der aus Neapel angekommen ist, und Wolfgang im deutschen Collegium producirt.

[Leopold Mozart.]


[182] Nachschrift von Wolfgang A.M.


Ich bin Gott Lob und Dank gesund, und küsse der Mama die Hand, wie auch meiner Schwester das Gesicht, Nase, Mund, Hals, und meine schlechte Feder.


Neapel, den 19. Mai 1770.


Wir sind den 8. Mai in Gesellschaft dreier anderer Sedien oder zweisitzigen Wagen von Rom abgereist, haben zu Marino im Augustiner Kloster Mittagsmahl genommen, und sind den 11. zu Sessa abermals in einem Augustiner Kloster über Nacht wohl bewirthet worden, am 12. in Capua bei den Augustinern angelangt, und wollten Abends in Neapel sein. Allein es fügte sich, daß den Sonntag darauf, den 13., die Einkleidung einer Dame in dem Kloster vor sich gehen sollte, wo einer meiner Reisegefährten, Pater Segarelli, vor einigen Jahren Beichtvater war. Er sollte also dieser Einkleidung beiwohnen, und bat uns zu bleiben. Wir sahen also die Einkleidung. Außer den nächsten Verwandten war Niemand zur Mittagstafel in dem Frauenkloster eingeladen, als wir.

Schon am 12. langte ein Kapellmeister sammt drei bis vier Wagen mit Virtuosen an, die gleich durch Symphonien und ein Salve Regina den Anfang der Feierlichkeit machten. Alle diese Virtuosen wohnten in dem nämlichen Augustiner Kloster. Am 14. kamen wir hier an. Wir wohnten zwei Nächte in einem Hause, das dem Kloster der Augustiner a.S. Giovanni Carbonaro gehört. Jetzt sind wir in einer Wohnung, wo wir monatlich vier Salzburger Dukaten bezahlen. Gestern fuhren wir vergeblich nach Portici, um dem Minister Marquis Tanucci [183] aufzuwarten. Abends besuchten wir den englischen Gesandten Hamilton, unsern Bekannten aus London, dessen Frau ungemein rührend das Clavier spielt, und eine sehr angenehme Person ist. Sie zitterte, da sie vor dem Wolfgang spielen sollte.

Am 16. haben wir bei Baron Tschudy gespeist, der uns unzählige Mal geküßt und seine Dienste angetragen hat.

Wenn die Porträte gut gemacht sind, magst Du bezahlen, was Du willst.

[Leopold Mozart.]


Beigeschlossen war der folgende Brief Wolfgangs:


Neapel, den 19. Mai 1770.


C.S.M.


Vi prego di scrivermi presto e tutti i giorni di posto. Io vi ringrazio di avermi mandato questi Rechenhistorie, e vi prego, se mai volete avere mal di testa, di mandarmi ancora un poco di questi Künste. Perdonate mi che scrivo si malamente, ma la razione è perchè anche io ebbi un poco mal di testa. Der 12te Menuett von Haydn, den Du mir geschickt hast, gefällt mir recht wohl, und den Baß hast Du unvergleichlich dazu componirt, und ohne mindesten Fehler. Ich bitte Dich, probire öfter solche Sachen.

Die Mama soll nicht vergessen, die Flinten alle beide putzen zu lassen. Schreibe mir, wie es dem Herrn Canari geht. Singt er noch? Pfeift er noch? Weißt Du, warum ich auf den Canari denke? Weil in unserm Vorzimmer einer ist, welcher ein G'seis macht, wie unserer. A propos, der Herr Johannes wird den Gratulations-Brief empfangen haben, den wir haben schreiben [184] wollen. Wenn er ihn aber nicht empfangen hätte, so werde ich ihm schon selbst mündlich sagen zu Salzburg, was darin hätte stehen sollen. Gestern haben wir unsere neuen Kleider angezogen; wir waren schön wie die Engel. An die Nandl meine Empfehlung, und sie soll fleißig für mich beten. Den 30. wird die Oper anfangen, welche der Jomelli componirt. Die Königin und den König haben wir unter der Messe zu Portici in der Hofkapelle gesehen, und den Vesuvius haben wir auch gesehen. Neapel ist schön, ist aber volkreich wie Wien und Paris. Und von London und Neapel, in der Impertinenz des Volkes, weiß ich nicht, ob nicht Neapel London übertrifft; indem hier das Volk, die Lazzaroni, ihren eigenen Obern, oder Haupt haben, welcher alle Monate 25Ducati d'argento vom König hat, um nur die Lazzaroni in einer Ordnung zu halten.

