Uräusschlange (Naja Haje)

[431] Die Uräusschlange, Aspis, Haie oder egyptische Brillenschlange, von den Ansiedlern am Kap auch wohl Speischlange genannt (Naja Haje, Coluber Haje, niveus und candissimus, Vipera melanura, Cerastes candidus, Echidna flava, Naja regalis), übertrifft ihre asiatische Verwandte noch etwas an Größe, da die Länge eines ausgewachsenen Stückes reichlich zwei Meter beträgt. Hinsichtlich der Färbung läßt sich von ihr ebensowenig etwas allgemein gültiges sagen als von der Brillenschlange. Die meisten und namentlich die egyptischen Aspiden sehen auf der Oberseite gleichmäßig strohgelb, auf der unteren lichtgelb aus, haben jedoch in der [431] Halsgegend mehrere verschieden breite, dunklere Querbänder, welche sich über einige Schilder erstrecken. Nun aber gibt es Spielarten, welche oben von Strohgelb bis Schwarzbraun alle Schattirungen und unten ebenfalls die verschiedensten Färbungen zeigen. Einzelne dieser Spielarten hat man als besondere Arten aufgestellt; die Veränderlichkeit der Uräusschlange ist aber so groß, daß man, laut Günther, selbst in Zweifel gerathen kann, ob man eine Brillenschlange oder eine Aspis vor sich hat. Sorgfältige Vergleichung von siebzig im Londoner Museum aufbewahrten Uräusschlangen ließ den ebengenannten Forscher die Haltlosigkeit aller dieser sogenannten Arten erkennen.

Angenommen, daß alle in Frage kommenden Aspiden zu einer Art gezählt werden müssen, hat man als Verbreitungskreis des gefährlichen Thieres ganz Afrika anzusehen. In den Nilländern kommt sie an geeigneten Orten sehr häufig vor; in Südostafrika und im Kaplande ist sie gemein; an der Westküste fehlt sie nirgends; im Innern Afrikas hat sie Livingstone wiederholt beobachtet oder von ihr erzählen hören. Ihre Aufenthaltsorte sind verschieden. In dem baumlosen Egypten bewohnt sie die Felder und die Wüste, zwischen Getrümmer und Felsgestein ihre Schlupfwinkel suchend, auch wohl in der Höhle einer Renn-oder Springmaus Wohnung nehmend; im Sudân und am Vorgebirge der Guten Hoffnung hält sie sich im Walde und in der Steppe auf, wo ihr verschiedene kleine Säugethiere überall Behausungen bereiten oder unterhöhltes Gewurzel der Bäume solche gewähren; in den Gebirgen, welche sie keineswegs meidet, findet sie unter größeren Steinblöcken oder selbst in dem dichten Pflanzengestrüpp, welches den Boden hier überzieht, der Versteckplätze genug. Sie ist nirgends selten; trotzdem begegnet man ihr nicht so häufig, als man glauben möchte. Ich habe sie in der Nähe verschiedener Tempel, im Urwalde und auch im abessinischen Hochlande erlegt; wenigstens nehme ich an, daß eine Giftnatter von zwei Meter Länge, welche ich im Bogoslande mit einem Schrotschusse tödtete, trotz der abweichenden Färbung unsere Aspis war.

