Korallenotter (Elaps corallinus)

Korallenotter (Elaps corallinus). 2/3 natürl. Größe.
Korallenotter (Elaps corallinus). 2/3 natürl. Größe.

[405] Eine der prachtvollsten Arten ist die Korallenotter (Elaps corallinus, Coluber corallinus, Micrurus Spixii, Elaps circinalis und gastrostictus), eine Schlange von sechzig [405] bis siebzig Centimeter Länge, wovon der Schwanz etwa zehn Centimeter wegnimmt. »Die Grundfärbung des ganzen Thieres«, sagt der Prinz, »ist ein prächtiges Zinnoberroth von ungemein lebhaftem, am Bauche etwas mattem Glanze. Diese schöne rothe Farbe ist an dem Rumpfe in ziemlich regelmäßigen Zwischenräumen durch sechzehn bis neunzehn schwarze, rundumlaufende, etwa zehn bis vierzehn Millimeterbreite Ringe unterbrochen, welche an ihrem vorderen oder hinteren Rande von der rothen Farbe durch einen schmalen, grünlichweißen Ring höchst sauber geschieden werden. Alle rothen und grünlichweißen Ringe sind schwarz punktirt, da jede ihrer Schuppen eine schwarze Spitze hat. Die vordere Hälfte des Kopfes ist bläulichschwarz, ebenso die der Kopfschilder; neben den beiden Hinterhauptsschildern beginnt ein grünlichweißer Streifen, zieht sich hinter dem Auge herab und färbt den ganzen Unterkiefer; hinter diesem liegt ein schwarzes Halsband oder der erste schwarze Ring, auf welchen alsdann der rothe folgt. Der Schwanz ist gewöhnlich nicht roth gefärbt, sondern zeigt auf schwarzem Grunde etwa acht weißliche Ringe und eine kurze, weiße Endspitze. Die Färbung scheint sehr beständig zu sein.«

Die Korallenotter bewohnt, nach Angabe des Prinzen, die großen Waldungen und Gebüsche bei Rio de Janeiro, Cabo Frio und am Parahyba, kommt aber ebenso in Mejiko vor. Auf ganz offenen Stellen bemerkt man sie seltener, obschon sie zuweilen auch hier, ja selbst in der Nähe der Wohnungen gefunden wird. In Sümpfen scheint sie nicht zu leben, vielmehr sandigen Grund oder den kühlen, feuchten Boden der Wälder, wo Pflanzen, faulende, abgefallene Blätter und dergleichen ihr Zufluchtsorte gewähren, allen anderen Oertlichkeiten zu bevorzugen. »Der Jäger«, schildert der Prinz, »welcher jenen mit Pflanzen dicht überzogenen Waldboden betritt, staunt [406] überrascht und erfreut, wenn er im Grünen die brennendrothen Ringe dieser Zierde der Schlangen glänzen sieht, und bloß Ungewißheit über die Gefährlichkeit oder Unschädlichkeit des Thieres hält ihn anfänglich ab, seine Hand nach dem schönen Gegenstande auszustrecken; wir jedoch lernten bald, daß keine Gefahr dabei war, wenn wir diese Thiere aufhoben und lebend in unseren Taschen mit umhertrugen. Ich habe die Korallenotter auf meinen Jagdausflügen häufig gefunden, obgleich in der warmen Jahreszeit mehr als in der kalten. Sie gehört nicht zu den schnellen Schlangen, sondern wird bald eingeholt, kann auch die Bäume nicht besteigen wie viele andere Verwandte in den Urwäldern von Brasilien. Ihre Nahrung besteht in kleinen Thieren: größere zu verschlingen, erlaubt ihr die Bildung des Mundes und der Kehle nicht. Wahrscheinlich nährt sie sich, wie die Doppelschleichen, größtentheils von Ameisen und Termiten. Einen besonderen Geruch in der Paarzeit habe ich bei diesen Schlangen nicht bemerkt, ihren Leib aber öfters mit Eiern angefüllt gefunden.

Die Brasilianer erzählen den Fremden gewöhnlich bald von diesen schönen Thieren, da sie selbst von dem seltenen Glanze ihrer Farben eingenommen sind; sie halten dieselben aber wie die meisten Schlangen für giftig; ja, viele Leute glauben, daß die Korallenotter noch eine andere kleine Schlange im Halse trage, welche beiße. Allein ich muß wiederholen, daß ich alle mir bekannten Korallenottern für gänzlich unschädlich halte.«

Eine der gewöhnlichsten Prunkottern Rio Grande do Suls wird ebenfalls als höchst giftiges Thier außerordentlich gefürchtet. Doch schreibt ihr der Brasilianer anstatt der Giftzähne einen eisernen Stachel an der Schnauzenspitze zu, mit welchem sie tödtlich verwunden soll. »Ich habe«, sagt Hensel, »trotz aller Anfrage niemals jemanden gefunden, welcher Augenzeuge einer Vergiftung durch den Biß dieser Schlange gewesen wäre. Immer nur wurden die Erfahrungen und Erzählungen anderer wiederholt. Auch zeigten alle von mir getödteten Korallenschlangen keine Spur einer Widersetzlichkeit, sondern suchten sich bloß durch die Flucht zu retten, so daß die Erzählungen, welche über die Gefährlichkeit dieses Thieres im Gange, ohne Zweifel erfunden oder wenigstens übertrieben sind.«

Nach Seba's Bericht benutzen die Indierinnen eine andere dieser Sippe zugehörige Art, die Schoß- oder Mädchenschlange (Elaps hi giae), in der warmen Jahreszeit zur Kühlung, indem sie sich dieselbe um den Hals legen, weil sie nicht beiße, und auch der Prinz scheint etwas ähnliches gesehen zu haben, weil er sagt: »Getödtet und um den dunklen Hals der Neger oder Indianer gewunden, glich diese schöne Natter den bunten Halsschnüren, welche die Bewohner von Owayhi zur Zeit der Anwesenheit des Capitäns Cook aus Vogelfedern verfertigten.«

Ueber das Gefangenleben der Prunkottern hat mir ein Thierhändler folgendes mitgetheilt. Er bekam eines dieser ihm wegen der prachtvollen Färbung sehr auffallenden Thiere in einem weitmündigen Glase zugesandt und pflegte es, weil er fürchtete, es nicht lange am Leben zu erhalten, mit besonderer Sorgfalt. Ameiseneier, Mehlwürmer und Fleischstückchen wurden verschmäht; als aber eine Maus gereicht worden war, zeigte sich die Schlange augenblicklich errregt und beeilte sich, das Opfer zu tödten. Sie biß es nicht, erstickte es auch nicht durch Umschlingen, sondern drückte es so fest gegen die Wand des Behälters, daß es bald verendete. Hierauf packte sie die Maus und quetschte und drückte sie so lange, bis sie mundgerecht geworden war und verschluckt werden konnte. Dem Pfleger gegenüber zeigte sich auch diese Korallenotter sanft und gutmüthig, biß nie, benahm sich überhaupt durchaus nicht wie eine Giftschlange.

In unseren Museen gewinnt man kein richtiges Bild von der Pracht dieser Thiere. Zieht man ihnen die Haut ab, so erblassen die schönen rothen Ringe sehr bald, und wirft man sie in Weingeist, so verschwinden dieselben mehr oder weniger, zuweilen gänzlich. Die Farbestoffe scheinen durch den Weingeist aufgelöst und ausgezogen zu werden; denn dieser nimmt von ihnen eine blaßröthliche Färbung an.


*


Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Siebenter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Erster Band: Kriechthiere und Lurche. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 405-407.
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