Polybia liliacea, cayennensis, ampullaria - Chatergus apicalis - Nectarinia

[242] In etwas veränderter Weise (Fig. 2) baut die Polybia rejecta. Sie legt die erste Wabe fest um einen Zweig und läßt in der Mitte des Deckels das Flugloch. Bei Vergrößerung des Nestes durch eine zweite Wabe bleibt für diese an der entsprechenden Stelle das Flugloch offen, das erste bekommt einen schnürösenartigen Ansatz und wird jetzt Fahrloch genannt. In dieser Weise setzt sich der Bau fort, so weit und weiter, als unsere schematische Abbildung lehrt. Ebenso baut der Chatergus chartarius, eine mittelgroße Wespe von schwarzer Farbe, deren anhängender Hinterleib gelb bandirt ist. Die in Cayenne sehr häufige, schwarze Tatua morio, deren breiter Hinterleib sich wie bei Eumenes vorn etwas stielartig verdünnt, und deren Flügel stark gebräunt erscheinen, hängt ihre manchmal mehrere Fuß langen Nester an Zweige, welche ganz ebenso umfaßt werden wie bei der Polybia rejecta. Dieselben unterscheiden sich in ihrer Bauart nur dadurch von denen der eben genannten, daß das Flugloch und dem entsprechend die Fahrlöcher nicht in der Mitte des Deckels, sondern an seiner Seite, nahe der Hüllenwand, angebracht sind.[242] Diese Nester sehen braun aus, sind sehr hart und dick, und sie müssen sehr viel Nässe aushalten. Sie werden nämlich mit Beginn der Regenzeit angelegt und wachsen während derselben immer größer, überziehen sich infolge der Feuchtigkeit mit Moos und anderen kryptogamischen Pflänzchen, werden zu »bemoosten Häuptern«, welche lange noch an den Bäumen hängen bleiben, nachdem sie mit Beginn des Winters, der trockenen Jahreszeit, ausgestorben sind. Das Pariser Museum bewahrt nach Saussure ein zusammengedrückt walzenförmiges Nest der Polybia liliacea Brasiliens auf, welches durch seine Größe Zeugnis von der ungeheueren Menge gibt, in welcher diese Wespen beisammen wohnen können. Dasselbe ist unten abgebrochen, mithin unvollständig, und mißt dennoch bei einer Breite von 31,4 bis 62,8 Centimeter deren 125,5 bis 157 in die Länge, indem es aus sechsundzwanzig Waben oder Stockwerken aufgebaut ist. Es erweitert sich allmählich nach unten, hat eine runzelige, dünne Hülle, braunrothe Farbe, ziemlich grob holzartiges Ansehen und die Fahrlöcher in der Mitte der Deckel. Die Polybia cayennensis baut gleichfalls deckelwabige Nester aus einem eisen-, quarz- und glimmerhaltigen Thone von gelbgrauer Grundfarbe, und hängt sie an dünnen Zweigen auf, welche schief abwärts wachsen. Die bedeutende Schwere des Baustoffes setzt hier der Größe bald Grenzen. Nester von 36,6 Centimeter Länge und 10,5 Centimeter Breite gehören zu den umfangreichsten, welche bisher aufgefunden worden sind. Bei allen diesen Nestern und anderen nach ihrem Stil gebaueten, den deckelwabigen, wie wir sie nannten, hängt die Hülle auf das engste mit den Zellen zusammen, und jeder Hohlraum zwischen beiden fehlt. Keine einzige europäische Faltenwespe fertigt solche Nester an, wohl aber zahlreiche Arten, welche im südlichen Amerika heimaten.