Bei der Oper singt die de Amicis. Wir waren bei ihr. Die zweite Oper componirt Caffaro; die dritte Ciccio di Majo, und die vierte weiß man noch nicht. Gehe fleißig nach Mirabell, in die Litaneien, und höre das Regina coeli oder das Salve Regina, und schlaf gesund und laß Dir nichts Böses träumen. An Herr von Schidenhofen meine grausame Empfehlung tralaliera, tralaliera. Und sage ihm, er soll den Re petiter-Menuett auf dem Claviere lernen, damit er ihn nicht vergessen thut. Er soll bald darzu thun, damit er mir die Freude thut machen, daß ich ihm einmal thue accompagniren. An alle andere gute Freunde und Freundinnen thue meine Empfehlung machen, und thue gesund leben, und thue nit sterben, damit Du mir kannst einen Brief thun, und ich Dir hernach noch einen thue, und dann thun wir immer so fort, bis wir was hinaus thun, aber doch bin ich der, der will thun, bis es sich endlich nimmer thun läßt. Indessen will ich thun bleiben.

W.M.


[185] Neapel, den 29. Mai 1770.


Gestern hatten wir unsere Akademie, die sehr gut ausfiel. Morgen kömmt der Hof in die Stadt, um des Königs Namensfest mit Opern etc. zu feiern.

Wenn wir den 16. von hier reisen, so gehen wir nach Marino, wo wir im Augustiner Kloster absteigen. Der Pater Prior allda hat sich's ausgebeten. Er will mit uns nach Genzano, um uns das wunderthätige Bild Maria von guten Rath zu zeigen. Wir können dann eine Woche bei unseren Freunden in Rom bleiben, und dann unsere Reise nach Loreto antreten. In Rom habe ich für Kost und Zimmer keinen Kreuzer bezahlt. Ich war gänzlich Herr vom Hause, und da die Frau sich über keine Bezahlung erklären wollte, so werde ich nun bei der Rückkunft Etwas kaufen, und der Tochter ein ansehnliches Präsent machen.

Wenn wir nun die besagte Zeit abreisen, so werden wir am Ende, so zu sagen, ganz Italien gesehen haben, denn wir werden von den Gegenden über Loretto hinaus, wo es uns einfällt, nach Bologna oder Florenz, Pisa, Lucca, Livorno u.s.w. gehen, die heißen zwei Monate an dem bequemsten dieser Orte zubringen, und glaublich über Genua nach Mailand kommen. Wenn Wolfgang nicht schon die Scittura zur Oper in Mailand hätte, so würde er sie zu Bologna, Rom und Neapel bekommen haben; sie ist ihm an allen diesen drei Orten angetragen worden. Ungeachtet die Hitze jetzt nicht sehr stark ist, werden wir ziemlich schwarz nach Hause kommen, denn die Luft bringt es mit sich. Du weißt, daß Wolfgang sich immer wünscht, brunett zu sein. Er kann die Posttage kaum erwarten, [186] und bittet Dich, Du sollst die Woche zu Zeiten zwei Mal schreiben, sonderheitlich, wenn es etwas Neues gibt.

Der Vesuvius hat mir das Vergnügen noch nicht gemacht, sich brennend oder vielmehr feuerspeiend zu zeigen. Wir werden ihn dieser Tage näher sehen – –

[Leopold Mozart.]


Neapel, den 9. Juni 1770.