Geoffroy versichert, daß sich die egyptischen Fellahhin von ihr nicht in ihren Geschäften stören lassen, wenn sie ihr in den Feldern begegnen, weil sie wissen, daß sie nicht angreift, wenn man sich ihr etwas entfernt hält, sondern ruhig mit aufgerichtetetem Kopfe liegt, dem Menschen jedoch immer mit den Blicken folgt. Diese Angabe bedarf der Berichtigung. Die Haie wird von allen Egyptern überaus gefürchtet und, wenn dies möglich, jederzeit umgebracht; was jedoch das Nichtangreifen anlangt, so ist dazu zu bemerken, daß sie in der Regel allerdings flüchtet, wenn sie den Menschen sieht, und zwar so eilig als möglich, sich aber sofort aufrichtet und zur Wehre stellt, wenn jemand ihr wirklich entgegentritt, überhaupt ihre Gereiztheit und ihre Wuth in sehr verständlicher Weise an den Tag legt. Glaubt sie etwas ausrichten zu können, so stürzt sie sich, nach übereinstimmender Versicherung verschiedener Schlangenfänger, auf den Gegner, und letzterer hat dann alle Ursache, sich vorzusehen. Diese Behauptung der Egypter wird von Smith, Anderson und Livingstone oder vielmehr Waller, dem Herausgeber der letzten Mittheilungen des Reisenden, lediglich bestätigt. Smith bemerkt, daß die Uräusschlange niemals flieht und von der Vertheidigung nicht selten zum Angriffe übergeht; Anderson und Livingstone erzählen auch bezeichnende Geschichten, welche dasselbe bekunden. »Einer meiner Freunde«, sagt der erstgenannte, »entkam einmal mit vieler Noth einer solchen Schlange. Als er eines Tages beschäftigt war, ein seltenes Gewächs aufzunehmen, fuhr ihm eine Aspis nach der Hand. Er hatte keine Zeit, sich umzudrehen, sondern flüchtete rückwärts, so schnell ihn seine Füße tragen konnten. Die Schlange folgte ihm jedoch auf dem Fuße nach und würde ihn eingeholt haben, hätte die Jagd noch einige Sekunden länger gedauert. Aber in demselben Augenblicke strauchelte er über einen Ameisenhaufen und fiel rücklings hin. Während er so dalag, sah er die Schlange pfeilschnell vorüberschießen.« Livingstone's, beziehentlich Wallers Mittheilung spricht mehr als vorstehendes noch für das angriffsweise Vorgehen der Aspis. »Ein kleines Mädchen fand in erschütternder Weise seinen Tod. Es ging in der Reihe der Träger ihres Weges, als plötzlich eine große Schlange hervorschoß, es in den Schenkelbiß und hierauf in einer nahen Höhle verschwand. Diese That des Augenblickes war hinreichend, das beklagenswerthe Mädchen tödtlich zu verwunden. Alle Mittel wurden angewendet; [432] aber in weniger als zehn Minuten verhauchte das Kind sein Leben. Dieser sicher festgestellte Fall beweist die Wahrheit der Angaben mehrerer Reisender in verschiedenen Theilen Afrikas. Die Eingeborenen versichern, daß eine mächtige Giftschlange ihre Beute mit Blitzesschnelle verfolgt und einholt, und daß diejenigen, welche ihre Gewandtheit und Furchtbarkeit kennen, es meiden, ihrem Schlupfwinkel sich zu nähern. Merkwürdig genug: ein Araber erzählte jenen Trägern, mit denen er später in Sansibar zusammentraf, daß er kurze Zeit nach dem erwähnten Unglücksfalle den gleichen Weg gezogen, und daß einer seiner Träger an der nämlichen Stelle von derselben Schlange angegriffen worden und der Ausgang ein nicht minder unheilvoller gewesen sei.« Die Schlange wird nun zwar nicht als Aspis bezeichnet, kann aber keine andere gewesen sein. Mindestens beachtungswerth ist, daß die Ansiedler am Vorgebirge der Guten Hoffnung und die Neger der Westküste dieselbe Ueberzeugung hegen wie die Alten, daß nämlich die Aspis ihr Gift von sich speien und dadurch einen Angreifer gefährden könne. Gordon Cumming versichert, daß ihm selbst ein derartiges Mißgeschick begegnet sei, und er infolge dessen eine ganze Nacht die heftigsten Schmerzen habe aushalten müssen. Gordon Cumming hat nun freilich manches erzählt, was er nicht verantworten kann, in diesem Falle auch wohl eine allgemein verbreitete Ansicht der Eingeborenen wiedergegeben: etwas wahres scheint übrigens doch an der Sache zu sein. »Die Aspisschlangen«, schreibt mir Reichenow, »sind nebst der Puffotter an der Goldküste sehr häufig. Sie bewohnen die gemischten Steppen und meiden den dichten Wald. In der Mittagshitze kriechen sie gern auf die Wege hinaus, um sich zu sonnen. Stößt dann jemand auf sie, so richten sie sich steil empor, zischen, blasen den Hals auf und speien eine Flüssigkeit auf die Entfernung eines Meters gegen den Ruhestörer, wobei sie immer nach den Augen zu zielen scheinen. Die Menge dieser Flüssigkeit ist ziemlich bedeutend, da die Schlangen oft dreimal hinter einander speien und ihnen schließlich der Saft vom Maule herabtropft. Nach Angabe der Missionäre an der Goldküste sowie der Eingeborenen erfolgt Erblindung, wenn jener Geifer in das Auge kommt. Ich will bemerken, daß mir auch Effeldt von ähnlichen, an Klapperschlangen gemachten Erfahrungen berichtet, aber gleichzeitig versichert hat, daß solcher Speichel, welcher mit Gift vermischt sein kann, keine andere Wirkung auf die Hornhäute auszuüben vermag, als irgend welche andere ätzende Flüssigkeit.« Uebereinstimmend mit Reichenow erzählt mir Falkenstein von dem Anspeien der Uräusschlange und scheint dies als ein sehr gewöhnliches Vorkommnis zu betrachten. »Ist ein Neger von ihr bespieen worden, so wäscht sich derselbe, wie mir mitgetheilt wurde, an der betreffenden Stelle mit Frauenmilch; denn diese gilt als untrügliches Heilmittel«.

