[330] Bei der über ganz West- und Mittelafrika verbreiteten Assala, Tenne oder Hieroglyphenschlange (Python Sebae, Coluber Sebae und speciosus, Boa hieroglyphica, Python hieroglyphicus und Constrictor rex) dagegen sind die Zwischennasenschilder kürzer als die Schnauzenschilder, die beiden Vorderstirnschilderpaare klein oder auf eines verkümmert, drei Paar Scheitelschilder vorhanden, die Gruben in den Rüssel- und den Oberlippenschildern endlich ebenso wie bei der Natalschlange vertheilt. Den Oberkopf nimmt ein dunkelbrauner oder [330] schwärzlicher Pfeilflecken so weit ein, daß seitlich nur ein schmaler weißgelblicher Streifen übrig bleibt; der Leib zeigt auf graugilblichem Grunde bräunliche Flecken von vielfach wechselnder Gestalt, deren Inneres meist lichter als der Rand ist, sowie Querbänder, welche wie die Flecken jederseits von einer dunklen, nach unten hin an ein lichtgelbes Feld stoßenden Längsbinde ausgehen. Die Unterseite sieht graugelb aus.
Falls der alte Bosmann wirklich richtig beobachtet hat, gebührt der Name »Abgottschlange« dieser Art der Familie; denn sie ist es, welche in manchen Ländern der Guineaküste unter der Pflege von Priestern in Tempeln verehrt wird. Nach Erzählung des Franzosen Marchais soll die Verehrung der Schlange einen gewichtigen Grund haben. Als einst das Heer des Königs von Wida in Schlachtordnung stand, kam vom Feinde eine Abgottschlange herüber und benahm sich so zutraulich, sanft und zahm, daß sie jeder streicheln durfte. Der Oberpriester nahm sie auf den Arm und that wie einst Moses vor den Kindern Israels: er machte sie zum Götzen.
Die Neger fielen nieder, um die neue Gottheit anzubeten, stürzten sich hierauf muthig auf den Feind und schlugen ihn in die Flucht. Wem anders, als der Schlange konnte man so hohes Glück verdanken? Ihre Wunderkraft hatte sich glänzend bewährt, und deshalb hielt man es für nothwendig, ihr [331] einen Tempel zu erbauen und einen Schatz für ihren Unterhalt zu gründen. Bisher hatte man der Dreizahl gehuldigt und den Fetisch des Fischfanges, den Gott der Gesundheit und den Götzen des weisen Rathes angebetet; die Schlange aber erwarb sich, wie ihrem Geschlechte vom Paradiese herzukommt, bald gewisse Vorrechte, so daß man die drei Götter ihr gegenüber vernachlässigte. Sie wurde zur Göttin des Krieges, des Ackerbaues und des Handels erhoben, muß auch ausgezeichnete Dienste geleistet haben; denn bald war der erste Tempel nicht mehr groß genug, um die Wallfahrer zu fassen. Man sah sich genöthigt, neue Gebäude zu ihrer Verehrung zu errichten; Priester und Priesterinnen fanden sich, um ihr zu dienen; alljährlich wurden einige der schönsten Jungfrauen ausgesucht und ihr geheiligt. Anfänglich mögen sich die Gläubigen freiwillig eingefunden haben; später wurden sie mit Gewalt zum Dienste der Göttin gezwungen. Mit schweren Keulen bewaffnet, streiften die Priesterinnen umher, um die Jungfrauen zu holen; wer sich ihren heiligen Verrichtungen widersetzte, wurde zwar nicht mit Bann und mit Scheiterhaufen, wohl aber mit dem Knüppel bedroht. Sie nahmen die schönsten Mädchen mit sich, und diese hielten es für eine hohe Ehre mit dem Fetisch vermählt zu werden. Zuerst lehrte man sie Hymnen singen, dann heilige Tänze aufführen; hierauf verschnitt man ihnen das Haar und grub ihnen heilige Zeichen in die Haut ein. Nachdem sie in solcher Weise zur Vermählung mit dem Gotte würdig vorbereitet waren, führte man sie bei rauschender Musik, Gesang und Tanz, ihr erhabenes Geschick preisend, in ein dunkles, unterirdisches Gemach. Die aus der heiligen Höhle zurückkehrenden Jungfrauen erhielten den Titel »Schlangenbraut«, durften jedoch trotzdem nach eigenem Belieben sich anderweitig verheiraten, und der Glückliche, auf welchen ihre Wahl fiel, erwies ihnen die höchste Ehrfurcht und Unterwürfigkeit. Aber unverbrüchliches Schweigen mußten sie bewahren über das, was in der Höhle mit ihnen vorgegangen; denn wenn sie sich unterstanden, auszuplaudern, so wurden sie von Priestern aufgehoben und getödtet, und jedermann war zu dem Glauben berechtigt, daß die Schlange an ihnen sich gerächt und sie vernichtet habe. Durch Matthews erfahren wir übrigens, daß die Schlange nicht überall verehrt und angebetet wird. In anderen Ländern derselben Gegend sehen die Eingeborenen in ihr keine Gottheit, sondern höchstens ein Wild, welches sie verfolgen, weil sie das Fleisch für genießbar halten.