Es ist auf eine gewisse Art Schade, daß wir nicht länger hier bleiben können, indem verschiedene artige Sachen den Sommer durch hier zu sehen sind, und eine beständige Abwechslung der Früchte, Kräuter und Blumen, von Woche zu Woche hier zu sehen ist. Die Lage des Orts, Fruchtbarkeit, Lebhaftigkeit, Seltenheiten u.s.w. hundert schöne Sachen machen mir meine Abreise aus Neapel traurig. Die Unfläterei, die Menge der Bettler, das abscheuliche Volk, ja das gottlose Volk, die schlechte Erziehung der Kinder, die unglaubliche Ausgelassenheit sogar in den Kirchen, macht, daß man auch das Gute mit ruhigerm Gemüthe verläßt. Ich werde nicht nur alle Seltenheiten in vielen schönen Kupferstichen mit bringen, sondern habe auch von Herrn Mauricoffro eine schöne Sammlung von der Lava des Vesuvs erhalten; nicht von der Lava, die Jedermann leicht haben kann, sondern untersuchte Stücke mit der Beschreibung der Mineralien, die sie enthalten, die rar sind. Du wirst schöne Sachen sehen, wenn wir zurück kommen. Nächste Woche werden wir den Vesuv, die zwei versunkenen Städte, Caserta etc. kurz alle Seltenheiten besehen, wovon ich schon die Kupferstiche in Händen habe.

[Leopold Mozart.]


[187] Neapel, den 16. Juni 1770.


Wir können noch nicht den 20. abreisen, da der Graf Kaunitz nicht bis dahin fertig wird. Am 13. sind wir in einem Wagen nach Puzzuolo, und von da zu Schiffe nach Baja gefahren, und haben da gesehen die Neronischen Bäder, die unterirdische Grotte der Sibylla Cumana, Lago d'Averno, Tempio di Venere di Diana, Sepolcro d'Agrippina, die elisäischen Felder, das todte Meer, wo Charon Schiffmann war,la piscina mirabile, die cento camerelle u.s.w.; im Rückweg viele alte Bäder, Tempel, unterirdische Zimmer, monte nuova, monte gauro, molo di Puzzoli, Colisseo, Solfatara, Astroni, grotta del cane, lago di Agnano, vor allen aber la grotta di Puzzuoli und das Grab des Virgils. Heute speisten wir zu Mittag auf der Höhe a.S. Martino bei den Carthausern, und besahen alle Seltenheiten und Kostbarkeiten des Orts und bewunderten die Aussicht. Montag und Erchtag geht es an den Vesuv, Pompeji, Herkulanum, die dort gefundenen Sachen, Caserta und Capo di Monte, welches Alles Geld kosten wird. – – –

[Leopold Mozart.]


Nachschrift von Wolfgang A.M.


Ich bin auch noch lebendig und beständig lustig wie alle Zeit, und reise gern: nun bin ich auf dem mediterranischen Meer auch gefahren. Ich küsse der Mama die Hand und die Nannerl zu 1000 Malen und bin der Sohn Steffrl und der Bruder Hansl. –


[188] Rom, den 27. Juni 1770.


