Die Spinnenthiere [630] (Arachnoida)

Bei den Kerfen gliedert sich, wie früher gezeigt wurde, der Körper in drei verschiedenartige Theile, von welchen der mittelste die sechs Beine und meist auch Flügel trägt, bei den Tausendfüßlern in zahlreiche, gleichartige Ringe mit entsprechend vielen Beinen und einem deutlich davon abgesetzten, Fühler tragenden Kopfe; bei denjenigen Gliederfüßlern, welche die Forscher als Spinnenthiere (Arachnoida) zusammenfassen, gestalten sich diese Verhältnisse abermals anders. Der Körper zerfällt hier in ein vorderes Stück, den sogenannten Kopfbrusttheil (Kopfbruststück, cephalothorax), und in den Hinterleib. Jener erscheint mit wenigen Ausnahmen, in welchen er aus vier ganz gleichen Ringen besteht, als ein ungetheiltes Ganzes, dessen Rückenplatte ein großes, mehr oder weniger gewölbtes, den Ursprung sämmtlicher Gliedmaßen überdeckendes Schild darstellt, während sein von den Hüften der Gliedmaßen rings umgebener Brusttheil meist auf einen geringen Umfang beschränkt bleibt. Auch bei den weiterhin folgenden Krebsen findet sich ein Kopfbrusttheil, der, wie der Name andeuten soll, durch Verschmelzung von Kopf und Mittelleib entstanden ist. Nicht so verhält es sich bei den Spinnenthieren, wo der Kopf gar nicht zur Entwickelung gelangt ist, wie die Augen und die Fühler beweisen. Jene, nur einfacher Art, schwanken zwischen zwei und zwölf, fehlen auch gänzlich und nehmen keinen bestimmten Platz ein, sondern gruppiren sich für die verschiedenen Arten in sehr charakteristischer Weise über die ganze vordere Breite des Kopfbruststücks. Unter dem freien Vorderrande des letzteren lenkt sich ein bei den verschiedenen Spinnenthieren verschieden gebildetes Gliederpaar ein, welches seiner Verwendung und äußeren Erscheinung nach für den Oberkiefer gelten muß, ohne jedoch dem Wesen nach ein solcher zu sein; denn es entspringt über der Mundöffnung und bekommt seine Nerven von dem oberen Nervenknoten, wie bei den bisher betrachteten Gliederfüßlern die Fühlhörner. Man hat darum diese mit den Verrichtungen der Kinnbacken betrauten Fühler nicht unpassend als Kieferfühler bezeichnet und sie als charakteristisches Merkmal der Spinnenthiere angesehen, denen die Fühler im bisherigen Sinne fehlen. Außer den Kieferfühlern kommen noch fünf Paare von Gliedmaßen vor, von denen die vier hintersten ganz das Ansehen von Gangbeinen haben, die drei letzten auch entschieden denselben Werkzeugen bei den Insekten entsprechen. Weil aber die vorderen die Stelle der Unterkiefer vertreten und in den verschiedenen Ordnungen immer wieder anders gebildet sind, so kommen wir bei Besprechung der letzteren nochmals auf alle diese Verhältnisse zurück. Hier sei nur bemerkt, daß die Freßwerkzeuge bei der Mehrzahl der von thierischen Stoffen lebenden Spinnenthiere Giftwaffen enthalten, mit denen sie ihre Beute schnell tödten. Der Hinterleib ist bisweilen gegliedert, aber häufiger aus einem einzigen Stücke gebildet und niemals mit Beinen versehen, wie [630] so häufig bei den Krebsen. Das Athmen erfolgt durch sackartige, in Falten gelegte Lungen, durch Luftröhren, oder auf der niedrigsten Stufe durch die Haut. Somit begreifen wir, um das Gesagte nochmals kurz zusammenzufassen, unter den Spinnenthieren diejenigen Gliederfüßler mit eingegangenem Kopfe, die am Kopfbruststücke kieferförmige Fühler, einfache Augen, höchstens vier Paar Beine, keine dergleichen am Hinterleibe tragen und durch Lungen, Luftröhren oder die Haut athmen. Eine Formveränderung während der Entwickelung kommt bei ihnen im Sinne der vollkommenen Kerfmetamorphose nicht vor.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 630-631.
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