Nach Versicherungen desselben Berichterstatters fängt die Tenne nicht allein Ziegen, Schafe und Schweine, sondern greift auch Leoparden an; ja die Eingeborenen behaupten, daß sie in den sumpfigen Gegenden des Unterlandes, wo der Mensch sie nicht behelligt, eine ungeheuere Größe und Stärke erreiche und demzufolge sogar einen Büffel verschlingen könne: kurz, das alte Märchen vom Drachen wird noch heute geglaubt, mindestens nacherzählt. Dem Menschen soll die Schlange jedoch nur dann gefährlich werden, wenn sie ihn schlafend antrifft.
Ueber die Lebensweise, insbesondere über ihre Raubzüge und das Verschlingen der Beute, fabelt Matthews in entsprechender Weise weiter. »Gewöhnlich«, so erzählt er, »hält sich die Tenne in sumpfiger Gegend auf, und hier kann man sie zuweilen, wenn sie ihren Kopf über das drei Meter hohe Gras erhebt, Umschau halten sehen.« Ihr Angriff auf Beute und das Abwürgen derselben wird von unserem Berichterstatter ziemlich richtig beschrieben, jedoch ausdrücklich betont, daß sie beim Zusammenziehen der Beute alle Knochen zerbreche und dies an zwei bis drei verschiedenen Stellen des Leibes wiederhole. Nachdem sie die Beute getödtet, soll sie einen Umgang von einer halben englischen Meile im Durchmesser halten, um zu sehen, ob keiner ihrer Feinde in der Nähe sei. Unter diesen Feinden ist eine Ameise oder Termite bei weitem der lästigste; denn wenn die Schlange ihre Beute verschlungen hat und während der Verdauung wie leblos daliegt, je nach Größe und Beschaffenheit des Bissens drei oder vier Tage lang in ein und derselben Lage verharrend, wird sie von den Ameisen angegriffen, welche durch alle Oeffnungen des Leibes eindringen und das wehrlose Kriechthier in kürzester Zeit aufzehren.