Gestern angelangt. Nur 27 Stunden auf der Reise, auf welcher wir mit dem Vetturin fünftehalb Tage zubrachten. Graf Kaunitz kam erst heute. Ich dachte, es wäre besser allein zu reisen, weil man oft nicht Pferde genug auf den Stationen findet; auch wußte ich, daß zwei Reisende zwölf Pferde auf der ganzen Route brauchten. Wir reisten also allein. Ich gab mich für den Haushofmeister des kaiserl. Gesandten aus, weil die Haushofmeister solcher Herren in diesen Orten in vielem Ansehen stehen; dieß machte meine Reise sicher, verschaffte mir gute Pferde, und geschwinde Beförderung, und in Rom durfte ich nicht in die Mauth zur Visitation fahren; man machte mir beim Thore sogar ein tiefes Compliment, hieß mich gerade nach Hause fahren, und ich warf ganz vergnügt ihnen ein paar Paoli in's Gesicht. Wir hatten in 27 Stunden unserer Reise nur zwei Stunden geschlafen. Sobald wir ein wenig Reis und ein paar Eier gegessen hatten, setzte ich den Wolfgang auf einen Stuhl. Er fing augenblicklich an zu schnarchen und so fest zu schlafen, daß ich ihn völlig auszog und in's Bett legte, ohne daß er das mindeste Zeichen gab, daß er wach werden konnte. Er schnarchte immer fort, obwohl ich ihn zu Zeiten von dem Sessel aufheben und wieder niedersetzen, und endlich gänzlich schlafend in's Bette schleppen mußte. Als er nach neun Uhr Morgens erwachte, wußte er nicht, wo er war und wie er in's Bett gekommen. Er lag schier die ganze Nacht auf dem nämlichen Platze. Nun werden wir die Feuerwerke, die Girandole und alle dergleichen schöne Sachen, dann die Ueberreichung des neapolitanischen Tributs, und das Amt und Vesper in St. Peter sehen. In Neapel hat der Impressar Sign. Amadori, da er den Wolfgang bei Jomelli gesehen [189] und gehört hatte, ihm angetragen, eine Oper auf dem Königl. Theater H. Carlo zu schreiben, welches wir wegen Mailand nicht annehmen konnten.

Herr Meuricoffer, der abgreiset ist, hat uns die größten Freundschaftstücke erwiesen, und uns noch zuletzt 125 Dukaten aufgetrieben, theils Romani, theils Gigliati und Zechinen, um wenigstens das meiste unseres neapolitanischen Geldes auszuwechseln. – –

[Leopold Mozart.]


Rom, den 30. Juni 1770.


Ob wir bei dem Könige von Neapel gespielt haben? Nichts weniger; es ist bei den puren Complimenten geblieben, die uns die Königin aller Orten, wo sie uns sah, gemacht hat. Die Königin kann nichts thun, und was der König für ein Subjekt ist, schickt sich besser zu erzählen, als zu beschreiben. Du kannst Dir leicht einbilden, wie es an diesem Hofe zugeht. Der junge Violinist Lamotte, der in der Kaiserin Diensten ist und auf ihre Ordre und Unkosten nach Italien gereis't ist, war lange Zeit in Neapel und blieb drei Wochen länger, weil man ihm das Maul machte, der König und die Königin würden ihn hören; dennoch geschah es nicht. Ich werde seiner Zeit eine Menge lustige Sachen von diesem Hofe erzählen. Du wirst auch das Porträt des Königs sehen. – Ich habe noch nirgends meine Aufwartung hier machen können. Die Ursache habe ich Dir im ersten Briefe verschwiegen. Weil es nun aber besser aussieht, so muß ich dir den bösen Zufall berichten. Du weißt, daß zwei Pferde und ein Postillon drei Bestien sind. Auf der letzten Post nach Rom schlug der Postillon das Pferd, welches zwischen den Stangen geht und [190] folglich die Sedia auf dem Rücken trägt. Das Pferd stieg in die Höhe, verwickelte sich in dem mehr als spanntiefen Sand und Staube, und fiel mit Gewalt nach der Seite zu Boden, riß folglich den vordern Theil der Sedia mit sich, weil diese nur zwei Räder hat. Ich hielt den Wolfgang mit einer Hand zurück, damit er nicht hinaus stürze; mich aber riß die Gewalt mit dem rechten Fuße dergestalt an das mittlere Eisen des zurückfallenden Spritzleders, daß ich das halbe Schienbein des rechten Fußes fingerbreit aufriß u.s.w.

[Leopold Mozart.]


Rom, den 4. Juli 1770.