Hinsichtlich der Art und Weise, sich zu bewegen, kommt die Haie, wie es scheint, vollständig mit der Brillenschlange überein. Auch sie ist gewandt auf dem Boden, geht oft und freiwillig ins Wasser, schwimmt sehr gut und klettert wie ihre Verwandte.

Die Beute der Aspis besteht in allerlei kleinen Thieren, insbesondere in Feld-, Renn- und Springmäusen, Vögeln, welche am Boden leben und deren Brut, Eidechsen, anderen Schlangen, Fröschen und Kröten, je nach Oertlichkeit und Gelegenheit. Im allgemeinen mag sie, wie alle Giftschlangen überhaupt, durch ihre Räubereien sich nützlich erweisen; der Gewinn aber, welchen sie den Menschen bringt, darf schwerlich hoch angeschlagen werden, und die allgemeine Verfolgung, welchen sie heutigentages erleidet, ist gewiß vollkommen gerechtfertigt.

Jeder egyptische Gaukler fängt sich die Aspiden, deren er zu seinen Schaustellungen bedarf, selbst ein, und zwar auf sehr einfache Weise. Bewaffnet mit einem langen, starken Stocke aus Mimosenholz, dem sogenannten Nabút, besucht er versprechende Plätze und stöbert hier alle geeigneten Schlupfwinkel durch, bis er einer Haie ansichtig wird. An dem einen Ende des Stockes hat er ein Lumpenbündel befestigt, und dieses hält er der Schlange vor, sobald sie drohend sich aufrichtet und Miene macht, von der Vertheidigung zum Angriffe überzugehen. In der Wuth beißt sie in die Lumpen, und in demselben Augenblicke wirft der Fänger mit einer raschen Bewegung den Stock zurück, in der Absicht, ihr die Zähne auszubrechen. Niemals aber begnügt er sich mit einem Versuche, sondern [433] foppt und reizt die Schlange so lange, bis sie viele Male gebissen, ihre Giftzähne bestimmt verloren und sich gleichzeitig vollständig erschöpft hat. Nunmehr preßt er ihren Kopf mit dem Knüppel fest auf den Boden, nähert sich vorsichtig, packt sie am Halse, drückt sie an der ihm bekannten Stelle des Nackens, versetzt sie in eine Art von Starrkrampf und untersucht ihr endlich das Maul, um zu sehen, ob wirklich die Giftzähne ausgerissen wurden. Auch er weiß sehr wohl, daß diese Waffen sich von selbst wieder ersetzen, und unterläßt es nie, von Zeit zu Zeit das alte Spiel zu wiederholen.