Man erkennt aus dieser Schilderung, daß Matthews selbständige Beobachtungen nicht gesammelt, sondern haltloses Geschwätz roher Neger zusammengetragen, vielleicht auch seine [332] Geschichten selbst erfunden hat. Wenn wir annehmen, daß die mittelafrikanischen Schlangen gleichartig sind oder doch annähernd dieselbe Lebensweise führen und das hierauf in Erfahrung gebrachte zusammenstellen, wird eine Schilderung der Sitten dieser Thiere ungefähr folgendermaßen lauten müssen: Die Felsenschlange, Assala, Tenne oder wie man sie sonst nennen will, scheint nirgends besonders häufig, aber auch nicht gerade selten, hier und da sogar eine nicht ungewöhnliche Erscheinung und nur aus den bewohnten Gegenden verdrängt worden zu sein. Alte Stücke von sechs Meter und darüber gehören zu den größten Seltenheiten; schon solche von fünf Meter kommen dem beobachtenden und sammelnden Forscher nur ausnahmsweise zu Gesicht. Barth erwähnt, daß von seinen Leuten am Tschadsee eine Felsenschlange von fast sechs Meter Länge erlegt wurde, und Russegger spricht von einer außerordentlich großen, welche man während seiner Reise im Sennâr tödtete; ich selbst habe nur zwei gemessen, eine von 2,5 und eine von 3,15 Meter Länge. Letztere galt in den Augen der Sudânesen als wahres Ungeheuer. Schweinfurth spricht von einer von ihm erlegten Assala, welche fast fünf, und von einer von ihm gesehenen, welche sechs Meter lang war. Hiernach wird man also wohl beurtheilen können, wie es sich mit den zehn bis sechszehn Meter Länge, welche gewisse Berichterstatter unseren Thieren zusprechen, verhält.
Möglicherweise kommt die Schlange häufiger vor, als man glaubt; denn man findet sie ebenfalls nur zufällig auf, wenn sie einmal den Graswald oder das Buschdickicht, ihre beliebtesten, ja fast ausschließlichen Aufenthaltsorte, verlassen, sich in das Freie herausgewagt hat und hier in der Sonne liegen geblieben ist. Wäre es möglich, des Nachts in ihr Wohngebiet einzudringen und Beobachtungen anzustellen, so würde man sie wahrscheinlich weit öfter bemerken, da ja auch sie erst nach Sonnenuntergang ihre Thätigkeit beginnt, insbesondere auf Raub ausgeht. Alle Assalas, mit denen wir zusammentrafen oder von denen wir reden hörten, waren augenscheinlich in ihrer Ta geruhe gestört worden und suchten sich so eilig als möglich aus dem Staube zu machen, sobald sie merkten, daß wir sie entdeckt hatten. Oft genug mag es vorkommen, daß man nah an einer ruhenden Schlange dieser Art vorübergeht oder reitet, ohne sie zu bemerken, weil sie keine Veranlassung findet, sich zu bewegen, während man sie mit Hülfe von jagdgeübten Pferden oder feinspürenden Hunden, denen sie durch ihre Ausdünstung sich verräth, unzweifelhaft wahrnehmen würde. Eine sehr erklärliche Folge dieses seltenen Zusammentreffens ist die in ganz Afrika herrschende Unkenntnis von der Lebensweise der Schlange. Nicht einmal über die Beute, welcher sie nachstellt, ist man genügend unterrichtet, und gerade deshalb gefällt sich die rege Einbildungskraft der Eingeborenen in den unsinnigsten Erzählungen, und solche finden auch in den Berichten europäischer Reisender, ja selbst in Naturgeschichten Wiederhall. »Man schaudert«, versichert Lacépède, »wenn man in den Erzählungen der Reisebeschreiber, welche in das Innere Afrikas gedrungen sind, liest, wie das ungeheuere Thier im hohen Grase und Gesträuche einem großen, langen, fortgeschleuderten Balken gleich dahinwogt. Schon von weitem bemerkt man an dem Grase und den Pflanzen, welche unter ihm sich beugen eine Art von Furche, welche die Windungen ihres Körpers hervorrufen, und sieht herdenweise Gazellen und andere Thiere, auf welche sie Jagd macht, vor ihm herfliehen. Das einzige Mittel, welches in diesen ungeheueren Wüsten übrig bleibt, um sich vor seinem mörderischen Rachen und seiner Gewalt zu schützen, ist, das von der Sonne schon halb verbrannte Gras in Brand zu stecken. Andere Waffen helfen, wenn das Thier ausgewachsen und besonders, wenn es hungrig ist, nichts. Man kann dem Tode nur dadurch entgehen, daß man das ganze Land um sich her in Flammen setzt und so einen Wall von Feuer gegen die Verfolgung dieses Ungeheuers aufwirft. Flüsse und selbst Meeresarme halten es nicht auf; denn es schwimmt mitten in den stürmischen Wellen. Die höchsten Bäume geben ebenso wenig Schutz; denn es ringelt sich schnell bis zu den höchsten Wipfeln empor.« Als Grundlage dieser echt französischen Schilderung werden dann von Lacépède einige Mittheilungen von Reisenden angezogen, welche versichern, daß man in den Magen der afrikanischen Riesenschlangen nicht allein große Thiere, beispielsweise Damhirsche, welche bekanntlich in Westafrika gar nicht vorkommen, sondern ebenso [333] Menschen gefunden habe. Ich gedenke auch an dieser Stelle so sinnloser Fabeln, weil ich mich habe überzeugen müssen, daß man ihnen nicht oft genug entgegentreten kann. In Wahrheit jagt keine afrikanische Riesenschlange, möge sie genannt sein wie, und möge sie leben wo sie wolle, auf Säugethiere, welche größer sind als einjährige Böckchen oder mittelgroße Hunde; ja, solche Beute bildet unzweifelhaft seltene Ausnahmen: denn ich kenne nur sehr wenig vertrauenerweckende Berichte, welche von Thieren gleichen Umfanges sprechen.