Morgen Mittag speisen wir bei dem Cardinal Pallavicini, übermorgen bei dem toscanischen Gesandten, Baron Saint Odile. Wir sollen morgen eine Neuigkeit erfahren, die Euch in Verwunderung setzen wird. Der Cardinal Pallavicini soll nämlich Ordre haben vom Papste, dem Wolfgang ein Ordenskreuz und Diplom zu überreichen. Sage noch nicht Vieles davon; ist es wahr, so schreibe ich Dir es nächstens. Da wir letzthin beim Cardinal waren, sagte er etliche Male zu Wolfgang: Signore Cavaliere, wir glaubten es sei Spaß. Wolfgang ist in Neapel sichtbarlich gewachsen. – – – –

[Leopold Mozart.]


[191] Rom, den 7. Juli 1770.


Was ich Dir letzthin von einem Ordenskreuze24 geschrieben habe, hat seine Richtigkeit. Es ist das nämliche, was Gluck hat, und heißt: te creamus auratae militiae equitem. Er muß ein schönes goldenes Kreuz tragen, das er bekommen hat, und Du kannst Dir einbilden, wie ich lache, wenn ich allezeit zu ihm Sign. Cavaliere sagen höre. Wir werden morgen deßwegen beim Papst Audienz haben.

[Leopold Mozart.]


Nachschrift von Wolfgang A.M.


C.S.M.


Ich habe mich recht verwundert, daß Du so schön componiren kannst. Mit einem Worte, das Lied ist schön. Probire öfter Etwas. Schicke mir bald die andern sechs Menuetten von Haydn. Mlle., j'ai l'honneur d'être Votre très humble serviteur et frère Chevalier de Mozart. – Addio.


Bologna, den 21. Juli 1770.


Wir gratuliren Euch zu Euerem verflossenen gemeinschaftlichen Namenstage, und wünschen Euch die Gesundheit, vor Allem [192] aber die Gnade Gottes: sonst haben wir Nichts nöthig; das Uebrige findet sich Alles. In Cività Castellana hörten wir eine Messe: nach derselben spielte Wolfgang die Orgel. In Loretto traf es just auf dem 16., daß wir da unsere Andachten machten. Ich habe sechs Glöckel und verschiedenes Andere gekauft. NB. Nebst Reliquien bringe ich auch einen heiligen Kreuzpartikel von Rom mit. Zu Sinigaglia haben wir den Jahrmarkt in Augenschein genommen. Gestern kamen wir hier an; am 10. hatten wir Rom verlassen. Graf Pallavicini hat uns alles Nöthige angeboten: seinen Wagen habe ich acceptirt.

Wenn der Wolfgang so fort wächst, wird er ziemlich groß nach Hause kommen. – – –

[Leopold Mozart.]


Nachschrift von Wolfgang A.M.


Ich gratulire der Mama zu dem Namensfeste, und wünsche, daß die Mama noch möge viele hundert Jahre leben und immer gesund bleiben, welches ich immer bei Gott verlange, und bete alle Tage und werde alle Tage für Sie Beide beten. Ich kann unmöglich mit Etwas aufwarten, als mit etlichen Loretto Glöckeln und Kerzen und Haubeln und Flor, wenn ich zurück komme. Inzwischen lebe die Mama wohl, ich küsse der Mama 1000 Mal die Hände und verbleibe bis in den Tod

Ihr getreuer Sohn.


Bologna, den 28. Juli 1770.


Ich habe noch meine Fußkrankheit, welcher Stoß mir wohl zwölf Dukaten kosten wird; denn in Wirthshäusern ist es nicht [193] lustig, krank zu sein. Wenn ich in Neapel 1000 Doppien eingenommen hätte, könnte ich meine Unkosten verschmerzen. – Genug, ich habe immer mehr als wir brauchen, und damit sind wir zufrieden und loben Gott.

Gestern haben wir das Opernbüchlein und die Namen der Recitirenden erhalten. Die Oper heißt: Mitridate, Re di Ponto, und ist von einem Poeten aus Turin, Namens Vittorio Amadeo Cigna-Santi. Sie ist dort im Jahre 1767 aufgeführt worden. Die Personen sind:


Mitridate, Re di Ponto. Sig. Gugliemo d'Ettore.Tenor.