Die Wespen der Alten Welt sowie viele amerikanische, welche ihre »säulenwabigen« Nester mit Hüllen umgeben, folgen einem anderen Plane. Dieselben umschließen ringsum in gewissem Abstande die Waben, welche durch Säulchen aneinander befestigt sind und wie Stockwerke aufeinander folgen, mit einem »Mantel«. Die Fahrlöcher werden hier überflüssig, weil die Waben ringsum zugänglich sind. Bei allen diesen Nestern herrscht die Ei- oder Kugelform vor, in ihren inneren Einrichtungen können jedoch zwei wesentliche Verschiedenheiten vorkommen, welche unsere beiden letzten Abbildungen veranschaulichen. Der südamerikanische Chatergus apicalis, ein durchaus schwarzes Wespchen, legt mehrere gestielte Waben unter einander an einem Zweige an und umgibt sie mit einer aschgrauen, papierähnlichen Hülle in einer Weise, wie der Längsschnitt (Fig. 3) andeutet. Wieder anders sehen die Nester anderer Arten aus, welche nach gleichem Plane bauen. Während hier die Säulchen, welche die Waben tragen, einzeln am fremden Gegenstande angeheftet werden, verbinden sie in den meisten Fällen die Waben untereinander, wie beispielsweise die Polybia ampullaria, deren Nest wir an der Unterseite eines Blattes in unserer letzten Figur (4) erblicken; zur Erläuterung sei nur noch hinzugefügt, daß die zweite Wabe durch einen Seitenpfeiler mit der Hülle zusammenhängt. Mit diesem Neste stimmen im wesentlichen die Nester unserer Wespen überein, von denen sich die einen an den Zweigen von Buschwerk oder Bäumen, andere in Erdlöchern, wieder andere in hohlen Baumstämmen, unter vorspringenden Wetterdächern oder an ähnlichen Stellen finden, welche vor dem Einflusse des Regens geschützt sind. Je nach der Baustelle ändert die Wespe dann nicht selten den Plan. So bedürfen die Hornissennester, welche in einen hohlen Baumstamm eingekeilt sind, der Hülle nicht, diese fehlt dagegen nie, wenn die Gesellschaft das Nest frei aufhing. – Abweichend von den eben besprochenen Hauptformen bauen die zahlreichen kleinen Arten der im heißen Amerika sich weit verbreitenden Gattung Nectarinia. Die papierartige Hülle ist im allgemeinen kugelig, besteht nur aus einem Blatte und nicht aus Schichten blattartiger Stückchen, wie die meisten anderen, außerdem umschließt sie keine Stockwerke im Inneren; vielmehr bilden die Zellen koncentrische, ineinander geschachtelte Kugeln von größerer oder geringerer Regelmäßigkeit und zerbrechlichem Baustoffe. Die Waben sind durch Bänder an die Hülle und durch spiralig gewundene Papierstreifen miteinander befestigt. An diesen letzteren Verbindungsstellen behalten sie Oeffnungen, so daß die Streifen gewissermaßen die [243] Treppen darstellen, welche zu den Waben führen. Indem sie aber wieder als Böden der Zellen dienen, erfüllen sie einen dreifachen Zweck. Das Innere ist von zahlreichen Aesten durchzogen, welche dem losen Baue mehr Halt verleihen. Derartige Nester erlangen manchmal 62,8 Centimeter im Durchmesser und sind außerordentlich reich an Zellen. Diese Andeutungen müssen genügen, um einen Begriff von der großen Mannigfaltigkeit zu geben, welche uns neben der Zierlichkeit in der Ausführung das höchste Staunen abnöthigt. Alle diese Bauten sind nur auf einen Sommer berechnet. Im Frühlinge wurden sie von einem befruchteten Weibchen, welches den Winter über versteckt war, begonnen, mit der Zeit durch die zahlreichen Arbeiter vergrößert, genau in dem Plane, welchen die Stammmutter angab, und wenn die böse Zeit herannaht, sind sie verödet und verlassen, gerade so wie bei den Hummeln.

Die mehrfach erwähnte, hauptsächlich in Südamerika zahlreich vertretene, überhaupt nur den Gleicherländern angehörige Gattung Polybia erinnert in der äußeren Erscheinung lebhaft an Eumenes. Der Hinterleib ist hier ebenfalls durch einen hinten stark angeschwollenen Stiel vom Bruststücke abgerückt. Gedenkt man aber der bereits angeführten Sippenunterschiede, daß hier die Mittelschienen immer zwei Enddornen, die Füße einfache Klauen tragen, daß die Augen nicht bis zur Wurzel der Kinnbacken herabreichen, so wird man nicht im Zweifel sein, ob man eine gesellige oder eine einsam lebende Wespe vor sich habe. Ueberdies erreichen die Polybien nicht die Größe vieler Eumenesarten, haben vom zweiten Gliede ab einen mehr ovalen oder fast kugeligen Hinterleib, während er sich dort in der Regel spindelförmig nach hinten stark zuspitzt. Der Körperfärbung scheint hier eine andere Idee zu Grunde zu liegen, und so lassen sich allerlei Unterscheidungsmerkmale zwischen beiden auffinden.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 242-244.
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