Honorar für »Euryanthe« in Berlin

[636] Brühl versäumte keinen Augenblick, ihm das Honorar zuzuwenden, das er für passend hielt. Gleich am Tage nach der Aufführung schrieb er an den Fürsten Wittgenstein und beantragte 800 Thlr. Ehrensold für Weber. Er stellte sehr eindringlich vor, wie der »Freischütz« bei 90 Vorstellungen 50,000 Thaler Reingewinn geliefert habe, daß er im Verhältniß zu »Euryanthe« eine kleine Oper sei und daß man alles in allem 700 Thlr. für ihn bezahlt habe, so daß 800 Thlr. Honorar für letztere nicht zu hoch gegriffen scheine. Spontini, der als Künstler nicht höher als Weber stehe, erhalte für jedes seiner Werke 1050 Thlr. Der Anstand erheische es, dem ersten lebenden, deutschen Componisten kein viel geringeres Honorar zu bieten, als dem ausländischen. Für die Chezy beantragte er außerdem 100 Thlr. Fürst Wittgenstein resolvirte hierauf kurz und barsch am 25. December, daß von einem Honorare von 800 Thlr. nicht die Rede sein könne, 120 Friedrichsd'or hinreichten und hierüber 100 Thlr. für die Dichterin gewährt werden sollten. Er tadelte hierbei die Bezugnahme auf Spontini als undienstgemäß, da Brühl wissen müsse, daß dieser das Honorar von 1050 Thlr. contraktlich beziehe.

Als aber Brühl nicht abließ und sofort auf's Neue vorstellte, wie aus Anstands rücksichten das Hoftheater sich verpflichtet fühlen müsse, das von ihm beantragte Honorar, von dem immer die Rede gewesen sei, zu gewähren, genehmigte endlich Wittgenstein, höchst verdrießlich, durch Verordnung vom 28. Dec. die beantragten 800 und 100 Thlr. unter dem Bemerken, daß von Nachschüssen nun aber unter keinen Verhältnissen die Rede sein könne, die Unwirthschaftlichkeit der Hoftheaterverwaltung aber sehr zu rügen sei. Unter die Verordnung schrieb der Fürst eigenhändig:[636]

»Nicht des Anstands wegen habe ich Ihren Wunsch wegen den 800 Thlr. für den C. M. v. Weber erfüllt, sondern blos um Ew. Hochgeboren damit ein Vergnügen zu machen. Der erste Anstand, dem alle andern Anstände nachstehen müssen, ist, die Befehle Seiner Majestät pünktlich zu befolgen und diese bestehen darin, keine Schulden zu machen. Hierdurch ist der Anstand oft weit bedeutender verletzt worden, als wenn Hrn. M. v. Weber nicht mit vollen Händen gegeben wird.

Ordnung und die genaueste Befolgung der Befehle Sr. Majestät sind in meinen Augen der rechte Anstand.«

Mit diesem echt aristokratisch-büreaukratischen Glaubensbekenntnisse wies er die Summe an, die Brühl Weber, der fiebernd im Bett lag, unter Thränen übergab. Die Möglichkeit, nun reisen zu können, gab diesem Spannkraft, daß er am Abende des 28. zum zweiten Male die bei überfülltem Hause gegebene und mit Jubel aufgenommene »Euryanthe« zu dirigiren vermochte. Von ahnungsvoll schmerzlich bewegten Freunden geleitet, verließ er am 29. Dec. früh Berlin, um es nie wieder zu sehen, und konnte am Sylvesterabende an der glücklichen Caroline Arm, erhoben und erheitert durch den Hauch der Heimath, in den »Liederkreis« beim alten, würdigen Arthur von Nordstern treten, wo den Sänger der »Euryanthe« neue Huldigungen (ein von Theodor Hell mit Bezug auf ihn gedichtetes Festspiel etc.) erwarteten.

Ein wunderbares Schicksal verfolgte indeß diese Oper auch in Berlin. Kaum hatte Weber die Hauptstadt verlassen, so ersetzte man sein reizendes, für dort gerade componirtes Ballet durch ein sehr triviales, aber beträchtlich längeres, änderte die von ihm bei seiner Leitung so wohlbedacht markirten Tempi's, strich Manches ohne Takt und Pietät in dem so organischen Ganzen und zerbrach damit die schönen Linien der Contour. So kam es, daß schon die fünfte Vorstellung fast leer war3 und daß, als das pekuniäre von der Oper gelieferte Resultat untersucht wurde, am Schlusse des Jahres 1827 sich ein Deficit von über 2500 Thlr. herausstellte.

Fußnoten

1 Auch aus der Cantate »L'Accoglienza« sind zwei Motive, eins im ersten Finale, das andere zum Ballet und Chor im dritten Akt benutzt.

D. V.


2 Wir geben diese höchst interessante und wichtige Arbeit. die zu umfassend für diese Stelle ist, als selbständigen Aufsatz im III. Bande.

D. Verf.


3 Selbst bestellte Billets wurden in Menge zurück gebracht.

D. Verf.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866.
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