Von der Wahrheit vorstehender Worte habe ich mich durch eigene Beobachtung überzeugt. Während wir uns in Fajum am Mörissee aufhielten, erschien eines Tages ein Haui in unserer Wohnung und versicherte uns, daß in derselben Schlangen sich eingenistet hätten, und er gekommen sei, dieselben zu vertreiben. Ich entgegnete ihm, daß wir das letztere bereits selbst besorgt hätten, jedoch geneigt wären, ihm eine Schaustellung vor uns zu gestatten. Sofort öffnete er den mitgebrachten Schlangensack und ließ sechs bis acht Aspiden in unserem Zimmer »tanzen«. Nunmehr ersuchte ich ihn, mir einige zu bringen, welche noch im Besitze ihrer Giftzähne seien, da ich wisse, daß die, welche wir vor uns sähen, gedachte Zähne nicht mehr besäßen. Er betheuerte das Gegentheil, bis wir uns ihm als Schlangenbeschwörer aus Frankistan, dem Lande der Europäer, also gewissermaßen als Berufsgenossen vorstellten. Das Glück, welches ich habe, wenn ich irgend eine Thierbude besuche und erkannt werde, nämlich, mit größter Zuvorkommenheit behandelt und »Herr Kollege« genannt zu werden, wurde mir auch in diesem Falle zu theil. Unser Haui zwinkerte vielsagend mit den Augen und ließ einige landläufige Redensarten über »leben und leben lassen, Härte des Schicksals, Schwierigkeit des Broderwerbes, dummes Volk, Söhne, Enkel, Urenkel und Nachkommen von Eseln« (worunter er seine hochachtbaren Schaugäste verstand) und ähnliches mehr vernehmen, versprach auch schließlich, wahrscheinlich mehr durch die in Aussicht gestellte Belohnung als durch Rücksichten der Berufsgenossenschaft bestimmt, mir, dem europäischen Schlangenbeschwörer und dessen Freunde, dem berühmten Arzte, eine große Haie mit Giftzähnen zu bringen. Schon am anderen Tage erschien er mit dem bekannten Ledersacke auf der Schulter wieder in unserem Zimmer, legte den Sack auf den Boden, öffnete ihn ohne alle Possen mit äußerster Vorsicht, hielt seinen Stock bereit und wartete auf das Erscheinen der Schlange. Hervor kam das zierliche Köpfchen: aber ehe noch so viel vom Leibe zu Tag gefördert worden war, daß die Haie zur » Ara« werden konnte, hatte er sie vermittels des Stockes zu Boden gedrückt, mit der Rechten im Nacken gepackt, mit der Linken die Leibesmitte sammt des sie umhüllenden Ledersackes gefaßt und – entgegenstarrten uns bei der Oeffnung des Maules unversehrt beide Gifthaken. »So, mein Bruder«, sagte er, »mein Wort ist das der Wahrheit, meine Rede ohne Trug. Ich habe sie gefangen, die gefährliche, ohne sie zu verletzen. Gott, der erhabene, ist groß und Mahammed sein Profet.«

Eine Minute später schwamm die Haie in einer mit Weingeist gefüllten, sehr großen, bauchigen Flasche und mühte sich vergebens, den Kork derselben auszustoßen. Minutenlang schien der Weingeist auf sie nicht den geringsten Einfluß zu äußern; nach Verlauf einer Viertelstunde aber wurden ihre Bewegungen matter, und wiederum eine Viertelstunde später lag sie, bewegungslos zusammengeringelt, am Boden des Gefäßes.

Ungeachtet aller Vorsicht, welche der Haui beim Fange und bei der Behandlung seiner Schlangen anwendet, geschieht es doch zuweilen, daß er gebissen wird und an den Folgen verendet. Ein Gegenmittel wendet er, so viel mir bekannt, nicht an. Im Kaplande hingegen sind Mittel, denen man Heilkräfte zuschreibt, allgemein im Gebrauch. Die Engländer bedienen sich des Luzienwassers, des Salmiakgeistes usw.; die holländischen Bauern schlitzen, laut Anderson, einer lebenden Henne die Brust auf und legen sie auf die durch den Schlangenbiß entstandene Wunde. Ihre Ansicht ist nun, daß an der Henne sogleich Zeichen der Vergiftung sich bekunden, wenn das Schlangengift tödtlich ist, d.h. sie matt wird, den Kopf senkt und stirbt. Nach der ersten nimmt man eine zweite, dritte und vierte Henne, wenn dies nöthig scheinen sollte, bis man an einer keine Anzeichen der Vergiftung [434] mehr bemerkt. Nunmehr, so glaubt man, ist der Gebissene außer aller Gefahr. Ein Frosch, welchen man auf die nämliche Weise anwendet, thut übrigens denselben Dienst, also wohl gar keinen. Eine Art weißer Bohne, welche in mehreren Theilen der Ansiedelung wächst und »Herrenbohne« genannt wird, gilt ebenfalls als Mittel gegen Biß von Schlangen und anderen giftigen Thieren. Sie wird zerschnitten, auf die Wunde gelegt und setzt sich hier so fest, daß sie nur mit Gewalt wieder entfernt werden kann, fällt aber ab, nachdem sie das Gift herausgezogen hat. Früher galt Schildkrötenblut als ein äußerst wirksames Gegenmittel, wurde deshalb von den Eingeborenen auf ihren Reisen beständig mitgeführt und betreffendenfalls eingenommen, auch gleichzeitig auf die wunde Stelle gelegt. Was man von solchen Mitteln zu halten hat, bedarf keiner Erwähnung.