Aspasia, promessa sposa di Mitridate. Signora Antonia Bernasconi, Prima Donna.

Sifare, figlio del stesso, amante di Aspasia. Sign Santorini, Soprano, primo uomo (welcher erst verflossenen Carneval in Turin recitirt hat).

Farnace, primo figlio di Mitridate, amante della medesima Aspasia. Sign. Cicognani.

Ismene, figlia del Re de' Parti, amante di Farnace. Sign. Varese, Seconda Donna Soprano.

Arbate, Governatore di Ninfea. Soprano.

Marzio, Tribuno romano. Tenore.


Sartorini hat uns in Rom gesungen. Die Bernasconi kannten wir auch schon. Cicognani ist unser guter Freund.

Die zwei Porträte gefallen uns sehr wohl, und um sie gut zu finden, muß man sie nicht nahe ansehen; denn Pastell ist kein Miniatur: sie sind etwas zu fett, allein in einer kleinen Entfernung verliert sich Vieles, und wir sind zufrieden: das ist genug,

[Leopold Mozart.]


[194] Mailand, den 20. Oktober 1770.


Am 18. angekommen. Parma waren wir einen ganzen Tag. Die Academia Filarm. zu Bologna hat den Wolfgang mit einhelliger Stimme in ihre Gesellschaft aufgenommen und ihm das Patent desAcademico überreicht. Es ist aber solches mit allen nöthigen Umständen und vorausgegangener Prüfung geschehen. Er mußte nämlich den 9. Oktober Nachmittags um vier in dem akademischen Saale erscheinen. Da gab ihm der Princeps Academiae und die zwei Censoren (die alle alte Capellmeister sind) in Gegenwart aller Mitglieder eine Antiphona aus demAntiphonarium vor, die er in einem Nebenzimmer, wohin ihn der Pedell führte und die Thüre zuschloß, vierstimmig setzen mußte. Nachdem er sie fertig hatte, wurde sie von den Censoren und allen Capellmeistern und Compositoren untersucht, und votirt durch schwarze und weiße Kugeln. Da nun alle Kugeln weiß waren, so wurde er gerufen. Alle klatschten bei seinem Eintritte mit den Händen und wünschten ihm Glück, nachdem ihm vorher der Princeps im Namen der Gesellschaft die Aufnahme angekündigt hatte. Er bedankte sich und damit war es vorbei. Ich war unterdessen mit meinem Begleiter auf einer andern Seite des Saales eingesperrt in der akademischen Bibliothek. Alle wunderten sich, daß er es so geschwind fertig hatte, da Manche drei Stunden mit einer Antiphona von drei Zeilen zugebracht haben. Du mußt aber wissen, daß es nichts Leichtes ist, indem diese Art der Composition viele Sachen ausschließt, die man nicht darin machen darf, wie man ihm vorhergesagt hatte. Er hatte es in einer starken halben Stunde fertig. Das Patent brachte uns der Pedell in's Haus.

[Leopold Mozart.]


[195] Das Patent selbst lautet:


PRICEPS CAETERIQUE

ACADEMICI PHILHARMONICI

Omnibus, er singulis praesentes Literas lecturis, felicitatem.


Quamvis ipsa Virtus sibi, suisque Sectatoribus gloriosum comparet Nomen, attamen pro majori ejusdem majestate publicam in notitiam decuit pro pagari. Hinc est quod hujusce nostrae PHILHARMONICAE ACADEMIAE existimationi, et incremento consulere, singulorumque Academicorum Scientiam, et profectum patefacere intendentes, testamur Domin. Wolfgangum Amadeum Mozart e Salisburgo – sub die 9 Mensis Octobris Anni 1770 inter Academiae nostrae MAGISTROS Compositores adscriptum fuisse. Tanti igitur Coacademici virtutem, et merita perenni benevolentiae monumento prosequentes, hasce Patentes, Literas subscriptas, nostrique Consesses Sigillo impresso obsignatas dedimus.