Savage erfuhr während seines fünfjährigen Aufenthaltes in der Nähe des Palmenvorgebirges in Westafrika theils durch Hörensagen, theils durch eigene Wahrnehmung, daß Riesenschlangen von ungefähr fünf Meter Länge zweimal kleinere Hunde packten und umringelten und einmal eine kleinere Antilope ergriffen. Die Hunde konnten aus den furchtbaren Umschlingungen nur dadurch gerettet werden, daß man auf die Schlange schlug oder stach. Der eine von ihnen bewahrte für lange Zeit treues Gedächtnis an den erlittenen Angriff und fürchtete sich vor jedermann und vor jedem Dinge. Einer dieser Ueberfälle geschah während des Tages, einer, wie üblich, des Nachts, während welcher Zeit einmal eine Riesenschlange auch das Haus einer Negerin besuchte, um sich dicht neben deren Lager eines Huhnes zu bemächtigen. In lebendiger und anziehender Weise schildert Schweinfurth ein ähnliches Vorkommnis. »Zwischen tiefen Erdrissen, welche zur Regenzeit zwei sich mit einander verbindende Bäche darstellten, und deren einer meinen Begleiter mitsammt seinem Esel barg, hatte ich im hohen Grase einen kleinen Buschbock krank geschossen. Ich sah ihn in der Richtung meines Ausgangspunktes durch das Gras eilen und erwartete eben sein Zusammenbrechen. Da hörte ich ihn plötzlich ein kurzes, meckerndes Geschrei ausstoßen, und in demselben Augenblicke, als sei er in eine Versenkung gefallen, war er meinen Blicken entzogen. Nun drang ich durch das hohe Gras zu der Stelle vor, wo ich ihn zuletzt gesehen hatte, konnte aber nichts ausfindig machen. Meine Bewegungen waren durch zwei Gewehre, welche ich trug, sehr erschwert; aber da ich das Thier bestimmt auf dem scharf abgegrenzten Striche wußte, welcher sich zwischen den beiden Erdrissen befand, so scheute ich nicht die Mühe einer fortgesetzten Nachsuchung. Endlich sah ich es dicht vor mir liegen, auf das lebhafteste mit den Läufen schnellend, aber fest gebannt an dem Boden durch einen Gegenstand, den ich nicht erkannte. Es schien mir, als hätte ein Nubier sein schmutziges Umschlagetuch auf die Beute geworfen. Ich trat einen Schritt näher und gewahrte ganz deutlich den dicken Leib einer Riesenschlange, welche in dreifachen Windungen den Körper des Bocks umschlungen hielt. Der Kopf lag lang vorgeschoben, an dem einen Hinterlauf angeschmiegt.« Wie Schweinfurth diese Riesenschlange erlegte, werde ich weiter unten erzählen und hier nur bemerken, daß sie und die Antilope, als sie auf den Rücken des Esels gelegt wurden, einander ungefähr das Gleichgewicht hielten. Falkenstein endlich tödtete, wie er mir schreibt, eine von sechs Meter Länge, welche eine ausgewachsene Schirrantilope (Bd. III, S. 243) im Leibe und noch so wenig verdaut hatte, daß bis auf den fehlenden Kopf das ganze Gerippe benutzt werden konnte. Ich wiederhole, daß die Assala bloß ausnahmsweise so große und schwere Thiere überfällt, um sie zu verzehren. In der Regel begnügt sie sich mit viel kleinerem Wilde, insbesondere mit Hasen, Erdeichhörnchen, Springmäusen und anderen auf dem Boden lebenden Nagern. Sie und verschiedene Erdvögel dürften am meisten ihren Nachstellungen ausgesetzt sein. In dem Magen einer von mir untersuchten Assala fand ich ein Perlhuhn, und hiermit steht auch eine Angabe Draysons im Einklange. Letzterer erzählt, daß er in