Vierzehntes Kapitel.

Mozart als Hof- und Domorganist zu Salzburg.

1779–1780.

[92] Nachdem Mozart seine Stelle als Hof- und Domorganist – denn unter diesem Titel wird er im Salzburgischen Hofkalender aufgezählt – angetreten hatte, brachte er zwei Jahre unausgesetzt in Salzburg zu. Ueber seine äußeren Lebensverhältnisse während dieser Zeit erfahren wir sehr wenig. Wir wissen nur, daß er ein bequemes Arbeitszimmer mit einem schönen Kasten und dem väterlichen Clavichorde hatte, daß Obersthofmeister Graf von Firmian ihm seine Pferde zur Benützung antrug, daß er bei seinen Freunden Erheiterung und Erholung fand, daß im Anfang auch das »Bäsle« einige Wochen auf Besuch im Hause war, was ihm viel Freude machte und daß er seinem Amte pflichtgetreu oblag. Sonst war ihm Salzburg, das er einen »Bettelort« nennt, gewiß zuwider. Der enge Kreis, in den sein Talent gebannt war, das vornehme Benehmen des Erzbischofs gegen ihn, und der nur sehr geringe Sinn der Salzburger für seine Musik, von welchem er schreibt: »Wenn ich spiele oder von meiner Composition was ausgeführt wird, so ist's, als wenn lauter Tische und Sesseln die Zuhörer wären« – dieß Alles mußte ihn fühlen lassen, daß Salzburg seinem Geiste keine passende Sphäre bot. Auch klagt er darüber, wie viel Mühe ihn die Arbeit koste, weil sein Gemüth nicht vergnügt sei. »Wenn man seine jungen Jahre so in einem [93] Bettelort in Unthätigkeit verschlänzt, ist es traurig genug und auch Verlust,« schreibt er später.

Und dennoch verbrachte Mozart diesen Zeitraum von zwei Jahren nicht müßig. Seine amtliche Stellung gab ihm Veranlassung zu Instrumental- und kirchlichen Compositionen, welche, wenn sie auch nach der gewöhnlichen Schablone des damaligen Kirchenmusikgeschmackes koncipirt sind, doch häufig eine Erhabenheit der Ideen, eine Wärme des Ausdrucks, eine Sorgfalt in der technischen Bearbeitung und ein schnelles Heranreifen zu der Meisterschaft bekunden, von der er am Schluß dieser zwei Jahre im Idomeneo die erste glänzende Probe ablegte.

Von den auf uns aus diesem Zeitraum gekommenen Compositionen sind die folgenden hervorzuheben:


Eine Ouvertüre aus C mit dem Datum 26. April 1779.

Zwei Symphonien, die eine in B-dur, heiter und anmuthig, die andere in C-dur, breiter angelegt und ernst.

Eine große Serenate für Orchester mit einem eingelegten Concertante für 2 Flöten, 2 Oboen und 2 Fagotts.

Ein Conzert für zwei Claviere mit Orchesterbegleitung in Es-dur, das in neuerer Zeit wieder sehr beliebt geworden ist.

Eine vierhändige Sonate für das Clavier in B-dur, welche stets ein Lieblingswerk der Clavierspieler geblieben ist, und zu der andern vierhändigen Sonate in C-dur ein so schönes Pendant bildet.

Mehrere Sonaten für Orgel mit Instrumentalbegleitung, in freiem Style, wie die Zwischenspiele beim katholischen Gottesdienst ihn verlangen.

Zwei Messen in C-dur, von denen die erstere durch die [94] melodiösen Sätze des Kyrie und desAgnus Dei allgemein bekannt geworden ist11.

Mehrere Vespern, darunter einige vortreffliche Psalmensätze, die häufig als Kirchencantaten benützt werden.


Seine Neigung, für die Bühne zu schreiben, konnte er durch die Schauspielergesellschaften, welche zeitweise in Salzburg spielten, befriedigen. So spielte im Jahr 1779 eine Truppe unter Böhm's Direction, und 1780 gab Schikaneder – der mit Mo zart's Familie befreundet war – Vorstellungen daselbst. Für diese herumwandernden Bühnen lieferte Mozart zwei größere Arbeiten. Die erste ist die Musik zu »Thamos, König in Egypten,« bestehend aus Chören und Orchestersätzen, welche als Entreacts und als Finale sich an die Schlußhandlung jedes Actes anlehnen und dieselbe charakteristisch auszudrücken beabsichtigt sind. Die zweite bekannte ist eine deutsche Operette, zu welcher Schachtner den Text gemacht hatte, die bis auf die Ouvertüre und den Schlußsatz fertig wurde, als der Auftrag, den Idomeneo zu schreiben, diese Arbeit unterbrach. Auch hat sie später Mozart nie vollendet. Die Aehnlichkeit ihres Sujets mit der »Entführung,« und der Mangel einer bühnengerechten Form mochten ihn später diese Arbeit verschmähen lassen. Erst in neuerer Zeit ist diese Operette mit einer von André dazu componirten Ouvertüre und Schlußscene unter dem Titel »Zaide« herausgegeben worden. (Offenbach. Joh. André.)

Alle diese Compositionen, welche in die zwei Jahre seines Aufenthaltes in Salzburg fallen, brachten den großen Umschwung [95] in ihm zur Vollendung, welcher nach und nach die Ideen Mozart's von dem Sauerteige der Routine und dem Zusätze des Geschmackes der damaligen Zeit reinigte und ihn durch eine allmählige Läuterung zu jenen originellen, eben so melodieenreichen als gründlichen Formen führte, die für immer der Typus des Schönen in der Musik sein werden. Die, durch so viele schöne Blüthen angekündigte Frucht fiel endlich, in voller Reife prangend und durch ihren Duft berauschend, herab. Mit ihr beginnt die classische Periode Mozart's, und zugleich die wichtigste und ohne Zweifel die letzte der großen Revolutionen in der Musik, im Sinne des richtig verstandenen Fortschritts; man müßte denn außer der Melodie, Harmonie, der Declamation und des Rhythmus, noch einmal ein neues Element in der Kunst entdecken, von dessen Existenz wir noch gar keine Ahnung haben.

Quelle:
Alexander Ulibischeff: Mozart's Leben und Werke. Stuttgart 2[1859], S. 92-96.
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