Schwarznatter (Coryphodon constrictor)

[358] Zu derselben Sippe zählt man die bekannte Schwarznatter Nordamerikas (Coryphodon constrictor, Coluber und Bascanion constrictor), eine kräftige Schlange von zwei Meter Länge und bläulichschwarzer Färbung, welche letztere auf der Unterseite in licht Aschgrau und an der Brust in Weißgrau übergeht. Einzelne Stücke ändern insofern ab, als sie oben unregelmäßig dunkler gefleckt sind.

Unter den nordamerikanischen Schlangen ist die Schwarznatter eine der verbreitetsten und häufigsten. Auch sie bevorzugt wasserreiche Gegenden und hält sich gern an den Ufern von Flüssen, Teichen oder Seen auf, insbesondere da, wo Gebüsch mehr oder weniger im Wasser selbst steht, unternimmt jedoch, wie unsere Ringelnatter, zuweilen Wanderungen über trockenes Land und wird bei dieser Gelegenheit auf den verschiedenartigsten Oertlichkeiten beobachtet. Wenn man den Berichterstattern in jeder Beziehung glauben darf, übertrifft sie alle ihre Verwandten an Bewegungsfähigkeit und Schnelle. Sie schlängelt sich mit gleicher Gewandtheit über trockenes und steiniges Land, klettert geschickt und deshalb gern im Gezweige der Sträucher und Bäume umher und schwimmt und taucht vorzüglich. Ihre Nahrung besteht aus Fischen, Lurchen, Schlangen, Vögeln und kleinen Säugethieren; namentlich soll sie jungen Klapperschlangen und ebenso Mäusen und Ratten mit Erfolg nachstellen, aber auch viele Nester nützlicher Vögel ausplündern. Hier und da gilt sie als eine der wirksamsten Feinde ihrer gefürchteten Verwandten. Geyer hält letzteres, obgleich er es nicht gesehen, für sehr glaubhaft, weil erwachsene Klapperschlangen die Schwarznatter grimmigst verfolgen. Eine derartige Verfolgung endet immer mit der Flucht der Natter, welche sich durch Klettern auf einen Strauch oder niederen Baum hilft. Beide Schlangen jagen sich in einem Kreise, wenden sich hierauf schnell, schießen aneinander vorüber, wiederholen in einer gewissen Entfernung ihr Kreisen und setzen es fort, bis bei der Klapperschlange der höchste Grad von Wuth eingetreten ist, und sie wie blind umhertobt, worauf dann die listige Natter die sichere Höhe besteigt und ihrer rasenden Feindin das Feld überläßt. Infolge der unserer Schwarznatter zugeschriebenen Verminderung junger Klapperschlangen hält man sie ziemlich allgemein für ein nützliches Thier; gleichwohl wird sie nicht überall gern gesehen, hier und da gefürchtet, ersteres wegen ihrer Raubsucht, welche sich auch auf das Hofgeflügel erstreckt, letzteres wegen einer sonderbaren Angriffslust, welche sie zuweilen bethätigt, richtiger vielleicht, bethätigen soll. Schon der alte Kalm erzählt, daß sie während der Paarungszeit wie ein Pfeil aus dem Gebüsche hervorkommt, auf den Menschen zufährt und ihn mit solcher Hurtigkeit verfolgt, daß er kaum entkommen kann. Erreicht sie einen, so wickelt sie sich um die Füße und macht, daß man umfällt. Das beste hierbei ist, daß ihr Biß nicht mehr schadet, als wenn man sich mit einem Messer geschnitten hätte. Da sie beim Laufen über abgefallene Blätter ein ähnliches Geräusch hervorbringt wie die rasselnde Klapperschlange, wird sie manchmal mit dieser verwechselt und entsetzt den Menschen, an welchem [358] sie ihren Muthwillen ausübt, aufs äußerste. Die neueren Berichterstatter treten dieser höchst unwahrscheinlichen Angabe auffallenderweise nicht entgegen, und sie spukt deshalb in allen Naturgeschichten umher, ohne auch nur bezweifelt zu werden, wie es doch meiner Ansicht nach unbedingt geschehen muß. So viel mag richtig sein, daß die Schwarznatter, wenn sie rauben will, mit ziemlicher Eile auf ihr Opfer zustürzt; sie mag ebenso den auch ihr beigelegten Namen »Renner« verdienen, d.h. sich durch ungewöhnliche Schnelligkeit auszeichnen: jene Geschichte aber ist denn doch zu abgeschmackt, als daß sie Glauben verdienen könnte.

Ueber die Fortpflanzung scheinen wenig Beobachtungen angestellt worden zu sein. Catesby gibt an, daß sie lebendige Junge zur Welt bringen soll.

In die Gefangenschaft fügt sich die Schwarznatter ebenso gut als andere Arten der Familie und hält bei geeigneter Pflege jahrelang aus. Mit anderen Schlangen verträgt sie sich nicht, und kleineren gegenüber übt sie das Recht des Stärkeren rücksichtslos aus, erwürgt gelegentlich eine oder die andere ihrer Mitgefangenen und verschlingt sie.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Siebenter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Erster Band: Kriechthiere und Lurche. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 358-359.
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