Natal einstmals einen kleinen Trappen wiederholt auffliegen sah und beim Näherreiten bemerkte, daß dies geschah, weil er von einer Felsenschlange hartnäckig verfolgt wurde. Nachdem er auf dem Wahlplatze erschienen war und den wohlschmeckenden Vogel erlegt hatte, hielt es die Schlange für das gerathenste, sich so eilig als möglich zu entfernen, wurde aber von dem eifrigen Jäger, welcher schon längst gewünscht hatte, ein derartiges Kriechthier zu fangen, nach kurzer Jagd eingeholt und durch einen Knüppelhieb erlegt oder wenigstens betäubt. Falkenstein schreibt mir ferner, daß sie an der Westküste Afrikas sozusagen vor seinen Augen ein Huhn stehlen wollte, öfter noch aber in Schafställen [334] überrascht, von den Negern mit einer Grasschlinge gefesselt, so fortgezogen und Europäern zum Kaufe angeboten werde. Anderson endlich berichtet, Erzählungen der Eingeborenen wiedergebend, daß sich unsere Schlange hauptsächlich von Klippschliefern ernähre: auch das mag richtig sein.
Ueber die Fortpflanzung wußten die Sudâner, soviel ich mich erinnere, mir nicht das geringste mitzutheilen. Wir haben jedoch an Gefangenen erfahren, daß sie hierin von den asiatischen Verwandten sich nicht unterscheiden. Im Juni des Jahres 1861 paarten sich zwei Pythonschlangen dieser Art im Londoner Thiergarten und gegen die Mitte des Decembers bemerkte man, daß das Weibchen an einer Stelle des Leibes, deren Länge ungefähr 2,5 Meter der Ausdehnung betrug, sehr an Stärke zunahm. Der Wärter, welcher wußte, daß das Thier seit einer Reihe von Wochen nichts gefressen hatte, hielt es für krank und erkannte erst wenige Tage vor dem dreizehnten Januar die wirkliche Ursache der ungewöhnlichen Erscheinung. Am Morgen des genannten Tages bemerkte der Mann, daß die weibliche Schlange im Laufe der vorhergegangenen Nacht eine große Menge von Eiern, wie es sich später herausstellte, fast einhundert, gelegt und in der bereits geschilderten Weise über ihnen sich zusammengeringelt hatte. Dem Anscheine nach war das Legen geschehen, indem die Schlange beständig in einem Kreise sich bewegt und dabei ein Ei nach dem anderen zur Welt gebracht hatte. Keines von diesen hing mit dem anderen irgendwie zusammen; der ganze Haufe leimte sich jedoch später infolge der klebrigen Haut fest aneinander und wurde außerdem durch das Gewicht der darüber liegenden Mutter so gepreßt, daß die Eier ihre anfänglich runde Gestalt gänzlich verloren. In der gewählten Lage verblieb die Mutter bis zum vierten April, und während der ganzen Zeit verließ sie die Eier nur selten und immer bloß zeitweilig, am längsten, als sie am vierten März sich häuten wollte. Dieser Vorgang, welcher bei gesunden Schlangen höchstens drei oder vier Stunden in Anspruch nimmt, währte diesmal volle zehn Stunden, und die Oberhaut streifte sich bloß in kleinen Fetzen ab, was immer ein Zeichen des Unwohlseins einer Schlange ist. Bekannt mit den Beobachtungen von Valenciennes, maß man auch bei dieser Gelegenheit die Wärme, welche sich zwischen den Ringen der Schlange entwickelte und wandte zu diesem Zwecke besonders gefertigte, höchst empfindliche Werkzeuge an. Das Ergebnis der Messungen war zwar sehr verschieden, stellte jedoch unzweifelhaft fest, daß der Leib des Weibchens eine höhere Wärme zeigte als der des