Germon (Thynnus alalonga)

[102] An den französischen Küsten, und zwar ebensowohl an denen des Mittelmeeres wie des Atlantischen Weltmeeres, fängt man öfter als jeden anderen Verwandten den Germon (Thynnus alalonga, Scomber alalonga, Orcynus alalonga). Auch er ähnelt dem Tune, weicht aber namentlich durch die Länge der Brustflossen ab, welche bis zu einem Drittel der Leibeslänge messen, sichelförmig gestaltet sind und ihm den wissenschaftlichen und italienischen Namen verschafft haben. Die Länge übersteigt selten einen Meter, das Gewicht nur ausnahmsweise funfzig Kilogramm. Der Brustgürtel ist minder ausgeprägt als bei den übrigen Tunen, die Färbung weniger glänzend, auf dem Rücken blauschwärzlich, gegen den Bauch hin silbern. Die erste Rückenflosse enthält vierzehn, die zweite drei und zwölf, jede Brustflosse siebenunddreißig, die Bauchflosse einen und fünf, die Afterflosse drei und zwölf, die Schwanzflosse vierzig Strahlen; außerdem sind auf der Ober- wie auf der Unterseite acht Bastardflossen vorhanden.

Auffallenderweise unterschieden erst die neueren Fischkundigen Tun und Germon; letztgenannter Fisch wird nämlich in noch größeren Massen gefangen als jener und hätte eigentlich den so sorgfältig beobachtenden Alten wohl auffallen müssen. Sein Verbreitungsgebiet dehnt sich über das Mittelmeer und einen großen Theil des Atlantischen Weltmeeres aus. Hier wie dort scheint er bis gegen die Laichzeit hin in beträchtlichen Tiefen zu verweilen. Um die Mitte des Juni nähert er sich, scharenweise ziehend, den Küsten, verweilt in deren Nähe bis zum Oktober und kehrt dann wieder in die tiefen Gründe zurück. Allerlei Meerfische, welche in Scharen leben, namentlich Sardellen, Seebarben, fliegende Fische und dergleichen, bilden seine Nahrung. Das häufige Aufsteigen der letzteren sehen die Fischer als ein Zeichen seiner Ankunft an. An den italienischen Küsten fängt man ihn in den Tonaren, an den spanischen und französischen hauptsächlich mit Angeln, welche mit gesalzenen Aalen oder Tuchstücken geködert werden. Bewölkter Himmel, frischer Wind und bewegtes Meer gelten als besonders günstig für den Fang.

Das Fleisch der Germons, welche im Juli und August gefangen werden, ist weißer und schmackhafter als das des Tunfisches, soll aber während des Juni und September viel schlechter sein als sonst. Im Golfe von Biscaya erbeutet man jährlich etwa dreißig- bis vierzigtausend Stück, verkauft von dem frischen Fleische so viel wie möglich und salzt das übrige zu Wintervorräthen ein.


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Die Alten erzählen von einem Fische Pompilus, welcher den Schiffen folgt und, wie Geßner sagt, »ein sonderbare art hat, indem er allein in den tieffinen wohnet, zu keiner zeit an das Gestad kommbt, als ob er das Erdreich hasset. So haben sie auch ein sonderbare anmutung zu den Schiffen so auff dem Meer schweben. Nemlich daß sie bey sich vnd vmb sie her schwimmen ohne vnderlaß, so lang, biß sie den boden vnd Gestad erschmecken, welches den Schiffleuten wol bewust, so sie sehen, [102] daß sich diese Fisch hinden saumen, das Schiff nit weiter beleiten wöllen, können sie wol erkennen, daß sie dem Gestad vnd satten grund nahen, ob sie gleichwol kein Gestad ersehen mögen. Dann je haben diese Fisch eine hertzliche begird vnd liebe zu den Schiffen, vnd abscheuhen ab dem grund. Sie erkennen auch auß solcher beleitung der Fischen gut Wetter, stille deß Meers vnd glückhafte reiß«. Nicht unwahrscheinlich ist, daß die Alten unter ihrem Pompilus den Lotsenfisch verstanden haben, welcher in der That den Schiffen, noch treuer aber den Haien folgt und seinen Namen mit vollem Rechte trägt.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 102-103.
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