Die Aspis kommt oft lebend nach Europa, gewöhnlich aber auch nur mit ausgerissenen Giftzähnen, und geht dann meist zu Grunde, obgleich sie sich leichter als andere Giftschlangen in die Gefangenschaft fügt, bald zum Fressen bequemt und nach und nach wirklich mit ihrem Geschick aussöhnt. Anfangs freilich wird sie, wenn sich der Pfleger ihrem Behältnisse nähert, regelmäßig zur »Ara« und bleibt manchmal stundenlang in ihrer aufgerichteten Stellung; später je doch mindert sich ihre Reizbarkeit, obschon sie mit ihrem Pfleger wohl niemals in ein freundschaftliches Verhältnis tritt. Aspiden, welche Effeldt gefangen hielt, gingen, trotzdem sie keine Gifthaken hatten, bald ans Fressen, nahmen zuerst lebende, später todte Mäuse und Vögel, bevorzugten die Säugethiere den Vögeln und verschmäheten Kriechthiere und Lurche, griffen diese mindestens nicht an und bewiesen insofern Abscheu vor ihnen, als sie sich zurückzogen, wenn jene sich um sie her bewegten. Wasser schien zu ihrem Wohlbefinden unumgänglich nöthig zu sein: sie badeten sehr regelmäßig und verweilten mit ersichtlichem Behagen stundenlang in ihrem Badebecken. Etwa nach Jahresfrist waren ihre Gifthaken wiederum ausgebildet und sie nunmehr nur mit äußerster Vorsicht zu behandeln, da ihre Angriffe unvermuthet und blitzschnell geschehen, sie den Kopf auch erstaunlich weit vor- oder emporwerfen.

Ueber das Gefangenleben hat Günther nach Beobachtungen im Londoner Thiergarten einen eingehenden und fesselnden Bericht gegeben. »Einen auffallenden Gegensatz zu den trägen Wasservipern bilden ihre gefährlichen Nachbarn, zwei prachtvolle Stücke der schwarzen Spielart der Uräusschlange. Bei ihrer Lebhaftigkeit und Größe bedürfen sie eines ziemlich großen Raumes. Die Gläser des Käfigs sind bis zu einem Drittel der Höhe mit Oelfarbe undurchsichtig gemacht worden, sowohl um den Schlangen, welche bei ihrer Reizbarkeit in beständiger Aufregung erhalten sein würden, mehr Ruhe zu verschaffen, als auch, um sie, wenn sie aufgeregt werden sollten, eher zu veranlassen, sich in die Höhe zu richten und über den dunkleren Theil des Glases hinauszusehen. Sie thun dies nun immer auf die geringste Veranlassung hin. Kommen sie bei einer solchen Gelegenheit oder bei der Fütterung einander zu nahe, so fangen sie an, mit einander zu kämpfen: sie wenden sich gegen einander mit aufgerichtetem Körper, dehnen ihre Hälse so weit als möglich aus, und eine sucht sich immer höher als die andere aufzurichten, während sie stets gegen einander beißen. Auffallenderweise verwunden sich diese Thiere nicht; als aber vor einiger Zeit eine dritte zu ihnen gebracht wurde, entspann sich ein Kampf, in welchem letztere gebissen worden sein mußte; denn sie war am folgenden Morgen todt. Von den Thieren, welche zu ihnen gebracht werden, tödten sie alles, selbst wenn sie nichts davon fressen. Die Bewegung zum Beißen wird mit einer außerordentlichen Schnelligkeit ausgeführt, und obwohl man die Schlange das Thier berühren sah, so kann man doch nicht glauben, daß es wirklich gebissen sei, bis es nach wenigen Sekunden in kurz dauernde Zuckungen verfällt. Das Maul wird dabei nur sehr wenig geöffnet und die Verwundung mehr in der Art eines Ritzes als eines Einstiches zugefügt, wie wenn man etwa mit einer senkrecht gehaltenen Nadel an der Seite eines Thieres hinunterführe, statt dieselbe in den Körper einzustecken. Sie liegen oft und lange im Wasser, gehen aber nur im Winter ganz unter die Teppiche.«


*


Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Siebenter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Erster Band: Kriechthiere und Lurche. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 431-435.
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