Bononiae ex nostra Residentia die 10. Mensis Octobris Anni 1770.

PRINCEPS PETRONIUS LANZI:


Registr. in Libro Campl G. pag. 147.


Aloysius Xav. Ferri,

a Secretis.

Camplonerius

Cajetanus Croci.


[196] Wir schalten hier den von der philharmonischen Gesellschaft zu Bologna Wolfgang zur Aufgabe vorgelegten Canto fermo nebst der Lösung ein. Er ist dem Antiphonarium Romanum (Antiph. ad Magnificat. Dom XIV. post Pentecost. et in Festo Cajetani) entnommen.


Aufgabe.


5. Kapitel. Erste italienische Reise Dec. 1769 - März 1771

Lösung.


5. Kapitel. Erste italienische Reise Dec. 1769 - März 1771

5. Kapitel. Erste italienische Reise Dec. 1769 - März 1771

5. Kapitel. Erste italienische Reise Dec. 1769 - März 1771

[199] Ueber die glückliche Aufnahme der Oper Mitridate in Mailand schreibt Leopold Mozart an den Pater Martini in Bologna Folgendes:


Mailand, den 2. Januar 1771.


Indem ich Ihnen ein glückliches neues Jahr wünsche, gebe ich Ihnen zugleich Nachricht, daß die Oper meines Sohnes eine sehr glückliche Aufnahme gefunden hat, ungeachtet der großen Ränke unserer Feinde und Neider, die, ohne noch eine Note gesehen zu haben, ausstreueten, daß es eine barbarische Musik ohne Ordnung und Tiefe, ja unmöglich vom Orchester auszuführen sei; dergestalt, daß sie die Hälfte von Mailand glauben machten, man würde, statt einer Oper, nichts als eine Stoppelei erhalten. Einer hatte sogar der ersten Sängerin alle ihre Arien sammt dem Duett, von der Composition des Abbate Casparini zu Turin, verschafft, und beredete sie, diese einzulegen, so wie von diesem jungen Menschen nichts anzunehmen, der nie fähig sein würde, eine gute Arie zu schreiben. Allein die erste Sängerin erklärte sich zufrieden, ja überzufrieden. Dessen ungeachtet ließen unsere Verläumder nicht ab, eine üble Meinung über die Oper meines Sohnes zu verbreiten; doch die erste Instrumentalprobe schloß diesen grausamen Schwätzern auf eine Art den Mund, daß man kein Wort mehr von ihnen hörte. Alle Professoren im Orchester erklärten, daß die Musik klar, deutlich und leicht zu spielen sei, so wie sich die Sänger insgesammt zufrieden zeigten. Die erste Oper zu Mailand hat gewöhnlich das Unglück, wenn sie nicht gar durchfällt, doch wenig Zulauf zu finden, indem Alles auf die zweite wartet; allein bisher war in den ersten sechs Vorstellungen das Theater immer sehr voll, und jeden Abend mußten zwei Arien wiederholt werden, indeß man auch den meisten andern Musikstücken [200] großen Beifall schenkte. – Liebster Herr Pater, wir hoffen rücksichtlich ihrer Gesundheit gute Nachrichten zu vernehmen; ich verzweifle noch nicht, das versprochene Miserere von ihrer ausgezeichneten Composition, so wie jene Musik zu 16 Stimmen zu erhalten. Herr Joseph Prinsechi wird nicht ermangeln, den Betrag für die Copirung zu entrichten, so wie ich nicht unterlassen werde, so bald ich nach Hause komme, nämlich zu Ostern, Ihnen Alles zu senden, was Ihnen angenehm sein könnte. Mein Sohn küßt Ihnen die Hände, und ich nenne mich mit ihm mit aller Hochachtung

Ew. Hochwürden

ergebenster Diener

Leopold Mozart m.p.

Quelle:
Alexander Ulibischeff: Mozart's Leben und Werke. Stuttgart 2[1859], S. 128-201.
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