Männchens, und daß der Wärmegrad zwischen den Ringen noch wesentlich höher war als der der äußeren Theile des Leibes. Es betrug z.B. bei 58,6 Grad Luftwärme die Wärme der äußeren Theile des Männchens 70,2 Grad, derer des Weibchens 73 Grad Fahrenheit, die Wärme zwischen den Falten des Männchens 74,8, zwischen den Falten des Weibchens 81,6 Grad, und in einem Falle, am zweiten März, ergab die Messung bei 60 Grad Luftwärme und 71,6 Grad Außen- und 76 Grad Innenwärme beim Männchen, sogar 84 Grad Außen- und 96 Grad Innenwärme beim Weibchen, zeigte also einen Unterschied von 12,4 beziehentlich 20 Grad Fahrenheit zu Gunsten des Weibchens. Am vierten April bemerkte man, daß die Eier ersichtlich in Verwesung übergegangen waren, und, da die Schlange nunmehr fast zehn Wochen über ihnen gelegen und außerdem beinahe zweiunddreißig Wochen gefastet hatte, ein günstiges Ergebnis auch nicht in Aussicht stand, entfernte man die Eier. Genauere Untersuchung derselben ergab in fünf bis sechs von ihnen theilweise entwickelte Keimlinge, unter denen der eine ungefähr neunundzwanzig Centimeter Länge erreicht hatte. Die Beschilderung und ebenso Färbung und Zeichnung waren bereits ersichtlich geworden, die Jungen demnach bis fast zum Auskriechen gediehen. Die übrigen untersuchten Eier bildeten, mit Ausnahme eines einzigen, nur eine verwesende, fettige Masse und ließen nicht erkennen, daß sie befruchtet gewesen waren. In jenem einzigen bemerkte man noch funfzehn Tage, nachdem man es der Mutter weggenommen hatte, einen lebenden Keimling. Ungefähr einen Monat später häutete sich die Schlange, welche nach Wegnahme ihrer Eier lebhafte Unruhe bekundet hatte, zum ersten Male, fraß wie gewöhnlich und befand sich fortan wieder in bestem Wohlsein.
Zur Jagd der Assala bedienen sich die Sudâner, welche sehr wohl wissen, daß sie ungefährlich ist, eines einfachen Knüppels, da ein einziger, kräftiger Schlag auf den Kopf des Thieres hinreicht, [335] es zu fällen. Wir erfuhren, daß es ebenso leicht durch einen Schuß mit mittelstarken Schroten erlegt wird. Angeschossene Riesenschlangen, namentlich solche, welche schmerzhaft verwundet wurden, scheinen sich, wie aus der bereits theilweise gegebenen Schilderung Schweinfurths hervorgehen dürfte, vertheidigen zu wollen. Als unser Reisender den oben erwähnten Buschbock in der Gewalt der Riesenschlange gesehen hatte, wich er so weit zurück, als ihm erforderlich schien, um den besten Schuß abgeben zu können, feuerte und sah, wie in demselben Augenblicke der Python kerzengerade und meterhoch vor seinen Blicken stand. »Dann«, sagt Schweinfurth wörtlich, »schnellte er zurück und schoß mit unglaublicher Schnelligkeit hoch auf mich los. Aber nur die vordere Hälfte schien beweglich, der Rest des Schlangenleibes lag gelähmt am Boden; denn die Wirbelsäule war gebrochen. Als ich dies gewahr geworden, griff ich zu meiner Schrotflinte, feuerte, lud und feuerte wieder, so lange, bis das Unthier keine Bewegung mehr verrieth. Es war ein Zielen so ungefähr wie auf einen Nachtschatten; denn ich vermochte den Bewegungen der Schlange nicht zu folgen.« In anderen Fällen überzeugte sich auch Schweinfurth, daß gerade die Riesenschlange durch einen gewöhnlichen Schrotschuß zu tödten ist, sobald nur die Wirbelsäule zerschmettert wird.
Im Ostsudân erfuhr ich, daß man eine erlegte Assala zunächst für die Küche verwendet, daher ihr Fleisch, mit Salz und rothem Pfeffer gewürzt, möglichst weich zu kochen sucht und es dann mit ebenso großem Behagen als das Krokodilfleisch verzehrt. Da mir von dem Wohlgeschmacke desselben mancherlei erzählt worden war, ließ ich für uns ebenfalls ein Stück Fleisch in der angegebenen Weise zubereiten. Das Gericht hatte eine vielversprechende, schneeweiße Färbung und in der That einen zusagenden, an den des Hühnerfleisches erinnernden Geschmack, war aber so hart und zähe, daß wir es kaum zerkauen konnten. Nach Heuglin verzehren auch die Dorneger am Weißen Flusse das Fleisch dieser Riesenschlange, während die Dinkaneger, welche an demselben Strome wohnen, nach Schweinfurths Erfahrungen, alles kriechende Gewürm und insbesondere die von ihnen hoch verehrten Schlangen nicht für küchengemäß erachten und von Kriechthieren einzig und allein Schildkröten genießen. Dagegen betrachten wiederum die Neger Westafrikas Schlangen dieser Art als ein ausgezeichnetes Gericht, kochen, laut Savage, sogar die Haut und die Gedärme und bereiten sich aus beiden eine Suppe, welche sie höher als jede andere zu schätzen scheinen. Livingstone theilt uns mit, daß die Felsenschlange von Buschmännern und Bakalaharis gern gegessen wird, Smith dagegen, daß die Eingeborenen Südafrikas sie selten zu verfolgen wagen, weil sie vor ihr eine sonderbare Furcht haben und glauben, daß sie einen gewissen Einfluß auf ihr Schicksal auszuüben vermöge, und daß es niemand gebe, welcher ihr einmal etwas zu Leide gethan habe, ohne früher oder später für seine Verwegenheit bestraft worden zu sein. Noch wichtiger als das Fleisch scheint den Sudânern die bunte Haut zu sein; sie wird von ihnen und ebenso von den freien Negern des Blauen und Weißen Nils zu allerlei Zierat und zwar in höchst geschmackvoller Weise, insbesondere zum Ausputz von Messerscheiden, Amuletrollen, Brief- oder Geldtaschen und dergleichen verwendet. Das Fett der Assala steht bei einzelnen Völkerschaften, beispielsweise bei den Namaquas, in dem Rufe, eine überaus wohlthätige Heilkraft zu besitzen, wird aus diesem Grunde noch sorgfältiger bewahrt als das Fleisch und von Kranken in bestem Glauben, daher in vielen Fällen mit Erfolg, eingenommen. Im Sudân herrscht, laut Schweinfurth, eine ähnliche Ansicht, nur daß man die Heilkraft des Fettes auf Ohrenkrankheiten beschränken zu müssen glaubt.
In Thiergärten und Schaubuden sieht man die afrikanische Riesenschlange nicht viel seltener als ihre amerikanischen Verwandten. Sie scheint sich ebenso leicht wie letztere an den Pfleger zu gewöhnen, hält auch bei geeigneter Behandlung trefflich aus.
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Ein Python, welcher Neuholland bewohnt, ist unter dem Namen Morelia von seinen Verwandten getrennt worden, weil er sich durch Stellung der Nasenlöcher und Beschilderung des [336] Kopfes einigermaßen unterscheidet. Jedes Nasenloch öffnet sich in einem einzigen Schilde; der Kopf trägt solche nur vorn; zwei Lippenschilder zeigen Gruben.
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